Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420456/7/WEI/An

Linz, 31.03.2006

 

 

 

VwSen-420456/7/WEI/An Linz, am 31. März 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des Z V, Staatsangehöriger von S und M, vertreten durch Dr. B W, Rechtsanwalt in R, B, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abschiebung im Auftrag des Bezirkshauptmannes von Eferding zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und die am 20. Februar 2006 durchgeführte Abschiebung des Beschwerdeführers nach P/B für rechtswidrig erklärt.

 

II. Der Bund (Verfahrenspartei Bezirkshauptmann von Eferding) hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 673,80 Euro (darin 13 Euro Bundesstempel) binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm §§ 67a Abs 1 Z 2, 67c AVG 1991; § 79a AVG 1991 iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 334/2003.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem per Telefax am 1. März 2006 eingebrachten Schriftsatz gleichen Datums hat der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer (Bf), eine Maßnahmenbeschwerde gemäß § 67a Abs 1 Z 2 iVm § 67c AVG wegen Verletzung des einfach gesetzlichen gewährleisteten Rechts auf Abschiebeschutz erhoben.

 

1.1. Die Beschwerde bringt zum Sachverhalt vor, dass der Bf gegen ein von der belangten Behörde erlassenes Aufenthaltsverbot vom 23. Dezember 2005 Berufung eingebracht habe. Mit Bescheid vom 5. Jänner 2006 sei er in Schubhaft genommen worden, um die Abschiebung zu sichern. Diese hätte am 11. Jänner 2006 stattfinden sollen. Der Bf habe dann einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, woraufhin die ins Auge gefasste Abschiebung nicht stattgefunden habe. Eine Schubhaftbeschwerde sei vom UVS als unbegründet abgewiesen und per 16. Jänner 2006 festgestellt worden, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamts vom 3. Februar 2006 sei der Asylantrag vom 18. Jänner 2006 gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden. Gemäß § 10 Abs 1 Z 1 Asylgesetz sei der Bf aus dem österreichischen Bundesgebiet nach S und M ausgewiesen worden. Mit Eingabe vom 15. Februar 2006 sei die belangte Behörde auf die Unrechtmäßigkeit einer vorzeitigen Abschiebung hingewiesen worden. Ein Anruf beim zuständigen Juristen habe ergeben, dass man mit dem Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) Rücksprache gehalten habe und die Abschiebung in Vollzug des Aufenthaltsverbots stattfinde. Am 20 Februar 2006 sei der Bf gewaltsam von W nach P abgeschoben worden. Mit Bescheid vom 23. Februar 2006 seien u.a. die Kosten des Fluges in Höhe von 426,42 Euro vorgeschrieben worden. Mit Bescheid des UBAS vom 23. Februar 2006 sei der Bescheid des Bundesasylamts vom 3. Februar 2006, Zahl 06 01.037-EAST West, aufgehoben worden. Die Rechtssache sei an das Bundesasylamt zurückzuverweisen gewesen.

 

1.2. Zur Begründung des Antrags, die angefochtene Abschiebung für rechtswidrig zu erklären und Kosten von 673,80 Euro zuzusprechen, führt die Beschwerde aus:

 

Die belangte Behörde habe im Kostenersatzbescheid die Meinung vertreten, dass der faktische Abschiebeschutz mit dem Bescheid des Bundesasylamts vom 3. Februar 2006 geendet habe. Deshalb sei der Bf am 20. Februar 2006 abgeschoben worden. Gegenüber dem Rechtsvertreter wäre telefonisch noch die Ansicht vertreten worden, dass das Aufenthaltsverbot alleine die Abschiebung trage und das Asylverfahren dem nicht entgegen stünde.

 

§ 36 Abs 4 AsylG 2005 setze sich mit den Folgen einer Berufung gegen eine Ausweisung auseinander, wenn der Berufung die aufschiebende Wirkung nicht zukommt. Die Ausweisung sei dann durchsetzbar. Mit der Durchführung der Abschiebung müsse bis zum Ende der Rechtsmittelfrist und im Falle eines Rechtsmittels bis zum Ablauf des 7. Tages ab Berufungsvorlage zugewartet werden. Der UBAS habe unverzüglich vom Einlangen der Berufungsvorlage und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.

