Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-500027/9/Gu/Shn

Linz, 24.01.1994

VwSen-500027/9/Gu/Shn Linz, am 24. Jänner 1994 DVR.0690392

B e s c h e i d

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine 2. Kammer unter dem Vorsitz von Dr. Kurt Wegschaider sowie durch Dr. Hans Guschlbauer als Berichter und Dr. Robert Konrath als Beisitzer über die Berufung des R H, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A W gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 14. Juni 1993, VerkGe-050.030/8-1993/Ga, womit einem Antrag auf Erteilung der Nachsicht von der Erbringung des Befähigungsnachweises zur Ausübung des Taxigewerbes keine Folge gegeben wurde, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben.

Herrn R H, wohnhaft in P wird die Nachsicht von der Erbringung des Befähigungsnachweises zur Ausübung des Taxigewerbes beschränkt für eine Konzessionsausübung im innerstaatlichen Bereich erteilt.

Rechtsgrundlage:

§ 1 Abs.2 Gelegenheitsverkehrsgesetz, BGBl.Nr.85/1952, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.129/1993, § 15 Abs.4 leg.cit., § 28 Abs.1 Z2 lit.a GewO 1973 idF der Gewerberechtsnovelle 1992, § 28 Abs.3 leg.cit., § 346 Abs.1 Z1 lit.a leg.cit., § 66 Abs.4 AVG, § 67a Abs.1 Z1 AVG.

II. Der Antragsteller hat gemäß § 78 AVG iVm TP 135 lit.a der Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983 idgF eine Verwaltungsabgabe von 550 S binnen zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung an den Landeshauptmann von Oberösterreich (Abteilung Verkehr des Amtes der o.ö.

Landesregierung) zu entrichten.

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Landeshauptmann von als Nachsichtsbehörde 1. Instanz dem Antrag des R H vom 26.7.1992, eingelangt am 27.7.1992, um Erteilung der Nachsicht von der Erbringung des Befähigungsnachweises zur Ausübung des Taxigewerbes, gestützt auf eine 11-jährige Berufserfahrung - davon sieben Jahre mit eigener Konzession - in Hamburg und mit dem Hinweis versehen, in Österreich seinen Beruf ausüben zu wollen, keine Folge gegeben.

Die 1. Instanz stützt ihren ablehnenden Bescheid im wesentlichen darauf, daß der Einschreiter anläßlich der Erlangung des Taxigewerbes für den Standort nur eine Prüfung für die Sparte des innerstaatlichen Verkehrs nachgewiesen habe und daß dagegen Kenntnisse der in Österreich geltenden Bestimmungen des Kraftfahrrechtes, des Gewerberechtes, des Steuer- sowie des Arbeitsrechtes und der Kammerorganisation - wie dies die Fachgruppe der Beförderungsgewerbe mit PKW der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für dargetan habe - nicht nachgewiesen seien.

Durch die bis zum Entscheidungszeitpunkt bloß siebenmonatige fachliche Tätigkeit im Inland habe das entsprechende Wissen für die volle Befähigung noch nicht erlangt werden können.

Auch sei eine hinreichende tatsächliche Befähigung iSd § 28 Abs.1 Z2 GewO 1973 nicht gegeben, da die in Österreich geltenden Vorschriften sich von jenen in Deutschland unterscheiden würden.

Da zum Zeitpunkt der Entscheidung (14. Juni 1993) der wiederholt ins Treffen geführte EWR-Beitritt Österreichs sowohl vom faktischen als auch von seinen rechtlichen Auswirkungen nicht abgeschätzt werden könne, wurde trotz Begehrens ohne Aussetzung des Verfahrens entschieden.

In seiner rechtzeitig erhobenen Berufung macht der Rechtsmittelwerber geltend, daß entgegen der Meinung der 1. Instanz seine Befähigung aufgrund seiner langjährigen einschlägigen Tätigkeit anzunehmen sei und es ihm unverständlich erscheine, daß die Tätigkeit insbesondere auch die selbständige Tätigkeit in Deutschland für eine einschlägige Gewerbeausübung in Österreich nicht hinreichend sein soll.

Das Kraftfahrrecht in Österreich sei ähnlich wie jenes in Deutschland und würden die österreichischen Gerichte ohnedies nach kurzer Zeit die dort herrschende Judikatur übernehmen.

Das deutsche Arbeits- und Steuerrecht sei für den selbständigen Unternehmer ähnlich wie in Österreich.

Im übrigen befinde er sich in einem fortgeschrittenen Alter, welches einen Nachsichtsgrund darstelle. Schließlich wird noch auf die monatelange Tätigkeit in Österreich als Taxilenker verwiesen.

