Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420385/37/SR/Ri

Linz, 03.12.2004

 

 

 VwSen-420385/37/SR/Ri Linz, am 3. Dezember 2004

DVR.0690392
 
 
 
 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des A S, geb. am, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G S, Mstraße, L, wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 10. Februar 2004 durch den dem Sicherheitsdirektor für das Bundesland Oberösterreich zuzurechnenden Beamten des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich, nach der am 8. November 2004 durchgeführten mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass der Beschwerdeführer durch ein dem Sicherheitsdirektor für das Bundesland Oberösterreich zurechenbares Organ am 10. Februar 2004, zwischen ca. 09.15 und ca. 10.45 Uhr im Zuge der Befragung in Linz, Nietzschestraße 33 und der freiwilligen Nachschau in der Wohnung in Linz, Dstraße im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, dadurch verletzt wurde, dass gegen ihn unnötige Zwangsgewalt angewendet und er dabei am Körper mehrfach verletzt wurde, indem er von einem Gendarmeriebeamten gegen das rechte Schienbein und den Kniebereich des rechten Oberschenkels getreten und auf den Hinterkopf, Nacken-, Brust und Bauchbereich geschlagen worden ist. Für den Beschwerdeführer war diese Vorgangsweise mit erheblichen Verletzungen und Schmerzen verbunden.

II. Der Bund (Verfahrenspartei: Sicherheitsdirektor für das Bundesland Oberösterreich) hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 1.527,20 Euro (darin enthalten Bundesstempel von 40,40 Euro) binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

Art 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z 2 und § 67c AVG 1991; § 79a AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 334/2003.

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Schriftsatz vom 22. März 2004, beim Oö. Verwaltungssenat eingelangt am 23. März 2004, hat der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), eine Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs.1 Z. 2 B-VG wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 10. Februar 2004 erhoben und eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter sowie einfachgesetzlicher Rechte geltend gemacht.

 

Im Einzelnen wurde ausgeführt, dass der Arbeitgeber des Bf am 9. Februar 2004 von einem Herrn S telefonisch kontaktiert worden sei. Im Telefonat sei der Arbeitgeber des Bf ersucht worden, dem Bf einen Einvernahmetermin für 10. Februar 2004, 09.00 Uhr bei der Bundespolizeidirektion Linz mitzuteilen.

 

Entsprechend der Mitteilung habe sich der Bf bei der Bundespolizeidirektion Linz, fremdenpolizeilichen Abteilung, um 09.00 Uhr eingefunden. Nach einer Wartezeit von ca. 10 Minuten sei der Bf von zwei Personen in ein Zimmer im 2. Stock geführt worden. Im Büro seien dem Bf drei Fotos von unbekannten Männern gezeigt worden. Anschließend sei er aufgefordert worden, dazu Stellung zu nehmen. Da er die Personen nicht identifizieren und auch keine Angaben hinsichtlich Namen und Aufenthalt machen konnte, sei er von beiden Männern, beginnend mit Fußtritten und in der Folge auch durch Faustschläge in den Brust-, Bein-, Bauch- und Kopfbereich misshandelt worden. Wegen seiner Weigerung, Hinweise über die Identität der ihm vorgehaltenen Personen zu geben, seien ihm drei Schriftstücke, mit der Aufforderung diese zu unterschreiben, vorgelegt worden. Da sich der Bf geweigert habe, die Schriftstücke, deren Inhalt ihm bis dato unbekannt gewesen sei, zu unterschreiben, sei er von den beiden Männern solange misshandelt worden, bis er letztlich auch unterschrieben hätte. In der Folge sei der Bf von den beiden Personen gezwungen worden, mit diesen in einem roten Pkw der Marke Ford zu seiner Wohnung zu fahren. Dort angekommen hätten sich die beiden Männer den Zutritt zur Wohnung erzwungen und diese nach unbekannten Gegenständen bzw. Personen durchsucht. Dabei sei der Bf auch noch in der Wohnung nach dem Aufenthaltsort seiner Ehefrau gefragt worden. Obwohl er mehrmals ihren Aufenthaltsort mitgeteilt habe, sei er auch noch in der Wohnung misshandelt worden. Während der Maßnahmen sei dem Bf weder ein hoheitlicher Akt ausgehändigt noch die Vorgangsweise von den Männer auf irgendeine Art und Weise begründet worden. Der Bf gehe davon aus, dass es sich bei den beiden Männern um Beamte der Bundespolizeidirektion Linz, kriminalpolizeiliche Abteilung, handeln würde.

 

Durch die Vorgangsweise fühle sich der Bf massiv in seinen Grund- und Freiheitsrechten verletzt. Ohne weitere Begründung sei davon auszugehen, dass das Verhalten der Mitglieder der BPD Linz den Straftatbestand der Körperverletzung, Nötigung und gefährlichen Drohung erfülle. Diesbezüglich habe er eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Linz gegen unbekannte Mitglieder der BPD Linz eingebracht.

 

Abschließend stellte der Bf den Antrag, "der Unabhängige Verwaltungssenat möge die gebotenen Beweise aufnehmen und die Rechtswidrigkeit der am 10. Februar 2004 über den Bf verhängte verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt erklären".

 

1.2. Mit Schreiben vom 19. April 2004 wurde dem Polizeidirektor der Landeshauptstadt Linz eine Kopie der Maßnahmenbeschwerde übermittelt und dieser ersucht, allenfalls vorhandene bezughabende Verwaltungsakte vorzulegen. Weiters wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, eine Gegenschrift zu erstatten.

 

In der Folge ermittelte die ursprünglich belangte Behörde, dass es sich bei den in der Maßnahmenbeschwerde bezeichneten Personen um Beamte des Oö. Landesgendarmeriekommandos, Kriminalabteilung, gehandelt habe. Auf Grund dieses Ergebnisses wurde das Ersuchen des Oö. Verwaltungssenates an den Sicherheitsdirektor für das Bundesland Oberösterreich weitergeleitet.