 

Das bedeute, dass die Erstaufnahmestelle West mit einer Verständigung der Fremdenpolizei vorerst die Berufungsfrist von 14 Tagen abwarte. Wenn eine Berufung ergriffen wurde, warte sie weitere sieben Tage, ob der Berufung vom UBAS die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird.

 

Die Berufung stamme vom 14. Februar 2006. Sie sei die folgenden Tage in der Erstaufnahmestelle West eingegangen und dem UBAS vorgelegt worden. Dies bedeute jedenfalls, dass am 20. Februar 2006 die Durchführung der fremdenpolizeilichen Abschiebung nicht zulässig gewesen sei. Der faktische Abschiebeschutz habe erst nach dem 20. Februar 2006 geendet. Der Abschiebeschutz nach dem Asylgesetz blockiere auch den Vollzug einer fremdenpolizeilichen Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes. Er könne nicht durch Rückgriff auf andere aufenthaltsbeendende Titel umgangen werden. Der UBAS habe am 23. Februar 2006 den § 68-Bescheid behoben, womit jedenfalls der Abschiebeschutz wieder eingetreten sei. Nach § 14 AsylG 2005 komme dem Bf die Wiedereinreise zu. Sein Verfahren sei zuzulassen. Hätte die belangte Behörde mit der Abschiebung gewartet, hätte man sich Kosten des Fluges von 426,42 Euro erspart.

 

2. Die belangte Behörde legte über Aufforderung des Oö. Verwaltungssenates am 13. März 2006 ihren Verwaltungsakt vor und erstattete die Gegenschrift vom 8. März 2006, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

 

2.1. Zum Sachverhalt führt die belangte Behörde aus, der Bf sei Staatsangehöriger von S und M. Die auf Grund seiner Asylanträge vom 15. Jänner 2002 und vom 29. Juli 2003 durchgeführten Asylverfahren seien negativ verlaufen. Der UBAS habe den Asylantrag mit Bescheid vom 28. Jänner 2005 abgewiesen. Daraufhin habe die belangte Behörde den Bf aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Die Sicherheitsdirektion habe der dagegen erhobenen Berufung mit rechtskräftigem Bescheid vom 3. September 2005, Zl. St-251/05, keine Folge gegeben. Die belangte Behörde habe dem Bf eine Frist bis 30. November 2005 gewährt, um die Verhältnisse in Österreich geordnet hinterlassen zu können. Er sei jedoch nicht fristgerecht ausgereist, sondern am 1. Dezember 2005 mit B D, einer Staatsangehörigen, eine Scheinehe eingegangen. In weiterer Folge habe die belangte Behörde mit Bescheid vom 23. Dezember 2005 ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot gegen den Bf verhängt und die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid ausgeschlossen. Über die Berufung habe die Sicherheitsdirektion noch nicht entschieden.

 

Am 5. Jänner 2006 sei die Schubhaft verhängt worden. Der Schubhaftbeschwerde habe der unabhängige Verwaltungssenat nicht stattgegeben. Das Flugticket für die geplante Abschiebung von W nach P am 11. Jänner 2006 habe man storniert, weil der Bf einen Asylantrag stellte, der ihm Abschiebeschutz verschafft hätte.

 

Das Bundesasylamt habe den neuerlichen Asylantrag mit Bescheid vom 3. Februar 2006 als unzulässig zurückgewiesen und den Bf ausgewiesen, womit der faktische Abschiebeschutz geendet hätte. Die Berufung habe keine aufschiebende Wirkung gehabt und der Bf sei mangels Abschiebeschutz am 20. Februar 2006 nach P abgeschoben worden. Der UBAS habe der Berufung vom 14. Februar 2006 mit Bescheid vom 23. Februar 2006 stattgegeben und den bekämpften Bescheid behoben.

 

2.2. In rechtlicher Hinsicht wird auf § 12 Abs 1 iVm § 36 Abs 1 AsylG 2005 verwiesen, aus denen sich ergebe, dass der Abschiebeschutz mit der zurückweisenden Entscheidung des Bundesasylamts über den Asylantrag ende. Erst mit Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den UBAS wäre neuerlich Abschiebeschutz gegeben gewesen. Die Behebung der zurückweisenden Entscheidung des Bundesasylamts nach erfolgter Abschiebung ändere daran nichts.

