Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520220/14/Br/Gam

Linz, 29.05.2003

 

 

 VwSen-520220/14/Br/Gam Linz, am 29. Mai 2003

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S
 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn IR, vertreten durch Dr. S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, vom 28. Jänner 2003, Zl. VerkR21-784-2001/LL, nach der am 2. April 2003 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und ergänzender Beweisaufnahme, zu Recht:

 

Die Berufung gegen den o.a. Bescheid - mit welchem der Antrag des Berufungswerbers auf (Wieder)-Erteilung der Lenkberechtigung für die Klassen A und B abgewiesen wurde - wird als unbegründet

 

a b g e w i e s e n.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 3 Abs.1 Z3, § 5 Abs.1 u. 2, § 8 Abs.1 und 2 Führerscheingesetz - FSG zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002 iVm § 5 Abs.1 Z4 lit.a Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 138/1998.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Behörde erster Instanz hat mit dem o.a. Bescheid und gestützt auf die obgenannten Rechtsvorschriften den Antrag des Berufungswerbers auf Erteilung der Lenkberechtigung für die Klassen A und B mangels gesundheitlicher Eignung abgewiesen.

 

1.1. In der Begründung führte die Behörde erster Instanz folgendes aus:

"Aufgrund einer Anzeige des Gendarmeriepostens St. Florian wurden Sie am 02.01.2002 amtsärztlich untersucht. Aus dem amtsärztlichen Gutachten vom 26.02.2002 geht hervor, dass Sie nicht geeignet sind ein Kraftfahrzeug zu lenken. Sie wurden amtsärztlich untersucht, da Sie im November am Abend gegen eine Straßenlaterne gefahren sind. Auch bei der Untersuchung waren Sie noch felsenfest davon überzeugt, dass es 8 Uhr morgens gewesen sei und Sie wollten daher einkaufen gehen. Die Angaben zu Ihrer gesundheitlichen Vorgeschichte waren dürftig, Sie taten ihr schweres Schädelhirntrauma als leichte Kopfverletzung ab und auch den Aufenthalt im Wagner-Jauregg Krankenhaus erklärten Sie mit einer Routinekontrolle.

 

Bei der klinischen Untersuchung war der Blutdruck erhöht, es bestand eine ausreichend korrigierte Sehschwäche rechts bei Einäugigkeit. Sie hörten schlecht, Vorhalteversuch, FingerNase und Finger-Finger Versuch konnten sie nicht machen, da Sie die Anweisungen nicht verstanden und auch nach 10-maligem Vorzeigen nicht nachmachen konnten. Die Laboruntersuchung ergab erhöhte Werte bei MCV und CD-Transferrin. Dies sprach dafür, dass ein Alkoholmißbrauch vorlag.

 

Die nervenfachärztliche Stellungnahme ergab die Diagnosen: beginnende senile Demenz, chronischer Alkoholmißbrauch. Eine befürwortende Stellungnahme konnte nicht gemacht werden, da Sie völlig uneinsichtig waren, die Laborwerte gegen eine Alkoholabstinenz sprechen und die im Arztbrief des Wagner Jauregg Krankenhauses beschriebenen wiederholten Attacken von Zusammensacken nicht schlüssig mit dem Alkoholmißbrauch in Zusammenhang zu bringen waren.

 

Ihr Erinnerungsvermögen war bei der amtsärztlichen Untersuchung mangelhaft, eine Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen jedweder Art konnte nicht angenommen werden.

Aufgrund Ihres Antrages auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung (diese wurde Ihnen mit Bescheid der ha. Behörde vom 07.03.2002 rechtskräftig entzogen) wurden Sie am 03.05.2002 neuerlich amtsärztlich untersucht. Sie wurden wiederum als nicht geeignet befunden, Kraftfahrzeuge zu lenken. Seit der letzten Untersuchung im Jänner 2002 hatte sich klinisch nichts geändert. Der Befand entsprach nach wie vor der Beurteilung des Facharztes für Psychiatrie, die neuerliche Einholung aktueller Befunde erschien daher nicht erforderlich.

