Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420452/33/Gf/Ga

Linz, 19.06.2006

 

 

VwSen-420452/33/Gf/Ga Linz, am 19. Juni 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde des E C, vertreten durch RA Dr. B, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Bundespolizeidirektion Linz am 15. November 2005, zu Recht erkannt:

 

 

I. Die behördliche Anordnung der Durchsuchung der Wohnung und der Festnahme des Beschwerdeführers waren wegen nicht vorangegangener Einholung eines richterlichen Befehles vor deren Durchführung rechtswidrig.

II. Der Bund (Verfahrenspartei: BPD Linz) hat dem Beschwerdeführer Kosten in einer Höhe von insgesamt 1.486,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. In seiner am 29. Dezember 2005 beim Oö. Verwaltungssenat eingebrachten, auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG gestützten Beschwerde wendet sich der Rechtsmittelwerber im Wesentlichen dagegen, dass am 15. November 2005 zwischen 18.00 und 19.00 Uhr ca. sieben bis acht Beamte der BPD Linz in seine Wohnung eingedrungen seien, er ohne Erklärung zu Boden geworfen worden sei und ihm Handfesseln angelegt worden seien, sowie mehrere Beamte auf ihn gesprungen seien und er mehrmals mit dem Kopf gegen die Wand geschleudert worden sei, ohne dass dafür eine Rechtsgrundlage bestanden hätte.

 

Dadurch sei er in seinen (nicht näher bezeichneten) Rechten verletzt worden, weshalb die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen begehrt wird.

 

1.1. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Akt zu Zl. P-0143 vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

 

Dies deshalb, weil die einschreitenden Beamten im Ergebnis die Grenzen des Waffengebrauchsgesetzes nicht überschritten hätten.

 

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Akt sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 29. März 2006, zu der als Parteien der Beschwerdeführer E C und sein Rechtsvertreter Dr. B sowie seitens der belangten Behörde Dr. N und A und die Zeugen E (frühere Ehegattin des Rechtsmittelwerbers), C (Bruder des Beschwerdeführers), R, GI H und GI A erschienen sind.

 

2.1. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

 

Am Nachmittag des 15. November 2005 traf sich der Beschwerdeführer und die erste Zeugin, die damals noch miteinander verheiratet waren, in ihrer früheren gemeinsamen Wohnung in Linz. Schon nach kurzer Zeit gerieten sie miteinander in Streit. In dessen Zuge äußerte der Rechtsmittelwerber der ersten Zeugin gegenüber in etwa auch, dass er sich eine Waffe gekauft habe und er sie damit in nächster Zeit erschießen werde. Die erste Zeugin hat dies sehr ernst genommen und den Beschwerdeführer daher beim Stadtpolizeikommando Linz (Polizeiinspektion Melicharstraße) wegen des Verdachtes der gefährlichen Drohung angezeigt.

 

In der Folge wurde vom Journalbeamten der BPD Linz die Festnahme des Beschwerdeführers angeordnet.

 

Daher begaben sich vier Sicherheitswachebeamte mit entsprechender Schutzausrüstung zur Wohnung des Rechtsmittelwerbers und als dieser die Tür öffnete, wurde gegen 19.00 Uhr die Wohnung gestürmt. Der Beschwerdeführer wurde, nachdem er über entsprechendes Befragen seinen Namen genannt hatte, ohne Erklärung sofort von zwei Beamten zu Boden gebracht und mit Handschellen am Rücken gefesselt. Die beiden anderen in der Wohnung aufhältigen Personen − der zweite und der dritte Zeuge − wurden von den beiden anderen Beamten in verschiedene Nebenzimmer abgedrängt. In der Folge wurden der Rechtsmittelwerber auftragsgemäß und der zweite Zeuge (sein Bruder) wegen fortgesetzten aggressiven Verhaltens für festgenommen erklärt und zur BPD Linz (Nietzschestraße) verbracht.

 

2.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den im Akt der belangten Behörde enthaltenen Niederschriften des Stadtpolizeikommandos Linz und der Fachinspektion Verkehr und Sonderdienste (jeweils vom 15. November 2005) sowie aus den insoweit im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der in der öffentlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen.

 

Als nicht erwiesen nimmt der Oö. Verwaltungssenat hingegen an, dass der Beschwerdeführer nach seiner Festnahme auch mehrmals mit dem Kopf gegen die Wand geschleudert wurde. Dies insbesondere deshalb, weil diesbezüglich weder objektive und übereinstimmende Zeugenaussagen vorliegen noch der in der Folge erstellte ärztliche Befund entsprechende Hinweise darauf zulässt.

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 2 Abs. 1 des (Verfassungs-)Gesetzes zum Schutz des Hausrechtes, RGBl.Nr. 88/1862 (im Folgenden: HausRG), kann bei Gefahr in Verzug u.a. auch von Beamten der Sicherheitsbehörden ohne richterlichen Befehl eine Hausdurchsuchung angeordnet werden. Unter einer Hausdurchsuchung ist die gezielte Suche nach Personen oder Sachen zu verstehen (vgl. W. Berka, Die Grundrechte, Wien 1999, RN 490, m.w.N.).