 

Zu § 36 Abs 4 AsylG 2005 vertritt die belangte Behörde die Rechtsansicht, dass diese Vorschrift ausschließlich Abschiebungen in Durchführung einer im Asylverfahren erlassenen Ausweisung betreffe und keinen generellen Abschiebeschutz regle. Im gegenständlichen Fall sei die Abschiebung jedoch auf der Grundlage der im fremdenpolizeilichen Verfahren ergangenen Ausweisung (Bescheid der Sicherheitsdirektion vom 23.09.2005) sowie des durchsetzbaren Aufenthaltsverbots vom 23. Dezember 2005 erfolgt. § 36 Abs 4 AsylG 2005 sei daher nicht anwendbar. Es habe kein Anlass bestanden bis zum Ablauf der im § 36 Abs 4 AsylG 2005 angeführten Fristen zuzuwarten. Die Abschiebung sei daher rechtmäßig gewesen und der Bf dadurch nicht in seinen Rechten verletzt worden.

 

3. Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt und den ergänzend vom Oö. Verwaltungssenat beigeschafften Unterlagen aus dem Verwaltungsakt des Bundesasylamts ergibt sich der folgende wesentliche S a c h -v e r h a l t:

 

Der Bf, ein A aus dem K, ist Staatsangehöriger von S und M. Er verfügte seit 1997 mit Unterbrechungen über eine Aufenthaltserlaubnis als Saisonarbeitskraft. Er stellte am 15. Jänner 2002 einen Asylantrag, der mit Bescheid des UBAS vom 4. September 2002, Zl. 230.678/0-VI/17/02, rechtskräftig negativ entschieden wurde. Am 29. Juli 2003 brachte der am 13. April 2003 geborene Sohn F des Bf Asylantrag ein und der Bf und seine Gattin stellten Asylerstreckungsanträge. Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des UBAS vom 20. Jänner 2005, Zl. 230.678/1-VI/18/05, wurde auch dieser Asylantrag abgewiesen.

 

Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vom 29. September 2005, Zl. St-251/05, wurde der Bf aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich auf der Grundlage des § 33 FrG 1997 rechtskräftig ausgewiesen, weil er seit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens im Jänner 2005 ohne Aufenthaltstitel in Österreich war. Daraufhin ersucht der Bf durch seinen damaligen Rechtsvertreter um eine Frist zur Ausreise bis 30. November 2005, um seine Verhältnisse zu ordnen. In weiterer Folge reiste er nicht aus, sondern beantragte unter Hinweis auf die Eheschließung mit der Staatsangehörigen B D eine Erstniederlassungsbewilligung. Diese gab allerdings dann bei ihrer Einvernahme am 13. Dezember 2005 an, dass sie den Bf nicht aus Liebe, sondern weil er ihr 5.000 Euro angeboten hatte, geheiratet hätte.

 

Mit Bescheid vom 23. Dezember 2005, Zl. Sich 40-195-1997-Wg/Am, zugestellt am 27. Dezember 2005, hat die belangte Behörde ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot gegen den Bf erlassen und schloss die aufschiebende Wirkung einer Berufung aus. Eine Berufung brachte der Bf durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter am 11. Jänner 2006 bei der belangten Behörde ein. Über die Berufung hat die Sicherheitsdirektion noch nicht entschieden.

 

Eine für den 11. Jänner 2006 in Aussicht genommene Abschiebung des mittlerweile in Schubhaft genommenen Bf hat die belangte Behörde wegen eines vom Rechtsvertreter während aufrechter Schubhaft schriftlich eingebrachten Asylantrags storniert. Mit h. Erkenntnis vom 16. Jänner 2006, Zl. VwSen-400760/Ste/Wb/Be, wurde die Schubhaftbeschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

Mit Bescheid vom 3. Februar 2006, Zl. 06 01.037, wies das Bundesasylamt (BAA), Erstaufnahmestelle West (EAST-West), den Asylantrag des Bf gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und sprach gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 die Ausweisung des Bf nach S und M aus. Der Bescheid wurde noch am gleichen Tag dem Rechtsvertreter des Bf per Telefax zugestellt. Dieser brachte dagegen mit Schriftsatz vom 13. Februar 2006 eine Berufung am 15. Februar 2006 beim BAA EAST-West ein.