 

In Ihrer Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme vom 28.11.2002 haben Sie im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

 

Es sei Ihnen zu Unrecht Alkoholmißbrauch unterstellt worden. Die Amtsärztin sei nicht befähigt, allfällige - ausdrücklich bestrittene - psychische Unzulänglichkeiten festzustellen. Es läge kein Alkoholmißbrauch vor und Ihr gesundheitlicher Zustand habe sich erheblich gebessert. Sämtliche Blutwerte würden sich in den erforderlichen Toleranzen bewegen.

 

Die ha. Behörde hat folgendes erwogen:

 

Ihre Behauptungen bezüglich der Alkoholabstinenz in der Stellungnahme vom 28.11.2002 sind allenfalls als Schutzbehauptungen zu werten, zumal Sie keinerlei Beweis in Form eines Laborbefundes erbracht haben. Das amtsärztliche Gutachten bezieht sich auf eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme und es liegt sehr wohl im Zuständigkeits- und Befähigungsbereich eines Amtsarztes, Ihren jetzigen gesundheitlichen Zustand mit den Aussagen der damaligen fachärztlichen Stellungnahme zu vergleichen. Zudem ist anzumerken, dass Sie auch hier kein gegenteiliges fachärztliches Gutachten beibrachten, was Ihre gesundheitliche Eignung bestätigt.

 

Ihre gesundheitliche Eignung kann daher nicht nachgewiesen werden zumal bei Ihnen der Verdacht einer Alkoholkrankheit besteht.

 

Gemäß § 14 Abs. 1 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung darf Personen, die von Alkohol-, Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, daß Sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden, sofern nicht Abs. 4 anzuwenden ist.

 

Durch Alkoholmißbrauch werden, zahlreiche negative die Fahrtauglichkeit betreffende Wirkungen hervorgerufen. Insbesondere werden die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen beeinträchtigt und dies ist mit dem sicheren Lenken eines Fahrzeuges nicht vereinbar.

 

Auf Grund dieses Sachverhaltes gelangt die Behörde zur Auffassung, daß Sie derzeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht geeignet sind.

 

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung nicht erfüllt sind und auch die rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung der Gruppe 1 fehlen, ist Ihr Antrag auf Erteilung der Lenkberechtigung abzuweisen."

 

2. Der Berufungswerber wendet sich in seiner fristgerecht durch seinen Rechtsvertreter erhobenen Berufung und führt aus:

"In umseits näher bezeichneter Verwaltungsrechtssache, VerkR21-784-2001/LL, erhebt der Berufungswerber, Herr IR, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 28.01.2003, seinen ausgewiesenen Vertretern zugestellt am 03.02.2003, durch diese innerhalb offener Frist nachstehende

BERUFUNG
 

an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich:
 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 07.03.2002, VerkR21-784-2001/LL, wurde dem Berufungswerber die von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land am 29.11.1999 unter der Geschäftszahl VerkR20-4758-1999/LL erteilte Lenkberechtigung entzogen und gleichzeitig die Dauer der Entziehung für die Dauer der Nichteignung festgesetzt.

 

In der Folge wurde der Berufungswerber am 02.01.2002 amtsärztlich untersucht und mit Gutachten Dris. D vom 26.02.2002 festgestellt, daß eine Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen jeder Art derzeit nicht angenommen werden kann", wobei sie sich auf die nervenfachärztliche Stellungnahme Dris. B vom 17.01.2002 stützte.

Am 03.05.2002 unterzog sich der Berufungswerber neuerlich einer amtsärztlichen Untersuchung. In ihrem Gutachten vom 06.05.2002 verwies Dr. D ohne weitere Ausführungen auf ihr Gutachten vom 26.02.2002 und erachtete die neuerliche Einholung aktueller Befunde als nicht erforderlich.
 

Eine am 19.07.2002 durchgeführte Untersuchung Dris. S bescheinigte dem Berufungswerber einen seinem Alter entsprechend guten Gesundheitszustand, vor allem Blutwerte im Normbereich.
 

Am 28.11.2002 stellte der Berufungswerber einen Antrag auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung, welcher mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 28.01.2003 abgewiesen wurde.
 

Beweis: nervenfachärztliche Stellungnahme Dris. B vom 17.01.2002; amtsärztliche Gutachten Dris. D vom 26.02.2002 und 06.05.2002; Befund Dris. S vom 19.07.2002, jeweils im Akt.

2. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land stützt sich bei der Beurteilung der gesundheitlichen Eignung des Berufungswerber's zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließlich auf die amtsärztlichen Gutachten Dris. D vom 26.02.2002 und 06.05.2002. Im Gutachten vom 26.02.2002 wurde auf den Laborbefund Dris. R vom 29.01.2002 Bezug genommen, in dem angeblich erhöhte MCV- sowie CD-Transferrinwerte festgestellt worden seien. Diese Feststellung ohnegleichzeitige Angabe der Normalwerte ist aber nicht tauglich um darzulegen, ob es sich um einen erhöhten Wert handelt.
 

Abgesehen davon wurde aus diesen angeblich erhöhten Werten zwangsläufig auf einen Alkoholmißbrauch durch den Berufungswerber geschlossen. Dem ist entgegenzuhalten, daß es sich bei Transferrin um ein im Blutplasma vorhandenes Protein handelt, welches Eisen binden kann und in' der Leber synthetisiert wird. Weiters dient es dem Transport des Eisens im Blut.
 

Da ein erhöhter Transferrinwert ebenso einen Mangel an Eisen bedeuten kann, der bei einer großen Anzahl von Menschen, vor allem bei älteren, vorkommen kann, darf daraus nicht zwangsläufig auf Alkoholmißbrauch geschlossen werden. Zumal auch der Berufungswerber angegeben hat, außer eventuell einem leichten Bier am Abend keinen Alkohol zu trinken, und dies durch den Befund Dris. S bestätigt wurde, muß es andere Gründe für diesen eventuell erhöhten Wert geben.
 
3. Außerdem bezieht sich Dris. D in ihrem Gutachten vom 26.02.2002 darauf, daß außenanamnetisch erhoben worden sei, daß der Berufungswerber bis zu zwei Liter Wein am Tag sowie Bier und Schnaps trinke. Diese Informationen sind unrichtig und ist für den Berufungswerber nicht nachvollziehbar, woher sie stammen.
Diese unrichtigen und willkürlichen Annahmen dürfen daher bei der Beurteilung, ob Alkoholmißbrauch vorliegt oder nicht, nicht berücksichtigt werden.
 
Beweis: wie bisher.

4. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat in dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Angaben des Berufungswerbers bezüglich der Alkohofabstinenz als Schutzbehauptungen abgetan, da er keinen Beweis dafür erbracht habe. Wie bereits oben ausgeführt stellt jedoch auch der Laborbefund Dris. R vom 29.01.2002 keinen, tauglichen Beweis dafür dar, daß der Berufungswerber alkoholabhängig ist. Außerdem wird dieser Laborbefund durch den Befund Dris. S vom 19.07.2002 widerlegt, da hier dem Berufungswerber Blutwerte im Normbereich bescheinigt wurden. Im übrigen ist die von der Behörde offensichtlich zugrunde gelegte Beweislastumkehr zum Nachteil des Berufungswerbers unzulässig.
 

Beweis: wie bisher.

5. Abgesehen davon hat sich der Gesundheitszustand des Berufungswerbers in letzter Zeit stark verbessert und wäre daher die Einholung eines neuen amtsärztlichen Gutachtens notwendig gewesen, um den gegenwärtigen Gesundheitszustand des Berufungswerbers in Hinblick auf seine Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen festzustellen. Dies deshalb, da die bisher durchgeführten Untersuchungen vom 02.01.2002, 17.01.2002, 29.01.2002 und 03.05.2002 teilweise bereits über ein Jahr zurückliegen. Die letzte ärztliche Untersuchung, weiche am 19.07.2002 durch Dr. S stattfand, bestätigte, daß sich der Gesundheitszustand des Berufungswerbers laufend bessert, insbesondere, daß kein Alkoholmißbrauch vorliegt.
 
Beweis: wie bisher.
 

6. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land stützt sich bei ihrer Entscheidung ausschließlich auf § 14 Abs. 1 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung, wonach Personen, die von Alkohol-, Suchtoder Arzneimitteln abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, daß sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch befassen werden darf.
 

