Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520113/3/Fra/An

Linz, 02.05.2003

 

 

 VwSen-520113/3/Fra/An Linz, am 2. Mai 2003

DVR.0690392
 

 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn JB, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. JP, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 2. Jänner 2003, VerkR21-582-2002/BR, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird keine Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird mit der Maßgabe bestätigt, dass hinsichtlich des in Verbindung mit dieser Entscheidung beim Verfassungsgerichtshof gestellten Antrages auf Erstreckung der Anlassfallwirkung für dieses Verfahren - falls die Gesetzesprüfungsanträge hinsichtlich der hier zur Anwendung gelangenden Bestimmungen des FSG und der FSG-NV in Verbindung mit einer allenfalls in diesem Zusammenhang ergehenden Feststellung einer Verfassungs- bzw. Gesetzwidrigkeit - mit einer Wiederaufnahme dieses Verfahrens unter Berücksichtung der bereinigten Rechtslage ein neuer Berufungsbescheid erlassen wird.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG; § 7 Abs.1 Z1, § 7 Abs.3 Z1, § 24 Abs.1 Z1, § 26 Abs.1 Z3 und § 32 Abs.1 Z1 FSG, BGBl. Nr. I/120/197, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I/65/2002 und BGBl. Nr. I/81/2002 im Folgenden: FSG;
 

Entscheidungsgründe:
 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit dem in der Präambel angeführten Bescheid dem Berufungswerber (Bw) die von der genannten Behörde am 13.5.1988 unter der Zahl VerkR0301-59872 ausgestellte Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C, E, F und G wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass dem Bw für die Dauer von drei Monaten, gerechnet vom 13. November 2002, demnach bis einschließlich 13. Februar 2003 keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf. Weiters wurde dem Bw das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen für den selben Zeitraum verboten. Zudem wurde angeordnet, dass sich der Bw auf seine Kosten innerhalb offener Entziehungsdauer bei einer vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie ermächtigten Stelle einem Einstellungs- und Verhaltenstraining für alkoholauffällige Lenker zu unterziehen hat. Einer allenfalls gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung wurde die aufschiebende Wirkung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzuge ausgeschlossen.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung. Die belangte Behörde hat das Rechtsmittel samt bezughabenden Akt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 67a Abs.1 AVG) zu entscheiden hat. Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war nicht erforderlich (§ 67d Abs.1 AVG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den Verwaltungsakt Folgendes erwogen:

3.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn legte ihrer Entscheidung den Sachverhalt zugrunde, der Bw habe am 13.11.2002 um 00.50 Uhr den PKW, im Gemeindegebiet Dorfbeuern auf der Gemeindestraße von Dorfbeuern in Richtung Moosdorf bis kurz nach dem Ortsteil Scherhaslach gelenkt und sich hiebei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft 0,77 mg/l = 1,54 Promille Blutalkoholgehalt) befunden. Dieser Tatvorwurf ist unstrittig. In seiner Vorstellung gegen den Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 28. November 2002, VerkR21-582-2002/BR, ersuchte der Bw vom Entzug der Lenkberechtigung für die Klasse F Abstand zu nehmen oder die Lenkberechtigung dieser Klasse nach § 24 Abs.1 Z2 FSG auf das Gemeindegebiet von Moosdorf zu beschränken. Die belangte Behörde führte im angefochtenen Bescheid aus, dass die Verkehrszuverlässigkeit nicht teilbar sei. Die Annahme, eine Person werde die Verkehrssicherheit durch Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges einer bestimmten Klasse infolge übermäßigen Alkoholgenusses gefährden, in Ansehung einer anderen Gruppe hingegen nicht, sei begrifflich ausgeschlossen. Die belangte Behörde hat somit dem gestellten Antrag des Bw nicht stattgegeben.

