Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-510075/6/Ki/An

Linz, 04.03.2005

 

 

 VwSen-510075/6/Ki/An Linz, am 4. März 2005

DVR.0690392
 

 

 

B E S C H L U S S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch aus Anlass der Berufung des Herrn M S, H, F, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. F F, Mag. Dr. W F, Mag. Dr. B G, Mag. U N, L, G, vom 3.1.2005 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 16.12.2004, VerkR22-14-3-2004, betreffend Abweisung eines Antrages um Bewilligung zur Errichtung einer Fahrschule beschlossen:

 

  1. Das Verfahren wird unterbrochen.

 

2. Der Europäische Gerichtshof wird ersucht, folgende Rechtsfrage zu entscheiden:

 

Sind die Artikel 43 ff des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in dem Sinne auszulegen, dass es eine mit der - durch Artikel 43 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gewährleisteten - Niederlassungsfreiheit unvereinbare Beschränkung darstellt, wenn von einem Antragsteller für die Bewilligung einer Fahrschule, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates ist und die Bewilligung für eine Fahrschule in einem anderen Mitgliedstaat erlangen will, nach den Rechtsvorschriften des Niederlassungsstaates verlangt wird, dass er keine weitere Fahrschulbewilligung besitzen darf?

 

Rechtsgrundlage:

Art. 234 EG; § 38a AVG

 

 

 

Begründung:

 

 

1. Sachverhalt:

Herr M S, Fahrschulinhaber in H, F, stellte mit Schriftsatz vom 6.8.2004 an die zuständige Behörde (Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen) einen Antrag um Errichtung einer Fahrschule im Standort G, F, für die Lenkerausbildung der Führerscheinklassen A, B, C und E.

 

Herr S ist deutscher Staatsbürger und betreibt seit dem Jahr 1974 am Standort H (BRD) eine Fahrschule für die Lenkerausbildung der Führerscheinklassen A, B, C und E. Lt. seinen Angaben werden in H jährlich ca. 90 bis 100 Fahrschüler ausgebildet, Herr S führt den Fahrschulbetrieb inklusive aller Administrationsarbeiten ganz alleine. Der Fahrschule stehen ein PKW, diverse kleinere Anhänger sowie einige Motorräder zur Verfügung, ein Kraftwagenzug wird mit mehreren Fahrschulen gemeinsam benützt.

 

Mit einem weiteren Schriftsatz vom 7.10.2004 hat Herr S bekannt gegeben, dass er seinen Antrag insoferne ändert, als er die Bewilligung statt für den ursprünglich beantragten Standort F, G, für den Standort M, W, beantrage.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens hat die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen den Antrag des Herrn S mit Bescheid vom 15.12.2004, VerkR22-14-3-2004, mangels Vorliegen der persönlichen Voraussetzung für die Erteilung einer Fahrschulbewilligung abgewiesen. Das behördliche Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass hinsichtlich der Person des Herrn M S die persönlichen Voraussetzungen im Sinne des § 109 Abs. 1 lit. j KFG 1967 nicht erfüllt wären. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung dürfe eine Fahrschulbewilligung nur Personen erteilt werden, die noch keine Fahrschulbewilligung besitzen würden. Laut Ansuchen vom 6.8.2004 betreibe der Antragsteller seit 1974 am Standort H/BRD eine Fahrschule für die Führerscheinklassen A, B, C und E und sei somit im Besitz einer Fahrschulbewilligung. Der Entscheidung sei somit zu Grunde zu legen gewesen, dass der Bewilligungswerber den beantragten Standort in W neben seiner bereits bewilligten Fahrschule in H/BRD zu betreiben gedenke, womit jedoch auch feststehe, dass die Bewilligungsvoraussetzungen im Sinne des § 109 Abs. 1 lit. j KFG 1967 nicht gegeben wären.

Gegen die Abweisung des Antrages hat Herr S mit Schriftsatz vom 3.1.2005 Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erhoben. Unter anderem argumentiert er, die Bestimmung des § 109 Abs. 1 lit. j KFG sei in europarechtlicher Sicht so zu verstehen, dass es lediglich unzulässig sei, über zwei Fahrschulbewilligungen im Bundesgebiet der Republik Österreich zu verfügen. Beziehe man das Verbot einer zweiten Fahrschulbewilligung hingegen auch auf Fahrschulbewilligungen in anderen Ländern, wäre der europarechtliche Grundsatz der Niederlassungsfreiheit in unzulässiger Weise beschränkt.