 

In der Gegenschrift vom 17. Juni 2004, II-152/04, eingelangt am 24. Juni 2004 beim Oö. Verwaltungssenat, teilte die belangte Behörde mit, dass am 10. Februar 2004 die Beamten RevInsp S und RevInsp Sp Erhebungen im Themenbereich "Scheinehen" durchgeführt hätten. Die beiden Beamten seien dem Ermittlungsbereich 11 der Kriminalabteilung des Oö. Landesgendarmeriekommandos (Schlepperei, Menschenhandel, Prostitution) zur Dienstverrichtung zugeteilt worden. Auf Grund vorangegangener Ermittlungen und der Angaben der Auskunftsperson M L sei den Beamten deren Scheinehe mit A Sh bekannt geworden. Da zu der im Jänner 2004 in Wels vorgenommenen niederschriftlichen Einvernahme der M L die Einvernahme ihres Ehegatten erforderlich gewesen sei, habe man den Bf als Auskunftsperson am 10. Februar 2004 befragt. Die Ausführungen der M L seien dem Bf vorgehalten worden und er habe dazu als Auskunftsperson freiwillig seine Angaben gemacht. Diese hätten auch seiner Verteidigung im Rahmen des fremdenpolizeilichen Verfahrens gedient. Nach Beendigung der Einvernahme habe sich der Bf auf freiwilliger Basis mit den Ermittlungsbeamten zu seiner Wohnung begeben und über Aufforderung Damenbekleidungsstücke seiner Ehegattin vorgewiesen.

 

Aus dem Sachverhalt und dem beiliegenden Beweismaterial könne die belangte Behörde keine - wie in der Beschwerdeschrift behauptet - rechtswidrige Misshandlung oder Hausdurchsuchung entnehmen. Eine Überprüfung habe ergeben, dass zwei Beamte der Ermittlungsgruppe Scheinehen am 10. Februar 2004 in der Zeit von 10.00 Uhr bis 13.00 Uhr in der angrenzenden Kanzlei ebenfalls eine niederschriftliche Einvernahme durchgeführt hätten. Diese Beamten hätten aus dem angrenzenden Büro, in dem der Bf einvernommen worden war, keine erhöhte Geräuschentwicklung wahrgenommen. Anlässlich des Beschwerdefalles - K A vom 9. Februar 2004 gegen die Beamten RevInsp S und RevInsp Sp - habe das Büro für interne Angelegenheiten (im Folgenden: BIA) Ermittlungen auf Grund ähnlich gelagerter Vorwürfe durchgeführt. Dabei seien in den gegenständlichen Büroräumlichkeiten Sprachproben vorgenommen worden. Seitens der BIA sei festgestellt worden, dass jedes lauter gesprochene Wort und auch sonstiger Lärm (z.B. Sesselrücken) durch die Mauern durchgehört werden könnte.

 

Anzuführen sei auch, das es nicht nachvollziehbar sei, weshalb RevInsp S und RevInsp Sp den Bf zu einer Niederschrift zwingen sollten, wenn darin lediglich ausgeführt würde, dass er keine Scheinehe eingegangen sei.

 

Neben dem Antrag auf Abweisung bzw. Zurückweisung als unzulässig wird ein entsprechendes Kostenbegehren gestellt.

 

2.1. Die belangte Behörde hat den verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt (Ergebnisse der von ihr vorgenommenen Ermittlungen und Erhebungen betreffend der ähnlich gelagerten Vorwürfe vom 9. Februar 2004 gegen die Beamten RevInsp S und RevInsp Sp) samt Gegenschrift vorgelegt. Am 29. Juni 2004 hat die belangte Behörde ergänzende Erhebungsergebnisse des LGK f. Oö. vom 25. Juni 2004 nachgereicht. In einem weiteren Schreiben vom 9. August 2004 übermittelte die belangte Behörde einerseits ein Schreiben des LGK f. Oö. vom 15. Juli 2004, in dem berichtet wurde, dass die StA Linz das Verfahren gegen die Beamten RevInsp S und RevInsp Sp gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt bzw. das eingeleitete Verfahren eingestellt habe und andererseits weitere Erhebungsergebnisse und Niederschriften. Mit Schreiben vom 6. September 2004 wurden Aktenvermerke und ein Erhebungsergebnis vorgelegt.

 

2.2. Dem Beschwerdevertreter wurden sämtliche Aktenbestandteile und die Gegenschrift der belangten Behörde übermittelt. Gleichzeitig wurde ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

 

2.3. In der Stellungnahme vom 21. September 2004, eingelangt am 24. September 2004, bestritt der Bf die Annahme, dass es sich bei seiner Ehe mit M L um eine Scheinehe handle. Diesbezüglich verwies er auf eine eidesstattliche Erklärung seiner Ehegattin vom 9. Jänner 2003. In der Folge wiederholte er die Misshandlungsvorwürfe und ergänzte, dass das Vorbringen der belangten Behörde, er sei nur wegen einer möglichen Scheinehe befragt worden, nicht richtig sei. Ebenso sei das Aufsuchen seiner Wohnung im Anschluss an die niederschriftliche Befragung nicht freiwillig erfolgt, sondern er sei dazu genötigt worden. Die ermittelnden Beamten hätten sich auch den Zutritt zur Wohnung erzwungen und ihn dort wiederum misshandelt. Die Misshandlungen seien auch von der Wohnungsnachbarin wahrgenommen worden. Unmittelbar nach den Maßnahmen habe sich der Bf in die Kanzlei seines Rechtsvertreters begeben. Um ca. 11.00 Uhr habe der Bf dem Rechtsanwaltsanwärter Mag. J S und kurz danach seinem Rechtsvertreter, Rechtsanwalt Dr. G S, in der Kanzlei von den soeben erlebten Geschehnissen berichtet und durch Ablegen der Kleidung die behaupteten Verletzungen bzw Hämatome dargetan. Die Verletzungen seien durch die der Beschwerde beigelegten Farbfotos belegt. Auf den Rechtsanwaltsanwärter und seinen Rechtsvertreter habe er bei der Schilderung der Vorkommnisse einen geschockten Eindruck gemacht. Im Anschluss an das Gespräch habe sein Rechtsvertreter Kontakt mit dem Leiter der fremdenpolizeilichen Abteilung aufgenommen. Letzterer habe ausschließen können, dass Beamte der fremdenpolizeilichen Abteilung die behaupteten Maßnahmen gesetzt hätten.

