Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520357/8/Ki/Pe

Linz, 19.09.2003

 

 

 VwSen-520357/8/Ki/Pe Linz, am 19. September 2003

DVR.0690392
 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung von Frau H S, A, A, vom 16.8.2003, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 11.8.2003, VerkR21-155-2003, wegen Abweisung eines Antrages auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung für die Klassen A und B mangels ausreichender gesundheitlicher Eignung nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 16.9.2003 durch sofortige Verkündung wie folgt erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen, der angefochtene Bescheid wird bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG iVm §§ 3 Abs.1 Z3, 8 Abs.3 Z4 FSG;

§ 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde Frau H S ein Antrag auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung für die Klassen A und B mangels ausreichender gesundheitlicher Eignung abgewiesen.

 

Die Erstbehörde stützt diese Entscheidung auf ein amtsärztliches Gutachten vom 12.6.2003, dem die verkehrspsychologische Stellungnahme der verkehrs-psychologischen Untersuchungsstelle INFAR vom 21.5.2003 zugrunde lag. In diesem Gutachten sei festgestellt, dass Frau S zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 gesundheitlich nicht geeignet sei.

 

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin mit Schreiben vom 16.8.2003 fristgerecht Berufung erhoben. Unter anderem verweist sie in dieser Berufung auf ein durch einen Facharzt für Neurologie erstelltes neurologisches Gutachten sowie auf ein durch einen Facharzt für Augenheilkunde erstelltes Gutachten, welche positiven Inhalt gehabt hätten. Dies sei ihres Erachtens seitens des Amtsarztes zu wenig gewürdigt bzw. gewertet worden. Sie leide an multipler Sklerose und es sei ihr nicht möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Sie sei deshalb auf die Benützung des eigenen Pkw´s angewiesen. Ohne Führerschein sei es ihr nicht möglich, auch nur die kleinsten Verrichtungen außer Haus vorzunehmen, ohne gleich fremde Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen, obwohl sie ihren Haushalt zum Großteil selbst organisiere. Sie müsse überdies alle drei Monate zu einer ärztlichen Untersuchung nach Salzburg fahren, auch für die Besorgung dieses Weges sei sie in erster Linie auf die Benützung des eigenen Pkw´s angewiesen. Sie ersuche daher um eine positive Berufungsentscheidung.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 16.9.2003. An dieser Berufungsverhandlung nahmen die Berufungswerberin sowie ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Gmunden teil. Als medizinischer Amtssachverständiger wurde der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, Dr. H, beigezogen. Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde überdies im Beisein des Amtsarztes eine Beobachtungsfahrt iSd § 1 Abs.1 Z7 FSG-GV durchgeführt.

 

Laut Anzeige des Gendarmeriepostens Gmunden vom 6.1.2003 habe Frau S am 4.1.2003 ihren Pkw auf der B145 in einer äußerst gefährdenden Fahrweise im Bereich Altmünster gelenkt, sie habe mit dem Fahrzeug mehrmals die Fahrbahnmitte, teilweise auch Sperrlinien überfahren und sei ein paar Mal gänzlich auf die linke Fahrspur geraten.

 

Im Beisein eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen wurde dann am 11.3.2003 eine Beobachtungsfahrt vorgenommen. In seinem Gutachten hat der Sachverständige festgestellt, dass aufgrund der Fahrweise der Berufungswerberin und Feststellungen im Zuge der Beobachtungsfahrt davon auszugehen sei, dass Frau S nicht in der Lage sei, die körperlichen Mängel durch routinierte und umsichtige Fahrweise auszugleichen. Es wurde auch eine fragwürdige Einstellung von Frau S zu Verkehrsvorschriften festgestellt, welche sich einerseits im Zuge der Beobachtungsfahrt zeigten und andererseits auch verbal geäußert wurden. Es könne daher eine ausreichende Kompensation der körperlichen Mängel durch routinierte und umsichtige Fahrweise aus den Feststellungen im Zuge der Beobachtungsfahrt nicht gesehen werden.

