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VwSen-520077/13/Br/Ka

Linz, 10.03.2003

 

 

 VwSen-520077/13/Br/Ka Linz, am 10. März 2003

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S
 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn AR, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Steyr, vom 12. Dezember 2002, AZ: 00303/VA/FE/2002, nach der am 20. Jänner 2003 und 10. März 2003 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlungen und der Verkündung, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird hinsichtlich des Ausspruches über die Entziehung der Lenkberechtigung der Klasse B Folge gegeben und der angefochtene Bescheid diesbezüglich behoben.

Gleichzeitig wird ausgesprochen, dass Herr August Rabenhaupt zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B unter nachstehenden Befristungen, Auflagen bzw. Beschränkungen geeignet ist:

 

- Befristung der Lenkberechtigung auf zwei Jahre (beginnend ab 10. 3. 2003);

- Tragen einer Brille, mit welcher die erforderliche Sehschärfe erreicht wird;

- zeitliche Beschränkung: Lenken nur bei Tageslicht

 

Dem Berufungswerber ist demnach eine Lenkberechtigung im oben angeführten Umfang zu erteilen.
In seinem übrigen Umfang wird der angefochtene Bescheid bestätigt.

Die Behörde erster Instanz hat die entsprechenden Codes in den Führerschein einzutragen.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG, idF BGBl.I Nr. 117/2002 iVm § 3 Abs.1 § 8 Abs.2 FSG iVm § 24 Abs.1 Z2 idF BGBl.I Nr.81/2002, § 1 Abs.1 Z7 FSG-GV idF BGBl.II Nr. 427/2002, § 2 Abs.3 FSG-DV, BGBl. II Nr. 320/1997 zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 495/2002

 

 

Entscheidungsgründe:
 

1. Mit dem in der Präambel bezeichneten Bescheid wurde dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C1, F u. G für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung - gerechnet ab dem Zeitpunkt der Verkündung des Bescheides am 12.12.2002 - entzogen. Gleichzeitig wurde der Berufungswerber aufgefordert seinen Führerschein unverzüglich abzuliefern. Ebenfalls wurde die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Berufungsfalle ausgesprochen.

Inhaltlich wurde diese Entscheidung auf das amtsärztliche Gutachten vom 3.12.2002 gestützt, womit wegen "verminderter kraftfahrspezifischer Leistungsfunktionen, sowie der Nichterreichung des erforderlichen Visus" eine gesundheitliche Nichteignung festgestellt wurde. Rechtlich wurde der Bescheid mit §§ 8, 24 Abs.1 Z1 u. Z4, § 25 Abs.2 und § 29 FSG iVm § 64 Abs.2 AVG - hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung - begründet.

 

2. Der Berufungswerber wendet sich dagegen mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung. Darin führt er inhaltlich folgendes aus:

"Ich habe am 12.12. 2002 laut oben angeführten Bescheid meinen Führerschein abgeben müssen, dagegen ergreife ich Berufung und begründe dies wie folgt:

 

Seit 1971 besitze ich den Führerschein und bin praktisch unfallfrei gefahren. Im Jahre 2002 war ich längere Zeit im Krankenhaus und benützte während dieser Zeit auch nicht meinen Pkw. Ich bin gesundheitlich wieder vollkommen hergestellt und fühle mich durchaus fahrtüchtig. Nur auf Grund einer denunzierenden Anzeige einer dritten Person musste ich zum Polizeiarzt und anschließend zu einem diskriminierenden verkehrspsychologischen Test nach Linz (Kuratorium für Verkehrssicherheit), für den ich sofort 330 Euro erlegen musste. Es war dies ein unzumutbarer Test für einen älteren Menschen, der im Gegensatz zum praktischen Fahren steht und keine Aussage für das Lenken eines Fahrzeuges darstellt. Diese Vorgangsweise finde ich skandalös, es erinnert sehr stark an die Nazizeit, wo diese Art der Diskriminierung gang und gäbe war. Ich werde auch bei negativer Erledigung alle mir zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen. Ich erhebe mit Nachdruck dagegen Einspruch und ersuche um positive Erledigung dieser Berufung."