 

In der Berufung gegen diesen Bescheid wiederholt der Bw das oa. Ansinnen. Er führt aus, dass hiezu § 24 Abs.1 erster Satz FSG eine taugliche Rechtsgrundlage für einen sogenannten Klassenentzug bilde. Sein Begehren stütze er auch auf den dritten Satz der zitieren Bestimmung, aus welcher sich ergibt, dass der Entzug der Lenkberechtigung der Klasse B nicht automatisch die Entziehung der Lenkberechtigung der Klasse F nach sich ziehe. Damit nehme der Gesetzgeber seines Erachtens auf die im gegenständlichen Verfahren bereits dargelegten Umstände Bedacht, zumal einem Landwirt mit dem Entzug dieser Lenkberechtigung die Existenzgrundlage entzogen werde, zumal es in der Praxis kaum einen landwirtschaftlichen Betrieb geben wird, dessen Flächen bearbeitet werden können, ohne nicht irgendwo eine Straße mit öffentlichem Verkehr überqueren zu müssen. In seiner Vorstellung sei er auf die Möglichkeit der Einschränkung der Lenkberechtigung nach § 24 Abs.1 Z2 FSG eingegangen, wobei diese Argumente im Besonderen im Hinblick auf die Lenkberechtigung der Klasse F gelten. Nach dem klaren Wortlaut des § 24 FSG sei dies auch bei Fehlen der Verkehrszuverlässigkeit nach § 3 Abs.1 Z2 FSG zulässig. Diese Bestimmung gewähre somit den Kraftfahrbehörden ein Wahlrecht zwischen Entzug und Einschränkung der Lenkberechtigung. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich damals um eine Privatfahrt mit seinem PKW gehandelt hat und er von einem Gasthaus gekommen sei, könne im Sinne der zitierten Bestimmung iVm § 7 Abs.1 FSG nicht davon ausgegangen werden, dass er auch einen Traktor in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand lenken werde, weswegen auch die begehrte Einschränkung der Lenkberechtigung auf das Gemeindegebiet von Moosdorf, in welchem seine landwirtschaftlichen Flächen allesamt liegen, sachgerecht erscheine.

 

Dieses Vorbringen des Bw ist nicht zielführend. Der Bw wird darauf hingewiesen, dass die Verkehrszuverlässigkeit eine charakterliche Eigenschaft einer Person ist, die zwar bei Verwendung von Kraftfahrzeugen verschiedener Führerscheinklassen zu unterschiedlichen Gefährdungen u.a. der Verkehrssicherheit führen kann, die aber grundsätzlich nicht hinsichtlich von Kraftfahrzeugen verschiedener Führerscheinklassen wesentlich anders zu beurteilen ist. Auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Bescheid wird verwiesen.

 

3.2. Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind (§ 7).

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird.

Gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG gilt als bestimmte Tatsache iSd Abs.1, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist.

 

Gemäß § 24 Abs.3 FSG kann die Behörde bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dergleichen) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs.3a eine Nachschulung anzuordnen, wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) oder wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs.1 oder 1a StVO 1960 erfolgt. Im Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens kann die Beibringung der erforderlichen fachärztlichen oder einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgetragen werden. Bei einer Übertretung gemäß § 99 Abs.1 StVO 1960 ist unbeschadet der Bestimmungen des Abs.3a zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 sowie die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme anzuordnen. Wurde eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt oder wurden die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde nicht beigebracht oder wurde die Mitarbeit bei Absolvierung der begleitenden Maßnahmen unterlassen, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung. Wurde von einem Probeführerscheinbesitzer die Anordnung der Nachschulung nicht befolgt oder die Mitarbeit dieser unterlassen, so ist die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen. Die Anordnung der begleitenden Maßnahme oder des ärztlichen Gutachtens hat entweder im Bescheid, mit dem die Entziehung oder Einschränkung ausgesprochen wird, oder in einem gesonderten Bescheid zugleich mit dem Entziehungsbescheid zu erfolgen.

 

Gemäß § 26 Abs.1 Z3 FSG hat die Entziehungsdauer mindestens drei Monate zu betragen, wenn der Alkoholgehalt des Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille), oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.

 

Gemäß § 32 Abs.1 Z1 FSG hat die Behörde Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, unter Anwendung der § 24 Abs.3 und 4, 25, 26 und 29 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges ausdrücklich zu verbieten.