 

Die Berufungswerberin hat in der Folge bei einer Fahrschule Fahrstunden genommen und es wurde mit einem weiteren verkehrstechnischen Amtssachverständigen am 23.4.2003 eine weitere Beobachtungsfahrt durchgeführt. Wohl waren auch bei dieser Beobachtungsfahrt einzelne Beanstandungen zu vermerken, letztlich kam der Gutachter jedoch zum Ergebnis, dass aus Sicht des technischen Amtssachverständigen als Ergebnis der Beobachtungsfahrt, jedoch vorbehaltlich weiterer medizinischer Beurteilungen, Frau S zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B bedingt geeignet sei. Als Auflagen wären eine Standardservolenkung sowie die ausschließliche Verwendung von Fahrzeugen mit Automatikgetriebe vorzuschreiben.

 

In weiterer Folge hat sich Frau S am 21.5.2003 bei der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle INFAR einer verkehrspsychologischen Untersuchung unterzogen, bei dieser verkehrspsychologischen Untersuchung wurden eine Einschränkung der motorischen Umsetzung der Reaktionen, eine Einschränkung der reaktiven Dauerbelastbarkeit und Defizite im Bereich der sensomotorischen Koordinationsfähigkeit festgestellt. Der verkehrspsychologische Gutachter kam jedoch zum Ergebnis, dass zur weiteren Abklärung eine Probefahrt durchgeführt werden sollte, diese Probefahrt wurde ebenfalls durch die verkehrspsychologische Untersuchungsstelle vorgenommen und verlief für die Berufungswerberin negativ.

 

Daraufhin hat der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Gmunden gemäß § 8 FSG am 12.6.2003 gutächtlich festgestellt, dass Frau S zum Lenken eines Kraftfahrzeuges der Gruppe 1 (Klassen A, B) nicht geeignet sei. In der Begründung verwies er im Wesentlichen auf die verkehrspsychologische Untersuchung vom 21.5.2003, insbesondere auf testpsychologisch erhobene Leistungsschwächen im Bereich der sensomotorischen Koordinationsfähigkeit.

 

Unter Zugrundelegung dieses Gutachtens hat die Bezirkshauptmannschaft Gmunden den nunmehr angefochtenen Bescheid erlassen, dagegen richtet sich die vorliegende Berufung vom 16.8.2003. Neben der bereits oben angeführten Begründung hat die Berufungswerberin auch bemängelt, dass ihr für die im Rahmen der verkehrspsychologischen Untersuchung durchgeführte Beobachtungsfahrt kein geeignetes und ein für sie ungewohntes Fahrzeug zur Verfügung gestellt wurde.

 

Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung erklärte Frau S bezüglich Anzeige des Gendarmeriepostens Gmunden vom 6.1.2003, dass sie damals das nachfolgende Gendarmeriefahrzeug für ein Rettungsfahrzeug gehalten und sie sich darauf konzentriert hätte, dem Fahrzeug Platz zu machen.

 

Erörtert wurden im Rahmen der Berufungsverhandlung auch ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 11.2.2003, wonach bei einem entsprechend adaptierten Fahrzeug derzeit keine Einschränkung gegeben sei und auch ein augenfachärztliches Gutachten vom 7.1.2003, worin festgestellt wurde, dass das Sehvermögen ausreichend sei.

 

Die im Beisein des Amtsarztes (und des Verhandlungsleiters) durchgeführte Beobachtungsfahrt iSd § 1 Abs.7 FSG-GV hat dann ergeben, dass Frau S eindeutige Mängel der Beobachtungsfähigkeit und der Überblicksgewinnung sowie auch der Reaktionssicherheit aufweist. Die Defizite, welche bereits bei der verkehrspsychologischen Untersuchung am 21.5.2003 festgestellt wurden, könnten durch eine umsichtige Fahrweise nicht kompensiert werden.

 

Als wesentliche Mängel wurden festgestellt, ein Überfahren eines Randsteines beim Rechtseinbiegen, eine äußerste Verunsicherung in Bezug auf das Betätigen des Blinkers, eine (gravierende) Vorrangverletzung, ein Einbiegen nach links, obwohl sie ersucht wurde, nach rechts einzubiegen, ein Touchieren des Randsteines mit dem rechten Hinterreifen beim Rückwärtsfahren in eine Parklücke, ein Ignorieren von Fußgängern vor einem Schutzweg, eine zu hohe Geschwindigkeit in Bezug auf Straßenverkehrsverhältnisse an einer engen Straßenstelle, wobei ein Eingreifen des Fahrlehrers (welcher ebenfalls an der Beobachtungsfahrt teilgenommen hat) erforderlich wurde, sowie letztlich ein Rückwärtseinparken des Pkw unter völliger Missachtung der angezeigten Parkflächen.