 

2. Rechtlicher Rahmen:

Gemäß Artikel 43 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft sind die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates verboten. Das gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften für Angehörige eines Mitgliedstaates, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates ansässig sind.

Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates für seine eigenen Angehörigen.

Gemäß § 109 Abs. 1 lit. j des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267, in der Fassung der 25. KFG-Novelle, BGBl. Nr. I Nr. 175/2004, (KFG 1967) darf eine Fahrschulbewilligung (§ 108 Abs. 3) nur natürlichen Personen und nur Personen erteilt werden, die noch keine Fahrschulbewilligung besitzen; dies gilt nicht für die Ausdehnung auf weitere Klassen oder Unterklassen am genehmigten Standort.

 

3. Bedenken:

Artikel 43 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gilt als unmittelbar anzuwendende Norm des Gemeinschaftsrechtes, sodass im Falle eines Verstoßes des § 109 Abs. 1 lit. j KFG 1967 gegen das Verbot von Beschränkungen des Niederlassungsrechts diese innerstaatliche Norm bei der zu treffenden Berufungsentscheidung nicht zur Anwendung gelangen dürfte.

 

Der innerstaatliche Gesetzgeber wollte durch Normierung eines Verbotes mehrerer Fahrschulbewilligungen sicherstellen, dass ein Fahrschulinhaber mehr als die Hälfte seiner Arbeitskraft dieser einzigen Fahrschule zu widmen habe. Dem würde jedoch eine Bewilligung für eine weitere Fahrschule entgegen stehen. Ob dieses Motiv per se jedoch eine Ausnahme vom Beschränkungsverbot begründen könnte, daran hegt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich große Bedenken.

 

Der Europäische Gerichtshof hat u.a. in der Rechtssache Klopp (EuGH, Rs. 107/83, 12.7.1984, Slg. 1984, 2971) festgehalten, dass, wie sich aus Artikel 52 Absatz 2 (ehem. Fassung) ergibt, es jedem Mitgliedsstaat (in Ermangelung besonderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften) freisteht, die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs für sein Hoheitsgebiet zu regeln, dieser Grundsatz jedoch nicht bedeutet, dass einem Rechtsanwalt durch die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgeschrieben werden kann, im gesamten Gebiet der Gemeinschaft nur eine einzige Kanzlei zu unterhalten. Eine solche einschränkende Auslegung hätte nämlich zur Folge, dass ein Rechtsanwalt, der sich einmal in einem bestimmten Mitgliedstaat niedergelassen hat, die Freiheitsrechte des Vertrages zur Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat nur noch in Anspruch nehmen könnte, wenn er seine bereits bestehende Niederlassung aufgeben würde.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich neigt zur Ansicht, dass die dargelegte Auslegung nicht nur für freie Berufe sondern auch für gewerbliche Unternehmen bzw. Fahrschulen in Erwägung gezogen werden müsste.

 

Nach dem heutigen Stand der Technik erscheint es durchaus möglich zu sein, unter Ausschöpfung der vollen Arbeitskraft einer Person auch mehrere Fahrschulen ordnungsgemäß zu führen. Offenbar diesem Gedanken folgend sieht etwa das Gesetz über das Fahrlehrerwesen der BRD, BGBl I 1969, zuletzt geändert durch Artikel 12 G v. 15.12.2001 I 3762, vor, dass an den Inhaber einer Fahrschule eine Zweigstellenerlaubnis erteilt werden kann (§ 14).

 

Außerdem erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass es, konkret auf den vorliegenden Fall bezogen, eine Diskriminierung des Staatsbürgers der BRD gegenüber österreichischen Staatsbürgern nach sich ziehen könnte, zumal ein österreichischer Staatsbürger, welcher in Österreich Inhaber einer Fahrschulbewilligung ist, - unter Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - durchaus in der BRD eine weitere (Zweigstellen-) Bewilligung erlangen könnte, während andererseits einem Staatsbürger der BRD, welcher dort bereits eine Fahrschulbewilligung besitzt, eine solche Möglichkeit in Österreich verwehrt wäre.

 

4. Da es sich hiebei um eine bislang nicht geklärte Auslegungsfrage im Zusammenhang mit einer Fahrschulbewilligung handelt, wird der Europäische Gerichtshof gemäß Art. 234 EGV ersucht, die oben im Spruch gestellte Frage zu entscheiden.

 

5. Die Fortsetzung des Verfahrens wird gemäß § 38a Abs. 1 AVG nach Vorliegen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes erfolgen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten

 

 

Mag. K i s c h

 

 
 

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