Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520389/2/Zo/Pe

Linz, 18.09.2003

 

 

 VwSen-520389/2/Zo/Pe Linz, am 18. September 2003

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn CG, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. AH und Dr. EE, vom 3.9.2003, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 29.8.2003, Zl. Fe-930/2003, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG, § 7 Abs.3 Z6 und Abs.4 sowie § 24 Abs.1 FSG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Polizeidirektor von Linz hat mit Bescheid vom 29.8.2003 dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von drei Monaten entzogen, einer allfälligen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieser Bescheid wurde damit begründet, dass der Berufungswerber am 3.6.2003 um 19.10 Uhr in Linz, Hofausfahrt des Hauses Unionstraße, das Kfz mit dem Kennzeichen lenkte und einen Verkehrsunfall verursachte, bei dem eine Person (Radfahrer) verletzt wurde. Der Berufungswerber habe es unterlassen, sofort an der Unfallstelle anzuhalten, obwohl er aufgrund der Umstände hätte annehmen müssen, dass er den Verkehrsunfall als Lenker eines Kfz mitverursacht hatte und der Radfahrer eine Verletzung erlitten hatte. Dies stelle eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z6 FSG dar, weshalb der Berufungswerber für die Dauer von drei Monaten als verkehrsunzuverlässig anzusehen sei.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, wobei der Berufungswerber ausführt, dass er den gegenständlichen Verkehrsunfall nicht verschuldet habe, weil der Radfahrer am Gehsteig gefahren sei und er nicht mit dieser eindeutig rechtswidrigen Benützung des Gehsteiges durch einen Radfahrer habe rechnen müssen. Bei der Bestimmung des § 7 Abs.3 Z6 FSG handle es sich um ein Vorsatzdelikt und der Täter müsse faktisch Kenntnis vom Vorliegen der tatbildlichen Situation haben und nach erkannter pflichtbegründender Situation willentlich untätig bleiben. Der Berufungswerber habe jedoch keine Kenntnis von der Verursachung der Verletzung des Geschädigten gehabt, weshalb ihn keine Handlungspflicht getroffen habe. Dem Berufungswerber seien keinerlei Umstände zum Bewusstsein gekommen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können. Weiters hätte ihm die belangte Behörde nicht ausreichend Parteiengehör zu einer ihn belastenden Zeugenaussage gegeben und es auch unterlassen, die Annäherungsgeschwindigkeit des Radfahrers festzustellen. Auch die tatsächliche Verletzung des Geschädigten sei nicht genauer überprüft worden, sodass die Frage, ob eine Hilfeleistung überhaupt erforderlich gewesen sei, nicht ausreichend beurteilt werden konnte. Dies sei insbesondere deswegen relevant, weil es gar nicht zu einer Kollision mit dem Radfahrer gekommen ist.

 

Bereits in seiner Vorstellung gegen den Mandatsbescheid hatte der nunmehrige Berufungswerber ausgeführt, dass die Staatsanwaltschaft Linz das Verfahren gegen ihn wegen fahrlässiger Körperverletzung wegen diesem Verkehrsunfall gemäß § 90 Abs.1 StPO eingestellt hat und es nicht zur Einleitung eines Verfahrens nach § 94 StGB gekommen ist.

 

3. Der Polizeidirektor von Linz hat den Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung vorgelegt. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gemäß § 67a Abs.1 AVG, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt. Eine öffentliche mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt und ist auch nicht erforderlich, weil sich der Sachverhalt zur Gänze aus der Aktenlage ergibt (§ 67d Abs.1 AVG).

 

4.1. Der Berufungswerber lenkte am 3.6.2003 um 19.10 Uhr den Pkw von einer Haus- und Grundstückseinfahrt kommend rechtsabbiegend in die Unionstraße, gleichzeitig fuhr der 22-jährige Unfallgegner mit seinem Fahrrad auf den Gehsteig der Unionstraße stadteinwärts. Es kam zu einer Kollision der Fahrzeuge, laut Angaben des Radfahrers musste dieser wegen der unvorsichtigen Fahrweise des Berufungswerbers abbremsen und kam dadurch zu Sturz, wobei er verletzt wurde. Der Berufungswerber gab zum Unfallhergang an, dass er den Radfahrer erstmals gesehen hat, als dieser aufgestanden ist. Dabei zeigte ihm dieser die Faust. Er hatte dies nicht auf sein eigenes Verkehrsverhalten bezogen und glaubte, mit der Sache nichts zu tun zu haben. Der Radfahrer erlitt eine ca. 3 cm lange Rissquetschwunde am Kinn und konnte zwei Tage nicht zur Arbeit gehen.

