Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520343/4/Br/Pe

Linz, 06.08.2003

 

 

 VwSen-520343/4/Br/Pe Linz, am 6. August 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn R K, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 15. Juli 2003, Zl. FE-1196-2002, zu Recht:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

Rechtsgrundlage:
§§ 66 Abs.4, 64 Abs.2 AVG, BGBl.I Nr. 117/2002 iVm § 7 Abs.1 und Abs.3 Z10 FSG zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 129/2002;

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem in der Präambel bezeichneten Bescheid wurde dem Berufungswerber die genannte Lenkberechtigung für die Klasse B - erteilt von der Bundespolizeidirektion W am 17.6.1988 unter der AZ: 0734744/88 - wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit nach mündlicher Verkündung am 15.7.2003 für die Dauer von fünf Monaten entzogen. Gleichzeitig wurde für diesen Zeitraum das Lenken eines Motorfahrrades, eines vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder eines Invalidenkraftfahrzeuges verboten. Ferner wurde ausgesprochen den Führerschein der Behörde unverzüglich abzuliefern. Einer dagegen erhobenen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

2. Die Behörde erster Instanz stützte ihre Entscheidung auf die strafgerichtliche Verurteilung des Berufungswerbers nach §§ 269 Abs.1, 83 Abs.1 und 84 Abs.2 Z4 StGB durch das LG L, am 4. Juni 2003, AZ: 28 Hv 164/02f. Auf Grund der dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Verhaltens sei der Berufungswerber als nicht verkehrszuverlässig anzusehen und wäre demnach sofort von der Verkehrsteilnahme auszuschließen. Die aufschiebende Wirkung wurde aus diesem Grund der Berufung aberkannt.
 

2.1. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung:
"
Ich berufe gegen den fünfmonatigen Führerscheinentzug:
 

1 . Ich hatte vor einem Jahr größere Probleme mit meiner Lebensgefährtin Fr. K. Ich lebe nun nicht mehr bei ihr und das Verhältnis zu ihr ist wieder entspannt.
2. Zur Bewältigung meiner persönlichen Situation habe ich einen Bewährungshelfer zur Seite gestellt bekommen (Mag. F E). Dieser wird mich unterstützen, dass ich wieder zu einer stabilen Lebenssituation komme.

3. Da im Zuge der Trennung von der Lebensgefährtin meine psychische Stabilität sehr gelitten hat, habe ich nun im F eine psychotherapeutische Behandlung.
4. In Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe werde ich in absehbarer Zeit wieder eine geregelte Wohnmöglichkeit erreichen (vorgesehen ist eine Wohnung in der Wohnplattform, ca. ein Jahr später bei der WAG).

5. Seit 06.08.2002 arbeite ich bei der Fa. I. Bei dieser Leasingfirma bin ich an verschiedenen Arbeitsorten eingesetzt. Der Führerschein ist fdr mich ein ganz wichtiges Dokument für den Erhalt dieser Arbeitsstelle.
6. Für den Aufbau meiner eigenen Stabilität ist der Führerschein ebenfalls von Bedeutung. Ich habe in meinem Leben sehr viel verloren (Beziehung, Vermögen, Unterkunft,...). Der vorübergehende Verlust des Führerscheins wäre eine weitere Härte.

7. Ich habe mich im Straßenverkehr bisher nicht rücksichtslos verhalten und will das auch in Hinkunft so halten.

 

Es gibt nun für mich eine Reihe flankierender Maßnahmen, sodass meine Lebenssituation sich wieder stabilisiert. Ich habe inzwischen wieder Mut und Zuversicht gewonnen und will mir ein solides Leben aufbauen.

 

Ich ersuche deshalb, den Führerscheinentzug ehestens aufzuheben.

