Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520504/4/Bi/Be

Linz, 07.04.2004

 
 

 

 

 
VwSen-520504/4/Bi/Be
Linz, am 7. April 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau P O, vertreten durch RA Dr. A U, vom 9. Jänner 2004 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 16. Dezember 2003, VerkR21-356-2003/BR, wegen Entziehung der Lenkberechtigung für die Dauer von drei Monaten und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels dagegen, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Berufungswerberin (Bw) die von der BH Salzburg-Umgebung am 14. Dezember 1988, Zl.14/751-1038/1-88, für die Klassen A und B erteilte Lenkberechtigung gemäß §§ 7 Abs.1 Z1 und Abs.3 Z3, 3 Abs.1 Z2, 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 1.Satz und Abs.3 FSG wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von drei Monaten bis einschließlich
22. Dezember 2003 entzogen. Außerdem wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung einer allenfalls gegen diesen Bescheid einzubringenden Berufung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug ausgeschlossen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 29. Dezember 2003.

2. Dagegen wendet sich die von der Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der



Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG).

3. Die Bw macht unter Hinweis auf ihre Einwendungen im parallel geführten Verwaltungsstrafverfahren gemäß §§ 18 Abs.1 iVm 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 im Wesentlichen geltend, die von der Behörde gezogenen Schlüsse seien nicht gerechtfertigt und die angebliche Tat liege schon länger zurück. Die Behörde habe es auch unterlassen, zu ihren fahrdynamischen Überlegungen und der Zeit-Weg-Berechnung ein SV-Gutachten einzuholen. Es bestünden daher gravierende Verfahrensfehler. Bei richtiger Abführung eines Ermittlungsverfahrens hätte die Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass ein ihre Verkehrszuverlässigkeit in Frage stellendes Verhalten nicht erweislich sei. Beantragt wird daher die Aufhebung des Bescheides.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie in den Akt des Unabhängigen Verwaltungssenates VwSen-109506 betreffend das dem Entzug der Lenkberechtigung zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahrens. Dazu wurde am 25. März 2004 öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit beider Parteien durchgeführt, in der die im ggst Berufungsvorbringen dargelegten fahrdynamischen Überlegungen im Rahmen eines Sachverständigengutachtens erörtert wurde.

Mit Erkenntnis vom 6. April 2004, VwSen-109506/16/Bi/Be, wurde der Berufung der Bw gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 18. Dezember 2003, VerkR96-4846-2003-Ms, insofern Folge gegeben, als im Spruch die Qualifikation des § 99 Abs.2 lit.c StVO sowohl hinsichtlich der besonderen Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern als auch hinsichtlich der besonders gefährlichen Verhältnisse entfallen ist und die Bw einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 18 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO schuldig erkannt wurde, wobei von einem Mindest-Nachfahrabstand von 0,17 Sekunden, ds 4,3 m bei einer Geschwindigkeit von 90 km/h, ausgegangen und die Strafe herabgesetzt wurde.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind.

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses


Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache hat gemäß § 7 Abs.3 Z3 insbesondere zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, dass an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen.

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

Die Erstinstanz hat zunächst mit Mandatsbescheid vom 15. September 2003 der Bw die Lenkberechtigung für die Klassen A und B gemäß §§ 7 Abs.1 Z1 und Abs.3 Z3, 3 Abs.1 Z2, 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 1.Satz und Abs.3 FSG und 57 Abs.1 AVG für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides - das war am 22. September 2003 - entzogen und gemäß § 29 Abs.3 FSG die unverzügliche Ablieferung des Führerscheins beim GPK Ostermieting angeordnet.

Vom GP Ostermiething wurde am 22. September 2003 der Führerschein der Bw an die Erstinstanz übersandt - am 23. Dezember 2003 wurde er der Bw wieder ausgefolgt.

Aufgrund der fristgerecht eingebrachten Vorstellung gegen den Mandatsbescheid wurde das im Verwaltungsstrafverfahren erstellte Sachverständigengutachten vom 11. November 203, VT-010000/5446-2003-Hag, in das ggst Verfahren miteinbezogen und Parteiengehör gewahrt, worauf die Bw erneut die Ergänzung des Gutachtens zu den von ihr dargelegten Berechnungen verlangte. Daraufhin erging nach kurzer schriftlicher Stellungnahme des Amtssachverständigen, ohne Parteiengehör, der nunmehr angefochtene Bescheid, in dem die Erstinstanz auf der Grundlage eines Nachfahrabstandes von 0,283 Sekunden bei einer Fahrgeschwindigkeit von mindestens 83 km/h über eine längere Strecke davon ausgeht, die Bw habe "somit mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken von Kraftfahrzeugen maßgebenden Vorschriften verstoßen. Da aus derartigen Situationen auf Autobahnen immer wieder schwerste Auffahrunfälle mit katastrophalen Folgen entstünden, sei das Verhalten der Bw geeignet gewesen, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen."