 

Die belangte Behörde ordnete mit Abschiebeauftrag vom 13. Februar 2006 für den Schubtermin 20. Februar 2006 die Abschiebung auf dem Luftweg von W nach P über L mit der A, Flug Nr., an. Diese Abschiebung (Abflug Uhr) wurde in der Folge auch durchgeführt.

 

Mit dem am 16. Februar 2006 eingelangten Schriftsatz vom 15. Februar 2006 hat der Rechtsvertreter des Bf auf die Unrechtmäßigkeit der in Aussicht genommenen Abschiebung hingewiesen und begründend den § 12 Abs 1 und § 36 Abs 4 AsylG 2005 angeführt, welche Bestimmungen nicht umgangen werden dürften.

 

Mit Bescheid des UBAS vom 23. Februar 2006, Zl. 230.678/3-VI/18/06, wurde der Berufung stattgegeben und der bekämpfte Zurückweisungsbescheid des BAA EAST-West behoben. Dieser Bescheid langte per Telefax am 24. Februar 2006 beim BAA EAST-West ein. Das Asylverfahren wurde in der Folge zugelassen und am 27. Februar 2006 eine Aufenthaltsberechtigungskarte mittels RSa an den Rechtsvertreter übermittelt.

 

4. In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1. Gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG 1991 entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl ua VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und VfSlg 9813/1983).

 

Nach der neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Abschiebung nach dem § 36 FrG 1992 nicht eine bloß tatsächliche Maßnahme der Vollstreckung vorangegangener Bescheide, sondern als selbständige Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen (vgl VwGH 23.9.1994, 94/02/0139; VwGH 24.2.1995, 94/02/0410; VwGH 8.9.1995, 95/02/0197; VwGH 17.11.1995, 95/02/0217; anders der VfGH in den Erk. v 1.10.1994, B 75/94 und v 28.11.1994, B 178/94). Hingegen war nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Abschiebung nach § 13 FrPolG eine bloße Vollstreckungsmaßnahme und keine anfechtbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (vgl VwGH 14.4.1993, 93/18/0062, 93/18/0108 und 93/18/0113; VwGH 11.11.1993, 93/18/0456; VwGH 22.4.1994, 94/02/0009; VwGH 30.5.1995, 92/18/0275). Zuletzt hat auch der Verfassungsgerichtshof die Ansicht vertreten, dass die Abschiebung iSd § 56 FrG 1997 als bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt angesehen werden könne (VfGH 28.09.2005; Zl. B 1324/04).

 

Die Abschiebung ist als Einheit aufzufassen, die auf den Endzweck gerichtet ist, den Fremden zum Verlassen des Bundesgebietes zu veranlassen, gleichgültig wo sich die Einzelelemente ereignen. Diese gehen alle auf den Willen der die Abschiebung veranlassenden Fremdenpolizeibehörde zurück. Daraus folgt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur jener unabhängige Verwaltungssenat zuständig ist, in dessen örtlichen Wirkungsbereich die Abschiebung beginnt. Dass auch im Gebiet anderer Länder auf die Abschiebung gerichteter behördlicher Zwang wirksam wird, sei für die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ohne Belang. Solange es nur um die Abschiebung selbst und nicht auch um davon losgelöste selbständige Maßnahmen geht, die im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Abschiebung im Gebiet eines anderen Landes stehen, bleibe für die Zuständigkeit eines anderen unabhängigen Verwaltungssenates kein rechtlicher Raum (vgl grundlegend zum Ganzen VwGH 23.9.1994, 94/02/0139). Bereits in früheren, noch zum § 13 FrPolG ergangenen Erkenntnissen hatte der Verwaltungsgerichtshof zum Umfang der Abschiebung ausgesprochen, dass diese sowohl die Überstellung zum Flughafen, als auch die Abbeförderung per Flugzeug umfasse (vgl VwGH 11.11.1993, 93/18/0456; VwGH 22.4.1994, 94/02/0009).

 

Die Abschiebung im § 46 Abs 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 157/2005) unterscheidet sich kaum von der Vorgängerbestimmung des § 56 Abs 1 FrG 1997. Die oben angeführte Judikatur ist daher übertragbar. Die im gegenständlichen Fall rechtzeitig gegen die Abschiebung vom 20. Februar 2006 eingebrachte Maßnahmenbeschwerde ist daher zulässig.

 

4.2. Gemäß dem § 46 Abs 1 FPG können Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung (§§ 53, 54 und § 10 AsylG) durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn

 

  1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint oder
  2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise (§ 67, § 10 AsylG) nicht zeitgerecht nachgekommen sind oder
  3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen oder
  4. sie dem Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass gegen den Bf eine rechtskräftige Ausweisung nach dem Fremdengesetz 1997 erlassen worden war, der er schon monatelang nicht nachgekommen war. Außerdem hatte die belangte Behörde gegen den Bf ein Aufenthaltsverbot erlassen (Zustellung an den Rechtsvertreter des Bf am 27.12.2005) und die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen. Nach dem § 125 Abs 1 FPG sind Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, nach dessen Bestimmungen weiterzuführen, was keinen relevanten Unterschied machen dürfte.

 

4.3. Das Asylgesetz 2005 ist am 1. Jänner 2006 in Kraft getreten und auf den vorliegenden Fall vollinhaltlich (vgl dazu die Übergangsbestimmungen im § 75 AsylG 2005) anzuwenden. § 12 Abs 1 AsylG 2005 regelt den faktischen Abschiebeschutz. Nach seinem Absatz 1 kann ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist geduldet. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. § 36 Abs 4 gilt.

 

§ 36 AsylG 2005 regelt die Wirkung von Berufungen. Nach § 36 Abs 1 kommt einer Berufung bei Zurückweisungen keine aufschiebende Wirkung zu, es sei denn sie wird vom UBAS zuerkannt.

 

§ 36 Abs 4 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

"Kommt einer Berufung gegen eine Ausweisung die aufschiebende Wirkung nicht zu, ist die Ausweisung durchsetzbar. Mit der Durchführung der diese Ausweisung umsetzenden Abschiebung oder Zurückschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Berufungsvorlage zuzuwarten. Der unabhängige Bundesasylsenat hat das Bundesasylamt unverzüglich vom Einlangen der Berufungsvorlage und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen."

 

In der Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 wird zu § 36 Abs 4 AsylG 2005 ausgeführt (vgl 952 BlgNR 22. GP, Seite 172), dass dieser zwischen der Durchsetzbarkeit und der Zulässigkeit der Durchführung fremdenpolizeilicher Maßnahmen unterscheide. Trotz Durchsetzbarkeit der zurückweisenden Entscheidung sei eine "Effektuierung der Abschiebung" erst nach verstrichener Rechtsmittelfrist oder im Falle eines Rechtsmittels 7 Tage nach Berufungsvorlage an den UBAS zulässig, sofern dieser nicht aufschiebende Wirkung binnen sieben Tagen ab Berufungsvorlage zuerkennt (vgl §§ 37, 38 AsylG 2005). Wozu dann diese eher verwirrende Begrifflichkeit?

 

Es kann dahingestellt bleiben, ob die gewählte, dem bisherigen Sprachgebrauch nicht entsprechende Terminologie glücklich erscheint. Im Ergebnis bedeutet jedenfalls diese "Durchsetzbarkeit" iSd § 36 Abs 4 AsylG 2005 noch keine unmittelbare Durchsetzbarkeit im herkömmlichen Sinne einer Vollstreckbarkeit des Bescheides nach § 36 Abs 1 AsylG 2005, weil dafür der Eintritt von weiteren gesetzlichen Bedingungen erforderlich ist. Erst mit dem ungenützten Ablauf der angeführten Fristen tritt auch die Vollstreckbarkeit und damit die Zulässigkeit der Umsetzung der Ausweisung durch Abschiebung ein.