Aufgrund der vorliegenden Voraussetzungen begehrt er, den Bescheid der Erstbehörde abzuändern und die beantragte Nachsicht zu erteilen.

Über die Berufung wurde am 6. Dezember 1993 die öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart des Vertreters des Berufungswerbers und des Vertreters der 1. Instanz durchgeführt, die Parteien gehört und in nachstehende Urkunden und Beweismittel Einsicht genommen und zur Erörterung gestellt:

- Genehmigungsurkunde VT 24/819 der Freien und Hansestadt Hamburg, betreffend die Berechtigung des Richard Hofer für die Ausübung des Taxigewerbes vom 12. April 1985 bis 14. April 1987.

Verlängerung dieser Berechtigungen vom 1.4.1987 bis 11.4.1991 und vom 11.4.1991 bis 11.4.1995.

- Zeugnis über die fachliche Eignung des Richard Hofer von der Handelskammer Hamburg vom 25. Februar 1985 für Taxenund Mietwagenverkehr - innerstaatliche Verkehre (Sachgebiet A) - Zeugnis der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für , Fachgruppe Beförderungsgewerbe mit PKW vom 15. Juli 1992 über die mit Erfolg abgelegte Prüfung des R H gemäß § 32 Abs.1 Z5 der Betriebsordnung für den nicht linienmäßigen Personenverkehr für die Region Linz-Stadt - Bescheinigung der Gebietskrankenkassa vom 2.6.1993 über die Beschäftigung des Nachsichtswerbers seit 1.11.1992 bis laufend beim Taxiunternehmen B V - Geburtsurkunde des Nachsichtswerbers, ausgestellt vom Standesamt Enns am 1. August 1962 über die am 12. Juni 1941 in Enns erfolgte Geburt - Staatsbürgerschaftsnachweis der BH Linz-Land vom 3. August 1962, Zl.Stb-1/Ho-41/126-1962, womit die österreichische Staatsbürgerschaft des Nachsichtswerbers bescheinigt wird - Meldezettel betreffend den Nachsichtswerber vom Gemeindeamt P, ausgestellt am 16. April 1992 über den Zuzug aus Hamburg nach P, - Mitteilung der Gemeinde P vom 1.9.1992 zur Zl.I-130/0-1992-EBE/h, daß über den Antragsteller iSd § 13 GewO 1973 keine Gewerbeausschließungsgründe bekannt sind.

Augrund dieser Beweismittel ist folgender Sachverhalt unbestritten:

Der Antragsteller steht im 53. Lebensjahr, ist österreichischer Staatsbürger und übte nach Absolvierung der Pflichtschulen unter anderem den Beruf eines Kraftfahrers und Schweißers aus.

Seit dem Jahre 1970 lebte und arbeitete er in Hamburg.

Nachdem er vier Jahre als Unselbständiger im Taxigewerbe tätig war, legte er am 25. Februar 1985 vor der Handelskammer Hamburg eine Prüfung über die fachliche Eignung nach dem Personenbeförderungsgesetz zur Führung eines Straßenpersonenverkehrsunternehmens in der Sparte Taxen- und Mietwagenverkehr für innerstaatliche Verkehre (Sachgebiet A) ab und erlangte die Gewerbeberechtigung der Freien und Hansestadt Hamburg für die Ausübung des Verkehrs mit einer Taxe mit dem Sitz in Hamburg, welches Gewerbe er vom 12. April 1985 bis zu seinem Zuzug nach Österreich am 16. April 1992 befugt und selbständig ausübte.

Am 16. Juli 1992 legte er vor der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für , Sektion Verkehr, Fachgruppe für die Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen die Prüfung gemäß § 32 Abs.1 Z5 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr für die Region Linz-Stadt ab und ist seit 1.11.1992 bis laufend beim Taxiunternehmen der B V als Taxichauffeur beschäftigt.

Gewerbeausschließungsgründe iSd § 13 GewO 1973 sind im Verfahren nicht bekannt geworden.

Bei diesem Sachverhalt war rechtlich zu erwägen:

Gemäß § 28 Abs.1 Z2 GewO 1973 idF der Gewerberechtsnovelle 1992 ist, sofern die Gewerbeordnung selbst oder eine Verordnung gemäß § 20 Abs.4 oder § 22 Abs.4 nicht Gegenteiliges bestimmt, die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erteilen, wenn eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen und dem Nachsichtswerber die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist.

