Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520566/7/Bi/Be

Linz, 08.06.2004

VwSen-520566/7/Bi/Be Linz, am 8. Juni 2004

DVR.0690392

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufungen des Herrn P, vertreten durch RA Mag. P, vom 24. März 2004

  1. gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 5. März 2004, FE-1501/2003, wegen der Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung, und
  2. gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 20. Jänner 2004, FE-1505/2003, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, Lenkverbot für Motorfahrräder, vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge und Invalidenkraftfahrzeuge, Anordnung der Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens gemäß § 8 FSG, der unverzüglichen Ablieferung des Führerscheins und des Mopedausweises sowie Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid,

aufgrund des Ergebnisses der am 13. Mai 2004 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:

1) Die Berufung gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Bescheid vom 5. März 2004, FE-1501/2003) wird abgewiesen.

2) Die Berufung gegen die Entziehung der Lenkberechtigung usw (Bescheid vom 20. Jänner 2004, FE-1505/2003) wird als verspätet eingebracht zurückgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4, 67a, 71 und 63 Abs.5 AVG

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben angeführten Bescheid vom 5. März 2004 wurde der Antrag des Berufungswerbers (Bw) vom 17. Februar 2004 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung, FE-1501/2003, gemäß
§ 71 Abs.1 AVG abgewiesen. Gleichzeitig wurde im Rahmen einer Berufungsvorentscheidung gemäß § 64a Abs.1 AVG die Berufung vom 17. Februar 2004 gegen den oben angeführten Bescheid vom 20. Jänner 2004, FE-1501/2003, als verspätet zurückgewiesen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte mit 12. März 2004.

2. Dagegen wenden sich die vom Bw fristgerecht eingebrachten Berufungen, die seitens der Erstinstanz (hinsichtlich des Bescheides vom 5. März 2004 ohne Berufungsvorentscheidung, hinsichtlich des Bescheides vom 20. Jänner 2004 auf Antrag) dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurden, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Am 13. Mai 2004 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsvertreters des Bw Mag. Hannes P und des Vertreters der BPD Linz Mag. H durchgeführt. Der Bw war entschuldigt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

3. Der Bw legt in der Berufung gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages das Kontrollsystem in der Kanzlei seines Rechtsvertreters hinsichtlich Fristfeststellung, -eintragung und -einhaltung dar, wobei er auch die Einvernahme zweier Zeugen, nämlich der Mitarbeiterin M D und des RA-Anwärters Mag. H P, beantragt und betont, bislang sei keine einzige Frist versäumt worden. Es könne nur durch die Verkettung widriger Umstände wegen der Prüfungssituation von Mag. P von einem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden.

Weiters stellt der Bw einen Vorlageantrag hinsichtlich seiner Berufung gegen den Bescheid der BPD Linz vom 20. Jänner 2004, FE-1505/2003, unter Hinweis auf das Außerkrafttreten der Berufungsvorentscheidung in Form der Zurückweisung der Berufung als verspätet.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteien gehört und Mag. H P zeugenschaftlich einvernommen wurde. Die geladene Zeugin M D ist nicht erschienen; diesbezüglich wurde deren "eidesstattliche Erklärung" vom 13. Mai 2004 vorgelegt und darauf verwiesen.



Dem vorliegenden Verfahrensakt ist zu entnehmen, dass auf der Grundlage des Urteils des Landesgerichtes Leoben vom 3. Juni 2003, 10 Hv 77/03z, mit dem der Bw ua Verbrechen nach § 28 Abs.2 2. Fall Suchtmittelgesetz und § 144 Abs.1 StGB und Vergehen nach § 27 Abs.1 und 2 Z1 und 2, 1. Halbsatz, 1. Fall Suchtmittelgesetz, §§ 105 Abs.1 iVm 15 StGB, § 107 Abs.1 und 2 StGB, § 83 StGB, § 127 StGB und § 50 Abs.1 Z2 Waffengesetz für schuldig erkannt und zu insgesamt 18 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, wovon zwölf Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, seitens der BH Bruck/Mur gegen den Bw mit Hauptwohnsitz St. Marein/Mürztal ein Verfahren wegen Entziehung seiner Lenkberechtigung eingeleitet wurde. Da der Bw laut Zentralem Melderegister seinen Hauptwohnsitz nunmehr seit 29. September 2003 ausschließlich in Linz hat, wurde das Verfahren an die Erstinstanz abgetreten.