 

4. Nach Durchführung der mündlichen Berufungsverhandlung und insbesondere der im Rahmen dieser Berufungsverhandlung durchgeführten Beobachtungsfahrt, an welcher auch das erkennende Mitglied teilgenommen hat, vermag der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich an der der Entscheidung zugrundeliegenden verkehrspsychologischen Stellungnahme sowie am amtsärztlichen Gutachten keine Zweifel zu hegen. Die Ausführungen lassen sich schlüssig nachvollziehen und rechtfertigen die Annahme der derzeitigen Nichteignung. Wenn auch im Laufe des Verfahrens eine Beobachtungsfahrt für die Berufungswerberin positiv verlaufen ist, so ist bezüglich dieser Beobachtungsfahrt zu berücksichtigen, dass der verkehrstechnische Amtssachverständige vorwiegend zu prüfen hatte, ob der Pkw in technischer Hinsicht für die Verwendung durch die Berufungswerberin geeignet ist bzw. ob die Berufungswerberin mit der Bedienung des Kraftfahrzeuges unter bestimmten Ausrüstungsvoraussetzungen vertraut sein konnte. Ausdrücklich hat er in seiner Stellungnahme ausgeführt, dass medizinische Belange nicht tangiert werden würden.

 

Die letztlich im Beisein des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Gmunden und des Verhandlungsleiters durchgeführte Beobachtungsfahrt hat eindeutig ein klares Bild dahingehend ergeben, dass die Berufungswerberin derzeit nicht in der Lage ist, die im Rahmen der verkehrspsychologischen Untersuchung festgestellten kraftfahrspezifischen Leistungsdefizite zu kompensieren.

 

Wenn Frau S sich dahingehend rechtfertigt, sie habe anlässlich der Fahrt, welche zur Anzeige durch die Gendarmerie geführt hat, vermutet, es würde ihr ein Rettungsfahrzeug folgen, und sie hätte eben überlegt, diesem Fahrzeug Platz zu machen, so ist auszuführen, dass das durch den Gendarmeriebeamten geschilderte Verhalten geradezu das Gegenteil einer richtigen Verhaltensweise gewesen ist. Richtigerweise hätte die Berufungswerberin nicht im Bereich der Fahrbahnmitte fahren dürfen, sondern sie hätte an den rechten Fahrbahnrand fahren sollen um dem - vermeintlichen - Einsatzfahrzeug Platz zu machen. Auch dieses Fehlverhalten zeigt, wie auch die durchgeführte Beobachtungsfahrt, dass Frau S den Erfordernissen der Verkehrssicherheit im Zusammenhang mit dem Lenken eines Pkw nicht mehr gerecht wird.

 

Es kann daher dahingestellt bleiben, dass die Facharztgutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie bzw. des Augenfacharztes einen eher positiven Inhalt gehabt haben.

 

5. In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 3 Abs.1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken.

 

Gemäß § 8 Abs.3 FSG hat das ärztliche Gutachten abschließend auszusprechen:

"geeignet", "bedingt geeignet", "beschränkt geeignet" oder "nicht geeignet". Ist der Begutachtete nach ärztlichem Befund

  1. ......
  2. ......
  3. ......
  4. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nicht geeignet, so hat das Gutachten "nicht geeignet" für die entsprechende Klasse zu lauten.

 

Gemäß § 3 Abs.1 Z4 FSG-GV gilt u.a. als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse iSd § 8 FSG gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.

 

Gemäß § 17 Abs.1 FSG ist die Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten insbesondere dann zu verlangen, wenn der Bewerber um eine Lenkberechtigung oder der Besitzer einer Lenkberechtigung Verkehrsunfälle verursacht oder Verkehrsverstöße begangen hat, die den Verdacht u.a. auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit erwecken.

 

Das unter Punkt 4 dargelegte Verfahren hat iSd zitierten Rechtsvorschriften ergeben, dass Frau S derzeit aus gesundheitlichen Gründen zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B nicht geeignet ist, weshalb ihr Antrag auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung für die genannten Klassen zu Recht abgewiesen worden ist.

 

Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Mag. K i s c h

 

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