 

Zusammenfassend sei die Vorgangsweise der ermittelnden Beamten gemäß Art 3 MRK als unmenschliche und erniedrigende Behandlung zu beurteilen. Die Maßnahmen seien, wie die anschließende Hausdurchsuchung als rechtswidrig anzusehen.

 

Abschließend wurde der bereits in der Beschwerdeschrift ausgeführte Antrag wiederholt und ergänzend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und der Kostenersatz beantragt.

 

Der Stellungnahme fügte der Rechtsvertreter des Bf Aktenvermerke und eine eidesstattliche Erklärung bei.

 

2.4. Über Ersuchen des Oö. Verwaltungssenates legte der Bf am 19. Oktober 2004 eine Kopie seiner niederschriftlichen Angaben bei der Beschuldigtenvernehmung (Verdacht der Verleumdung - § 297 Abs. 1 2. Fall StGB) am 26. August 2004 beim Landesgericht Linz, Abteilung 17, AZ 17 Ur 209/04 z, vor.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. hat für 8. November 2004 am Sitz des Oö. Verwaltungssenates eine öffentliche mündlichen Verhandlung anberaumt. Hiezu wurden der Bf. über seinen Rechtsvertreter, die belangte Behörde, die Zeugen RevInsp S und RevInsp Sp, Rechtsanwaltsanwärter Mag. J S, T Ö und der Dolmetscher für die albanische Sprache, H Z geladen.

 

Die Zeugin T Ö ist der mündlichen Verhandlung unentschuldigt ferngeblieben.

 

3.2. Nach Eröffnung der Verhandlung und Skizzierung des Verhandlungsablaufes hat der Beschwerdevertreter die Maßnahmenbeschwerde auf die Verletzung des Art. 3 EMRK eingeschränkt.

 

3.3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat auf Grund der aufgenommenen Beweise den folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt als erwiesen angenommen:

 

Der Bf wurde als Auskunftsperson von den Gendarmeriebeamten RevInsp S und RevInsp Sp für 10. Februar 2004, 09.00 Uhr, ins Amtsgebäude der Bundespolizeidirektion Linz, fremdenpolizeiliche Abteilung, geladen. Nachdem der Bf zum angeführten Zeitpunkt bei der fremdenpolizeilichen Abteilung vorgesprochen hatte, wurde er nach einer Wartezeit von ca. 10 Minuten von den beiden Beamten abgeholt und in deren Büro im 2. Stock des Amtsgebäudes gebracht.

 

Zu Beginn der niederschriftlichen Befragung setzten die beiden Beamten den Bf vom Grund der Befragung in Kenntnis. Ein Dolmetscher wurde der Amtshandlung nicht beigezogen. Anschließend forderte einer der beiden Beamten den Bf zur Ausweisleistung auf. Der Bf überreichte dem Beamten, der die Aufforderung ausgesprochen hatte, die Brieftasche mit seinen Dokumenten. Der ganze Inhalt wurde auf dem Beistelltisch ausgebreitet und von den Beamten in Augenschein genommen. Wann der Bf seine Brieftasche samt Inhalt wieder an sich nehmen durfte, konnte nicht mehr festgestellt werden.

 

Vor Beginn der schriftlichen Aufzeichnung in Form einer Niederschrift führten die beiden Beamten mit dem Bf eine Vorbesprechung durch. Als Beginn der Niederschrift wurde 09.30 Uhr vermerkt. RevInsp Sp fertigte die Niederschrift, die, abgesehen von den Belehrungen, lediglich 14 Zeilen Text umfasst, an. U.a. ist in der Niederschrift angeführt:

 

"....... Weil ich ihr die Strafe bezahlt habe heiratete mich M. Wir haben am 30.09.2002 in Linz geheiratet.

 

Wo meine Frau zur Zeit kann ich nicht sagen. Angeblich ist sie zur Zeit in Hall in Tirol arbeiten. Ich habe keine Adresse und kein Telefon von ihr. Sie wohnt bei mir in der Dstrasse. M hat keine Tätowierungen. M hat keine Narben.

 

Die Ehe wurde vollzogen.


Meine Ehe wurde nicht vermittelt. Ich liebe meine Frau. ....."

 

RevInsp S befragte den Bf. Zu diesem Zweck nahm er unmittelbar vor dem Bf auf einem Sessel, der leicht schräg nach links versetzt vor dem Bf stand, Platz. Im Zuge der Befragung trat der Gendarmeriebeamte RevInsp S zumindest einmal gegen das rechte Schienbein des Bf. Der Bf erlitt dabei eine ca. 2 x 3 cm große Abschürfung über dem rechten Schienbein (siehe Foto 1 - Beilage 1 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung) und mehrere (leichte) Abschürfungen im Unterschenkelbereich. Während der weiteren Vernehmung versetzte der Gendarmeriebeamte RevInsp S dem Bf Schläge auf den Hinterkopf und in den Bauchbereich. Dabei trug der Bf eine Beule am Hinterkopf, eine Schwellung im Nackenbereich und Kopfschmerzen davon. Die genannten Verletzungen stellte OA Dr. K bei der Erstbehandlung im AKH Linz am 10. Februar 2004 um 11.45 Uhr fest. Die Tätlichkeiten übte RevInsp S von seiner Sitzposition aus.