Dabei wird jedoch lediglich auf fehlerhafte Schlußfolgerungen in den Gutachten Dres. R, D und B Bezug genommen, da tatsächlich keinerlei Beweis-erbracht werden konnte, daß beim Berufungswerber eine Alkoholabhängigkeit vorliegt.
 

Im Gegenteil: Durch den Befund Dris. S konnten die vorhergehenden Gutachten widerlegt werden.
 
Aus diesen Gründen ist der angefochtene Bescheid aufzuheben.
 

7. Die Behörde hat im übrigen in keiner Weise dargetan, in welcher Form die von ihr - im übrigen zu Unrecht angenommene - Alkoholsucht des Berufungswerbers sich auf dessen Fähigkeit zum Lenken eines Kraftfahrzeuges auswirkt. Ohne diese Feststellungen ist jedoch der angefochtene Bescheid jedenfalls rechtswidrig, zumal willkürlich.
 

8. Sohin stellt der Berufungswerber zusammenfassend nachstehenden
 

ANTRAG:
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 28.01.2003, VerkR21-784-2001/LL, aufheben;
 

in eventu dahingehend abändern, daß dem Antrag auf Erteilung der Lenkberechtigung vom 28.11.2002 stattgegeben wird.
 
St. Florian, am 13.02.2003 IR"

La/ma

 

3. Der Berufungsakt wurde von der Behörde erster Instanz dem Oö. Verwaltungssenat vorgelegt. Demnach ist dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien hier mit Blick auf § 67d Abs.1 AVG in Wahrung der durch Art. 6 Abs. 1 EMRK intendierten Rechte geboten.

3.1. Dem Akt der Behörde erster Instanz beigefügt findet sich neben dem hier verfahrensgegenständlichen Antrag auch die das Entzugsverfahren offenbar in Gang bringende Anzeige vom 12.11.2001. Ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. Gutachten der Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 26. Februar 2002 und ein weiteres vom 6. Mai 2002. Ein Antrag des Berufungswerbers vom 9. April 2002 auf Wiedererteilung der ihm entzogenen Lenkberechtigung und ein neuerlicher Antrag seines Rechtsvertreters vom 28. November 2002 auf "Wiederausfolgung der Lenkberechtigung".

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat im Rahmen der Berufungsverhandlung ergänzend Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in ein vom Berufungswerber vorgelegtes Befundblatt einer Vorsorgeuntersuchung vom 19. Juli 2002, worin u.a. der Leberwert als "o.B" diagnostiziert wurde. Ebenfalls wurde die Amtsärztin Dr. D als sachverständige Zeugin der Berufungsverhandlung beigezogen. Der Berufungswerber erschien mit seinem Rechtsvertreter ebenfalls zur Berufungsverhandlung anlässlich der er gehört wurde. Abschließend wurde Beweis erhoben durch Beischaffung einer fachärztlichen Stellungnahme aus dem Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie, Dr. EN vom 6. Mai 2003 und das nach einer Untersuchung des Berufungswerbers vom 15. April 2003 unter Einbeziehung des o.a. neurologischen Gutachtens erstellte amtsärztliche Endgutachten von Frau
Dr. D vom 14. Mai 2003.

Diese Gutachten wurden dem Rechtsvertreter des Berufungswerbers noch im Rahmen des Parteiengehörs am 13. bzw. 15. Mai 2003 mit der Einladung sich allenfalls dazu noch binnen Wochenfrist zu äußern, übermittelt. Der Berufungswerber erstattete durch seinen Rechtsvertreter am 28. Mai 2003 eine abschließende Stellungnahme.

5. Folgender Sachverhalt steht hier zur Beurteilung:

5.1. Dem Verfahrensakt finden sich zwei Anzeigen über Vorfälle vom 12. November 2001 um 19.30 Uhr im Gemeindegebiet von St. Florian bei Linz angeschlossen. Demnach verursachte der Berufungswerber an diesem Tag als Lenker eines Pkw einen Verkehrsunfall mit Sachschaden, indem er bei einer Hauseinfahrt gegen eine Betonsäule stieß. Hiervon unterblieb offenbar eine Verständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle im Sinne der Vorschrift der StVO.

