Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520311/9/Br/Gam

Linz, 11.08.2003

 

 

 

 

 VwSen-520311/9/Br/Gam Linz, am 11. August 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau R P, vertreten durch Dr. M P, RA, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, vom 9. Mai 2003, Zl. VerkR21-725-2003, nach der am 5. August 2003 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 AVG, BGBl.I Nr. 117/2002 iVm § 3 Abs.1 Z2, § 7 Abs.1 und Abs.3 u. 4, § 24 Abs.1 FSG idF BGBl.I Nr.81/2002;

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem in der Präambel bezeichneten Bescheid wurde der Berufungswerberin die ihr von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land am 14.5.2002 unter Zahl VR20-1781-2002/LL für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung für die Dauer von drei Monaten wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass ihr während dieses Zeitraums keine Lenkberechtigung erteilt werden darf. Gestützt wurde diese Entscheidung auf §§ 24 Abs.1 und § 25 Abs.1 u. 3 FSG in der dzt. geltenden Fassung.

 

1.1. Begründet wurde diese Entscheidung mit einem Verhalten der Berufungswerberin am 8.10.2002, 14.00 Uhr, wonach sie als Lenkerin eines Pkw´s einer Fußgängerin nicht das ungehinderte Überqueren der auf einem Schutzweg ermöglicht habe. Dieses Verhalten wertete die Behörde erster Instanz als besonders gefährlich und mit Blick darauf als "erwiesene bestimmte Tatsache" iS des § 7 Abs.1 FSG, deren Wertung bei der Berufungswerberin auf eine die Verkehrszuverlässigkeit vorübergehend ausschließende Sinnesart schließen ließe.

 

2. Die Berufungswerberin bestreitet in der durch ihren Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung die hier zu dieser Wertung führenden Umstände. Sie verweist insbesondere auf die fehlende Feststellung mit welcher Geschwindigkeit sie an der angeblich vor dem Schutzweg wartenden Fußgängerin vorbeigefahren sei. Darüber hinaus, so die Berufungswerberin im Tenor ihres Vorbringens, sei gar nicht erkennbar gewesen, ob die Fußgängerin zum Zeitpunkt ihres Vorbeifahrens die Fahrbahn überhaupt überqueren habe wollen. Sie habe daher nicht einmal eine Übertretung nach § 9 Abs.2 StVO 1960 zu verantworten.

Auf die in diesem Zusammenhang seitens der Berufungswerberin gegen die einschreitenden Beamten eingeleiteten dienst- bzw. strafrechtlichen Schritte, hinsichtlich derer sich im Akt entsprechende Schriftsätze befinden, ist im Rahmen dieses Verfahrens nicht näher einzugehen.

 

3. Der Verfahrensakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war hier insbesondere mangels Abschluss des Verwaltungsstrafverfahrens in Wahrung der nach Art. 6 Abs.1 zur garantierenden Rechte erforderlich (§ 67d Abs.1 AVG).

Das unter der Geschäftszahl VwSen-109117/Zö anhängige verwaltungsstrafrechtliche Berufungsverfahren wurde in Konzentration mit dem gegenständlichen Verfahren durchgeführt.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Vornahme eines Ortsaugenscheins im Rahmen der am 5. August durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Dabei wurde die Berufungswerberin als Verfahrenspartei gehört und der Meldungsleger RevInsp. W als Zeuge einvernommen. Von der Örtlichkeit wurden auch Lichtbilder angefertigt. Die Behörde erster Instanz entschuldigte sich für ihre Nichtteilnahme.

 

4. Sachverhalt: Die Straße weist im hier bezughabenden Bereich zwei nicht durch eine Leitlinie getrennte gekennzeichnete Fahrstreifen in jeder Fahrtrichtung auf. Die Straße ist im Bereich des Schutzweges mit einem begrünten Fahrbahnteiler in einer Breite von ca. 1,20 m bis 1,50 m ausgestattet. Dieser ist im Bereich des Schutzweges mit der Fahrbahn niveaugleich gestaltet.