Mit Ladung vom 5. Jänner 2004 wurde der Bw persönlich für 20. Jänner 2004, 10.00 Uhr, wegen eines "Verfahrens zum Entzug der Lenkberechtigung" zur Erstinstanz geladen, wobei er ersucht wurde, einen amtlichen Lichtbildausweis und seinen Führerschein mitzubringen. Der Bw erschien bei der Erstinstanz; bei der Amtshandlung wurde ihm der Bescheid der Erstinstanz vom 20. Jänner 2004, FE-1505/2003, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (2.2.2001, BH Bruck/Mur, 11.2.3054/2000, Klasse B) wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit und Lenkverbot für die Dauer von 24 Monaten ab Verkündung des Bescheides, Anordnung der Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 FSG bis zum Ablauf der Entziehungsdauer, Anordnung der unverzüglichen Ablieferung des Führerscheins und des Mopedausweises sowie Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung, mündlich verkündet wurde. Weiters wurde eine Niederschrift angefertigt und vom Leiter der Amtshandlung, Mag. H, dem Bw in Kopie ausgefolgt. Auch der Führerschein wurde sofort einbehalten.

Mit Fax vom 21. Juni 2004 erfolgte die Vertreterbekanntgabe durch RA Mag. M P, Graz, und wurde ein Aktenübersendungsantrag dahingehend gestellt, dass der genannten Kanzlei eine Kopie des gesamten Aktes unter Kostenbekanntgabe zukommen möge.

Die Erstinstanz übermittelte mit Schreiben vom 28. Jänner 2004 den Originalakt der BPD Graz mit dem Ersuchen, dem Rechtsvertreter Akteneinsicht zugewähren. Diese erfolgte laut Niederschrift am 11. Februar 2004 durch Frau D. Der Akt langte am 17. Februar 2004 wieder bei der Erstinstanz ein.

Mit Fax vom selben Tag beantragte der Bw über seinen Rechtsvertreter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil sich erst am 4. Februar 2004 anlässlich eines Telefonats mit einer Mitarbeiterin der Erstinstanz herausgestellt habe, dass die Berufungsfrist bereits mit 3. Februar 2004 geendet hatte. Gleichzeitig wurde Berufung gegen den Bescheid von 20. Jänner 2004 erhoben.

Mit 5. März 2004 erging seitens der Erstinstanz der Bescheid FE-1501/2003, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 71 Abs.1 AVG abgewiesen und im Rahmen einer Berufungsvorentscheidung die Berufung als verspätet zurückgewiesen wurde.

Dagegen richtet sich die nunmehrige Berufung bzw der Vorlageantrag.

Nach seiner Schilderung als Zeuge in der mündlichen Verhandlung hat Mag. H P am 29. März 2004 und am 14. April 2004 seine Rechtsanwaltsprüfung abgelegt und sich seit Anfang Jänner 2004 zur Prüfungsvorbereitung auf Urlaub befunden, dh er war nur sporadisch in der Kanzlei anwesend und nahm Termine wahr. Die Kanzlei besteht aus RA Mag. P und ihm sowie zwei abwechselnd arbeitenden Kanzleikräften und einer halbtags beschäftigten Schreibkraft.

Er war auch der Rechtsvertreter des Bw im Verfahren von dem Landesgericht Leoben. Der Bw erreichte ihn am 20. Jänner 2004 zufällig telefonisch in der Kanzlei und erzählte ihm von der Amtshandlung bei der Erstinstanz an diesem Tag und der Abnahme des Führerscheins. Es wurde vereinbart, der Bw solle ihm die erhaltenen Unterlagen sowie den Laborbefund mit Fax schicken.