 

Mit vielen Dank im voraus

Hochachtungsvoll." (Unterschrift des Berufungswerber)
 


2.1.1. Dem Berufungsschreiben wurde vom Berufungswerber eine Stellungnahme seines Bewährungshelfers mit nachfolgendem Inhalt beigefügt:
"Herr K hat mit der Bewährungshilfe L Kontakt aufgenommen. Es ist zu ersten Betreuungsschritten gekommen. Herr K nimmt die Unterstützung sehr in Anspruch und es ist davon auszugehen, dass sich seine Situation in der nächsten Zeit weiter verbessern und stabilisieren wird.
Es gibt auch die psychotherapeutische Behandlung, die dafür einen wichtigen Beitrag darstellt.
Aus meiner Wahrnehmung würde der fünfmonatige Führerscheinentzug eine zusätzliche Härte für Herrn K darstellen. Die oben genannten Maßnahmen werden zur Stabilisierung von Herrn K wohl ausreichend sein. Es könnte auch ohne Führerscheinentzug das Auslangen gefunden werden.
 
Mit freundlichen Grüßen!
Mag. F E"

 

 

3. Der Verfahrensakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte hier unterbleiben (§ 67d Abs.2 Z1 letzter Satz AVG).

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt. Ergänzend Beweis erhoben wurde durch Beischaffung der Verwaltungsvormerkungen hinsichtlich des Berufungswerbers und der zum gegenständlichen Verfahren führenden Strafanzeige (AZ: II-2309/02) im Wege der Bundespolizeidirektion L.

 

4. Demnach ist im Ergebnis davon auszugehen, dass sich der Berufungswerber am 20. August 2002 im Rahmen einer zwangsweisen Einweisung in die psychiatrische Klinik W J widersetzte. Der Einweisung war eine Fahndung nach dem Berufungswerber vorausgegangen, nachdem dieser, gegenüber einer Mitarbeiterin des im Zuge der Beziehungskrise mit seiner Lebensgefährtin konsultierten Kriseninterventionszentrums, einen Selbstmord ankündigte. Nach einer spontan und durchaus aufwändig angelegten und schnell erfolgreich verlaufenen Fahndung, wurde der Berufungswerber dem Amtsarzt zugeführt. Von diesem wurde beim Berufungswerber eine Selbstgefährdung diagnostiziert und nach Ausstellung eines Pareres die Einweisung in das WJKH verfügt. Im Zuge der Überstellung bzw. Verbringen in das Krankentransportfahrzeug widersetzte sich der Berufungswerber massiv. Nach Anwendung der erforderlichen exekutiven Gewalt schlug und trat er offenbar wild um sich und verletzte dabei die einschreitende Sicherheitswachebeamtin. Sie erlitt eine an sich leichte Verletzung (eine nicht zur Dienstunfähigkeit führende Hautrötung am Unterarm), die jedoch nach § 84 Abs.2 Z4 StGB als schwer zu qualifizieren war. Der Berufungswerber bestritt im Rahmen seiner bereits tags darauf - nach seiner Entlassung aus dem WJKH - erfolgten Einvernahme jegliche Verletzungsabsicht und entschuldigte sich für den Vorfall. Gleichzeitig bestätigte er im Ergebnis die Andeutung einer Selbsttötungsabsicht aus Anlass seiner gescheiterten Beziehung mit seiner damaligen Lebensgefährtin.

Seit August 2002 trat der Berufungswerber laut Aktenlage weder verkehrsrechtlich noch sonst negativ in Erscheinung. Lediglich wegen einer Übertretung des § 43 Abs.4 lit.b KFG erfolgte eine Bestrafung (Nichtanzeige der Verlegung des dauernden Standortes eines KFZ in den örtlichen Wirkungsbereich einer anderen Behörde).