Die Berufungswerberin lenkte damals ihr Fahrzeug in Richtung Autobahnüberführung (Richtung K). Im Bereich der Annäherung an den besagten Schutzweg betrug ihre Fahrgeschwindigkeit 45 bis 50 km/h. Etwa 100 m vor dem Schutzweg zeigte das vor ihr fahrende Fahrzeug die Änderung der Fahrtrichtung nach rechts an, weshalb sie auf den linken Fahrstreifen wechselte. Bereits vorher hatte sie die in Fahrbahnmitte - auf dem Fahrbahnteiler - verweilende Fußgängerin wahrgenommen und folglich auch im Auge behalten. Da die Fußgängerin aus ihrer Einschätzung keine Absicht die Fahrbahn nach rechts überqueren zu wollen erkennen ließ (über die von ihr benützte Straßenseite), übersetzte sie den Schutzweg. Ob der den Rechtabbiegevorgang anzeigende Kleinlastwagen und das dahinter fahrende Polizeifahrzeug vor dem Schutzweg anhielten, nahm die Berufungswerberin nicht wahr. Sie befand sich beim Passieren des Schutzweges bereits (mehr) vor diesen Fahrzeugen.

Sie war damals im Rahmen ihrer Tätigkeit als Lehrerin unterwegs um Kinder um 14.00 Uhr vom Schwimmunterricht zu übernehmen. In weiterer Folge wurde sie etwa 200 m in Richtung K durch die ihr einsatzmäßig nachfahrende Funkstreifenbesatzung angehalten.

Die von der Berufungswerberin gemachten Angaben, wonach sie eine Überquerungsabsicht der Fußgängerin nicht erkennen habe können, erscheinen angesichts der Feststellungen und Angaben vor Ort glaubwürdig. Grundsätzlich ist der Berufungswerberin, welche als Pädagogin tätig ist, nicht zuzusinnen, dass sie etwa geneigt gewesen wäre eine den Schutzweg benützende Fußgängerin am Überqueren behindern zu wollen oder gar eine Gefährdung derselben in Kauf zu nehmen. Es schien durchaus schlüssig, dass die Fußgängerin, die offenkundig nicht im rechten Winkel zur Fahrbahnachse sondern schräg stand und scheinbar in ihrer Handtasche etwas suchte, aus der subjektiven Einschätzung der Berufungswerberin keine unmittelbar bevorstehende Überquerungsabsicht erkennen ließ.

Dieser Einschätzung trat bei objektiver Beurteilung seiner Zeugenaussage auch RevInsp. W nicht entgegen. Dieser gibt die Fahrgeschwindigkeit der Berufungswerberin ebenfalls mit etwa 40 bis 50 km/h an, wobei ihm ihr Fahrzeug erst auffiel, als es auf Höhe des Schutzweges an dem dort anhaltenden Funkstreifenfahrzeug, welches vom Kollegen gelenkt wurde, links vorbeifuhr. Er hatte wohl den Eindruck, dass die Fußgängerin in Straßenmitte inne hielt um zu überqueren. Nicht anzugeben vermochte der Zeuge, ob die Fußgängerin in weiterer Folge tatsächlich in die vermutliche Richtung überquerte. Schließlich wurde noch vor dem "allfälligen" Überqueren die einsatzmäßige Nachfahrt zwecks Anhaltung der Berufungswerberin aufgenommen. Bestätigt wurde vom Zeugen schließlich auch der Eindruck eines zögerlichen und in Richtung stadtauswärts blickenden Verhaltens der Fußgängerin. Dies deckt sich mit den Angaben der Berufungswerberin und bestätigt demgemäss jenen Umstand der zur subjektiven Einschätzung und folglich zum Verhalten - nämlich der Weiterfahrt - der Berufungswerberin führte. Ebenfalls steht die Einschätzung des Alters der Fußgängerin seitens des Zeugen weitgehend im Einklang mit jenem der Berufungswerberin.