Der Berufungswerber soll ohne Licht bzw. mit eingeschaltetem Blinker und teilweise unter Betätigung der sogenannten Lichthupe in Schlangenlinie unterwegs gewesen sein. Hiervon wurde von Passanten die Gendarmerie verständigt. Als der Berufungswerber in der Folge um 19.50 Uhr von den Gendarmeriebeamten des GP St. Florian in der Dunkelheit vor dem verschlossenen SPAR-Einkaufsmarkt mit der Einkaufstasche in der Hand angetroffen wurde, vermeinte er gegenüber den Gendarmeriebeamten, dass es 8.00 Uhr in der Früh sei und er einkaufen wolle. Bei ihm wurden seitens der Gendarmerie Alkoholisierungssymptome, jedoch offenbar keine Beeinträchtigung durch Alkohol, wohl aber eine Fahruntauglichkeit angenommen.

In der nervenfachärztlichen Stellungnahme von Dr. B vom 17. Jänner 2003 wird dem Berufungswerber ein chronischer Alkoholmissbrauch und eine senile Demenz diagnostiziert. Der Berufungswerber zeige sich hinsichtlich des Tatbestandes (gemeint wohl der oa. Vorfall vom Nov.01) völlig uneinsichtig. Die Amtsärztin gelangt demnach in einem ausführlichen Gutachten vom 26. Februar 2002 zu einer dzt. nicht gegebenen Eignung zum Lenken von KFZ.

In der Folge wird dann per Bescheid vom 7. März 2002 die Lenkberechtigung für die Dauer der Nichteignung entzogen.

Offenbar über einen Antrag vom 9.4.2002 - Eingangsstempel der Behörde jedoch
19. August 2002 - auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung erstattet die Amtsärztin am 6. Mai 2002 abermals ein negatives Gutachten, welches letztlich erst am
28. Jänner 2003 zu dem hier angefochtenen Bescheid führte.

5.2. Die Amtsärztin legte im Rahmen der Berufungsverhandlung das bisherige Beweisergebnis dar, wonach sich mit dem vorgelegten Befundblatt eine Beurteilung der Fahrtauglichkeit nicht ausreichend nachvollziehen lässt, weil sich aus diesem Befundblatt lediglich ein Gamma-GT-Wert ergibt der bereits anlässlich der zuletzt von ihr vorgenommenen Untersuchung normal gewesen sei, wobei jedoch ein erhöhter Wert des CT-Transferrin vorlag. Dieser erhöhte Wert verweise aus sachverständiger Sicht auf einen erhöhten Konsum von Alkoholika, nämlich über
60 g Ethanol. Es gäbe demnach laut der Amtsärztin keine Hinweise, dass dieser erhöhte Wert einen anderen Grund, als einen Alkoholhabusus haben könnte. Ein Wert alleine sei für die Feststellung einer Fahr(un)tauglichkeit nicht geeignet. Für die endgültige Beurteilung der Fahreignung bedürfe es, neben einem ausführlichen Gespräch und einer klinischen Untersuchung und abschließend wohl auch einer Fahrprobe, vorerst noch einer fachärztlichen Stellungnahme eines FA für Neurologie und Psychiatrie. Die Amtsärztin wies darauf hin, dass der Berufungswerber nach dem Verlust eines Auges hinsichtlich des noch gesunden Auges gerade noch über eine grenzwertige Sehleistung verfügt.

5.2.1. Die fachärztliche Stellungnahme von Dr. EN vom 06.05.2003
- ergangen über die Zuweisung der Amtsärztin Dr. D und ist gerichtet an diese - lautet wie folgt (wörtliche Wiedergabe desselben):
"PAT.:RI geb.am 1
 

BESTÄTIGUNG Z ERHALT D LENKERBERECHTIGUNG
 
ANAMNESE:
Im Nov 01 fuhr Pat im Rahmen eines akuten Verwirrtheitszustandes gegen eine Straßenlaterne,er fuhr ohne Beleuchtung u dachte, daß es morgens sei u er z Einkaufen wollte. Anschließend wurde er 7 Tage an der Landesnervenklinik behandelt,DG:inzip.Demenz mit akutem Verwirrtheitszustand,chron Alkoholmißbrauch,
Zn SHT [April 01 Subdural hämatom, Bohrlochtrepanation, wiederholte Stürze] Pat berichtet hier ebenfalls, daß er damals im November zum Einkaufen wollte; seinen Aufenthalt an der Landesnervklinik begründet er, er sei nervös gewesen. Zur Befragung über seinen Alkoholkonsum gibt er an, seit l0a nichts anderes als Mineralwasser u Tee zu trinken
 