 

Während der gesamten Vernehmung war der Bf ruhig und nahm zu keinem Zeitpunkt eine aggressive oder drohende Haltung ein. Bei den Schlägen gegen den Kopfbereich hielt der Bf seine Arme schützend vor den Kopf.

 

Einer der beiden Beamten hielt dem Bf im Zuge der Befragung Fotos von Vermittlern von Scheinehen vor. Der Bf konnte keine Person identifizieren.

 

Gegen ca. 10.00 Uhr beendeten die beiden Beamten die Einvernahme. RevInsp Sp forderte den Bf zur Unterschriftsleistung auf. Vor der Unterfertigung wurde der Bf von RevInsp Sp gefragt, ob er den Inhalt der Niederschrift verstanden habe. Der Bf bejahte die Frage und unterschrieb die Niederschrift.

 

Dem Ersuchen der beiden Beamten, in der Wohnung des Bf im Zusammenhang mit der Scheineheermittlung eine Nachschau durchzuführen, kam der Bf "freiwillig" nach. Nach einer Wartezeit von ca. 5 bis 10 Minuten verließ der Bf mit den Beamten deren Büro und wurde von ihnen mit einem Dienstkraftfahrzeug in seine Wohnung gebracht.

 

Die Nachschau in der Wohnung des Bf nahmen ausschließlich die Gendarmeriebeamten RevInsp Sp und RevInsp S vor. Während sich RevInsp Sp noch im Schlafzimmer aufhielt und den Kasten einer Untersuchung unterzog, begab sich RevInsp S zum Bf in die Küche. Im Zuge der Befragung trat RevInsp S den Bf gegen den rechten Oberschenkel und versetzte ihm Schläge in die Bauchgegend. Bei den Schlägen schrie der Bf unterdrückt auf. Der Bf erlitt durch die Tritte eine Rötung, Schwellung und Abschürfung über dem rechten Oberschenkel im Kniebereich (Fotos 2, 3 und 4 - Beilagen 2 bis 4 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung). Die genannten Verletzungen stellte OA Dr. K bei der Erstbehandlung im AKH Linz am 10. Februar 2004 um 11.45 Uhr fest.

 

Die Amtshandlung in der Wohnung dauerte ca. 15 Minuten.

 

Nachdem die Beamten die Wohnung verlassen hatten, ging der Bf diesen nach und ersuchte um Rückgabe seines Handys. RevInsp S kehrte mit dem Bf in dessen Wohnung zurück und zeigte den Platz, wo das Handy abgelegt war.

 

Als sich die Beamten entfernt hatten, ging der Bf zu Fuß zur 10 bis 15 Gehminuten entfernten Kanzlei seines Rechtsanwaltes. Um 11.02 Uhr traf der Bf in der Kanzlei seines Vertreters ein. Auf die Sekretärin Frau J, den RAA Mag. S und den Rechtsanwalt Dr. S machte der Bf bei der Vorsprache einen eingeschüchterten und betroffenen Eindruck. Ohne einen Dolmetscher beizuziehen versuchten RAA Mag. S und RA Dr. S den Sachverhalt mittels Fragen zu erforschen. Um 11.12 Uhr erkundigte sich RA Dr. Sch beim zuständigen Referatsleiter der BPD Linz, ADIR P und machte ihm Vorhaltungen betreffend der vom Bf geschilderten Vorgangsweise. ADIR P wies die Vorwürfe zurück und teilte RA Dr. Sch mit, dass die Amtshandlung nicht von Beamten der BPD Linz geführt worden ist. Im Anschluss daran hielt RA Dr. Sch mit Dr. K, OA im AKH, Rücksprache und avisierte den Bf.

 

Bei der Erstbehandlung um 11.45 Uhr stellte OA Dr. K die o.a. Verletzungen fest. Nach der Untersuchung und Behandlung kehrte der Bf in die Kanzlei seines Vertreters zurück und RAA Mag. S fertigte Farbfotos (Beilagen 1 bis 4 zum Verhandlungsprotokoll vom 10. November 2004) von den sichtbaren Verletzungen an.

 

Hinweise auf eine Scheinehe des Bf führten bereits Monate vor der gegenständlichen Amtshandlung zu Einvernahmen, Einleitung eines Aufenthaltsverbotsverfahrens und der Erlassung eines erstinstanzlichen Aufenthaltsverbots. Gegen diesen Bescheid wurde Berufung erhoben und das Verfahren ist bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich anhängig.

 

Am 12. Juli 2004 teilte die StA Linz mit, dass das Verfahren gegen die Gendarmeriebeamten RevInsp S und RevInsp Sp gemäß § 90 StPO eingestellt bzw. die erstattete Anzeige zurückgelegt worden sei.