Mit Blick darauf gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat im Rahmen des Entzugsverfahrens der Lenkberechtigung zur Auffassung, dass hier jedenfalls von "gefährlichen Verhältnissen" und auch nicht von "einer Behinderung" der Fußgängerin die Rede sein kann. Ohne mit der hier vorzunehmenden Würdigung des im Rahmen der Berufungsverhandlung gewonnenen Eindrucks der Beurteilung im Verwaltungsstrafverfahren vorzugreifen, wird der Berufungswerberin durchaus in ihrer Einschätzung gefolgt, dass sie von keiner unmittelbaren Überquerungsabsicht der Fußgängerin ausgegangen ist. Diese Beurteilung hat hier im engen zeitlichen Kontext des Vorbeifahrens zu erfolgen. Wenn demnach keine "zeitlich unmittelbare bevorstehende" Überquerungsabsicht erkennbar war - was bei praxisnaher Betrachtung im Suchen in der Tasche so beurteilt werden durfte - kann weder von einer Behinderung noch von einer Gefährdung die Rede sein.

Die Berufungswerberin ist ferner noch nie negativ in Erscheinung getreten. Auch ist es ihr auf Grund ihres pädagogischen Berufes und ihres Auftretens bei der Verhandlung nicht zuzusinnen, sie hätte sich im gegenständlichen Zusammenhang - ginge man etwa doch von einer Verletzung der Schutznorm des § 9 Abs.2 StVO aus, wobei selbst dies durchaus fraglich scheint - rücksichtslos die Vorfahrt erzwingen wollen. Das dies offenkundig nicht geschehen ist, hat das Berufungsverfahren anschaulich hervorgebracht. Offenbar schien hier der Lenker des Funkstreifenfahrzeuges die Situation vorerst anders eingeschätzt zu haben, wobei sich letztlich auch für ihn keine "konkrete Überquerungsaktion" ergab, weil er offenbar selbst unverzüglich die Verfolgung der Berufungswerberin aufzunehmen vermochte und auch das nachfolgende Verhalten der Fußgängerin - etwa durch den Rückspiegel - nicht mehr nachvollzog.

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

§ 7 Abs.1 FSG lautet:

"Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen


1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.......

Abs.3 leg.cit: Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand: ......


Z 3. als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen;"
...
Abs.4 leg.cit: Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung:
§ 24. (1): Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder ...
 
Dauer der Entziehung:
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen...
 

5. 1. Hier entbehrt es alleine schon der tatbestandsmäßigen Bedingung "der besonderen Gefährlichkeit" zu Gänze (vgl. VwGH 8.8.2002, 2002/11/0089).

Ob einem Fußgänger das ungehinderte Überqueren eines Schutzweges nicht ermöglicht oder er sogar gefährdet worden ist bedingt - wie oben schon erwähnt - eine enge an den Weg-Zeitablauf geknüpfte, Beurteilung. Der Bestimmung des
§ 91 Abs.2 StVO darf jedenfalls nicht ein Inhalt zugesonnen werden, der im Ergebnis zu einem "Halt vor dem Schutzweg" und in diesem Zusammenhang allenfalls auch noch zu einer unmittelbaren Kontaktaufnahme mit dem im Bereich des Schutzwegs verweilenden Fußgängers führen müsste. Es ist in der Verkehrspraxis unvermeidbar, dass eine Überquerungsabsicht erst innerhalb des Anhaltesweges erkannt werden kann, was weder zu einer Behinderung und noch weniger zu einer Gefährdung führt und demnach auch keinen Verstoß gegen § 9 Abs.2 StVO indiziert (vgl. insb. VwGH 3.4.2003, 2001/03/0081 mit Hinweis auf VwGH [verstSen] 26. Juni 1978, Slg. Nr. 9602 A/1978).

Es wird darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen sind.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

 
 
 

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