 

§ 12 Abs 1 AsylG 2005 spricht zunächst im Satz 1 u.A. vom faktischen Abschiebeschutz bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung. In Verbindung mit dem sonderbaren Begriffsverständnis der (mittelbaren) "Durchsetzbarkeit" im § 36 AsylG 2005 könnte man zunächst glauben, dass bereits die Zustellung (= Erlassung) der zurückweisenden Entscheidung samt der damit verbundenen Ausweisung das Ende des faktischen Abschiebeschutzes bedeutete. Der letzte Satz stellt dann aber klar, dass § 36 Abs 4 AsylG 2005 ohnehin auch gilt, woraus zu schließen ist, dass der faktische Abschiebeschutz eben bis zu dem im § 36 Abs 4 leg.cit. genannten Zeitpunkt gilt, ab dem Vollstreckbarkeit (unmittelbare Durchsetzbarkeit) eingetreten ist.

 

4.4. Die belangte Behörde vertritt in ihrer Gegenschrift die Rechtsauffassung, dass der § 36 Abs 4 AsylG 2005 ausschließlich Abschiebungen in Durchführung einer im Asylverfahren erlassenen Ausweisung betreffe und keinen generellen Abschiebeschutz bewirke. Die Abschiebung auf Grund durchsetzbarer fremdenpolizeilicher Titel sei dennoch zulässig, weshalb im gegenständlichen Fall kein Anlass bestanden habe zuzuwarten. Mit dieser Ansicht ist die belangte Behörde aus folgenden Gründen nicht im Recht:

 

Die belangte Behörde hat bei ihrer an sich schlüssigen Argumentation gegen das Beschwerdevorbringen die Bestimmung des § 1 Abs 2 FPG übersehen. Nach dem 1. Satz des § 1 Abs 2 FPG sind die §§ 41 bis 43, 53, 58, 68, 69, 72 und 76 Abs 1 FPG auf "Asylwerber" (Hinweis auf Legaldefinition nach § 2 Z 14 - gemeint wohl § 2 Abs 1 Z 14 - AsylG 2005) nicht anzuwenden. Nach dem vorletzten Satz des § 1 Abs 2 FPG ist die Durchsetzung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes gegen einen "Asylwerber" erst zulässig, wenn die Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 durchgesetzt werden kann. Hier wird der Begriff "Durchsetzung" nach Ansicht des erkennenden Mitglieds im herkömmlichen Sinne von unmittelbarer Durchsetzbarkeit bzw Vollstreckbarkeit zu verstehen sein, weil die Vorschrift sonst keinen Sinn machen würde. Den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zu § 1 FPG kann dies aus folgender Passage (vgl 952 BlgNR 22. GP, Seite 76) auch sinngemäß entnommen werden:

 

"Fremde, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, genießen bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung faktischen Abschiebeschutz und sind nach Zulassung des Verfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt (§§ 13 und 14 AsylG). Die Durchsetzung einer vor einem Asylantrag verhängten Ausweisung oder eines solchen Aufenthaltsverbots ist erst zulässig, wenn die Ausweisung nach dem AsylG (§ 10 AsylG) zulässig ist. Diese richtet sich nach den § 36 ff AsylG und ist für die Sicherstellung eines effektiven Rechtsmittels für alle Asylwerber - egal ob diese vor dem Asylverfahren mit einer Ausweisung oder einem Aufenthaltsverbot belegt wurden - notwendig."

 

Nach § 2 Abs 1 Z 14 AsylG 2005 ist ein "Asylwerber" ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens. Nach der gleichartigen Legaldefinition des § 1 Z 3 AsylG 1997 war "Asylwerber" ein Fremder ab Einbringung eines Asylantrages bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens oder bis zu dessen Einstellung. Ein Unterschied besteht nur insofern, als nunmehr von Antrag auf internationalen Schutz (vgl dazu § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005) anstatt von Asylantrag die Rede ist. Diese geänderte Terminologie entspricht der Statusrichtlinie und wurde zum Zweck der Einheitlichkeit übernommen. Die Stellung eines solchen Antrags entspricht aber inhaltlich dem bisherigen Asylantrag (vgl RV 952 BlgNR 22. GP, Seite 30, "Zu Z 12" des AsylG 2005). Daher betont die Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 (vgl 952 BlgNR 22. GP, Seite 31, "Zu Z 14" des AsylG 2005), dass der Begriff "Asylwerber" der geltenden Rechtslage entspricht und keiner Änderung bedarf. Fremde sind nicht mehr Asylwerber, wenn entweder das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen oder nach § 24 AsylG 2005 eingestellt wurde.