 

Am 26. August 2004 wurde der Bf als Beschuldigter (§ 297 Abs. 1 2. Fall StGB) zu Zl. 17 Ur 209/04 z einvernommen. Einleitend erklärte sich der Bf zur Aussage bereit, gab jedoch an, dass er einen Dolmetscher benötigen würde. Dem Bf wurde erklärt, dass kein Dolmetscher geladen worden sei, da der Rechtsanwalt dem Gericht den Bedarf nicht rechtzeitig bekannt gegeben habe. Auf Wunsch des Bf wurde die Befragung durchgeführt. Zum Misshandlungsvorwurf befragt, gab der Bf an, dass er mit der Faust auf den Hinterkopf und in den Bauch geschlagen und mit dem Fuß auf den Unterschenkel getreten worden sei. Da er die Männer auf den vorgelegten Fotos nicht erkannt habe, sei er wieder geschlagen worden. Durch die Schläge sei "seine Uhr (die des Bf) kaputt gemacht" worden. Nach den Schlägen seien ihm die Fotos erneut vorgelegt worden. Aus Angst vor neuerlichen Schlägen habe er gesagt, dass er einen Mann kennen würde. Außerdem habe man ihm gesagt, dass er am nächsten Tag nach Serbien zurückgeschickt würde und zugleich habe man ihm Handschellen zugeworfen. Das Protokoll habe er einfach unterschrieben, obwohl er nicht alles verstanden habe, weil er unter Stress gestanden sei. In seiner Wohnung sei er in der Küche immer wieder in die Bauchgegend geschlagen worden. Die Polizisten seien die ganze Zeit aggressiv und auch arrogant gewesen. Warum wisse er nicht, eigentlich sei es nur der Polizist, der nicht am Computer gesessen sei, gewesen, der einfach auf ihn eingeschlagen habe.

 

Die behauptete "Wegnahme" von 100 Euro aus der Geldtasche des Bf und die Mitnahme von Dokumenten und Fotos aus der Wohnung des Bf konnten nicht festgestellt werden.

 

3.3.2. Auf Grund der Aktenlage und den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung ist als erwiesen anzusehen, dass der Gendarmeriebeamte RevInsp S den Bf durch Schläge in den Kopf-, Nacken-, Brust- und Bauchbereich und Tritte gegen den rechten Unter- und Oberschenkel verletzt und somit misshandelt hat.

 

Im Gegensatz zu den Ausführungen der beiden Gendarmeriebeamten hat der Bf schlüssig und nachvollziehbar die Abläufe bei der Amtshandlung geschildert. Sein Beschwerdevorbringen gewinnt weiters an Glaubwürdigkeit, da seine Angaben zeitlich lückenlos in das Vorbringen der von ihm namhaft gemachten Zeugen passen.

 

Die psychische Verfassung des Bf, die von den Zeugen RAA Mag Stummer, RA Dr. Sch und der Sekretärin J bei der Vorsprache in der Kanzlei als betroffen und eingeschüchtert beschrieben wird, und die Verletzungen lassen nur den Schluss zu, dass der Bf unmittelbar zuvor den tätlichen Übergriffen des RevInsp S ausgesetzt war.

 

Die Beschreibung der Verfassung des Bf weist Parallelen zu Zustandsbeschreibungen von traumatisierten Personen auf. Auf Grund der Wahrnehmungen kann davon ausgegangen werden, dass sich der Bf in einem traumaähnlichen Zustand befunden hat. Dafür spricht auch, dass sich der Bf den Vorfall mit der Armbanduhr - Beschädigung derselben durch die Schläge gegen den Kopf- und Nackenbereich - genau eingeprägt und Einzelheiten geschildert hat, die im Gesamtzusammenhang eher nebensächlich zu bewerten sind. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass sich Personen, bei denen Traumatisierungen festgestellt worden sind, zu Zeiten, in denen sie physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind, Teile von Abläufen, Personen oder Gegenstände besonders einprägen. Dies geschieht zur Ablenkung, um Schmerz- oder Angstzustände besser ertragen zu können.

 

Grundsätzlich entsteht kein Trauma, solange eine Belastung oder Bedrohung in der normalen Lebensführung liegt und ein Mensch damit umgehen kann. Sobald ein Ereignis jedoch außerhalb der allg. Alltagserfahrung liegt (z.B. eine Verhaftung, Schläge bei einer Befragung), kann dies zu einem Trauma führen. Auch wenn hier der einer Traumatisierung ähnliche Zustand durch keinen medizinischen Sachverständigen festgestellt worden ist, war ein solcher auf Grund der Schilderungen der Zeugen in der Anwaltskanzlei und der Aussage des Bf vertretbar anzunehmen.
 

Der Vermutung des Behördenvertreters und der Zeugen RevInsp Sp und RevInsp S, dass es kein Motiv für die Misshandlung des Bf gegeben habe, ist nicht zu folgen. Ein solches Motiv kann zB darin gelegen sein, dass RevInsp S daran interessiert war, einen oder mehrere "Vermittler" von Scheinehen auszuforschen (Tonbandprotokoll vom 10.November 2004, Seite 12, 6. Absatz: "Die Vermittler von Scheinehen sind für uns sehr interessant"). Obwohl RevInsp S der Vermittler der "Ehe des Bf" infolge der Befragung der Ehegattin bereits bekannt sein musste, suchte er vermutlich die Bestätigung durch den Bf zu erlangen und griff daher zu den angeführten Befragungsmethoden.

 

Unverständlich ist, warum der Bf neuerlich - und scheinbar ohne Kenntnis, dass Einvernahmen betreffend seiner Scheinehe bereits zu einem bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oö. im Stand der Berufung anhängigen Aufenthaltsverbotverfahren geführt haben - wegen des Verdachtes der Scheinehe als Auskunftsperson befragt worden ist. Diese Vorgangsweise ist nur dann nachvollziehbar, wenn man davon ausgeht, dass im Zuge der Ermittlungstätigkeit der Sonderkommission "Scheinehe" neuerlich der Name des Bf genannt wurde und die beiden Beamten, ohne weitere Nachforschungen anzustellen, zuerst die Ehegattin vernommen und anschließend den Bf vorgeladen und befragt haben.

 

Unstrittig ist, dass sich der Bf während der Befragung ruhig und besonnen verhalten und zu keinem Zeitpunkt gegenüber den beiden Beamten eine drohende Haltung eingenommen hat.

 

Die Schilderung des Zustandekommens der Verletzungen sind schlüssig. Im Beweisverfahren wurde der Bf ersucht, die Sitzordnung nachzustellen. Auf Grund der Position und des Abstandes der Sessel zueinander, der Größe des RevInsp S und der Reichweite seiner Arme kann dem Vorbringen des Bf die Glaubwürdigkeit nicht abgesprochen werden.