PSYCHIATRISCHER BEFUND:
Pat bewußtseinsklar, allseits orientiert, keine formalen od inhaltlichen Denkstörungen,keine paranoiden Ideen; der Pat ist allerdings weitschweifig, stark bagatelliesierend, ohne jedes Problembewußtsein im Bezug auf seinen Alkoholkonsum, die Auffassung ist etwas herabgesetzt [sämtliche Fragen müssen mehrmals gestellt werden]
 
Mini Mental:21P.[von 30]
 
NEUROLOGISCHER BEFUND.:
HN:Glasauge links,Schwerhörigkeit [gehobene Umgangslautstärke wird aber verstanden, sensomotorische Qualitäten unuaffällig Stamm,Extremitäten:im AVV diskreter Haltetremor,im FNV Endstrecken ataxie,Kraft u Sensibilität in allen Etagen unauffällig,Reflexe stgl mittellebhaft,keine Pyramidenzeichen, keine Atrophien Gang: sehr breitbeinig u kleinschrittig NS:massive Duptutreunnsche Kontraktur beide Hände multiple Hämtome va an den Unterarmen,ausgeprägt verwahrlost.
 
LABOR [14.04.031]
MCV 97,5 Gamma GT 37 U/1 CDT: 4,9% E 2,61
 
DG: leichte Demenz
Z.n SHT
chron. Alkoholmißbrauch
 
STELLUNGNAHME:
Der Pat hat kein Problembewußtsein in Bezug auf seinen Alkoholmißbrauch, leugnet diesen vehement u völlig; hat auch offensichtlich nur sehr vage Erinnerungen an seine Krankenhausaufenthalte, bagtellisiert auch hier massiv.Wie oft akute Verwirrtheitszustände auftreten konnte nicht wirklich eruiert werden, sicherlich hier ein großer Risikafaktor; ebenso wie die in den Befunden beschriebenen wiederholten u ungeklärten Stürze. Insgesamt ist daher der Pat für den Erhalt d Lenkerberechtigung d Gruppe B nicht tauglich.

DR.EN"

5.2.2. Das Gutachten der Amtsärztin Dr. D vom 14. Mai 2003 führt aus:

"Herr RI wurde am 15.4.2003 amtsärztlich untersucht, zum ersten Termin unentschuldigt nicht erschienen.

 

Vorgeschichte: siehe Vorakt

 

Vorerkrankungen: siehe Vorakt, in der Zwischenzeit krank, grippaler Infekt, am 8.4.2003.

 

derzeitige Beschwerden: keine

Medikamente: keine

Nikotin: schon lang nicht mehr

Alkohol: keinen, auch kein Bier mehr, Almdudler, Mineralwasser und Tee.

Suchtmittel: nie

Führerschein: derzeit entzogen, hatte Klasse B.

Beruf: Pensionist

 

Befund:

Größe 167 cm, Gewicht 80 kg, RR 160/76, Puls 88

Sehschärfe ohne Korrektur rechts 0,5 links Prothese

Sehschärfe mit Korrektur rechts 0,5 - 0,8 links

Nachtblindheit verneint, keine Kontaktlinsen, Brille wird getragen

Conjunctiven gerötet, Pupillen isocor, Reaktion schwach

Gesichtsfeld grobklinisch

Gehör stark herabgesetzt

Herz kaum hörbar, Lunge bronchitische Rasselgeräusche

Wirbelsäule kein Klopfschmerz

Extremitäten: VHV, FNV rechts braucht 9 Versuche, bis alles stimmt, obwohl es vorgezeigt wurde, links schafft er es dann gleich auf Anhieb, FFV massiver Tremor,

Faustschluss seitengleich, Kniebeuge gelingt nicht gut, geht nur in die Hocke

Gang unbehindert,

Haut multiple Hämatome (erklärt das kommt und vergeht, der Dr. hat gesagt das ist harmlos)

Psychisch und geistig: welches Jahr, meint er es sei 2000, der Aufforderung Hut und Jacke in der Garderobe aufzuhängen konnte Herr R offenbar trotz 5maliger Aufforderung nicht nachkommen, nachdem er 5 x aufgefordert worden war den Hut aufzuhängen, schaffte er es, desgleichen das Aufhängen der Jacke nach 3maligem Hinweis, allerdings hängte er sie nicht in die Garderobe sondern auf den Sessel.