(mit Unterschrift des Berufungswerbers)

 

3. Der Berufungsakt wurde von der Behörde erster Instanz dem Oö. Verwaltungssenat vorgelegt. Dieser ist demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien hier mit Blick auf § 67d Abs.1 AVG in Wahrung der durch Art. 6 Abs. 1 EMRK intendierten Rechte geboten.

3.1. Gemäß dem Inhalt des Verfahrensaktes wurde am 17.8.2002 von einem VB, laut Meldung des Wachzimmers Münichholz vom 2.9.2002, beim Wachzimmer Stadtplatz eine Anzeige gegen den Berufungswerber erstattet. Demnach soll der Berufungswerber beim Lenken seines KKW´s offensichtlich große Schwierigkeiten haben. Er fahre in Schrittgeschwindigkeit und gelange dabei öfters auf die Gegenfahrbahn. Aus diesem Grund vermeinte der Anzeiger beim Berufungswerber eine fehlende Fahreignung und damit die Notwendigkeit des Entzuges der Lenkberechtigung zu erblicken.

Auf Grund dieser Anzeige wurde der Berufungswerber von Organen der Bundespolizeidirektion Steyr am 18.8.2002 in seiner Wohnung aufgesucht. Im Zuge dessen hätte der Berufungswerber auf seinen schlechten Gesundheitszustand hingewiesen und ferner angegeben nur mehr kurze Strecken mit dem Auto zu fahren, weil er sich dabei - so wie auch seine Frau - nicht mehr wohl fühle. Er würde sich erst nach einer bevorstehenden Kur wieder ans Steuer setzen. Zu einer freiwilligen Abgabe seines Führerscheins habe der Berufungswerber laut Meldung nicht bewegt werden können.

Der Berufungswerber wurde folglich per Bescheid vom 16.10.2002 zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens aufgefordert. Im Auftrag der Behörde an den Amtsarzt wurde offenbar der vom Anzeiger dargestellte Sachverhalt 1:1 und wohl auch ungeprüft übernommen. Gleichzeitig wurde auf § 17 FSG-GV hingewiesen, wonach "bei Verdacht auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit" eine verkehrspsychologische Stellungnahme vorgesehen sei.

Der Berufungswerber wurde mit diesem Bescheid für den 22. Oktober 2002 zum Amtsarzt bei der Behörde erster Instanz vorgeladen. Dort wurden seitens des Amtsarztes Dr. T u.a. ein beidseitiger Visus von 0,33, und soweit laienhaft überblickbar ein sonst unauffälliger Befund festgestellt. Eine Feststellung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit wurde ohne nähere Begründung angeordnet.

Diese wurde am 11.11.2002 beim Kuratorium für Verkehrssicherheit in Linz durchgeführt, wobei das Gutachten auf auszugsweise nachfolgend getroffene Annahmen erstellt wurde:
"Vorgeschichte
Laut Angabe der/des Untersuchten

 

Herr R erlernte nach Beendigung der Schulpflicht den Beruf eines Tischlers, welchen er auch fünf Jahre ausübte. Von 1955 bis 1958 war er in den Steyrer Werken als Maschinenarbeiter beschäftigt. Danach wechselte er zum Bundesheer, wo er bis zu seiner Pensionierung 1985 als Heeresbeamter im Bereich Betriebsmittel und Nachschub tätig war.
 

Herr R ist seit 1952 verheiratet und Vater zweier erwachsener Töchter. Als Freizeitbeschäftigung werden Tischlerarbeiten (Grippen und Laternen) angegeben.
 

Herr Rabenhaupt erwarb 1942 eine Lenkberechtigung der Klassen AB und 1974 Ausweitung auf die Klassen C, F, G (beim Bundesheer). Der Untersuchte gibt seither eine regelmäßige Pkw-Fahrpraxis im Umfang von 25.000 km jährlich an, wobei es aber seit seiner Pensionierung weniger geworden sei.
 