Laut Aussage des Zeugen Mag. P wird jedes Schriftstück, das per Fax die Kanzlei erreicht, mit einem Tagesstempel versehen, dem zuständigen Bearbeiter (RA oder Mag. P) vorgelegt und von diesem abgezeichnet. Der Bw habe am 20.1.2004 um 10.56 die Ladung und den Bescheid und um 10.58 Uhr den Laborbefund gefaxt, wobei der Laborbefund und die Ladung für 20.1.2004 mit - unrichtigem - Datum 19.1.2004 abgestempelt wurden. Den gefaxten und abgestempelten Laborbefund habe er abgezeichnet. Der Stempel mit Datum 19.1.2004 auf der Ladung sei durchgestrichen und nicht von ihm abgezeichnet. Der gefaxte Bescheid weise gar keinen Stempel auf.

Er habe den Bw am Telefon gefragt, was bei der Amtshandlung am 20. Jänner 2004 los gewesen sei und der Bw habe ihm mitgeteilt, ihm sei der Führerschein abgenommen und eine Niederschrift sei aufgenommen worden. Der Zeuge sei beim Wort "Niederschrift" der Meinung gewesen, der Bw habe eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme erhalten, habe ihn danach aber nicht dezidiert gefragt, sondern ihn aufgefordert, sofort alles, was er bekommen habe, zu faxen.

Er habe dann das Ersuchen um Aktenübersendung an die Erstinstanz diktiert, dann einen Termin wahrgenommen und sei erst in der nächsten Woche wieder in die Kanzlei gekommen, habe dann aber die den Bw betreffenden Schriftstücke nicht in der Postablage vorgefunden. Da das Ersuchen um Aktenübersendung aber von RA Mag. P selbst unterschrieben worden sei, der üblicherweise nicht nur das Schriftstück sondern auch den dazugehörigen Akt vorgelegt erhalte, sei er der Meinung, Frau D habe die gefaxten Unterlagen ebenfalls diesem vor- bzw abgelegt. Da weder der durchgestrichene Stempel auf der Ladung abgezeichnet


noch die Niederschrift abgestempelt oder abgezeichnet sei, könne er beides nicht gesehen haben; dafür spreche auch, dass er bei Einsichtnahme in diese Unterlagen die Geschäftszahl der Erstinstanz gekannt hätte und nicht beim Ersuchen um Aktenübersendung eine nicht zuzuordnende Geschäftszahl angegeben worden wäre. Es könne aber auch sein, dass die Ladung und die Niederschrift zum internen Akt gelegt wurden, nachdem er den Laborbefund abgezeichnet hatte; dafür spreche, dass er die Unterlagen nicht in seinem Postfach vorgefunden habe.

Er habe mit den beiden Kanzleikräften einen Katalog erarbeitet, aus dem ersichtlich sei, welche Schriftstücke welche Frist auslösen. Sein Chef und er selbst überprüften jede Frist, die sich aus den Unterlagen ergebe und darauf werde auch vermerkt, wer die Frist eingetragen habe. Dadurch erfolge eine doppelte Kontrolle sowohl durch seinen Chef und ihn als auch durch die Kanzleikräfte. Bei diesem System sei noch nie eine Frist übersehen worden. In diesem Fall sei keine Frist eingetragen gewesen und es ergebe sich nicht, ob er selbst die gefaxten Unterlagen übersehen habe oder diese beim internen Akt abgelegt worden seien.

Frau M D bestätigt in ihrer eidesstattlichen Erklärung vom 13. Mai 2004, am 20. Jänner 2004 sei ein Telefax vom Bw in der Kanzlei eingelangt. Die Rechtssache sei zu dieser Zeit im PC noch nicht erfasst gewesen, wodurch sie das Schriftstück nicht zuordnen habe können. Sie habe es in eine Postablage gelegt. Mag. P habe es zur Anlage eines Aktes zum Schreiben gegeben. Am selben Tag sei ein 2. Fax des Bw eingelangt, das ebenfalls in die Postablage von Mag. P gelegt worden sei. Mag. P sei wegen des Prüfungsurlaubes aber nur vereinzelt in der Kanzlei gewesen. Erst nach Fristablauf sei das 2. Schriftstück, die Niederschrift, zugeordnet und Mag. P vorgelegt worden. Sie habe seit Beginn ihrer Tätigkeit in der Kanzlei am 1. Juli 2003 noch keine Frist übersehen.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

1) Zur Berufung vom 24. März 2004 gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages (Bescheid vom 5. März 2004, FE-1501/2003):

Gemäß § 71 Abs.1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtmittel zulässig sei.





Gemäß Abs.2 leg.cit. muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Gemäß Abs.3 hat die Partei im Fall der Versäumung einer Frist die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

Im gegenständlichen Fall hat der Bw sofort nach der Amtshandlung vor der Erstinstanz am 20. Jänner 2004, bei der ihm gegenüber ein Bescheid mündlich verkündet wurde, auf dessen Grundlage ihm der Führerschein abgenommen wurde, und bei der ihm die Kopie der Niederschrift übergeben wurde, telefonisch Kontakt mit seinem Rechtsvertreter Mag. P, dem Zeugen, aufgenommen und ihm von der Amtshandlung und der Führerscheinabnahme erzählt. Da von einer Niederschrift die Rede war, kam beide überein, der Bw solle die Unterlagen und noch ein weiteres wichtiges Schriftstück dem Rechtsvertreter per Fax übermitteln. Die Amtshandlung begann laut Niederschrift um 10.15 Uhr. Die Unterlagen langten um 10.56 bzw 10.58 Uhr in der Anwaltskanzlei ein.

Der Zeuge verließ nach Abfassung eines Antrages auf Aktenübersendung an die Erstinstanz wegen eines Termines die Kanzlei. Als er eine Woche später wieder in die Kanzlei kam, waren die Schriftstücke nicht in der Postablage; das Ersuchen um Aktenübersendung hatte sein Chef unterzeichnet.

Der mit unrichtigem Datum 19. Jänner 2004 abgestempelte Laborbefund wurde vom Zeugen als gesehen abgezeichnet, jedoch die Ladung für 20. Jänner 2004 mit unrichtigem Datum und durchgestrichenen Stempel ohne Abzeichnung und die den Bescheid enthaltende Niederschrift vom 20. Jänner 2004 ohne Stempel und ohne Abzeichnung aufgefunden.

Für die Vermutung des Zeugen, er habe die Ladung und den Bescheid nicht gesehen, spricht, dass die Schriftstücke nicht abgezeichnet sind, daher offenbar auch von RA Mag. P bei seiner Unterschrift auf dem Antrag auf Aktenübersendung nicht gesehen wurden und daher auch die unrichtige Geschäftszahl angeführt wurde. Möglicherweise hat die Kanzleikraft diese Schriftstücke zum neu angelegten Kanzleiakt des Bw gelegt, ohne diese im Hinblick auf den "Katalog der Fristen auslösenden Schriftstücke" zu untersuchen. Möglicherweise wurden diese Schriftstücke aber auch als bloße Beilagen zum Kanzleiakt des Bw behandelt. Der Zeuge hat auch bestätigt, er habe einen Termin wahrzunehmen gehabt und mit RA Mag. P nicht darüber gesprochen. Dieser bekomme normalerweise schon die zu den von ihm zu unterzeichnenden Schriftstücken gehörenden Unterlagen.