Gemäß § 28 Abs.3 leg.cit. kann eine solche Nachsicht auch mit der Beschränkung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes erteilt werden, wenn die Befähigung lediglich in diesem Umfang gegeben ist.

Nachdem das Ansuchen um Erteilung der Nachsicht von der Erbringung des Befähigungsnachweises zur Ausübung des Taxigewerbes vom 26.7.1992 sich darauf bezieht, daß der Antragsteller wieder nach Österreich zieht, hier heiraten will und seinen Beruf ausüben will, wobei sein Beruf in Hamburg das auf den innerstaatlichen Verkehr beschränkte Taxigewerbe darstellte, bildete dieser antragsbedürftige Verwaltungsakt - ohne daß für die 1. Instanz Zweifel aufgekommen sind oder das Ansuchen zur Klarstellung hinterfragt worden wäre - den Prüfungsmaßstab für die anstehende Entscheidung im Berufungsweg.

Nachdem der Berufungswerber in der mündlichen Verhandlung sein Begehren um Nachsicht für die Ausübung des eingeschränkten Gewerbes bekräftigt und somit im Ergebnis kein neues Begehren gestellt hat, war mit einer Sachentscheidung vorzugehen.

Eine Entscheidung in der Sache war für den O.ö.

Verwaltungssenat infolge Querverweises des Gelegenheitsverkehrsgesetzes auf die jeweils aktuellen Bestimmungen der GewO insoferne zugängig, als - wiewohl die Fassung der GewO 1973 nach der Gewerberechtsnovelle 1992 keine konzessionierten Gewerbe mehr kennt und die Beförderungsgewerbe noch nicht expressis verbis angepaßt wurden - die Bestimmungen über die bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerbe insoferne vollinhaltlich zum Tragen kommen, indem die konzessionierten Gewerbe nur durch eine Änderung der Bezeichnung nicht aber im Wesensgehalt geändert wurden.

In der Sache kam der O.ö. Verwaltungssenat aufgrund der in Hamburg absolvierten vierjährigen unselbständigen Tätigkeit als Taxifahrer insbesondere aber durch die siebenjährige erfolgreiche Tätigkeit als selbständiger Taxiunternehmer und durch seine nunmehr eineinvierteljährige Verwendung als Taxilenker im Inland zum Schluß, daß eine hinreichende tatsächliche Befähigung über das von ihm angestrebte eingeschränkte Taxigewerbe vorliegt.

Das fortgeschrittene Alter des Nachsichtswerbers bildete einen besonderen Nachsichtsgrund und zwar ungeachtet der Frage, ob der Gesetzgeber im Lichte des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 16.6.1992, G 317/91 ua, berufen war, nicht vom öffentlichen Interesse gtragene zusätzliche Nachsichtsvoraussetzungen zu verlangen.

Nachdem der Nachsichtswerber durch die Entscheidung in seinen Rechten nicht beschwert erscheint, war eine weitergehende Prüfung dieser Frage entbehrlich.

Bei der Gestaltung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "hinreichende tatsächliche Befähigung" ist nunmehr seit dem Wirksamwerden des EWR-Abkommens, BGBl.Nr.909/1993 Teil III Kapitel 1 Art.30 und mangels formalen Ausspruches in einer Verordnung - die Säumigkeit des Verordnungsgebers kann dem Rechtsmittelwerber nicht schaden - der Wesensgehalt der Verordnung, BGBl.Nr.775/1993, mitbestimmend. Eine mehr als sechsjährige selbständige Tätigkeit eines Bürgers im europäischen Wirtschaftsraum verleiht durch die so erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten einen Rechtsanspruch auf Nachsichtserteilung im Mitgliedstaat Österreich, soll das Gemeinschaftsrecht, das dem innerstaatlichen Recht im Zweifel vorangeht, nicht unterlaufen werden. Nachdem bei der Auslegung einfacher Gesetze auch der verfassungsrechtliche Hintergrund, in dem Fall das Sachlichkeitsgebot mitzubedenken ist und ein österreichischer Staatsbürger nicht schlechter gestellt sein darf, als ein Bürger eines anderen Mitgliedstaates des EWR-Raumes, konnte somit der Nachsichtswerber gute und bescheinigte Gründe vorbringen, aus denen die Erteilung der erbetenen Nachsicht geboten war.

Die Pflicht zur Entrichtung der im Spruch bezeichneten Verwaltungsabgaben an die 1. Instanz, welche mit der Verleihung des begünstigenden Verwaltungsaktes verbunden ist, gründet sich unmittelbar auf TP 135 lit.a der Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983 idgF.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider