Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-103269/2/Br

Linz, 09.11.1995

VwSen-103269/2/Br Linz, am 9. November 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn K R, K, vertreten durch RA Dr. A S, I, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 2.

Oktober 1995, AZ. VerkR96-586-16-1994-Pi/Ri, wegen Übertretungen der StVO 1960 zu Recht:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG, iVm § 24,§ 45 Abs.1 Z1 und 2, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat mit dem Straferkenntnis vom 2. Oktober 1995, AZ.

VerkR96-586-16-1994-Pi/Ri, über den Berufungswerber wegen der Übertretungen gemäß § 4 Abs.1 lit.a und § 4 Abs.5 StVO Geldstrafen von 1) 2.000 S und 2) 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall 1) 72 Stunden und 2) 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 12. Jänner 1994 gegen 20.00 Uhr als Lenker des Sattelzugfahrzeuges mit dem Kennzeichen und den Sattelanhänger mit dem Kennzeichen im Gemeindegebiet von St. M auf dem Güterweg U in südliche Richtung gelenkt habe und dabei das Brückengeländer der Brücke über die P erheblich beschädigt und es dabei unterlassen habe, 1.) nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, das von ihm gelenkte Fahrzeug sofort anzuhalten und 2.) nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriedienststelle vom Unfall zu verständigen.

1.1. In der Begründung ihrer Entscheidung umschreibt die Erstbehörde eingangs die gesetzlichen Grundlagen und gibt folglich die Verantwortung des Berufungswerbers wieder.

Inhaltlich führt die Erstbehörde schließlich aus, daß die Erhebungen ergeben hätten, daß es sich bei dem vom Berufungswerber gelenkten Fahrzeug um eines mit roter Farbe handle. Daraus leitete die Erstbehörde den "erhärteten Verdacht" ab, daß es sich bei dem vom Berufungswerber gelenkten Fahrzeug um das Schädigerfahrzeug handeln müsse.

Dies nahm die Erstbehörde unter Hinweis auf § 45 Abs.2 AVG im Rahmen der freien Beweiswürdigung an. Sie stützt sich diesbezüglich auch auf die Angaben des an der beschädigten Brücke die Erhebungen durchführenden Gendarmeriebeamten BezInsp. S. Die Verantwortung des Berufungswerbers, daß er vom Vorfall nichts gemerkt habe, tat die Erstbehörde damit ab, daß sich so schließlich jeder Lenker eines LKW-Zuges oder Sattelkraftfahrzeuges verantworte und somit der Anhalte- u. Meldepflicht entgehen könne, indem er bloß zu behaupten bräuchte weder subjektiv noch objektiv von einem Vorfall etwas bemerkt zu haben.

Die Erstbehörde führte schließlich noch aus, daß bei heiklen Situationen mit Fahrzeugen (Ausparken, Rückwärtsfahren, Befahren von Engstellen, Vorbeifahren an anderen Fahrzeugen mit geringem Seitenabstand, Wendemanöver usw.) nur mit gehöriger Aufmerksamkeit gefahren werden dürfe. Im Falle eines Zweifel müsse sich der Lenker eben hinsichtlich eines allfälligen "Fremdkontaktes" durch Nachschau überzeugen.

2. In der dagegen fristgerecht durch seinen Rechtsvertreter erhobenen Berufung macht der Berufungswerber im wesentlichen Verfahrensmängel geltend. Diese seien insbesondere darin gelegen, daß die freie Beweiswürdigung erst nach vollständiger Beweiserhebung einsetzen dürfe. Es sei unterlassen worden, das Fahrzeug zu besichtigen. Dadurch hätte sich ergeben, daß die Verantwortung des Berufungswerbers richtig sei und die Lackierung des Zugfahrzeuges "weiß-schwarz" sei. Anstatt dieser Besichtigung sei die Farbe bloß aus der Zulassungsanfrage geschlossen worden.

Abschließend stellt der Berufungswerber den Antrag auf Einstellung des Verfahrens. Offenbar irrtümlich wird dieser Antrag an den Landeshauptmann von Oö. gerichtet.

2.1. Seit der Einrichtung der unabhängigen Verwaltungssenate ab 1.1.1991 sind für Berufungen in Verwaltungsstrafsachen diese zuständig. Aber auch nach der früheren Rechtslage lag die Zuständigkeit der Vollziehung der StVO nicht in der Kompetenz des Landeshauptmannes.

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 10.000 S übersteigenden Geldstrafen verhängt worden sind, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Da sich schon aus der Aktenlage ergibt, daß der Tatvorwurf nicht aufrechterhalten werden kann, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Eferding, welcher am 3. November 1995 dem unabhängigen Verwaltungssenat zwecks Entscheidung über die Berufung vorgelegt wurde. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt.

4.1. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1.2. Der Berufungswerber lenkte zur fraglichen Zeit (12. Jänner 1994) das im Spruch beschriebene Sattelzugfahrzeug samt Anhänger wohl an der genannten Örtlichkeit.

Am 21. Februar 1994 wurde seitens des Bürgermeisters der Gemeinde St. M die Beschädigung am Brückengeländer festgestellt und Anzeige beim Gendarmerieposten P erstattet.

Die folglich in diesem Zusammenhang von BezInsp. S durchgeführten Erhebungen ergaben u.a. auch, daß an zwei stark verbogenen Stehern ein massiver roter Farbabrieb vorhanden war.

Im Wege umfangreicher Ausforschungen wurde als mögliches Tatfahrzeug das vom Berufungswerber am 12. Jänner 1994 an dieser Stelle gelenkte Sattelzugfahrzeug mit Auflieger ausgeforscht. Der Berufungswerber wurde dazu am 8. März 1994 beim GP K vernommen, wobei er darlegte, daß er jedenfalls von einem Zwischenfall nichts bemerkt hätte. Wenn, so müsse der Vorfall auf der Hinfahrt zur Ladefirma passiert sein. Er legte dabei auch dar, daß er wegen einer Verschiffung dieses Transportes in G in Zeitdruck gewesen sei und diese Fahrt in der Nacht erfolgt sei. Eine Besichtigung des Fahrzeuges auf allfällige diesem Vorfall zuzuordnende Schäden wurde - was verwunderlich ist - in der Folge nicht vorgenommen bzw.

nicht veranlaßt. Offenbar erfolgte auch keine Sicherstellung des Lackabriebes am Brückengeländer, sodaß eine entsprechende Untersuchung nicht (mehr) möglich zu sein scheint. Die Erstbehörde hat am 15.4.1994 wider den Berufungswerber, wenngleich der Tatvorwurf auf keiner dienstlichen Wahrnehmung beruhte, eine Strafverfügung erlassen. Diese wurde vom Berufungswerber beeinsprucht.

Darin führt der Berufungswerber u.a. auch aus, daß es durchaus denkbar sei, daß während der Zeit vom 12. Jänner 1994 bis zum 21. Februar 1994 der Schaden auch von jemand anderem herbeigeführt worden sein konnte. In weiterer Folge hat die Erstbehörde im Wege einer weiteren Anfrage und dreier diesbezüglicher Urgenzen an die Bezirkshauptmannschaft K als Zulassungsbehörde hinsichtlich der Farbe des vom Berufungswerber gelenkten Fahrzeuges und "Anhängers", welche vom erhebenden Beamten bereits in gleicher Weise mit "ROT" festgestellt worden war, in Erfahrung gebracht, daß die Farbe "WEISZ-ROT" sei. Nicht festgestellt wurde jedoch, welche Bereiche am Fahrzeug die entsprechenden Farben aufweisen und ob die jeweiligen Farbpartien des Fahrzeuges mit den möglichen Kontaktstellen an der Brücke in Übereinstimmung gebracht werden könnten. Es erfolgte offenbar nie eine Besichtigung des Sattelfahrzeuges.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Nach § 4 Abs.1 StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten, b) wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen, c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

5.1.1. Die ansich umfangreichen rechtlichen Ausführungen der Erstbehörde, welchen in ihrer Grundsätzlichkeit wohl nicht entgegenzutreten ist, kommen jedoch für diesen Sachverhalt nicht zum Tragen. Es wäre wohl auch gegen den Verschuldensgrundsatz, vom Lenker eines Fahrzeuges, gleichsam "ohne wenn und aber" verlangen zu wollen, jeden von ihm verursachten Schaden bemerken zu müssen und der Eintritt eines solchen ohne nähere inhaltliche Prüfung im Falle eines Nichtbemerkens, im Ergebnis verwaltungsstrafrechtlich immer unter dem Titel "Fahrerflucht" zu verantworten wäre. Hier ist sehr wohl auf objektive Umstände, welche allenfalls sogar unter Beiziehung eines Sachverständigen zu ermitteln sind, Bedacht zu nehmen (vgl. etwa VwGH v. 19.1.1990, Zl. 89/18/0199).

5.2. Hier mangelt es aber überhaupt an einem ausreichenden Beweisergebnis für diesen Tatvorwurf. Damit ist der Berufungswerber mit seinen Ausführungen im Ergebnis durchaus im Recht. Insbesondere scheint es auch für den Verwaltungssenat durch die hier vorliegende lange Zeitdauer bis zur Schadensentdeckung durchaus auch denkbar, daß der Schaden von jemand anderen herbeigeführt wurde. Das Indiz einer nicht näher spezifizierten roten Farbe und die Tatsache der Vorbeifahrt an der Stelle sechs Wochen vor der Schadensfeststellung reicht jedenfalls nicht, den Berufungswerber als Täter überführt zu erachten. Immerhin ist bekannt, daß etwa auch zahlreiche landwirtschaftliche Fahrzeuge ebenfalls rot lackiert sind. Hier bleibt kein Raum das Fehlende mit der freien Beweiswürdigung zu überbrücken (vgl. Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, Seite 166 ff).

5.2.1. Als Konsequenz folgt daher in rechtlicher Hinsicht, daß, wenn ein eindeutiges Beweisergebnis nicht vorliegt, selbst wenn (bloß) Zweifel am Tatvorwurf bestehen, der Tatnachweis eben nicht erbracht ist, von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

5.3. Auf Grund des inzwischen verstrichenen Zeitraumes in Verbindung mit den durchaus aufrichtig wirkenden Erstangaben des Berufungswerbers erscheint es nicht indiziert und wohl auch nicht (mehr) zielführend, diesbezügliche Erhebungen noch weiterzuführen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum