Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103493/10/Br

Linz, 06.03.1996

VwSen-103493/10/Br Linz, am 6. März 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 2. Kammer (Vorsitzender: Dr. Langeder, Beisitzer: Dr. Fragner und Berichter: Dr. Bleier) über die Berufung des Herrn H N, vertreten durch die RAe Dr. E, Dr.

W, M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried, Zl. VerkR96-5951-1995, vom 16. Jänner 1996, nach der am 6. März 1996 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird im Punkt 1.) aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr.

51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 u. § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurden mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried vom 16. Jänner 1996, Zl.

VerkR96-5951-1995, wegen der Übertretungen nach § 99 Abs.1 lit.a iVm § 5 Abs.1 sowie § 99 Abs.2 lit.a iVm § 4 Abs.1 lit.a und § 31 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 Geldstrafen von 1. 18.000 S und im Nichteinbringungsfall 14 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, sowie 2. u. 3. je 2.500 S und im Nichteinbringungsfall je zwei Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und in dessen Spruch folgende Tatvorwürfe zur Last gelegt:

"1. Sie haben am 27.7.1995 zwischen 00.15 Uhr und 00.30 Uhr den LKW auf der M von O kommend in Richtung R bis zum Haus R gelenkt, obwohl Sie sich bei dieser Fahrt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden haben. Die Atemluftuntersuchung mit dem Alkomat M 52052/A 15 ergab eine Alkoholbeeinträchtigung von 0,85 mg/l.

2. Sie haben bei der in Punkt 1. angeführten Fahrt am 27.7.1995 in der Zeit zwischen 00.15 Uhr und 00.30 Uhr mit dem LKW auf der M, bei StrKm 10.650, sogenannte "S", einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht, indem Sie mit Ihrem LKW die in Fahrtrichtung R befindliche Leitschiene streiften und dabei beschädigten. Sie haben das Fahrzeug nach diesem Verkehrsunfall nicht sofort angehalten, sondern sind noch ca. 400 m auf der M gefahren und haben das Fahrzeug erst vor dem Haus R angehalten.

3. Sie haben bei dem im Punkt 2. angeführten Verkehrsunfall, bei dem Sie eine Leitschiene - und damit eine Einrichtung zur Sicherung des Verkehrs beschädigten, weder die nächste Polizei oder Gendarmeriedienststelle noch den Straßenerhalter, die Straßenmeisterei ohne unnötigen Aufschub von der Beschädigung und der Bekanntgabe Ihrer Identität verständigt." 1.1. In der Begründung des Straferkenntnisses führt die Erstbehörde im wesentlichen aus, daß der Verantwortung des Berufungswerbers hinsichtlich seiner bestreitenden Lenkereigenschaft nicht gefolgt werden habe können. Der Zeugin O habe insbesondere deshalb nicht geglaubt werden können, weil ein Widerspruch in den Angaben hinsichtlich der angeblichen Sitzposition des Berufungswerbers zum Unfallszeitpunkt vorgelegen habe. Während die Zeugin ausgeführt habe, der Berufungswerber sei neben ihr am Beifahrersitz gesessen, habe der Berufungswerber diesbezüglich angegeben, hinten gesessen zu sein. Ferner habe der Berufungswerber in seiner Vorstellung vom 25.8.1995 den Sachverhalt völlig klar und widerspruchsfrei geschildert und keinerlei Gedächtnislücken erwähnt. Erst nach dem sich in der Aussage der Frau O ergebenden Widerspruch habe er sich auf eine Gedächtnislücke berufen. Weiters erachtete die Erstbehörde als unglaubwürdig, daß die Zeugin O dem Berufungswerber diverse Erledigungen nach dem Unfall (wie Absicherung der Unfallsstelle, Wegschaffung des Fahrzeuges von der Straße und die Verständigung der Lebensgefährtin) zugetraut haben will, wenn andererseits der Berufungswerber so stark alkoholisiert gewesen sein will, daß er nicht einmal mehr wußte, wo er im Fahrzeug zum Unfallszeitpunkt gesessen ist. Laut der Feststellung der Gendarmerie wäre am Beifahrersitz gar kein Platz zum Sitzen gewesen, zumal dort diverse Sachen herumgelegen wären (lt. Gendarmerie ist auch vom Herumliegen von Sachen am Rücksitz die Rede).

Im übrigen setzt sich die Erstbehörde in ihrer Begründung in weiten Bereichen mit der inhaltlichen Wiedergabe der Rechtfertigungen des Berufungswerbers auseinander.