Grundsätzlich ist aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates zu sagen, dass bei einer lediglich aus einem Rechtsanwalt und einem juristischen Mitarbeiter bestehenden Kanzlei auch das bisher funktioniert habende System dann, wenn auch noch der juristische Mitarbeiter wegen seiner Anwaltsprüfung nur mehr einmal pro


Woche in die Kanzlei kommt und auch da noch Termine wahrzunehmen hat, in dieser Form nicht mehr funktionstüchtig sein kann, wenn kein Ersatz für den sich verständlicherweise auf seine Prüfung vorbereitenden Mitarbeiter zur Verfügung steht, der dessen Termine übernimmt. Bei einer so kurzen Anwesenheit in der Kanzlei ist es zB wegen eines Termines oder Telefongesprächs eines der beiden Juristen nachvollziehbar nicht immer möglich, dem zweiten Juristen die Hintergründe eines abzusendenden Schriftstückes mündlich zu erläutern. Es blieb daher dem Zeugen nur die Möglichkeit, entweder seinem Chef direkt durch handschriftliche Notizen Unterlagen zu erläutern und/oder ihn damit konkret auf ein mit Fax erwartetes Schriftstück aufmerksam zu machen, oder die eine von den beiden abwechselnd arbeitenden Kanzleikräften aufzufordern, dem Chef etwas bestimmtes verlässlich mitzuteilen, zB diesen über den Zusammenhang eines von ihm zu unterzeichnenden Schriftsatzes mit per Fax erwarteten Unterlagen einer bestimmten Behörde aufzuklären. Dass der Zeuge eine dieser Möglichkeiten wahrgenommen hätte, konnte er in der mündlichen Verhandlung nicht bestätigen und hat auch die Kanzleikraft in ihrer eidesstattlichen Erklärung solches nicht bestätigen können.

Die Kanzleikraft war nach dem Entfernen des Zeugen zu seinem Termin offenbar mit den per Fax eingelangten Schriftstücken allein und hatte nur den Auftrag, den Schriftsatz mit dem Antrag auf Aktenübersendung, den RA Mag. P unterschrieben hatte, mit Fax der Erstinstanz zuzustellen. Diesbezüglich war bereits ein interner Akt angelegt und dort hinein gelangten anscheinend auch die darauf bezogenen Schriftstücke. Da der dafür zuständige Zeuge aber nicht mehr anwesend war und erst in einer Woche wiederkam, konnte er auch von der Kanzleikraft nicht dazu gefragt werden. Da aber die Ladung und die Niederschrift bereits um 10.56 Uhr, also vor den abgezeichneten medizinischen Unterlagen, per Fax eingelangt waren, nahm die Kanzleikraft offenbar an, das sei mit dem Schriftsatz bzgl Aktenübersendung erledigt. Dafür spricht auch, dass die Schriftstücke auch beim Wiedereintreffen des Zeugen in der darauffolgenden Woche nicht in seiner Postablage waren. RA Mag. P muss daher den Schriftsatz ohne Einsichtnahme in die dazugehörigen Unterlagen unterschrieben haben - den Zeugen konnte er dazu offenbar nicht befragen.

Das "Verschwinden" der den Bescheid enthaltenden Niederschrift vom 20. Jänner 2004 ohne Abzeichnung und ohne Fristeintragung und daher entgegen dem ausdrücklichen telefonischen sofortigen Ersuchen des Bw ohne jede Reaktion darauf als unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis anzusehen, entbehrt jeder Grundlage. Das in der Kanzlei auf einem durchaus üblichen Weg sogar nach telefonischer Ankündigung eingelangte Schriftstück wurde weder so genau angesehen, dass es mit einem Eingangsstempel versehen worden wäre - abgesehen davon war das Datum "19. Jänner 2004" aller Eingangsstempel auf den vom Zeugen vorgelegten Schriftstücken, die nachweislich am 20. Jänner 2004 gefaxt wurden,