 

Bringt man die Anordnung der Sessel, die Sitzhaltung des Bf und des Zeugen RevInsp S, den Abstand des Bf zum Zeugen RevInsp S, die festgestellten und durch Farbfotos dokumentierten Verletzungen und die Schilderungen des Bf in Zusammenhang, dann ist auch ohne Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens klar erkennbar, dass RevInsp S dem Bf die Verletzungen aus seiner Sitzposition zufügen konnte.

 

Bezogen auf die Klarheit dieses Ermittlungsergebnisses haben die Parteienvertreter auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichtet bzw. keinen diesbezüglichen Antrag gestellt.

 

Auf den vorgelegten Fotos, die nach der Amtshandlung angefertigt worden sind, ist zu erkennen, dass der Bf eine lederähnliche, gefütterte Jacke getragen hat. Daher ist auch verständlich, dass der Bf bei den Abwehrhandlungen keine Verletzungen im Unterarmbereich davon getragen hat.

 

Auf Grund der schlüssigen zeitlichen Darstellung des Bf konnte von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Zwecke der Erhebung der akustischen Begebenheiten im gegenständlichen Zimmer abgesehen werden. Zu Beginn der Vernehmungen im angrenzenden Büro (10.00 Uhr) war die Einvernahme bereits abgeschlossen bzw. fanden keine körperlichen Übergriffe mehr statt. In Kenntnis dieses Zwischenergebnisses wurde der entsprechende Antrag des Beschwerdevertreters nicht mehr aufrecht erhalten. Der Behördenvertreter verzichtete daher ebenfalls auf die Vorlage weiterer Beweismittel.

 

Den Aussagen der Zeugen RevInsp S und RevInsp Sp war in weiten Bereichen die Glaubwürdigkeit zu versagen.

 

Nachvollziehbar ist zwar, dass das Erinnerungsvermögen an eine bestimmte Amtshandlung gering ist, wenn zwischenzeitlich zahlreiche gleichförmige Amtshandlungen und Einvernahmen vorgenommen worden sind. Dies trifft vor allem dann zu, wenn keine Schlüsselerlebnisse stattgefunden haben.

 

Das glaubwürdige Vorbringen und die schlüssigen Schilderungen des Bf, die auf Grund der Beiziehung eines Dolmetschers erstmals in der Deutlichkeit und Ausführlichkeit in der mündlichen Verhandlung hervorgekommen sind, lassen nicht den Schluss zu, dass es sich bei dieser Befragung um eine von vielen gleichförmigen Vernehmungen gehandelt hat. Dennoch stimmen beide Zeugen (RevInsp S und RevInsp Sp) überein, dass es sich um eine "08/15 - Einvernahme" (Tonbandprotokoll vom 10. November 2004, Seite 11, 5. Absatz), die nicht lange andauerte, gehandelt habe.

 

Fragwürdig erscheint in diesem Zusammenhang auch die Handhabung der niederschriftlichen Erfassung von Vernehmungs- und/oder Ermittlungsergebnissen. In einem äußerst bedenklichen Rundungsverfahren wurde das Ende der niederschriftlichen Einvernahme festgelegt. Obwohl die Einvernahme "nicht lange andauerte" und die Niederschrift abgesehen von den "Belehrungsblöcken" nur 14 Textzeilen mit Allgemeinaussagen und kaum verwertbarem Inhalt aufweist, nahm sie im gegenständlichen Fall 90 Minuten in Anspruch. Bemerkenswert ist auch, dass entsprechend dem Beweisergebnis die "Vorbesprechung" nicht in diesen Zeitrahmen eingerechnet werden kann, weil die Vernehmung erst "um 09.30 Uhr" begonnen und sich der Bf jedenfalls seit 09.15 Uhr im Büro der Beamten aufgehalten hat. Somit standen bereits im Vorfeld vor der Vernehmung 15 Minuten für die Vorbesprechung zur Verfügung.

Durch die Beiziehung des Dolmetschers in der mündlichen Verhandlung ist hervorgekommen, dass dem Bf keine Schläge für den Fall der Verweigerung der Unterschrift angedroht wurden. Auf Grund der Vorkommnisse bei der Erstellung der Niederschrift fürchtete er aber Schläge im Falle der Verweigerung.

 

Im Hinblick auf die eingeschränkten Deutschkenntnisse, die sich auch in den Schriftsätzen und in der Niederschrift der Beschuldigtenbefragung (LG Linz, 26.08.2004, Seite 3 - "Durch die Schläge wurde meine Uhr kaputt gemacht"; Seite 4 - "Sie haben mich dann nicht mehr weiter geschlagen") zeigen, sind scheinbar widersprüchliche Angaben des Bf nicht als unglaubwürdig zu werten sondern unter dem Gesichtspunkt der sprachlichen Unzulänglichkeiten einer besonderen Beurteilung zu unterwerfen.

 

Den in sich schlüssigen Aussagen des Bf in der mündlichen Verhandlung steht ein allgemein gehaltenes Vorbringen der beiden Zeugen RevInsp S und RevInsp Sp gegenüber. Jene Vorgänge, die aktenmäßig erfasst wurden (zB.: Niederschrift), stützen die Glaubwürdigkeit der beiden Zeugen nicht in dem erforderlichen Ausmaß. Unverständlich ist, dass die Vernehmungszeit so großzügig bemessen wurde, gleichzeitig aber im Vernehmungsprotokoll weder die freiwillige Mitfahrt zur Wohnung und die dort beabsichtigte freiwillige Nachschau Erwähnung finden. Abgesehen davon, dass sich der Bf schlussendlich weder wegen der "freiwilligen Mitfahrt" noch der "freiwilligen Nachschau in der Wohnung" beschwert hat, ist, bezogen auf die Aussage der beiden Beamten (Befragung zu zweit, um Misshandlungs- und Verletzungsvorwürfen zu begegnen - Tonbandprotokoll vom 10. November 2004, Seite 11, 5. Absatz) diese Vorgangsweise nicht nachvollziehbar.