2. In der durch seinen ag. Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung erblickt der Berufungswerber den Angelpunkt des gegenständlichen Verfahrens in der Beweiswürdigung, nämlich der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin O. Inhaltlich wird dazu im wesentlichen bemerkt, daß die Erstbehörde die damalige Alkoholisierung des Berufungswerbers bagatellisiere und die diesem Verfahren zugrundeliegende Beweiswürdigung vom Grundsatz "im Zweifel zu Ungunsten des Beschuldigten" getragen sei. Die hier vorliegende Widersprüchlichkeit betreffend die Sitzposition sei ein Indiz, daß eben eine Absprache mit der Zeugin nicht stattfand. Nicht dürfe übersehen werden, daß die Schriftsätze aus der Feder des Rechtsvertreters stammten und dessen Information größtenteils auf telefonische Mitteilung basierten. Die detaillierten Angaben der Zeugin O wären daher besonders glaubwürdig.

Schließlich rügt der Berufungswerber noch die ihm zur Last gelegte Tatzeit und erblickt schon darin einen Einstellungsgrund.

Er beantragt die Aufhebung des Erkenntnisses und die Verfahrenseinstellung.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen RevInsp. R und von Frau O sowie des Berufungswerbers als Beschuldigten anläßlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 6. März 1996. Ferner wurde durch den Berichter der 2. Kammer am 17. Februar 1996 die Strecke von der "A" in O bis zur Abzweigung in Richtung Ort im Innkreis im Ortsgbiet R befahren und auf Video dokumentiert.

Ebenfalls wurde eine schriftliche Mitteilung betreffend der angeblichen Beschädigung der Leitplanke durch die Straßenmeisterei O eingeholt.

4. Da im Punkt 1.) eine 10.000,- S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige 2. Kammer zur Entscheidung berufen. Da mit der Berufung auch der Tatvorwurf dem Grunde nach bestritten wird, war eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen und durchzuführen (§ 51e Abs.1 VStG). Hinsichtlich der Punkte 2.) und 3.) ergeht unter VwSen - 103494 durch das hiefür zuständige Einzelmitglied eine gesonderte Entscheidung.

5. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

5.1. Der Berufungswerber hielt sich am Abend des 26. Juli 1995 im Gasthaus "Z" in O auf. Dort konsumierte er im Verlaufe dieses Abends erhebliche Mengen Alkohol. Schon vor seinem Eintreffen hielt sich auch die Zeugin O welche den Berufungswerber bereits seit längerer Zeit kennt, unabhängig vom Berufungswerber in diesem Gasthaus auf.

Auf Grund des Alkoholisierungsgrades des Berufungswerbers fand sich die Zeugin im Verlaufe des späteren Abends, mit hoher Wahrscheinlichkeit etwas vor 22.30 Uhr bereit, den Berufungswerber mit dessen Fahrzeug nach R nach Hause zu bringen. Im Bereich der sogenannten "S" stieß sie mit dem Fahrzeug, wegen einer Irritation durch den alkoholsiert am Beifahrersitz sitzenden Berufungswerber, in der dortigen scharfen Linkskurve gegen die rechtsseitige Leitplanke. Das Fahrzeug wurde dabei rechtsseitig erheblich beschädigt. An der Leitplanke entstand jedoch kein substantiierbarer Schaden. Die Zeugin hielt folglich das Fahrzeug etwa 400 Meter in Richtung R am rechten Straßenrand an. Sie wurde von dort von einem anhaltenden Fahrzeuglenker nach O zurückgebracht, während der Berufungswerber folglich mehrfach fernmündlich versuchte, seine Lebensgefährtin telefonisch zu erreichen, dabei ist auch tatsächlich eine Sprechverbindung zustandegekommen (um 22.41 Uhr). Anläßlich der dabei zustandegekommenen Verbindung war jedoch die Verständigung auf der Passivseite so schlecht, daß offenbar der Gesprächsinhalt über den Unfallsort akustisch nicht verstanden wurde, sodaß die diesen Anruf entgegennehmende Lebensgefährtin des Berufungswerbers diesen offenbar ohne Erfolg auf der B suchte. Ein Telefonat wurde vom Autotelefon des Berufungswerbers laut Protokoll der "Telecom" in Wien am 26. Juli 1995 um 22.41 Uhr in den Vorwahlbereich "0" (= O) geführt. Um 00.15 Uhr des 27.7.1995 wurde der Berufungswerber durch eine zufällig vorbeikommende Gendarmeriepatrouille apathisch am Fahrersitz des Fahrzeuges angetroffen und in weiterer Folge zu einem Alkotest aufgefordert. Dieser führte zum bekannten und unbestrittenen Ergebnis. Der Berufungswerber stellte zumindest konkludent seine Lenkereigenschaft schon zum Zeitpunkt der Amtshandlung jeweils in Abrede.