Führerscheinentzüge oder Verkehrsstrafen werden mit Ausnahme von einigen geringen Geschwindigkeitsüberschreitungen verneint. Herr R sei aber bei einigen "kleineren Blechschäden" beteiligt gewesen. Der letzte Unfall ereignete sich vor zwei Jahren, als der Untersuchte bei einer Kreuzung mit einer Vorrangstraße zu weit rausfuhr, sodass der andere Lenker auf der Vorrangsstraße ausweichen musste und von der Fahrbahn abkam.
 

Zum Untersuchungsanlass befragt gibt Herr R folgendes an: Im April diesen Jahres sei er aufgrund einer Magenerkrankung zwei Monate stationär im Wagner-Jauregg-Krankenhaus behandelt worden. Dabei habe er auch 15 kg Körpergewicht verloren. Nach seiner Entlassung beobachtete ihn eine Nachbarin, wie er seinen Pkw umstellte und meldete dies der Exekutive: "Herr R könne nicht mehr alleine gehen, werde dabei gestützt, fahre aber noch mit dem Auto". Dadurch sei das behördliche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.
 

Konsumgewohnheiten: Herr R sei Nichtraucher. Auch trinke er seit 15 Jahren keinen Alkohol mehr, da er damals an Zungenkrebs erkrankte und auch operiert wurde.
 

Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen, welche sich beim Auto fahren auswirken könnten werden verneint."

 

Im Befundblatt 1: wurden kraftfahrspezifische Leistungsdaten erhoben und interpretiert. Diese wurden sowohl quantitativ als auch qualitativ als weit unterdurchschnittlich bewertet, wobei die Auffassungsfähigkeit stark eingeschränkt erachtet wurde. Der Test "TT 15" wurde wegen Überforderung abgebrochen. Das Reaktionstempo wurde als "stark verlangsamt", die Reaktionssicherheit jedoch als ausreichend und die Belastbarkeit als "stark eingeschränkt" bewertet. Die Konzentrationsfähigkeit wurde nur als "minimal vermindert" erachtet. Die intellektuellen Fähigkeiten wurden als ausreichend bezeichnet.

Im Befundblatt 2 wurde Fahrverhaltensrelevante Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale erhoben.
 
"Interpretation der Testbefunde

zu den fahrverhaltensrelevanten Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmalen sowie

Interpretation der Befunde aus Anamnese, Exploration und Verhaltensbeobachtung (die hier eingefügten zwei Fußnoten werden nicht zitiert)
 

Herr R wirkte während der Exploration ruhig und offen. Die Verkehrsvorgeschichte des Untersuchten ist im wesentlichen unauffällig. Der 78 jährige Untersuchte fühlt sich aber trotz schwerer Erkrankung (April bis Juni diesen Jahres stationäre Behandlung, vgl. Vorgeschichte) noch völlig fahrtauglich und ist wenig problembewusst bezüglich möglicher gesundheitlicher Einschränkungen.
 

Im VPT: 2 zeigt sich eine Normabweichung der Skala OS, welche eine geringe Offenheit der Selbstbeschreibung ausweist. Der Wert der Skala AS ist aber dennoch erhöht und deutet auf eine verminderte Frustrationstoleranz hin.
 

Im FRF ladet der Wert des Faktors 2 niedrig und weist eine leichte Beeinflussbarkeit im sozialen Kontext aus.
 

Im VIP zeigt sich eine Normabweichung der Skala SE, welche eine starke Orientierung der Antworten an sozialer Erwünschtheit ausweist. Dadurch wurden die übrigen Skalenwerte verzerrt und die auffälligen Werte US, Al und EA sind auf eine bewusste Beschönigungstendenz zurückzuführen (der Untersuchte versuchte sich als besonders "tollen und dynamischen" Autofahrer darzustellen).
 

Im TAAK zeigt sich eine Normabweichung der Skala DS, welche eine sehr starke Neigung zu sozial erwünschten Antworten bezüglich Auto fahren und Alkoholkonsum ausweist. Dadurch wurden die übrigen Skalenwerte verzerrt und interpretierbar bleibt nur die Skala ID (geringer Wissensstand bezüglich der Wirkungsweise von Alkohol im Körper).
 

Zusammenfassung der Befunde/Gutachten
 

Die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen weisen starke Schwächen im Bereich der visuellen Auffassung, der Überblicksgewinnung, der Reaktionsgeschwindigkeit, der Belastbarkeit und der Sensomotorik auf, sodass trotz der jahrzehntelangen umfangreichen Fahrpraxis keine ausreichende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit im Sinne der Fragestellung ableitbar ist.
 

Die intellektuellen Voraussetzungen wären noch ausreichend gegeben.
 

Die Verkehrsvorgeschichte des Untersuchten ist zwar im wesentlichen noch unauffällig, bezüglich gesundheitlicher Einschränkungen und der möglichen Auswirkungen auf die Teilnahme am Straßenverkehr zeigt er sich aber wenig problembewusst.
 

Die objektiven Persönlichkeitsverfahren weisen eine verminderte Frustrationstoleranz aus und der Untersuchte wird besonders leicht beeinflusst im sozialen Kontext. Die Kontroll- und Steuerungsmechanismen des Verhaltens sind aber intakt.
 

Zusammenfassend könnte zwar die nötige Bereitschaft zur Verkehrsanpassung noch in ausreichendem Maße angenommen werden, jedoch reichen die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen für eine aktive Verkehrsteilnahme nicht mehr aus.
 

Vom Standpunkt verkehrspsychologischer Begutachtung aus ist somit Herr AR zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2
 

"n i c h t g e e i g n e t".
 

Bemerkung: Im Hinblick auf das fortgeschrittene Lebensalter des Untersuchten ist eine Verbesserung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit nicht mehr zu erwarten. Die Befundlage wurde mit dem Untersuchten (und der ihn begleitenden Tochter) ausführlich besprochen.

(gezeichnet vom Verkehrspsychologen nach § 20 FSG-GV, Mag. WO)".

4.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Anhörung des Berufungswerbers zur Sache, sowie durch Erörterung der Gutachten seitens des Amtsarztes Dr. L und des Verkehrspsychologen Mag. O im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 20. Jänner 2003 um 15.00 Uhr.

Nach weiterer Erörterung nachgereichter sachspezifischer Beweismittel im Sinne des am 20. Jänner 2003 als ergänzungsbedürftig erachteten Beweisergebnisses (Schlussbericht der Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg vom 27.8.2002, Befund des Augenfacharztes Dr. Z vom 28.1.2003 und ein Befund eines Facharztes für Psychiatrie u. Neurologie, Dr. B v. 3.3.2003) wurde am 10. März 2003 anlässlich der fortgesetzten Berufungsverhandlung mit dem Berufungswerber im Beisein des Amtsarztes und des Mitgliedes des Oö. Verwaltungssenates, ergänzend noch eine Beobachtungsfahrt in der Dauer von 40 Minuten durchgeführt.

5. Der Berufungswerber ist laut eigenen Angaben bereits seit 60 Jahren im Besitz einer Lenkberechtigung. Er verfüge über eine umfangreiche Fahrpraxis auch im Ausland. Mit Ausnahme eines Auffahrunfalls habe er im Straßenverkehr nie Probleme gehabt.

Anlässlich der Berufungsverhandlung am 20. Jänner 2003 konnte vorerst festgestellt werden, dass beim Berufungswerber der Sehtest ohne Brille durchgeführt wurde. Der Befund des Amtsarztes vom 22. Oktober 2002 wies demnach nur einen Visus von 0,33 auf beiden Augen aus. Offenbar irrtümlich dürfte der Sehtest ohne Brille durchgeführt worden sein, weil diese der Berufungswerber angeblich nicht dabei hatte. Durch den vom Berufungswerber am 28.1.2003 beigebrachten augenfachärztlichen Befund erreichte er jedoch einen Visus von R: + 0,75 und L: 0,8p.