 

3.3. Mit dem oa. Sachverhalt hat der Bw eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1a begangen und somit eine die Verkehrsunzuverlässigkeit indizierende Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z1 FSG gesetzt, woraus resultiert, dass ihm gemäß § 26 Abs.1 Z3 leg.cit. die Lenkberechtigung für mindestens drei Monate zu entziehen ist. Die belangte Behörde war iSd genannten gesetzlichen Bestimmungen, zumal diese keinen Ermessensspielraum eröffnen, sowohl zur Entziehung der zitierten Lenkberechtigungen in der genannten Dauer als auch zu den weiteren Maßnahmen berechtigt. Auch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung ist zu Recht ergangen. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH kann die aufschiebende Wirkung einer Berufung immer dann ausgeschlossen werden, wenn die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen wird.

 

4. Der Bw vertritt die Auffassung, § 26 Abs.1 Z3 FSG, § 24 Abs.3 zweiter Satz FSG, § 24 Abs.3 fünfter Satz FSG sowie § 24 Abs.5 Z7 FSG seien verfassungswidrig sowie § 11 Abs.1 Z1 FSG-NV sei gesetzwidrig. Er begründet seine Auffassung wie folgt:

 

"Verfassungswidrigkeit des § 26 Abs. 1 Z. 3 FSG:

§ 26 Abs. 1 spricht von einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 b StVO und normiert im Fall der Ersttäterschaft eine Entzugsdauer von einem Monat.

Abs. 2 leg.cit normiert die Folgen einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO im Hinblick auf den Entzug der Lenkberechtigung.

Nun kann im Zuge des Begehens eines Deliktes nach § 99 Abs. 1 b StVO zwar (im Sinne der Z. 1) auch eine Übertretung nach § 7 Abs. 3 Z. 3 bis 7 FSG begangen werden oder hiebei ein Verkehrsunfall verschuldet werden, was zu einer Entzugsdauer von mindestens drei Monaten führt. Es ist aber nicht möglich, bei dieser Übertretung einen Atemluftalkoholgehalt von 0,6 bis 0,79 mg/l aufzuweisen, weil es sich dann um eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1a StVO handelt.

Der Gesetzgeber hätte daher die Folgen der letztgenannten Übertretung gesondert normieren müssen und ist es ausgeschlossen, dass eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 b StVO einen Alkoholisierungsgrad von 0,6 bis 0,79 mg/l vorliegt, zumal dies dem klaren Wortlaut der genannten Norm widerspricht.

In den Beschlüssen A 2002/32 und 37 vom 08.08.2002 hat der Verwaltungsgerichtshof an den Verfassungsgerichtshof nach Art. 140 Abs. 1 B-VG unter anderem den Antrag gestellt, § 26 Abs. 1 Z. 3 und die Wortfolge "Abs. 1 Z. 3 oder" in § 26 Abs. 8 FSG (vor der 5. Novelle) als verfassungswidrig aufzuheben.

 

Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen darf auf den Inhalt dieser Gesetzesprüfungsanträge des Höchstgerichtes hingewiesen werden.

Der UVS des Landes Oberösterreich hat unter anderem diese Bestimmung im Verfahren VwSen-520019 am 30.09.2002 ebenfalls beim Verfassungsgerichtshof angefochten.

 

Verfassungswidrigkeit des § 24 Abs. 3 2. Satz FSG:

Die Behörde hat nach dieser Bestimmung eine Nachschulung anzuordnen, wenn die
Entziehung wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 1a StVO erfolgt.

Diese Bestimmung differenziert nicht danach, welcher Sachverhalt einer dieser beiden Übertretungen tatsächlich zugrundeliegt und enthält eine starre Regelung dahingehend, dass bei Vorliegen einer dieser beiden Übertretungen jedenfalls eine Nachschulung anzuordnen ist, damit werden einzelfallgerechte Entscheidungen verhindert.

Wie das Verfahren VwSen-520050 vor dem UVS des Landes Oberösterreich zeigt, führt diese Bestimmung dazu, dass selbst gegenüber demjenigen eine Nachschulung angeordnet wird, der ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gar nicht gelenkt, sondern lediglich in Betrieb genommen hat.

In diesem Verfahren hat der Verwaltungssenat am 02.12.2002 an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt die Wortfolge "oder 1a" in § 24 Abs. 3 2. Satz FSG als verfassungswidrig aufzuheben, auf die Argumente in diesem Beschluß darf verwiesen werden.
 

Verfassungswidrigkeit des § 24 Abs. 3 5. Satz FSG:

Wurde eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt oder wurden die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde nicht beigebracht oder wurde die Mitarbeit bei Absolvierung der begleitenden Maßnahme unterlassen, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.
 