 

4.5. Im gegenständlichen Verfahren besteht kein Zweifel, dass der Bf als "Asylwerber" iSd § 2 Abs 1 Z 14 AsylG 2005 und damit auch des § 1 Abs 2 FPG angesehen werden muss. Er hat nach der aktenkundigen Asylinformationsdatei (DGA) während der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz (§ 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005) bzw Asylantrag in Form eines fremdsprachigen Schreibens gestellt, das per Telefax an das BAA EASt-West weitergeleitet wurde. Er wurde am 18. Jänner 2006 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der BPD Linz dazu erstbefragt. Sein Asylantrag galt gemäß § 17 Abs 6 AsylG 2005 mangels Vorführung nach § 45 AsylG 2005 als eingebracht. Die asylbehördliche Einvernahme fand am 25. Jänner 2005 statt. In der Folge erging der mit einer Ausweisung verbundene Zurückweisungsbescheid des BAA EASt-West vom 3. Februar 2006, der noch am gleichen Tag zugestellt worden war. Die rechtsfreundlich vertretene Berufung an den UBAS langte am 15. Februar 2006 beim BAA EASt-West ein. Die belangte Behörde wurde per E-Mail davon verständigt. In der Folge hat das BAA EASt-West die Berufung mit Verfahrensakt an den UBAS weitergeleitet. Laut Asylinformationsdatei teilte der UBAS im Hinblick auf § 36 Abs 4 AsylG 2005 per Telefax mit, dass die Berufungsvorlage am 17. Februar 2006 eingelangt ist.

 

Im Hinblick auf den faktischen Abschiebeschutz des Bf nach § 12 Abs 1 AsylG 2005 hätte die belangte Behörde mit der Abschiebung gemäß § 36 Abs 4 AsylG 2005 iVm § 1 Abs 2 FPG jedenfalls noch bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Berufungsvorlage beim UBAS am 17. Februar 2006 und damit bis zum Ablauf des 24. Februar 2006 zuwarten müssen. Mit diesem Datum wurde bereits - wie der Eingangsstempel des BAA EASt-West und die Asylinformationsdatei belegen - der aufhebende Berufungsbescheid des UBAS zugestellt. Damit entfiel auch die zurückweisende Entscheidung samt Ausweisung des BAA EASt-West und das Asylverfahren war in der Folge zuzulassen. Eine entsprechende Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 wurde vom Rechtsvertreter des Bf am 1. März 2006 übernommen.

 

Der Bf hätte demnach weder am 20. Februar 2006, noch an den folgenden Tagen nach P/B abgeschoben werden dürfen. Der angefochtene Verwaltungsakt war daher für rechtswidrig zu erklären.

 

5. Gemäß § 79a Abs 1 AVG idF BGBl Nr. 471/1995 hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Nach § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen, für die der Bf aufzukommen hat, vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 (BGBl II Nr. 334/2003) beträgt der Pauschbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes des Bf als obsiegende Partei 660,80 Euro. Für die gegenständliche Beschwerde ohne Beilage ist eine Eingabengebühr in Höhe von 13 Euro zu entrichten.

 

Beim gegenständlichen Ergebnis war der Bund, für den die belangte Fremdenpolizeibehörde tätig geworden ist, antragsgemäß zum Ersatz des Schriftsatzaufwandes des Bf und der von ihm zu entrichtenden Stempelgebühren, insgesamt daher zum Ersatz von Verfahrenskosten in Höhe von 673,80 Euro, zu verpflichten.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
  2. Im gegenständlichen Verfahren sind Bundestempelgebühren in Höhe von 13 Euro für die eingebrachte Beschwerde angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Dr. W e i ß

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