Aus dem psychiatrisch-neurologischen Befund und Gutachten ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Versagung der Lenkberechtigung der Klasse B. Die beim Berufungswerber im Jahre 2002 aufgetretenen gesundheitlichen Beschwerden, die zu einem längerzeitigen stationären Aufenthalt (vom 11.6.2002 bis 30.7.2002) im Wagner-Jauregg führten, konnten im psychiatrischen Gutachten nicht geklärt werden. Der Gutachter führt diesbezüglich aus, dass der Berufungswerber in diesem Zustand keine abnormen Handlungen vollführte, sondern sich normal behandeln ließ. Abschließend gelangt dieser Gutachter zum Ergebnis, dass es keinen Hinweis gäbe, dass beim Berufungswerber im Zusammenhang mit der Lenkberechtigung der Klasse B eine Gefährdung der Verkehrssicherheit auftreten könnten. Dieser Gutachter empfiehlt jedoch einen Einschränkung der Lenkberechtigung auf einen Umkreis von 50 km und einer Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h.

5.1. Der Verkehrspsychologe Mag. O vermeinte im Rahmen der Berufungsverhandlung, dass die im angewendeten Testverfahren bezughabenden Prozentränge zwischen 25 % und 75 % "allgemeine und keine altersspezifischen Werte darstellten". Naturgemäß würde ein älterer Mensch niedrigere Werte erreichen als ein Jüngerer. Dennoch müsse ein bestimmtes Minimum von jedem Verkehrsteilnehmer erwartet werden. Dieser Gutachter räumt wohl ein, dass durch die Fahrpraxis altersspezifische Defizite kompensiert werden könnten, diese Kompensierbarkeit jedoch beim Berufungswerber aus seiner Sicht nicht mehr gegeben sei. Über Erörterung, dass der Berufungswerber kurze Zeit vor der hier verfahrensgegenständlichen verkehrspsychologischen Untersuchung eine langzeitigen Krankenhausaufenthalt hinter sich hatte und dadurch eine entsprechend ungünstige Ausgangsbasis für einen solchen Test bestanden haben mag, wird diesem nicht widersprochen. Über weitere fachliche Erörterung ob hier nicht durch eine Fahrprobe die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit in geeigneterer Weise überprüfbar wäre, wies der sachverständige Zeuge auf die in der einschlägigen Wissenschaft nicht einhellige Beurteilung hin. Der Zeuge wies jedoch in diesem Zusammenhang auf den mit 90% empirisch hohe Gültigkeitsgrad dieser verkehrspsychologischen Untersuchungen hin und vermeinte in diesem Zusammenhang, dass auf Grund der beim Berufungswerber im Rahmen der VPU hervorgekommenen Testwerte eine Fahrprobe eher negativ verlaufen würde.

Als nicht von der Kompetenz des Verkehrspsychologen umfasst werden dessen in seiner Stellungnahme getätigten Anmerkungen über subjektive Einschätzungen charakterlicher Haltungen des Berufungswerbers erachtet. Ebenfalls fallen Zukunftsprognose über die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit wohl nicht in dessen Kompetenz, sondern in die Kompetenz des Arztes.

Der Amtsarzt vermeinte abschließend zur Fahrprobe, dass in diesem Fall noch Vorfragen im Rahmen ergänzender Gutachten, nämlich eines Sehtests mit Gesichtsfeldbestimmung erforderlich wäre.

Nach Beibringen eines diesbezüglich positiven Gutachtens wurde seitens des Amtsarztes auch noch das o.a. psychiatrische neurologische Gutachten eingefordert, welches der Berufungswerber ebenfalls beizubringen bereit war. Auf die vom hier angefochtenen Bescheid über die Klasse B hinaus betroffenen Lenkberechtigung legte der Berufungswerber keinen Wert mehr, sodass diesbezügliche Überlegungen dahingestellt sein können.