Im Gegensatz zu allen übrigen Entziehungstatbeständen des FSG ordnet das Gesetz in der genannten Bestimmung einen ex-Iege-Lenkberechtigungsentzug an, welcher schon dann eintritt, wenn eine der im Gesetz genannten Versäumnisse vorliegt, ohne dass es darauf ankommt, dass die Entziehungsvoraussetzungen (weiter) bestehen, was meines Erachtens nicht sachlich ist.

So betont der UVS im Beschluß vom 02.12.2002, VwSen-520019, dass etwa die fristgerechte Absolvierung einer Nachschulung nicht ausschließlich in der Sphäre des Betroffenen liegt und dass es nicht angehen kann, losgelöst vom Sachverhalt, welcher dem Lenkberechtigungsentzug zu Grunde liegt, derartige Anordnungen zu treffen; dies fuhrt zum Ergebnis, dass die in Rede stehende Bestimmung gleichheitswidrig ist.
 

Befolgt dagegen ein Probeführerscheinbesitzer die Nachschulungsanordnung nicht, so ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen, d.h., dass dessen Lenkberechtigung nicht ex lege ungültig wird.

Da die Kraftfahrbehörden in Lenkberechtigungsentzugsverfahren in aller Regel mittels Mandatsbescheid nach § 57 AVG vorgehen und der dagegen eingebrachten Vorstellung ex lege die aufschiebende Wirkung nicht zukommt, ist es in der Praxis so gut wie ausgeschlossen, innerhalb einer etwa viermonatigen Entziehungszeit nachzuweisen, dass die Anordnung einer begleitenden Maßnahme zu Unrecht erfolgt ist.

Diese Bestimmung begegnet daher erheblichen Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaatlichkeitsprinzip.
 

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Judikatur aus dem Legalitätsprinzip (Art. 18

B-VG) abgeleitet, dass Rechtschutzeinrichtungen nicht nur die Erlangung einer rechtsrichtigen Entscheidung gewährleisten, sondern auch ein Mindestmaß an faktischer Effizienz aufweisen müssen (vgl. VfSlg. 12.683., 13.003, 13.305, 14.374, 14.671, 14.765, 15.321, 15.511 und 15.625 sowie VfGH vom 15.06.1999, G 56/99, vom 27.06.1996, B 131/95, vom 11.12.1986, G 119/86, vom 01.03.2002, G 319/01 und vom 29.06.2001, G 108/01).

Diesen Anforderungen wird die in Rede stehende Bestimmung schon deshalb nicht gerecht, weil der Betroffene dadurch mit allen Folgen einer potentiell unrichtigen behördlichen Entscheidung belastet wird und sich dagegen nicht effektiv zur Wehr setzen kann (vgl. VfSlg. 11.196 und 13.493).

Der Betroffene steht somit vor der Wahl, sich der angeordneten Maßnahme zu beugen, dies - worauf unten noch einzugehen sein wird - unter Aufwendung enormer finanzieller Mittel oder die Verlängerung der Entzugsdauer und die Verweigerung der Wiederausfolgung des Führerscheines bis zu jenem Zeitpunkt zu akzeptieren, zu welchem ein Bescheid vorliegt, aus welchem sich ergibt, dass die Anordnung einer solchen Maßnahme nicht zurecht erfolgt ist.
Verfassungswidrigkeit des § 24 Abs. 5 Z. 7 FSG bzw. Gesetzwidrigkeit des § 11 Z. 1 FSG-NV:

Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat dem Stand der Wissenschaft und Technik entsprechend durch Verordnung die näheren Bestimmungen über die Kosten der Nachschulung festzusetzen.

 

Die Gebühr für die Teilnahme an einer Nachschulung beträgt pro Teilnehmer für eine (50 Minuten) Gruppensitzung pro Kurseinheit 35 Euro (§ 11 Z. 1 FSG-NV).
 
Daraus errechnet sich auf der Grundlage des § 5 Abs. 2 FSG-NV bei sechs bis elf
Teilnehmern pro Kurs eine Einnahme für die Nachschulungsstelle pro Kurseinheit (50 Minuten) von € 210,-- bis € 385,--. Pro Nachschulungskurs (15 Kurseinheiten) lukriert die Nachschulungsstelle somit € 3.150,-- bis € 5.775,-- (ATS 79.465,--).