5.2. Dieses Beweisergebnis stützt sich primär auf die, trotz gewisser Ungereimtheiten, im wesentlichen aber doch schlüssigen und letztlich unwiderlegbaren Angaben der Zeugin O. Immerhin erklärte die unter Wahrheitspflicht stehende und über die strafrechtlichen Folgen einer Falschaussage belehrte Zeugin, daß sie das Fahrzeug zum Unfallszeitpunkt gelenkt gehabt habe. Sie vermochte dabei auch darzulegen, daß sie das Fahrzeug des Berufungswerbers kannte, indem sie etwa wußte, daß es sich bei diesem Fahrzeug um eines mit "Automaticgetriebe" handelte. Dies entspricht tatsächlich der Realität. Aber auch weitere Details stimmten im Ergebnis so weit überein, daß jedenfalls mit gutem Grund nicht davon ausgegangen werden kann, daß sie sich mit dem Beschuldigten über so viele Details verabredet hätte. So ist es etwa lebensnah, wenn die Zeugin ausführte, daß sie ihre Sachen während ihrer als nur kurz zu erwartenden Abwesenheit, zwecks der Fahrt nach R, im Lokal zurückgelassen hätte.

Dieses Detail wurde spontan dargetan, sodaß ihre Aussage dadurch eine zusätzliche Glaubwürdigkeit erfährt. Was die Tatzeit an sich anlangt ist es sehr unwahrscheinlich, daß die von der Gendarmerie angenommene Zeit mit 00.15 Uhr welche nur aus der Motorwärme rückgeschlossen worden sein dürfte - zutrifft. Der Berufungswerber legte immerhin auch nicht lebensfremd dar, daß er das Telefon aus technischen Gründen bei laufendem Motor betrieben habe. Die Annahme eines früheren Unfallszeitpunktes stützt sich einerseits auf die Angaben der Zeugin O, welche vermeinte, daß sie den Berufungswerber bereits früher nach Hause gefahren habe und sie sich im Anschluß daran noch mindestens eine Stunde in der "A" aufhielt, andererseits auf das Telefonprotokoll der Telecom, wonach vom dem im Auto eingebauten Telefon des Berufungswerbers um 22.41 Uhr telefoniert wurde. Sohin müßte sich wohl der Unfallszeitpunkt bereits vor diesem Telefonat - dieses konnte wohl glaubhaft nur aus dem Auto geführt worden sein - also vor 22.41 Uhr zugetragen haben.

Wenn nun die Erstbehörde mehrere Indizien hinsichtlich der Unglaubwürdigkeit der Verantwortung des Berufungswerbers bzw. der Angaben der Zeugin aufzeigte, so waren diese, wie oben schon dargelegt, jedenfalls nicht ausreichend, die Verantwortung des Berufungswerbers zu widerlegen.

Hinsichtlich der Spruchpunkte 2.) und 3.) des Straferkenntnisses (der ursprünglich angenommene Sachschaden an der Leitplanke als Einrichtung zur Sicherung des Verkehrs) wurde dies anläßlich der Berufungsverhandlung nicht einmal mehr vom Meldungsleger gestützt. Ebenso wurde und konnte durch die vorgelegten Fotos und das vorgeführte Video dargetan werden, daß diese Leitplanke geradezu unzählige Streifungen und Eindellungen aufweist. Die Straßenmeisterei erblickte letztlich keine Notwendigkeit auch nur für eine teilweise Erneuerung der Leitplanke.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

6.1. Eine Verwaltungsübertretung im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung begeht, wer ein Fahrzeug lenkt und sich dabei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 Promille oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person als von Alkohol beeinträchtigt. Ein diesbezügliches "eindeutiges Meßergebnis" würde wohl auf einen Lenkzeitpunkt bezogen hiefür einen vollen Beweis darstellen.

Zumal hier jedoch von einer Lenkereigenschaft nicht auszugehen gewesen ist, war das Verfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

Der Grund für eine Einstellung ergibt sich hier zwingend gemäß dem Grundsatz "im Zweifel für den Beschuldigten" (vgl.

VwGH 12.3.1986, 84/03/0251 u.a. in ZfVB 1991/3/1122).

6.2. Nicht weiter ist daher auf die wahrscheinlich vom tatsächlichen Unfallszeitpunkt erheblich abweichende Zeitangabe im angefochtenen Straferkenntnis und eine sich daraus ergebende Problematik im Sinne des § 44a Z1 VStG einzugehen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. L a n g e d e r

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