5.2. Angesichts der sich aus den Gutachten ergebenden Fahrtauglichkeit aus gesundheitlichen Gründen und des unstrittigen Vorliegens der übrigen Voraussetzungen, wurde im Rahmen des vor dem Oö. Verwaltungssenat fortgesetzten Beweisverfahrens am 10.3.2003 idZ von 15.10 Uhr bis 15.50 Uhr unter der Leitung des Amtsarztes Dr. L und des zur Entscheidung berufenen Mitgliedes des Oö. Verwaltungssenat mit einem Schulfahrzeug der Fahrschule S in Steyr, wurde ergänzend noch mit dem Berufungswerber eine Fahrprobe (Beobachtungsfahrt iSd § 1 Abs.1 Z7 FSG-GV) zwecks empirischer Überprüfung seiner kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit durchgeführt.

Dabei konnte festgestellt werden, dass der Berufungswerber bei durchaus regem Verkehrsaufkommen die Wegstrecke aus dem Zentrum des Stadtgebietes von Steyr über Garsten nach Ternberg in angemessener Fahrweise zu bewältigen vermochte. Darauf gestützt wurde vom Amtsarzt im Anschluss ein positives Endgutachten über die Fahreignung von Kraftfahrzeugen der Klasse B erstellt. Dies mit der Einschränkung, dass auf Grund des Lebensalters des Berufungswerbers die Lenkberechtigung für diese Klasse auf zwei Jahre beschränkt und nur bei Tageslicht unter der Auflange des Tragens einer zur Erreichung der Sehschärfe erforderlichen Brille belassen wird.

Diesen schlüssig nachvollziehbaren gutachterlichen Ausführungen vermag sich die Berufungsbehörde vollinhaltlich anzuschließen. Im Rahmen der Würdigung von Beweisen scheint der Berufungsbehörde insbesondere der durch die sogenannte Beobachtungsfahrt empirisch erhobene Befund über die Fahrtauglichkeit überzeugender als die an sich negativ verlaufene verkehrspsychologische Stellungnahme. Diesbezüglich ist insbesondere auf den zum Untersuchungszeitpunkt als erwiesen geltenden schlechten Gesundheitszustand des Berufungswerbers - unmittelbar nach einer Entlassung aus dem Krankenhaus nach einem sechswöchigen stationären Aufenthalt - hinzuweisen. Ebenfalls kann nicht übersehen werden, dass ältere Menschen in der Werteskala zwischen 25% und 75% - welche empirisch aus einer durchschnittlichen Alterspopulation abgeleitet werden - durch die zahlenmäßige Unterrepräsentanz - an einem altersmäßig strengeren Maßstab gemessen werden, als ihrem Alter entsprechend ist.

Auf die durchaus kritischen Anmerkungen zur computergesteuerten Diagnostik in der einschlägigen Fachwissenschaft muss daher im Rahmen der Beweiswürdigung entsprechend Bedacht genommen werden (siehe HIMMELREICH/JANKER, MPU-Begutachtung, 2. Auflage, Werner Verlag, Seite 70 ff). Diese stellt insbesondere ältere Menschen vor zusätzliche Stresssituationen, wobei funktionspsychologische Minderleistungen durchaus noch durch Routinemechanismen ausgeglichen werden können. Dies wurde hier im Rahmen der durchgeführten Beobachtungsfahrt bestätigt, wobei grundsätzlich plausibel erscheint, dass die Beurteilung der Tätigkeit an sich ein höherer Beweiswert zukommt als einem - wenn eine durchaus hohe Validität zuzuerkennenden - Testverfahren, welches letztlich doch "nur" auf die spezifische Eignung rückschließen lässt.