Aus dem oben zitierten Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates ergibt sich, dass besonders gefährliche Verhältnisse aufgrund der konkreten Verkehrssituation im Einzelfall nicht vorgelegen haben - eine geradlinige Kollision des von der Bw gelenkten Pkw mit dem vor ihr fahrenden Lkw-Zug wäre zwar sicher unvermeidbar gewesen, jedoch war aufgrund der unterschiedlichen Massenverhältnisse der beiden Fahrzeuge ein Schleudern ebenso wie aufgrund des sehr geringen Abstandes bei 90 km/h Fahrgeschwindigkeit Konsequenzen eines versuchten Auslenkmanövers der Bw auszuschließen, sodass keine besonders gefährlichen Verhältnisse vorlagen und das konkrete Verhalten der Bw, die genau hinter dem Lkw-Zug, sozusagen im "Windschatten" herfuhr, ohne zu überholen, letztlich auch nicht geeignet war, solche besonders gefährlichen Verhältnisse herbeizuführen. Die zweifellos bestanden habende Eigengefährdung der Bw allein rechtfertigt die Annahme einer solchen Eignung nicht.

Zur von der Erstinstanz getroffenen Annahme einer besonderen Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern geht aus dem Erkenntnis hervor, dass diese Qualifikation des § 99 Abs.2 lit.c StVO im Verwaltungsstrafverfahren aus formellen Gründen wegen unzureichender Spruchkonkretisierung und damit wegen eingetretener Verjährung aufzuheben war. Dazu, gegenüber welchen konkreten Straßenbenützern eine solche Rücksichtslosigkeit anzunehmen wäre, hat die Erstinstanz konkret nichts ausgeführt.

Bei einer materiellen Prüfung des Vorliegens einer besonderen Rücksichtslosigkeit der Bw gegenüber dem Lenker des Lkw-Zuges - im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1986, 86/02/0058, in dem ein Auffahren auf das Vorderfahrzeug mit einer Fahrgeschwindigkeit von ca 85 km/h bis auf 3 m als besonders rücksichtslos bezeichnet wurde, war diese Rücksichtslosigkeit auf den Lenker dieses Vorderfahrzeuges bezogen - ist anhand der Videoaufzeichnung aber zu bemerken, dass sich der Lenker des Lkw-Zuges, hinter dem die Bw mit 0,17 Sekunden Abstand nachfuhr, eben aufgrund der Länge des Lkw-Zuges in einer so großen Entfernung vom Pkw der Bw befand, dass von einer besonderen Rücksichtslosigkeit wohl nicht mehr die Rede sein kann, wobei auch die unterschiedlichen Massenverhältnisse der beiden Fahrzeuge zu berücksichtigen sind. Unter Zugrundelegung eines ordnungsgemäßen Nachfahrabstandes des Gendarmeriefahrzeuges - aus der Provida-Aufzeichnung ließ sich dazu nichts sagen - war auch dessen Lenker ein bei einem eventuellen Bremsmanöver des Lkw-Zuges ohnehin erforderliches rechtzeitiges und effizientes Abbremsen möglich und zuzumuten, sodass sine besondere Rücksichtslosigkeit der Bw diesem gegenüber schon begrifflich ausgeschlossen ist. Die Videoaufzeichnung hat ergeben, dass sich im Nachfahrbereich von rechts keine Fahrzeuge dem Pkw der Bw genähert haben - dort befindet sich zwar ein Autobahnparkplatz, von dem aber kein (ohnehin wartepflichtiges) Fahrzeug einfuhr. Eine besondere Rücksichtslosigkeit der Bw gegenüber auf dem Video erkennbaren links überholenden Fahrzeugen liegt nicht


vor, weil diese Fahrzeuge durch ihr Fahrverhalten nicht am Überholen gehindert waren (vgl VwGH v 12. Mai 1964, 1406/63).

Zusammenfassend ergibt sich daher, dass eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z3 FSG nicht anzunehmen war, sodass mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 24 Abs.1 Z1 FSG spruchgemäß zu entscheiden war.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

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