Die Bewährungshilfe bestätigt dem Berufungswerber in dem mit der Berufung vorgelegtem Schreiben, dass er offenbar in seiner psychotherapeutisch Betreuung wegen seiner strafrechtlichen Verurteilungen gute Fortschritte macht. Gemäß der wegen des der Berufung beigehängten Schreibens zwecks Klarstellung getätigten Rücksprache mit dem Bewährungshelfer, hat dieser vom Berufungswerber einen positiven Eindruck. Dieser hat auch schon einen psychiatrischen Gesprächstermin vereinbart und es wird vom Bewährungshelfer mit gutem Grund erwartet, dass K in seiner Resozialisierung gute Fortschritte machen werde. Der Entzug der Lenkberechtigung könnte sich laut Einschätzung der Bewährungshilfe für die Resozialisierung negativ auswirken, weil der Berufungswerber dadurch abermals in eine Identitätskrise gelangen könnte. Die hier zur gerichtlichen Verurteilung führende Verhaltensweise lässt ihre Ursache in der damaligen Beziehungskrise (Trennung vom Lebenspartner) vermuten.

Diese Darstellungen sind gut nachvollziehbar, wobei insbesondere die Umstände der Tatbegehung im Zusammenhang mit der aus der gescheiterten Beziehung einhergehenden Einweisung in das WJKH ein spezifisches Bewertungskriterium darstellt. Ebenfalls kann angesichts der beim Berufungswerber offenkundig vorherrschenden Verzweiflung seinem Fehlverhalten ein geringerer Grad an negativer Wertehaltung zugedacht werden, sodass dies für die auf die Frage der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit von entscheidender Relevanz ist.

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Für den Berufungsfall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG (in der anzuwendenden Fassung vor der 5. FSG-Novelle BGBl. I Nr. 81/2002) maßgebend:

Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs3) und ihrer Wertung (Abs4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im

Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 2 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand

...

Z10 eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat,

...

(4) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

(3) Bei der Entziehung kann die Behörde auch zusätzlich begleitende Maßnahmen (Nachschulung oder Driver Improvement mit oder ohne Fahrprobe, Einstellungs- und Verhaltenstraining oder Aufbauseminar) anordnen. Sie hat eine Nachschulung anzuordnen, wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) erfolgt.

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

...

5.2. Auf Grund der Bindung an das rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes L vom 4. Juni 2003 hatte die Behörde erster Instanz wohl davon auszugehen, dass der Berufungswerber die darin bezeichneten strafbaren Handlungen im August 2002 und September und Oktober 2001 begangen hat. Inwieweit das Gericht die subjektive Tatseite und auch den damaligen seelischen Zustand des Berufungswerbers würdigte vermag hier nicht nachvollzogen werden. Auf Grund des vom Berufungswerber begangenen Vergehens der als schwer zu qualifizierenden Körperverletzung nach den §§ 83, 84 Abs. 2 Z4 StGB - jedoch faktisch nur leichten Körperverletzung - hat die Behörde erster Instanz ebenfalls mit Recht das Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs3 Z10 FSG angenommen. Die Behörde erster Instanz hat zutreffend auch - im Einklang mit VwGH vom 23. April 2002, Zl. 2001/11/0346, mwN) - die Zuordnung der in § 7 Abs3 Z10 FSG genannten strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben zu jenen strafbaren Handlungen, im Sinne des § 7 Abs.1 Z2 FSG, bejaht.

Dennoch erweist sich der angefochtene Bescheid mit Blick auf die ihm zugrunde liegende Annahme, das Verhalten des Beschwerdeführers vom 20. August 2002 und Herbst 2001 sei dahingehend zu werten, dass beim Berufungswerber bis zum Zeitpunkt 15. Dezember 2003 auf eine Sinnesart geschlossen werden müsse, dass dieser beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden würde, als rechtswidrig. In diesem Zusammenhang ist zusätzlich zu bedenken, dass der Berufungswerber nicht im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges eine vorsätzlich schwere Körperverletzung beging, sondern dies im Zuge seiner ihm zuzuerkennenden "seelischen Ausnahmesituation" im Zusammenhang mit der zwangsweisen Einlieferung in die psychiatrische Klinik erfolgte, wobei die dabei einer Sicherheitswachebeamtin zugefügte Verletzung offenkundig an sich eine leichte war (Qualifikation nach § 84 Abs.2 Z4 StGB). Auch die nach § 83 Abs.1 StGB zur Verurteilung führenden Vorfälle vom September und Oktober 2001 lassen sich auf das Zerbrechen der Lebensgemeinschaft und einer damit einhergehenden Verzweiflungssituation resultierenden Aggressiven Verhaltensweisen gegenüber seiner Partnerin herleiten, was ebenfalls bei sachbezogener Beurteilung keine Wertung zulässt, die auch die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit noch zum gegenwärtigen Zeitpunkt und über weitere drei Monate hinaus bzw. bis zum Dezember 2003 rechtfertigen könnte.