Zu folgen ist dem Amtsarzt aber auch - der in seinem Endgutachten auf einschlägige Fachgutachten zurückgreifen konnte und dieses darauf stützte - in nachvollziehbarer Weise in der Empfehlung die Lenkberechtigung auf die Tageszeit einzuschränken und auf zwei Jahre zu befristen. Als empirische Tatsache ist zur Kenntnis zu nehmen, dass jegliche erforderliche Leistungsfähigkeit durch das Lebensalter begrenzt wird. Eine seitens eines Fachgutachters empfohlene Einschränkung der Lenkberechtigung auf einen bestimmten Umkreis vom Wohnort des Berufungswerbers und einer Höchstgeschwindigkeit wird als nicht zweckmäßig erachtet, zumal einer solchen Einschränkung wohl kaum situationsbedingt Rechnung getragen werden könnte und letztlich eine sachgerechte Disposition einer grundsätzlich fahrtauglichen Person selbst zugemutet werden muss. Den übrigen aus sachverständiger Sicht empfohlenen Einschränkungen bzw. nur mehr die Lenkberechtigung der Klasse B zu erteilen, trat der Berufungswerber nicht entgegen. Die übrigen Klassen haben für den Berufungswerber wohl auch bereits die sachliche Bedeutung verloren, was der Berufungswerber auch andeutete.

Zur Orientierung des Berufungswerbers wird hinsichtlich des Begriffes "bei Tageslicht" auf die in der AIP (aeronautical informationes publicationes) unter Gen. 2.7 veröffentlichte Tabelle verwiesen. Darin wird der Tag vom Beginn der sogenannten bürgerlichen Morgendämmerung (20 Minuten vor Sonnenaufgang) bis zum Ende der bürgerlichen Abenddämmerung (20 Minuten nach Sonnenuntergang) definiert. Dies wären demnach die äußersten Zeitgrenzen in welchen der Berufungswerber ein Kraftfahrzeug lenken darf.

6. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Im Sinne des § 3 Abs.1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die u.a. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9). Nach § 24 Abs.1 und Z2 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs.2 leg. cit. in den Führerschein einzutragen.

6.1. Auf Grund der Vorgänge die hier das Verfahren auslösten soll nicht unausgesprochen bleiben, dass wegen einer bloßen Behauptung einer hierzu nicht berufenen Person, ein "verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten" eines Dritten noch nicht begründet erscheinen lässt. Unter diesem Aspekt wäre es letztlich der Willkür jedweder Person anheim gestellt, ob jemand einer amtsärztlichen Untersuchung und im Zuge dieser auch eine VPU zugeführt wird. Die hier vorliegende Vorgangsweise ist jedoch letztlich mit Blick auf die amtsärztliche Verfügung, sowie auf das Ergebnis des nachfolgenden Tests - ex post betrachtet - als legalisiert zu erachten.

Der § 8 Abs.2 FSG lautet:

"Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.

Nach § 17 Abs.1 FSG-GV ist die Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle gemäß § 8 Abs. 2 FSG im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten insbesondere dann zu verlangen, wenn der Bewerber um eine Lenkberechtigung oder der Besitzer einer Lenkberechtigung Verkehrsunfälle verursacht oder Verkehrsverstöße begangen hat, die den Verdacht

1. auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder

2. auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung erwecken.........

Nach § 17 Abs.2 FSG-GV ist die Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme im Hinblick auf das Lebensalter jedenfalls zu verlangen, wenn auf Grund der ärztlichen Untersuchung geistige Reifungsmängel oder ein Leistungsabbau im Vergleich zur Altersnorm zu vermuten sind;"

6.2. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die verkehrspsychologischen Untersuchungen zur Feststellung (ua) der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit insbesondere dann zum Tragen kommen, wenn Zweifel an deren Vorliegen "im Hinblick auf sein Lebensalter", worunter auch ein verhältnismäßig hohes Alter in Betracht kommt, bestehen (§ 67 Abs 2 letzter Satz KFG). In diesem Zusammenhang ergibt sich aus § 31 a KDV, dass hierbei darauf Bedacht zu nehmen ist, ob beim jeweiligen Probanden "im Vergleich zur Altersnorm" - und nicht etwa im Vergleich zu

jüngeren Probanden - ein Leistungsabbau zu vermuten ist und letztlich auch vorliegt (VwGH 30.6.1992, 92/11/0056). Hinsichtlich dieser Judikatur hat sich grundsätzlich auch durch das Führerscheingesetz keine Veränderung ergeben.