Verfassungskonform interpretiert, steht − wie sich aus dem in § 39 Abs. 7 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 56/2006 (im Folgenden: SPG) enthaltenen Verweis ergibt − auch die allgemein formulierte Durchsuchungsermächtigung nach § 39 Abs. 3 SPG unter diesem Vorbehalt; gleiches gilt für die analoge Befugnis gemäß § 53 des Waffengesetzes, BGBl. Nr. I 12/1997, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 136/2004.

3.2. Nach Art. 1 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. I 684/1998 (im Folgenden: PersFrSchG), darf niemand aus anderen als den im PersFrSchG genannten Gründen oder auf andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen werden; die persönliche Freiheit darf jeweils nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

Gemäß § 177 iVm § 175 der Strafprozessordnung, BGBl. Nr. 631/1975, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 56/2006 (im Folgenden: StPO), kann die vorläufige Verwahrung eines Verdächtigen ausnahmsweise auch durch Organe der Sicherheitsbehörden ohne schriftliche Anordnung vorgenommen werden, wenn dieser auf frischer Tat betreten oder unmittelbar danach glaubwürdig der Täterschaft beschuldigt wurde, oder bei Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungs- bzw. Tatausführungsgefahr, wenn die Einholung des richterlichen Befehls wegen Gefahr in Verzug nicht tunlich ist.

3.3. Im gegenständlichen Fall lag weder ein Betreten auf frischer Tat (vgl. die Meldung der Fachinspektion Verkehr und Sonderdienste vom 15.11.2005, 19.10 Uhr [ohne GZ], wonach die einschreitenden Exekutivbeamten selbst davon ausgingen, dass "die gefährliche Drohung bereits gegen 16.00 Uhr getätigt wurde, somit die Begehung auf frischer Tat nicht mehr gegeben war"; S. 2) noch eine unmittelbare Tatausführungsgefahr (vgl. die Niederschrift/Anzeige des Stadtpolizeikommandos Linz - Polizeiinspektion vom 15.11.2005, 17.45 Uhr [gleichfalls ohne GZ], wonach die bedrohte Ehegattin selbst angab, zu glauben, "dass er nicht unbedingt heute etwas ..... unternimmt, aber schon in nächster Zukunft"; S. 2) vor.

Da der Polizeieinsatz tatsächlich erst mehr als eine Stunde nach Abschluss der Anzeigenaufnahme, nämlich gegen 19.00 Uhr erfolgte, ist nicht ersichtlich, was die belangte Behörde an der Einholung eines − zumindest telefonischen − richterlichen Durchsuchungs- und Haftbefehles gehindert haben könnte.

Objektiv besehen lagen somit jedenfalls weder die Voraussetzungen für die seitens des Journalbeamten der BPD Linz behördlich angeordnete Hausdurchsuchung und Festnahme ("Dieser ordnete die Festnahme wegen Ausführungsgefahr an, sollte ..... in seiner Wohnung, Linz, G, ....., angetroffen werden") vor, geschweige denn, dass diese Maßnahmen auf § 2 Abs. 2 HausRG bzw. Art. 4 Abs. 2 PersFrSchG (Einschreiten der Sicherheitsorgane aus eigener Macht) hätten gestützt werden können.

Ebenso wenig vermochten der Erlass "betreffend Grundausbildung und berufsbegleitende Fortbildung allgemein; Einführung des Lehrinhaltes 'Einsatztraining'" des Bundesministers für Inneres vom 9. Juli 2002, Zl. 27.600/1054-II/A/3/02, und das darauf gegründete "Handbuch für Einsatztraining" eine taugliche Rechtsgrundlage für das behördliche Einschreiten zu bilden, weil es sich hiebei lediglich um verwaltungsintern maßgebliche Rechtsvorschriften handelt, die − weil und soweit sie die Grundrechtssphäre von Normunterworfenen berühren − einer entsprechenden Kundmachung im BGBl. II bedürften (vgl. die st. Rsp. des VfGH, zuletzt v. 15.3.2006, V 105/05).

3.4. Die behördliche Anordnung der Durchsuchung der Wohnung und der Festnahme des Beschwerdeführers waren daher wegen nicht vorangegangener Einholung eines richterlichen Befehles vor deren Durchführung rechtswidrig.

Dies hatte der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 67c Abs. 3 AVG festzustellen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Rechtsträger der belangten Behörde (Bund) nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z. 3 iVm § 1 Z. 1 und 2 der UVS-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. Nr. II 334/2003, dazu zu verpflichten, dem Rechtsmittelwerber antragsgemäß Kosten in einer Höhe von insgesamt 1.486,80 Euro (Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro; Verhandlungsaufwand: 826,00 Euro) zu ersetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
  2. Für diese Eingabe sind Gebühren in Höhe von 13 Euro angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Dr. G r o f

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