Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520048/12/Fra/Ka

Linz, 19.02.2003

 

 

 VwSen-520048/12/Fra/Ka Linz, am 19. Februar 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn ML, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 11.11.2002, Zl. F 5105/2002, betreffend Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Lenkberechtigung für die Klasse B mangels gesundheitlicher Eignung, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird behoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG und § 67a Abs.1 AVG; §§ 3 Abs.1 Z3, 8 Abs.1 und 2 FSG im Zusammenhalt mit §§ 2 Abs.4, 3 Abs.1 Z3 und Abs.4, 6 Abs.1 Z6 und 8 Abs.5 FSG-GV
 

Entscheidungsgründe:
 

1. Die Bundespolizeidirektion (BPD) Linz hat dem in der Präambel angeführten Bescheid den Antrag des Berufungswerbers (Bw) auf Erteilung einer Lenkberechtigung für die Klasse B mangels gesundheitlicher Eignung abgewiesen.

 

Die belangte Behörde stützt sich auf die vom Bw beigebrachte fachärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Augenheilkunde und Optometrie, Dr. AK vom 18.9.2002, wonach mit Korrektur (Kontaktlinsen) am rechten Auge ein Visus von 0,70 bis 0,80 pp und am linken Auge ein Visus von 0,40 pp erreicht wird. Das Stereosehen sei aufgrund des vorliegenden Strabismus negativ. Eine Änderung dieser Befundlage sei laut der Fachärztin derzeit nicht zu erwarten. Weiter stützt sich die belangte Behörde auf das amtsärztliche Gutachten des Amtsarztes der BPD Linz, Dr. H vom 17.10.2002, wonach die derzeitige Nichteignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der beantragten Gruppen 1 (beinhaltet die Klasse B) festgestellt wird. Der Amtsarzt verweist auf die fachärztliche Stellungnahme. Der bei negativem Stereosehen geforderte Mindestvisus am bessersehenden Auge von 0,8 werde auch mit Korrektur unterschritten, bzw könne nicht durchgehend erreicht werden.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung, bringt der Bw vor, er sei seit seinem 3. Lebensjahr Linsenträger und fühle sich weder in der Schule noch bei seinen Freizeitaktivitäten beeinträchtigt. Er habe auch in den bereits durchgeführten Fahrstunden in der Fahrschule keinerlei Probleme mit dem Sehen.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat über die Berufung erwogen:

 

3.1. Gemäß § 3 Abs.1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, eine Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9).

 

Gemäß § 8 Abs.1 FSG hat vor der Erteilung einer Lenkberechtigung der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Klassen von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen.

 

Gemäß § 8 Abs.2 FSG ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen, wenn zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich ist; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.

 

Gemäß § 2 Abs.4 FSG-GV darf bei der Erstellung des ärztlichen Gutachtens keine fachärztliche oder verkehrspsychologische Stellungnahme miteinbezogen werden, die älter als 6 Monate ist. Aktenkundige Vorbefunde sind jedoch heranzuziehen, um einen etwaigen Krankheitsverlauf beurteilen zu können. Zu diesem Zweck hat die Behörde dem Sachverständigen bei Nachuntersuchungen in diese Vorbefunde Einsicht zu gewähren.

 

Gemäß § 3 Abs.1 Z3 FSG-GV gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmen Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften ausreichend frei von Behinderungen ist.

 

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs.1 oder 2 FSG vorzulegen.

 

Gemäß § 6 Abs.1 Z6 FSG-GV gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend frei von Behinderungen eine Person, bei der keine der folgenden Behinderungen vorliegt: ............Z6 mangelhaftes Sehvermögen.........

 

§ 8 Abs.5 FSG-GV lautet: Fehlt eine Auge oder ist es praktisch blind oder ist eine funktionelle Einäugigkeit gegeben, so kann eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren erteilt werden, wenn durch eine fachärztliche Stellungnahme bestätigt wird, dass beim normal sehenden Auge ein normales Gesichtsfeld und eine Sehschärfe von mindestens 0,8 ohne oder mit Korrektur vorhanden ist. Eventuelle Anzeichen bei beginnender Erkrankung des sehenden Auges müssen dahingehend beurteilt werden, in welchem Zeitraum eine augenärztliche Kontrolluntersuchung erforderlich ist; die Eignung kann nur für diesen Zeitraum angenommen werden. Bei der Festsetzung des Zeitraumes ist auch auf die Ursache und den Zeitpunkt des Verlustes oder der Blindheit des einen Auges Bedacht zu nehmen. Erforderlichenfalls muss durch eine Beobachtungsfahrt oder eine Prüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit festgestellt werden, ob der Verlust eines Auges ausreichend kompensiert werden kann. Bei der Erteilung der Lenkberechtigung für das Lenken von Kraftfahrzeugen ohne Windschutzscheiben oder mit Windschutzscheiben, deren Oberrand nicht höher liegt als die Augen des Lenkers beim Lenken, ist als Auflage die Benützung eines Augenschutzes vorzuschreiben.