 

Das Verfahren erbrachte keine Hinweise dahingehend, dass sich der Bf selbst verletzt und seine Beschwerde nur deshalb erhoben hat, um die beiden Gendarmeriebeamten in Misskredit zu bringen. Der Bf hat glaubwürdig dargelegt, dass er den Grund der Befragung nicht kannte. Auf Grund der Vorgeschichte - Verdacht der Scheinehe, diesbezügliche Einvernahme, Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, Berufung gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid - konnte er auch nicht vermuten, dass er einer weiteren Befragung wegen seiner angeblichen Scheinehe unterzogen werden würde. Die Vermutung des Zeugen RevInsp Sp, dass der Bf sich die Verletzungen vor der Vernehmung zufügen hätte können, hält den zuvor gemachten Überlegungen nicht stand. Dies trifft auch auf seine allgemein gehaltene Annahme, die sehr wohl auch auf den Bf bezogen werden konnte, nicht zu. Danach habe der Zeuge die Erfahrung gemacht, dass "im Nachhinein derartige Verletzungen behauptet und solche Vorfälle konstruiert worden seien, um die Beamten von der Arbeit abzuhalten". Abgesehen davon, dass nach den zeitlichen Angaben in der Niederschrift und der mehrfach bestätigten Ankunftszeit des Bf in der Kanzlei seines Rechtsanwaltes dem Bf keine Zeit für eine derartige "Konstruktion" und Selbstverletzung geblieben wäre, lässt sich eine derartige Vorgangsweise auch sonst aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens nicht ableiten.

 

Die Zufügung der Verletzungen im Kniebereich des rechten Oberschenkels brachte der Bf ebenfalls glaubwürdig vor und es erscheint nachvollziehbar, dass die Verletzungen auf die geschilderte Art zugefügt wurden.

Auf Grund der klaren Aussage des Bf sah sich keine Verfahrenspartei veranlasst, ein Gutachten erstellen zu lassen um zu klären, ob die Verletzungen auf diese Art zustande kommen konnte.

 

Betreffend der Erstellung der Niederschrift vom 10. Februar 2004 ist den übereinstimmenden Aussagen des Bf und des Zeugen RevInsp Sp zu folgen und davon auszugehen, dass RevInsp Sp das Vernehmungsprotokoll erstellt hat und die unmittelbare Befragung von RevInsp S vorgenommen worden ist.

Die Aussage des Bf - fehlende 100 Euro - , die auf einen Diebstahlsvorwurf gegen die beiden Beamten RevInsp S und RevInsp Sp hinausläuft, konnte mangels entsprechender Anhaltspunkte in diesem Verfahren nicht festgestellt werden. Anzumerken ist, dass, sollte der Vorwurf tatsächlich konkretisierbar sein, dies keine Handlung ist, die der Staat auf Grund einer Maßnahmenbeschwerde zu vertreten hat sondern einer Überprüfung durch die ordentlichen Gericht bedarf.

 

Nach dem als relevant festgestellten Sachverhalt ist es ausgeschlossen, dass die beim Bf am 10. Februar 2004 um 11.45 Uhr im Allgemeinen öffentlichen Krankenhaus der Stadt Linz diagnostizierten Verletzungen diesem vor oder nach der gegenständlichen Amtshandlung zugefügt worden sind.

 

Auf Grund der mündlichen Verhandlung, der Aktenlage und des Beweisverfahrens ist den glaubwürdigen Aussagen des Bf zu folgen und davon auszugehen, dass RevInsp S den Bw in der festgestellten Art und Weise misshandelt hat.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß Art.129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG erkennen die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983). Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985, VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun iSd § 863 ABGB bestehen (vgl Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, 74).

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl mwN Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 8. A, 1996, Rz 610).

 

Da unbestritten kein richterlicher Befehl vorlag, erfolgte das Einschreiten der Gendarmen selbständig. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6.10.1999, 99/01/0120) ausgeführt hat, ist in einem solchen Fall das auf eigener Willensbildung beruhende Organverhalten der Verwaltung zuzurechnen.

 

4.2. Gemäß Art 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen werden.

 

Die Bestimmung schützt vor Amtshandlungen, denen "eine, die Menschenwürde beeinträchtigende, gröbliche Missachtung des Betroffenen als Person innewohnt (VfSlg 10.546, 11.087, 13.154, 13.708). Im Hinblick auf Art. 3 EMRK beurteilt die Judikatur Amtshandlungen stets nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Eine Rechtsverletzung liegt dann vor, wenn eine Maßnahme auf Grund des Gesamtbildes des behördlichen Einschreitens angesichts der konkreten Umstände als unangemessen anzusehen ist (VfSlg 9298, 10.018; EGMR 25.4.1978 Tyrer, EuGRZ 1979, 162; 25.2.1982 Campell und Cosans, EuGRZ 1982, 153 und EGMR 22.3.1993 Klaas, ÖJZ 1994, 348). Eine an sich konventionswidrige Maßnahme (z.B. Fesselung, Schieben, Stoßen) kann dann zulässig sein, wenn dies zur Überwindung eines Widerstandes oder zum Schutz der einschreitenden Beamten erforderlich ist. Eine Verabreichung von Ohrfeigen ist "betont erniedrigend" und wird wohl nie angemessen sein (VfSlg 8296, 10.018). Eine Misshandlung wird nur dann als Eingriff qualifiziert, wenn sie ein Mindestmaß an Schwere erreicht (EGMR 25.4.1978 Tyrer, EuGRZ 1979, 162; 27.8.1992 Tomasi, ÖJZ 1993, 137).