Herr R Kleidung war stark fleckig, er selbst war ungepflegt und roch intensiv.

Befunde: Augenfacharztbefund Dr. H 11.4.2003: Visus o.K. rechts 0,6, m.K. 0,8 p, normale Gesichtsfeldaußengrenzen.

Psychiatrische Stellungnahme: (Herr R wurde nochmals darauf hingewiesen, dass er den Namen des FA bekannt geben muss. Meldet sich erst am Tag der Untersuchung.)

Dr. Nada 6.5.2003: Diagnose: leichte Demenz, Z. n. SHT, chronischer Alkoholmissbrauch. Stellungnahme: Der Patient hat kein Problembewusstsein in Bezug auf seinen Alkoholmissbrauch, leugnet diesen vehement und völlig; hat auch offensichtlich nur sehr vage Erinnerungen an seine Krankenhaus-Aufenthalte, bagatellisiert auch hier massiv. Wie oft akute Verwirrtheitszustände auftreten, konnte nicht wirklich eruiert werden, sicherlich ist hier ein großer Risikofaktor; ebenso wie die in den Befunden beschriebenen wiederholten und ungeklärten Stürze. Insgesamt ist daher der Patient für den Erhalt der Lenkberechtigung der Gruppe B nicht tauglich.

Laborbefund Dr. Rocchetti 14.4.2003: MCV 97,5 fl, GGT 21 U/l, CD-Transferrin 4,9 % (Referenzbereich bis 2,6 %)

 

Ergebnis: Herr R wurde neuerlich wegen seiner Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen untersucht. Eine wesentliche Besserung zum Vorbefund konnte nicht festgestellt werden. Herr R konnte einen mehrteiligen Auftrag nicht erfüllen, nach Aufteilung in Komponenten hatte er weiter Probleme, schaffte es aber dann. Problembewusstsein, dass Einschränkungen vorhanden sind, konnte nicht festgestellt werden.

Herr R gab an keinen Alkohol mehr zu trinken, damit korreliert allerdings der Laborbefund mit dem deutlich erhöhten CD-Transferrin in keiner Weise.

Die psychiatrische Stellungnahme von Fr. Dr. N bestätigt den Befund, auch sie sieht einen großen Risikofaktor und hält Herrn R für nicht tauglich eine Kraftfahrzeug der Klasse B zu lenken.

Aus amtsärztlicher Sicht besteht eine Nichteignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Herr R hatte Probleme bei einfachen Aufgaben, war in der Auffassung beeinträchtigt. Es besteht Grund zur Annahme, dass Herr R auch mit einem Mopedauto erhebliche Probleme in Straßenverkehr haben bzw. verursachen dürfte."

5.3. Schon aus der Aktenlage in Verbindung mit der daraus hervorleuchtenden Vorgeschichte ergeben sich gravierende empirische Zweifel an der Fahreignung des Berufungswerbers. Dieser Eindruck wurde zusätzlich im Rahmen der Berufungsverhandlung verstärkt und wird nunmehr durch die oben wiedergegebenen Gutachten so eindrucksvoll wie zweifelsfrei bestätigt. Die im Rahmen des ausführlich geführten Beweisverfahrens getroffenen medizinischen Feststellungen führen zum Schluss, dass der beim Berufungswerber die Fahreignung aus gesundheitlichen Gründen nicht (mehr) gegeben ist. In der Stellungnahme von Dr. N werden mehrere Defizite aufgezeigt die jedes für sich einen Nachteil für die Verkehrssicherheit indiziert (Schwerhörigkeit, leichte Demenz, reduzierte Sehleistung, fehlendes Problembewusstsein betreffend Alkohol und Hinweis auf offenbar wiederholte (ungeklärte) Stürze). Die Amtsärztin spricht von stark herabgesetztem Gehör, von massivem Tremor, verweist ebenfalls auf die multiplen Hämatome und vor allem beschreibt sie, dass der Berufungswerber offenbar den im Gespräch gegebenen Anweisungen kaum zu folgen vermochte.