Wenn laut Judikatur die verwendeten Tests grundsätzlich als eine taugliche Grundlage für die Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit einer Person gelten, darf diese - VwGH 21. April 1998, Zl. 96/11/0190 mwN - nicht einer so weiten Verallgemeinerung eröffnet werden, dass damit gleichsam jeder Einzelfall einer inhaltlichen Überprüfung entzogen werden könnte. Die Gutachten sind auf ihre Schlüssigkeit, inhaltliche Nachvollziehbarkeit und Verhältnismäßigkeit ihrer Empfehlungen hin zu überprüfen.

6.2.1. Was den Aspekt der ausreichenden kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit anlangt, wurde in der Judikatur die Auffassung vertreten, dass im Einzelfall etwa nachvollziehbar sein muss, warum Testergebnisse eines Probanden nach Auffassung der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle außerhalb der Norm liegen (vgl. zB. VwGH 21. April 1998, 96/11/0190 und VwGH 20. September 2001, 99/11/0162). Im vorliegenden Fall waren Grundlage der Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen des Beschwerdeführers offenbar die bei den einzelnen Tests erzielten Testwerte in den Teilbereichen "Aufmerksamkeit, Konzentrations- und Beobachtungsfähigkeit", "Reaktionsverhalten" und "Sensomotorik". Die daraus abgeleiteten Beurteilungen der einzelnen Leistungsfunktionen bleiben allerdings mangels jeglicher Bezugnahme auf einen altersspezifisches Erkenntnisstand der Verkehrspsychologie maßgebenden Grenzwerte nicht nachvollziehbar. Hinzu tritt, dass den beiden Bewertungen wie "unterdurchschnittliche", "nicht normgerechte selektive Aufmerksamkeit", "nicht normgerechte Reaktionssicherheit und reaktive Belastbarkeit", "stark erhöhte Anzahl an verspäteten Reaktionen", "zusätzlich überdurchschnittlich viele falsche(n) Reaktionen und Reaktionsauslassungen" mangels Bezugnahme auf den jeweiligen Grenzwert nicht entnehmbar ist, ob (und in welchem Ausmaß) dieser erreicht oder verfehlt wurde. Darüber hinaus lässt die zusammenfassende Beurteilung nicht erkennen, auf Grund welchen Erfahrungswissens davon auszugehen ist, dass bei Personen, die Testwerte wie der Beschwerdeführer erreichen, von einer Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B bereits nicht mehr gesprochen werden kann. Der damals schlechte Gesundheitszustand des Berufungswerbers verzerrte das Ergebnis der VPU wohl zusätzlich zu dessen Nachteil und minderte demnach die Objektivität.

Eine Kompensierbarkeit von alterbedingten Leistungsdefiziten wird auch durch die Judikatur - hier hinsichtlich eines 80-jährigen Lenkers mit einer einjährigen Befristung - nerkannt. Das fortgeschrittene Lebensalter für sich allein jedoch stellt demnach aber keinen hinreichenden Grund für eine Befristung der Lenkerberechtigung dar (VwGH 23.11.1993, 93/11/0056). Die Kompensierbarkeit sogenannter "psychischer Leistungsschwächen" (insb. bei älteren Menschen) wird durch langjährige Fahrpraxis sehr gut kompensierbar erachtet, wobei Personen mit schlechten Testwerten "im allgemeinen recht gute Verkehrsbewährung hätten" (Vgl. HIMMELREICH/JANKER, MPU - Begutachtung, 2. Auflage, Seite 40 Fn 106 mit Hinweis auf Umdeutsch DVWG 81, mit Hinweis auf OVG Münster VRS 68, 395; A. Müller BA 83, 63, 64). Eine Fahrprobe wird im Falle solcher Defizite auch darin empfohlen.

Rechtliche Erwägungen über den abweisenden Umfang der Berufung können angesichts des diesbezüglich bestehenden Konsenses unterbleiben.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, wobei die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gesetzlich begründet war.

 

Es wird noch darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen sind.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

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