 

Die Anwendung von Körperkraft kann gegen Art 3 EMRK verstoßen. Der Verfassungsgerichtshof hat dies für Ohrfeigen (VfSlg 8.296/1978, 10.052/1984), Fußtritte (VfSlg 10.250/1984, 11.095/1986, 11.144/1986, 11.230/1987, 11.687/1988), Schläge (VfSlg 8.645/1979, 10.250/1984, 11.096/1986, 11.170/1986, 11.328/1987, 11.421/1987, 12.603/1991) mehrfach ausgesprochen. Eine den Rechtsgrundsätzen des Waffengebrauchsgesetz 1969 entsprechende verhältnismäßige und maßhaltende Zwangsausübung verstößt nicht gegen Art 3 EMRK (vgl VfSlg 9.298/1981, 10.250/1984, 10.321/1985, 10427/1985, 11.809/1988; 12.271/1990). Auch die Anwendung von Körperkraft ist daher nur dann gesetzmäßig, wenn die Zwangsausübung "notwendig und maßhaltend" ist (vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz: Kommentar2, 927, Anm B.1.).

Eine physische Zwangsmaßnahme verstößt nur dann auch gegen Art.3 EMRK, wenn qualifizierend eine "gröbliche Missachtung des Betroffenen als Person" hinzutritt (vgl. Nachweise bei Mayer, B-VG3, 587ff, I.1., I.2. und II.1. und II.2. zu Art.3 EMRK).

 

Gegen den Grundsatz der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Zwangsausübung hat die Vornahme der Amtshandlung zur Durchführung der Befragung des Bf als Auskunftsperson nach dem festgestellten Sachverhalt eindeutig verstoßen.

 

Auf der Grundlage des oben festgestellten Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass RevInsp S anlässlich der niederschriftlichen Befragung am 10. Februar 2004 den Bf gegen das rechte Schienbein getreten und in den Bauch-, Nacken-, Brust- und Kopfbereich geschlagen hat. Durch die Misshandlungen erlitt der Bf eine Abschürfung direkt über dem Schienbein (2 x 3 cm), eine Beule links am Hinterkopf und eine Schwellung im Nackenbereich. Da der Bf auch im Zuge der freiwilligen Nachschau in seiner Wohnung dem einschreitenden Gendarmeriebeamten RevInsp S nicht ausreichend kooperativ erschien, trat er mehrmals gegen den rechten Oberschenkel des Bf. Dabei fügte er dem Bf eine Rötung, Schwellung und Abschürfung über dem rechten Oberschenkel im Kniebereich zu.

 

Einen berechtigten Anlass für diese gewaltsame Vorgangsweise des Gendarmeriebeamten gab es nicht, da sich der Bf der Befragung ohne erkennbaren Widerstand unterzog. Selbst nach den ersten Tritten und Schlägen widersetzte sich der Bf nicht, sondern legte lediglich die Arme schützend über den Kopf. RevInsp S dürfte die Nerven verloren haben, da sich der Bf - seiner Ansicht nach - weigerte, die Scheinehe zu gestehen und den oder die Vermittler bekannt zugeben. Dass RevInsp S durch diese Misshandlung die festgestellten Verletzungen des Bf beabsichtigte, kann nicht erkannt werden. Eher ist davon auszugehen, dass er mit den Misshandlungen seinen Fragen Nachdruck verleihen und das von ihm gewünschte Ergebnis erzielen wollte. Die Misshandlung in der Wohnung des Bf ist nur so erklärbar, dass RevInsp S dem Bf seinen Unmut wegen dessen Aussageverweigerung spüren lassen wollte. In diesem Zusammenhang ist auch die Äußerung beim Weggehen ("wir kommen wieder") zu verstehen. Sie diente vermutlich der weiteren Verunsicherung des Bf für den Fall neuerlicher Vernehmungen.

Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds wurde durch die beschriebene menschenunwürdige Vorgangsweise die Person des Bf gröblich missachtet

 

Aus all diesen Gründen war der vorliegenden Beschwerde sohin gemäß § 67c Abs.3 AVG stattzugeben und die Ausübung der unmittelbaren behördlichen Zwangsgewalt in Form der festgestellten Misshandlungen für rechtswidrig zu erklären.

 

5. Bei diesem Ergebnis hatte der Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde tätig geworden ist, dem Bf. als der obsiegenden Partei gemäß § 79a AVG 1991 den notwendigen Verfahrensaufwand zu ersetzen. Als Aufwendungen gelten nach § 79a Abs.4 AVG neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen die durch Verordnung des Bundeskanzlers (vgl. Aufwandersatzverordnung UVS 2003, BGBl II Nr. 334/2003) festgesetzten Pauschalbeträge für Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand.

 

Nach § 1 Z1 beträgt der Schriftsatzaufwand des Bf als obsiegende Partei 660,80 Euro, und nach § 1 Z 2 der Verhandlungsaufwand des Bf als obsiegende Partei 826,00 Euro. Es sind Eingabengebühren für die Beschwerdeschrift vom 23. März 2004 (13 Euro),1 Beilage (1 x 3,60 = 3,60 Euro) und die Stellungnahme vom 24. September 2004 (13 Euro), 3 Beilagen (3 x 3,60 - 10,80 Euro) in Höhe von insgesamt 40,40 Euro angefallen. Dem Bf war daher für seinen Verfahrensaufwand einschließlich der Stempelgebühren, für die er aufzukommen hat (vgl § 79a Abs. 4 Z 1 AVG), ein Betrag in Höhe von 1.527,20 Euro zuzusprechen.

 

Analog dem § 59 Abs. 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl. Erl zur RV 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 40,40 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Für diese Eingabe sind Gebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Mag. Stierschneider

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