Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103603/7/Br

Linz, 17.04.1996

VwSen-103603/7/Br Linz, am 17. April 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über Berufung des Herrn S R, H, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wels vom 21. Februar 1996, Zl. III/St-1312/95/S, nach der am 17. April 1996 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr.

51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG iVm § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch, BGBl.Nr. 620/1995 - VStG; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Wels hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wider den Berufungswerber wegen der Übertretungen nach § 103 Abs.1 Z3 iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe im Ausmaß von 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 1. April 1995 um 22.45 Uhr in W, auf der D unmittelbar vor der Kreuzung mit der D als Zulassungsbesitzer des als Kleinmotorrad anzusehenden Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen dem S R zum Lenken auf Straßen mit öffentlichem Verkehr überlassen habe, obwohl dieser nicht im Besitz der erforderlichen Lenkerberechtigung der Gruppe "A" gewesen sei.

1.1. Begründend führte die Erstbehörde in der Sache aus, daß S R zur o.a. Zeit mit dem bezeichneten als Motorfahrrad zugelassenen Kraftfahrzeug, dessen Zulassungsbesitzer der Berufungswerber ist, mit einer Geschwindigkeit von etwa 80 km/h die D in in Richtung stadteinwärts unterwegs gewesen sei. Dies sei durch Nachfahrt mit einem Dienstkraftfahrzeug der Bundespolizeidirektion Wels festgestellt worden. Bei einem anschließend durchgeführten Test mit dem Cyclo-Roll-Tester sei eine Bauartgeschwindigkeit von 70 km/h im dritten Gang und mittlerem Drehzahlbereich festgestellt worden. Gegenüber den Polizeibeamten habe S. R angegeben, daß das Moped höchstens 60 km/h schnell sei.

Die Erstbehörde ging davon aus, daß bis zur Überprüfung am 19.4.1995 beim Amt der Oö. Landesregierung, wo das Fahrzeug keine höhere Geschwindigkeit mehr zuließ, verändert worden sein konnte.

2. In seiner fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber aus, daß das Moped nicht umgebaut worden sei. Er bestritt mit Entschiedenheit, daß irgendwelche Veränderungen an dem von ihm gehaltenen Fahrzeug vorgenommen worden wären und beantragt die Verfahrenseinstellung.

3. Zumal keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwies sich infolge der Bestreitung des Sachverhaltes und der Fallgestaltung als erforderlich.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Erstbehörde und dessen inhaltliche Erörterung im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Ferner durch die Vernehmung des Berufungswerbers und des Fahrzeuglenkers als Beschuldigte(n) und die Befragung des Amtssachverständigen, Herrn Ing.

M betreffend erreichbarer Geschwindigkeiten mit Motorfahrrädern. Die Verhandlungen gegen Lenker und Zulassungsbesitzer wurden gemeinsam geführt.

4.1. Der Berufungswerber legte anläßlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung dar, daß er dieses Fahrzeug im Jahre 1992 neu gekauft habe und er es seit einem Jahr nicht mehr benütze. Das Moped sei 50 km/h schnell gewesen und es seien keine technischen Veränderungen vorgenommen worden. Er habe es seinem Sohn S R. überlassen.

4.2. Diese Angaben sind ungeachtet der zum Teil ungewöhnlich aggressiven Äußerungen gegenüber den bei der Verhandlung anwesenden Beamten der Bundespolizeidirektion Wels, dem Sachverständigen und dem Verhandlungsleiter (Mitglied des Verwaltungssenates) zumindest als nicht widerlegbar zu erachten. Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, daß dem Zulassungsbesitzer (Berufungswerber) allfällige bislang nicht erwiesene [das Verfahren gegen den Lenker ist in diesem Zusammenhang vertagt worden] Veränderungen bekannt geworden sein müßten.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Nach § 103 Abs.1 Z3 darf der Zulassungsbesitzer das Lenken seines Kraftfahrzeuges oder die Verwendung seines Anhängers nur Personen überlassen, die die erforderliche Lenkerberechtigung, das erforderliche Mindestalter oder das erforderliche Prüfungszeugnis über den erfolgreichen Abschluß der Lehrabschlußprüfung des Lehrberufes Berufskraftfahrer besitzen, bei Kraftfahrzeugen für deren Lenken keine Lenkerberechtigung vorgeschrieben ist, den erforderlichen Mopedausweis oder das erforderliche Mindestalter besitzen und denen das Lenken solcher Fahrzeuge von der Behörde nicht ausdrücklich verboten wurde.

5.1.1. Wäre ein als Motorfahrrad zugelassenes Kraftfahrzeug so wesentlich geändert worden, daß es eine Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h erreicht, so ist das Fahrzeug als Motorrad zu werten und darf nur mit einer Lenkerberechtigung im Sinne des § 65 Abs.1 Z1 Kraftfahrgesetz für die Gruppe A gelenkt werden (VwGH v.

8.11.76, Z. 994/76). Objektiv wäre demnach bei dieser Fallgestaltung der Tatbestand gegeben.

5.1.2. Nach § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit bereits fahrlässiges Verhalten.

Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört (den sog. Ungehorsamsdelikten) und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Auch für das Verwaltungsstrafrecht gilt das Schuldprinzip, dh eine Bestrafung ist nur bei Vorliegen eines schuldhaften Verhaltens - einem Wissen oder fahrlässigen Nichtwissen hier von der Vornahme einer technischen Veränderung - möglich (VwGH 13.5.1987, 85/18/0067).

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG nicht etwa bewirkt, daß ein Verdächtiger seine Unschuld nachzuweisen hat (VfSlg. 11195/1986).

Vielmehr hat die Behörde die Verwirklichung des (objektiven) Tatbestandes durch den Beschuldigten nachzuweisen und bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die an seinem Verschulden zweifeln lassen, auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären. Das Gesetz befreit die Behörde in Anbetracht der regelmäßigen Sachlage nur insoweit von weiteren Nachforschungen über die subjektive Tatseite (insbesondere einen Irrtum über den Sachverhalt oder die allfällige Unmöglichkeit, das Verbot zu beachten), als das entgegen dem Anschein behauptete Fehlen des Verschuldens nicht glaubhaft ist. Eine solche und wohl nur eine solche der Lebenserfahrung Rechnung tragende Regelung ist nicht von vornherein durch Art 6 Abs.2 EMRK ausgeschlossen.

Hier war mangels konkreter Hinweise und somit der Verantwortung des Berufungswerberes folgend, bereits im Vorfeld - also noch vor Klärung der Frage ob der Lenker technische Veränderungen vorgenommen hat - vom Nichtwissen des Zulassungsbesitzers einer allfälligen solchen Tatsache auszugehen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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