In diesem Zusammenhang sticht bereits besonders der im November 2001 offenbar eingetretene zeitliche Orientierungsverlust hervor, welcher wiederum in Verbindung mit dem doch mit Blick auf die Verkehrssicherheit auffallende Fahrverhalten zu bringen ist. Im Lichte dessen lassen sich selbst für den medizinischen Laien die von zwei Ärztinnen in überzeugender Übereinstimmung getätigten fachlichen Schlussfolgerungen - die die Fahreignung verneinen - in Einklang bringen. Auch im Rahmen der Berufungsverhandlung erweckte der Berufungswerber den Eindruck der Sache nur wenig folgen zu können und schien auf spezifische Fragen kaum einzugehen. Auch im Rahmen der Berufungsverhandlung war beim Berufungswerber ein "strenger" Geruch auffällig - die Amtsärztin umschreibt dies mit stark riechend - was zumindest auch auf eine fehlende Anpassungsneigung in seinem sozialen Umfeld schließen lässt. Die ärztlichen Gutachten und die daraus gezogenen fachlichen Schlussfolgerungen sind somit nachvollziehbar, sodass sich auch aus der Sicht der Berufungsbehörde die bereits von der Behörde erster Instanz als erwiesen angenommene Faktenlage der fehlenden Fahreignung als evident erweist. Der Berufungswerber tritt dieser Beweislage auf sachlich adäquater Weise ebenfalls nicht mehr entgegen, sodass beim zwischenzeitig im achtzigsten Lebensjahr stehenden Berufungswerber die Eignungsvoraussetzungen im Sinne des Führerscheingesetzes als nicht mehr gegeben gelten. Wenn der Berufungswerber in seiner abschließenden Stellungnahme mit dem Hinweis auf seine angebliche Abstinenz das hier vorliegende fachliche Kalkül als unrichtig darzustellen versucht, widerlegt er damit nicht seinen schon augenscheinlich der Fahreignung entgegenstehenden gesundheitlichen (physischen und psychischen) Zustand, der - wie oben ausgeführt - durch zahlreiche medizinische Parameter belegt ist.

Keineswegs ist hier die fehlende Fahreignung bloß auf einer Beweislage nach § 14 Abs.1 FSG-GV zu stützen. Sie ergibt sich hier vielmehr aus dem diagnostizierten und fachlich interpretierten psychischen und physischen Gesamtstatus des Berufungswerbers, die mehreren Bestimmungen des Führerscheinrechts subsumierbar sind.

6. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Nach § 3 Abs.1 FSG, darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die nach den Voraussetzungen der Z1 und 2. 3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9);

Dass vom Gesetzgeber des Führerscheingesetzes eine Abgrenzung von ärztlichen Aufgabenbereichen vorgenommen wurde, geht auch aus der Formulierung in den erwähnten Gesetzesmaterialien [vgl. RV 714 Blg.Nr. 20. GP, 36] hervor, wonach "nach wie vor" nur ein Amtsarzt befugt sein sollte, das ärztliche Gutachten zu erstellen, wenn der Antragsteller gesundheitliche oder psychologische Mängel aufweist (VwGH 30.9.2002, 2001/11/0301).

Nach § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit 1. die Lenkberechtigung zu entziehen ..............

Auf Basis dieser Rechtlage war angesichts der fachmedizinischen Feststellungen und der Würdigung der daraus gezogenen fachlichen Feststellungen, sowie der Würdigung der Gesamtpersönlichkeit mit Blick auf die sogenannte Risikoeignung für die Teilnahme als Fahrzeuglenker am Straßenverkehr zu ziehenden Schlussfolgerungen spruchgemäß zu entscheiden (zur Risikoeignung in HIMMELREICH/JANKER, MPU-Begutachtung, 2. Auflage, Werner Verlag, insb. Rn.101, 149, 477 u. 512 ff).

 

Rechtsmittelbelehrung:

 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

  1. Im Verfahren ist die Stempelgebühr von 13 Euro angefallen, sie wird von der Erstbehörde eingehoben.
  2.  

  3. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

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