 

3.2. Da die augenärztliche Stellungnahme der Frau Dr. AK vom 18.9.2002 nicht den Anforderungen der FSG-GV, wie sie zur Beurteilung der Fahreignung erforderlich ist, entspricht, weil sie nicht die Auswirkungen des Leidens auf das Lenken eines Kraftfahrzeuges beschreibt, wurde Frau Dr. K um eine diesbezügliche ergänzende fachliche Stellungnahme gebeten, insbesondere auch dahingehend, ob etwa bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung die mangelnde Sehschärfe kompensiert werden kann.

 

Der diesbezügliche Ergänzungsbefund von Dr. AK vom 23.12.2002 lautet wie folgt:

 

"Augenfachärztlicher Ergänzungsbefund betreffend

 

Herrn LM, geb. 21-02-83.

 

Es besteht seit Kindheit eine hochgradige Myopie mit Strabismus convergens links, weshalb der Visus links etwas reduziert ist gegenüber rechts. Es wird das Tragen von Kontaktlinsen weiterhin empfohlen, da damit beidseits ein besserer Visus als mit Brillenkorrektur erreicht wird. Trotz der hohen Myopie wird am rechten besseren Auge, welches auch das Führungsauge ist, ein Visus von 0,75 - 0,80partim erzielt, links 0,40p.

 

Da die Gesichtsfelduntersuchung beidseits unauffällig ist, trägt das linke Auge sehr wohl zur Umfelderfassung bei, da funktionell zur Erfassung des Umfeldes die Netzhaut peripher der Macula zugeordnet ist und nicht die zentrale Fovea.

Aufgrund des Strabismus links besteht zwar keine Fusion und damit keine Stereopsis, wohl aber eine binokulare - und damit eine bitemporale - Raumerfassung, welche für das Lenken eines Fahrzeuges von eminenter Bedeutung ist.

Daraus folgend kann nach dem vorliegendem Befund Herrn L eine Lenkerberechtigung für Fahrzeuge der Klasse B aus augenfachärztlicher Sicht mit der nach § 8 festgesetzten zeitlichen Begrenzung mit augenfachärztlicher Kontrolluntersuchung erteilt werden. Ergänzend kann noch mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung mangelnde Sehschärfe kompensiert und damit die Sicherheit des Lenkers erhöht werden.

 

Die vorliegende hohe Myopie ist stationär, d.h. es ist in den letzen Kontrolljahren zu keiner Dioptrienänderung bzw. Visusänderung gekommen."

 

Der Amtsarzt der Oö. Landessanitätsdirektion, Herr Dr. LS, kommt in seinem Gutachten vom 10.2.2003 ua zu folgenden Ergebnissen:

 

"Es ergibt sich aus den augenfachärztlichen Stellungnahmen, dass die Grenzwerte nach der FSG-GV nur äußerst geringfügig unterschritten wurden. Am besseren Auge erreicht Herr L eine Sehschärfe von 0,8 teilweise und er ist zu einer binokularen Raumerfassung in der Lage. Die mangelnde Sehschärfe könnte durch eine Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit zumindest teilweise kompensiert werden. Bis zu welcher Geschwindigkeit die höchste erlaubte Geschwindigkeit reduziert werden müsste, um bei der gegebenen Sehschärfeneinschränkung ein Risiko für Unfälle im Straßenverkehr zu minimieren, ist der fachärztlichen Stellungnahme nicht zu entnehmen. Aus der Erfahrung könnte aber bei den gegebenen Visuswerten mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h bis 100 km/h eine günstige Wirkung erzielt werden. Da Herr L streng genommen die gesetzlich erforderliche Sehschärfe knappest unterschreitet, wurde vorerst auf eine weitere Untersuchung der Einholung etwaiger weiterer Befunde verzichtet."

 

Der Oö. Verwaltungssenat kommt zum Ergebnis, zumal nach dem augenfachärztlichen Befund der Bw am rechten besseren Auge einen Visus von bis zu 0,80 partim erzielt, die von der FSG-GV geforderte Sehschärfte gerade noch erreicht. Der angefochtene Bescheid war daher, weil er sich ausschließlich auf das mangelnde Sehvermögen stützt, zu beheben. Welche Auflagen, zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkung der Gültigkeit der beantragten Lenkberechtigung im Sinne des § 8 Abs.3 Z2 FSG erforderlich sind, hat nicht der Unabhängige Verwaltungssenat - da sich dieser auf die "Sache" zu beschränken hat - sondern die belangte Behörde im fortzusetzenden Erteilungsverfahren zu beurteilen. Eine Vorschreibung von Auflagen etc durch den UVS verbietet sich (auch) unter dem Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, zumal dem Bw auch dagegen ein ordentliches Rechtsmittel zur Verfügung stehen muss.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 

Dr. F r a g n e r

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