Die im angefochtenen Bescheid nicht angeführten, jedoch aus dem Akt hervorgehenden weiter zurückliegenden Verurteilungen wegen Vermögensdelikte liegen bereits mehrere Jahre zurück. Diese strafbaren Handlungen sind zwar einer Wertung im Sinne des Führerscheingesetzes nicht entzogen, doch fallen sie wegen des Zeitlaufes nicht (mehr) entscheidend zum Nachteil des Beschwerdeführers ins Gewicht.

Im übrigen ist der Berufungswerber seit dem hier den Gegenstand des Verfahrens bildenden Ereignisses lt. Aktenlage weder verwaltungsstrafrechtlich noch gerichtlich in Erscheinung getreten. Ganz im Gegensatz hat er sich offenkundig wohlverhalten und es besteht auch eine positiv zu beurteilende Zukunftsprognose. Daher ist davon auszugehen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einem Fehlen der Verkehrszuverlässigkeit nicht mehr die Rede sein kann (VwGH 28. Juni 2001, 2001/11/0114 mit Judikaturhinweisen u. das zur vergleichbaren Rechtslage nach dem KFG 1967 ergangene Erkenntnisse VwGH 30. Juni 1992, 91/11/0124, sowie das bereits zum FSG 1997 ergangene Erkenntnis VwGH 27. Mai 1999, Zl. 98/11/0198).

 

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass - falls man zum Zeitpunkt der Tat den Berufungswerber im Sinne der Verkehrszuverlässigkeit negativ beurteilen wollte - die von der Behörde erster Instanz festgesetzte Entziehungsdauer wohl schon an sich überhöht gewesen wäre, weil jedenfalls mit drei Monaten Entzugszeit das Auslangen gefunden werden hätte können. Da hier aber auch die seit der bestimmten Tatsache verstrichene Zeit und das seit dieser Zeit offenkundige Wohlverhalten ein entscheidendes Kriterium ist, wobei für die Beurteilung der Prognose auch die positive Stellungnahme des Bewährungshelfers gewertet werden kann, erweist sich der hier ausgesprochene Entzug und das Fahrverbot nicht gerechtfertigt (vgl. VwGH 23.4.2002, 2001/11/0195).

 

5.2.1. Eine weiterführende Betrachtung des Zeitfaktors im Rahmen der "Wertung eines bestimmten Ereignisses führt zum Ergebnis, dass unbegrenzte Entkoppelung vom Zeitlauf, ein solches Wertungskriterium letztlich (nur mehr) als Strafelement zur Wirkung gelangen würde. Nicht in Ansätzen lässt sich etwa im gegenständlichen Fall nachvollziehen, inwiefern in der Persönlichkeit des Berufungswerbers auch gegenwärtig noch auf eine Sinnesart geschlossen werden könnte, die ihn insgesamt sechzehn Monate als verkehrsunzuverlässig gelten lassen sollte. Ist der Rechtsbegriff "Wertung" von bestimmten Tatsachen an sich schon ein weitgehend unbestimmter Gesetzesbegriff, so muss dieser letztlich mit empirisch belegbarem Inhalt erfüllt werden, um nicht Gefahr zu laufen, dass dieser im Ergebnis als reiner Straftatbestand verkannt und auch als solcher wirksam wird. Die immer wieder feststellbare Praxis, dass die Verkehrsunzuverlässigkeit erst nach einer quasi beliebigen, jedoch nicht vorhersehbaren Dauer eines Gerichtsverfahrens auf einer Fiktion basierenden Annahme ausgesprochen wird, muss daher empirisch besehen das gesetzlich intendierten Ziel verfehlen. Vielmehr kann darin (nur mehr) eine - dem FSG jedoch fremde - Sanktionswirkung erblickt werden. Auch die im Zusammenhang mit Geschwindigkeitsüberschreitung ergangene jüngsten Judikatur des VfGH 14.3.2003, G203/02, wonach einem solchen Entzug ein Erziehungseffekt zugedacht wird, greift für diesen Fall nicht.