Wie sich aus dem beiliegenden Anmeldeformular, welches von der Kraftfahrbehörde dem Entzugsbescheid zur Information und Hilfestellung beigelegt wird, ergibt, hat ein Nachschulungskurs pro Teilnehmer im Mai 2002 € 396,-- (inkl. 20% Mehrwertsteuer) betragen, die in Rede stehende Bestimmung der Führerscheingesetz-Nachschulungsverordnung hat somit für sich gesehen eine Erhöhung der Kurskosten um ein Drittel auf € 525,00 gebracht.

Der UVS des Landes Oberösterreich hat etwa im Verfahren VwSen-520050 am 02.12.2002 an den Verfassungsgerichtshof unter anderem den Antrag gestellt, § 11 Z. 1 FSG-NV als gesetzwidrig aufzuheben, weil diese Kurskosten für sich gesehen und auch im Vergleich zu den Kosten der Leistungen anderer Berufsgruppen massiv überhöht und sachlich nicht gerechtfertigt sind.

Nach Ansicht des antragstellenden UVS ist es berechtigt, diese Kosten mit den durchschnittlichen Kosten eines Gutachtens eines gerichtlich beeideten Sachverständigen und auch mit dem Schriftsatzaufwand eines Rechtsanwaltes für eine zeitaufwendige VwGH-Beschwerde zu vergleichen, wobei sich zeigt, dass die Höhe der Kursgebühr nicht nur gleichheitswidrig ist, sondern auch gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verstößt.

Im Verfahren vor der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, welches dem zitierten UVS-Antrag zugrundeliegt, wurde über den Berufungswerber wegen Inbetriebnahme eines Kfz in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand nach § 99 Abs. 1a iVm § 5 Abs. 1 StVO und § 20 VStG eine Geldstrafe von € 436,-- ausgesprochen, die Kosten für die Nachschulung übersteigen in diesem Fall sogar die ausgesprochene Geldstrafe wegen jenes Deliktes, welches iSd § 24 Abs. 3 FSG zur Nachschulungsanordnung geführt hat.

Auf der Grundlage der Bestimmung des § 24 Abs. 3 FSG wurde von der belangten Behörde angeordnet, dass ich mich "auf eigene Kosten" einem Verhaltenstraining für alkoholauffällige Lenker (Nachschulung) zu unterziehen habe.

Die genannte Bestimmung des FSG-NV greift auch tatsächlich und aktuell in meine durch den Gleichheitssatz und durch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums geschützte Rechtssphäre ein (vgl. VfSlg. 15.888).

Das Führerscheingesetz sieht in § 24 Abs. 5 Z. 7 vor, dass der dort genannte Bundesminister mit Verordnung auch die Kosten der begleitenden Maßnahme zu regeln hat, weitere Determinanten finden sich im Gesetz nicht. Der "Stand der Wissenschaft und Technik" als gesetzliche Grundlage der Verordnung ist für die Z. 7

als Determinaten wohl untauglich.

Im Erkenntnis vom 15.12.1992, VfSlg. 13.309, hat der Verfassungsgerichtshof die Verordnungsermächtigung zur Festsetzung von Registergebühren im Düngemittelgesetz wegen Verstoßes gegen das Determinierungsgebot aufgehoben, ebenso die Düngemittel-Registergebührenverordnung mangels gesetzlicher Grundlage.
 

Danach widerspricht die gesetzliche Verpflichtung zur (regeImäßigen) Entrichtung einer Gebühr im voraus für eine Verwaltungstätigkeit, bei der es dem Ermessen der zuständigen Behörde überlassen ist, wie oft sie hinsichtlich der einzelnen Produkte der gebührenpflichtigen tatsächlich stattfindet, der Verfassungsbestimmung des Art. 18 Abs. 2 B-VG.

 

Die Höhe von Abgaben (Gebühren) darf nicht allein von der Höhe des Aufwandes, der aus der Ausgabe zu decken ist, abhängen, es muß eine Maximalhöhe festgelegt sein (VfSlg. 8708 und G 136/92 vom 15.12.1992).