 

Ein Unfallzeuge gab zum Sachverhalt an, dass der rote Mazda vor dem Gehsteig nicht angehalten hat. Die Übersicht an dieser Stelle ist wegen einer hochgewachsenen Hecke schlecht. Der Zeuge wurde durch einen Krach auf einen Radfahrer aufmerksam, welcher offenbar auf dem Gehsteig stadteinwärts fuhr und stürzte. Der rote Pkw hielt nur für einige Sekunden an, der Lenker hob dabei eine Hand und fuhr anschließend weiter. Der Radfahrer stand unmittelbar nach dem Sturz wieder auf und hielt sich mit der Hand das Kinn, auch gab er dem Pkw-Lenker mit der anderen Hand ein Zeichen. Dieser fuhr jedoch davon unbeeindruckt weiter. Erst nachdem der Radfahrer die Hand vom Kinn weggab, bemerkte der Zeuge die blutende Wunde. Nach Ansicht des Zeugen kann es möglich sein, dass der Pkw-Lenker die Verletzung des Radfahrers nicht gesehen hat, weil sich dieser die Hand an das Kinn hielt. Den Sturz hat er jedoch mit Sicherheit bemerkt.

 

5 Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

5.1. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

  1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
  2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung ist die Verkehrszuverlässigkeit.

 

Gemäß § 7 Abs.1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird.

 

Als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 hat gemäß § 7 Abs.3 Z6 FSG insbesondere zu gelten, wenn es jemand unterlassen hat, nach einem durch das Lenken eines Kraftfahrzeuges selbst verursachten Verkehrsunfall, bei dem eine Person verletzt wurde, sofort anzuhalten oder erforderliche Hilfe zu leisten oder herbeizuholen.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG ist für die Wertung der in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

5.2. Das Verhalten des Berufungswerbers war kausal für den gegenständlichen Verkehrsunfall, bei dem eine Person verletzt wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Übertretungen des § 4 Abs.1 und Abs.2 StVO 1960 auch fahrlässig begangen werden. Dazu genügt es, dass dem Beschuldigten Umstände bewusst werden oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er auf seine Beteiligung am Verkehrsunfall und die Verletzung einer Person schließen konnte. Dies dürfte hier - unbeschadet einer allfälligen Beurteilung im Verwaltungsstrafverfahren - der Fall gewesen sein.

 

Für das Führerscheinentzugsverfahren ist in diesem Fall die vollständige Klärung des verwaltungsstrafrechtlichen Tatvorwurfes nicht notwendig, weil das Verhalten des Berufungswerbers einer Wertung iSd § 7 Abs.4 FSG zu unterziehen ist. Für die Beurteilung der Verwerflichkeit einer "Fahrerflucht" ist es von wesentlicher Bedeutung, ob diese vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde. Auch die Folgen des Verkehrsunfalls bzw. die Schwere der Verletzung sind von Bedeutung. Im vorliegenden Fall ist es gar nicht zu einer Kollision der am Verkehrsunfall beteiligten Fahrzeuge gekommen und dem Berufungswerber ist nur vorzuwerfen, dass er die Gesamtumstände falsch eingeschätzt und deshalb nicht angehalten hat. Eine wissentliche und willentliche "Fahrerflucht" mit dem Ziel, seine Beteiligung am Verkehrsunfall zu verheimlichen, kann dem Berufungswerber aufgrund des Akteninhaltes nicht unterstellt werden. Es handelt sich auch bloß um eine geringfügige Verletzung, sodass das Verhalten des Berufungswerbers keine Gefährlichkeit iSd § 7 Abs.4 FSG begründete. Der Berufungswerber mag zwar Verwaltungsübertretungen zu verantworten haben, nach Ansicht des zuständigen Mitgliedes des unabhängigen Verwaltungssenates war sein Verhalten aber unter Berücksichtigung der Gesamtsituation nicht derart gefährlich oder verwerflich, dass es die Verkehrszuverlässigkeit des Berufungswerbers in Frage stellt. Dies auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Berufungswerber bisher unbescholten ist.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

Mag. Z ö b l

 
 

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