Im Lichte dessen ist in verfassungskonformer Interpretation und demgemäss eine entsprechende Vollziehung dieser Vorschrift, ein Entzug ein Jahr nach einem "als bestimmte Tatsache" geltenden Ereignisses - welches hier darüber hinaus damals keinen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Lenken eines Fahrzeuges erkennen lässt - sachlich wohl kaum vertretbar (vgl. dazu VwGH 23.4.2002, 2001/11/0149 mwN).

Auch mit Blick darauf darf dem unbestimmten Gesetzesbegriff "Sinnesart" keine zu einer gänzlichen Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit führender Auslegungsmöglichkeit eröffnet sein, indem etwa ohne konkrete Bezugnahme zur Person von einem bestimmten Fehlverhalten automatisch auf eine "die Verkehrssicherheit gefährdende Sinnesart" geschlossen werden kann.

Hinzuweisen ist auf eine zu diesem Problemkreis einschlägige Literatur und umfangreiche Rechtsprechung aus Deutschland. Die Rechtslage ist mit der h. geltenden durchaus vergleichbar. Dort wird die Heranziehung einer gerichtlichen Verurteilung als Wertungskriterium für einen Entzug der Lenkberechtigung nur unter besonderen und gutachterlich zu untermauerten Umständen möglich erachtet. Dem Zeitfaktor und dem dazwischen liegenden Einstellungsänderung kommt dabei ebenfalls eine entscheidende Bedeutung zu (Himmelreich/Janker, MPU Begutachtung, Ein juristischer Leitfaden zur psychologischen Beurteilung der Fahreignung, 2. Auflage, Rn 253, 444 u.a.).

 

5.3. Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob hier nach Zuwarten eines Jahres bis zum gerichtlichen Sachausgang und der dann folgenden Wertung der "Verkehrsunzuverlässigkeit" im Hinblick auf ein zu erwartendes Berufungsverfahren - welches binnen drei Monaten zu entscheiden ist - überhaupt von einer Gefahr im Verzug" im Sinne des § 64 Abs. 2 AVG die Rede sein kann (VwGH 28.6.2001, 99/11/0243). Zwar ist es grundsätzlich zulässig, bei Bedenken gegen die Eignung einer Person zum Lenken von Kraftfahrzeugen diese für die Dauer des Verfahrens, in dem diese Frage geklärt wird, aus Gründen der Verkehrssicherheit von der Teilnahme am öffentlichen Verkehr auszuschließen (vgl. VwGH vom 25. Juni 1996, Zl. 96/11/0128). Im Falle der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit hinsichtlich eines zurückliegendem Ereignisses wird bei einem Lenker der immerhin noch ein Jahr nach dem Ereignis von der Lenkberechtigung Gebrauch machen durfte, wohl nur schwer von einer aus der Persönlichkeit eines solchen Lenkers ausgehenden "Gefahr in Verzug" die Rede sein können.

Um den Berufungswerber nicht unnötig in seinem Recht von seiner Lenkberechtigung Gebrauch zu machen zu verkürzen war der Berufungsbescheid der Behörde erster Instanz durch Boten zuzustellen.

 

Es wird darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen sind.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

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