Das Gesetz bestimmt nicht einmal, dass der Verordnungsgeber die Kosten der begleitenden Maßnahme "angemessen" festzusetzen hat, geschweige denn wird eine Maximalhöhe oder eine Bandbreite für die zulässige Festlegung der Nachschulungskosten normiert, weswegen § 24 Abs. 5 Z. 7 FSG dem Determinierungsgebot des Art. 18 B-VG widerspricht. Wird die Verordnungsermächtigung vom Verfassungsgerichtshof als dieser Verfassungsbestimmung widersprechend aufgehoben, fehlt § 11 Z. 1 FSG-NV die gesetzliche Grundlage und wäre diese Verordnungsbestimmung dementsprechend ebenfalls aufzuheben.

Der Wegfall oder die Änderung eines Gesetzes, aufgrund dessen eine Durchführungsverordnung erlassen wurde, bewirkt nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31.05.1999, 98/10/0373, nicht, dass die Verordnung gesetzwidrig wird, vielmehr tritt die Durchführungsverordnung gleichzeitig mit ihrer ursprünglichen gesetzlichen Grundlage außer Kraft (vgl. VfSlg. 2344 und VwSlg.10.400/A und 10.802/A sowie VfGH vom 26.02.1999, V 166/90 und VfSlg. 12.634/1991).

Da das Gesetz keinerlei Determinanten dahingehend enthält, auf welche Art unter Berücksichtigung welcher Faktoren und in welcher Maximalhöhe bzw. Bandbreite die Kosten der begleitenden Maßnahme festzusetzen sind, widerspricht die Bestimmung des § 24 Abs. 5 Z. 7 FSG dem Legalitätsprinzip und ist somit verfassungswidrig.
 

Es erscheint überdies nicht sachgerecht, die Kosten für die Kurseinheit (50 Minuten) fix mit einem Betrag von € 35,-- festzulegen, weil es nicht als gerechtfertigt angesehen werden kann, dass der Kurs im Fall von 11 Teilnehmern zu fast den doppelten Einnahmen für die Nachschulungsstelle führt wie im Fall der Teilnahme von 6 Nachschulungskandidaten.

Die Zahl der Teilnehmer ändert nichts am zeitlichen Umfang, Schwierigkeitsgrad und so gut wie nichts am Aufwand für die Nachschulungsstelle.

Auch ein Vergleich der in Rede stehenden Nachschulungskosten mit den Gebühren der Ärzte und Sachverständigen für das Kraftfahrwesen für Mühewaltung in § 43 und 48 des Gebührenanspruchgesetzes zeigt, dass die Gebühr von € 35,-- pro 50minütiger Kurseinheit und Teilnehmer an sich überhöht ist, ebenso, wenn man sich die Gebührensätze der Sachverständigen für die Teilnahme an der Gerichtsverhandlung (samt Gutachtenserörterung) vor Augen hält.

 

Aus den genannten Gründen vertrete ich die Rechtsansicht, dass § 24 Abs. 5 Z. 7 FSG dem Legalitätsprinzip des Art. 18 Abs. 1 B-VG widerspricht und somit verfassungswidrig ist.

Ich rege daher beim UVS des Landes Oberösterreich höflich die Einleitung eines Gesetzes- (und Verordnungs)prüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof an.

In diesem Zusammenhang erlaube ich mir auf die Verordnungsprüfungsanträge des UVS des Landes Oberösterreich vom 02. und 17.12.2002, VwSen-520050 und 520066, zu verweisen."

 

5. Um in diesem Fall für den Bw den sich aus einer allfälligen Aufhebung von hier anzuwendenden Rechtsvorschriften ergebenden Rechtsvorteil zu sichern, wurde - in Vermeidung weiterer verwaltungsaufwendiger inhaltsgleicher Antragstellungen an den Verfassungsgerichtshof - der Antrag auf Einbeziehung dieses Falles in eine allfällige Anlassfallwirkung gestellt. Im Falle der Aufhebung einer hier anzuwendenden Rechtsnorm durch den Verfassungsgerichtshof wird durch eine Wiederaufnahme des Verfahrens der dann geltenden Rechtslage Rechnung zu tragen sein. Aufgrund der nunmehr anzuwendenden Rechtslage war jedoch - wie oben dargelegt - der Berufung der Erfolg zu versagen.
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.
 
 

Dr. F r a g n e r

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