unrichtig - noch wurde es vom zuständigen Juristen, dem Zeugen, der beim Einlangen der Niederschrift aber noch anwesend gewesen sein muss, weil er den zwei Minuten später mit Fax eingelangten Laborbefund abzeichnete, gelesen oder abgezeichnet. Dass eine bevorstehende Rechtsanwaltsprüfung mit Stress verbunden ist, noch dazu wenn nebenher auch noch Termine wahrzunehmen sind und ein Arbeit auslösendes Telefonat unvorhergesehen dazwischen kommt, liegt auf der Hand. Offensichtlich war aber das vom Zeugen beschriebene und bisher klaglos funktionierende Kanzleisystem dadurch gänzlich auf den Kopf gestellt, sodass die angeführte Niederschrift, die schon von der Schriftgestaltung her unzweifelhaft als Bescheid erkennbar und als Grundlage für die sofortige Abnahme des Führerscheins des Bw angekündigt war, ungelesen und unbearbeitet abgelegt wurde.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl Erk 19.6. 1998, 98/02/0156, mit Hinweisen auf Vorjudikatur v 26.11.1992, 91/06/0034; 22.2.1996, 95/19/0520) ist das Verschulden des Vertreters einem Verschulden des Vertretenen gleichzusetzen. Der Vertretene muss sich ein Verschulden des Vertreters (Machthabers) zurechnen lassen. In der Person des bevollmächtigten Vertreters eingetretene Tatumstände bilden für die vertretene Partei nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund, wenn sich diese Umstände für den Vertreter selbst als ein unverschuldetes oder unabwendbares Ereignis darstellen. Hiebei stellt das "Verlegen" - offenbar auch ohne sofortigen Fristvermerk - eines amtlichen Schriftstückes, gegen das fristgebunden ein Rechtsmittel zu erheben ist, kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar. Es lässt vielmehr auf einen gravierenden organisatorischen Mangel in der Gebarung des bevollmächtigten Vertreters schließen.

Dass der Bw dem Zeugen gegenüber telefonisch nur eine "Niederschrift" erwähnte und nichts von einem "Bescheid" sagte, was vielleicht größere Aufmerksamkeit beim Zeugen erregt hätte, kann aber nicht dem Bw zum Vorwurf gemacht werden. Dieser hat sich auf "seinen" Rechtsvertreter, nämlich den ihm bereits bekannten Zeugen, verlassen und ihm, wie vereinbart, alle Unterlagen, die er von der Erstinstanz bekommen hatte, übermittelt. Sie zu lesen, rechtlich zu würdigen und entsprechend darauf zu reagieren, wäre Aufgabe des Rechtsvertreters gewesen. Dass sich der Zeuge nicht allein auf die Schilderung der Niederschrift durch den Bw verlassen konnte, sondern sich selbst vom Inhalt der Niederschrift überzeugen hätte müssen - der Bw hat am Telefon auf eine sofortige Führerscheinabnahme hingewiesen, die erfahrungsgemäß nur mit schriftlicher Bestätigung erfolgt - liegt ebenfalls auf der Hand. Auch im Umstand, dass die "Niederschrift" ein fristauslösender Bescheid war, ist kein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis für den Rechtsvertreter zu erblicken. Selbst wenn die Deutschkenntnisse des Bw tatsächlich mangelhaft sein sollten - dieser ist laut Begründung des Gerichtsurteils zwar in Rumänien geboren, jedoch seit seinem 9. Lebensjahr in Österreich, hat hier die Schule besucht, eine Lehre als Steinmetz absolviert und arbeitet auch jetzt wieder als Steinmetz, sodass


anzunehmen ist, dass er inzwischen Deutsch beherrscht; zur Verhandlung ist er laut Rechtsvertreter nicht erschienen, um seinem neuen Arbeitgeber nicht nachteilig aufzufallen - so hätte sich der Zeuge, der den Bw bereits länger kennt und auch vor Gericht vertreten hat, hinsichtlich der Schilderung der Niederschrift schon aus Vorsicht selbst mit besonderer Sorgfalt und Aufmerksamkeit vom tatsächlichen Inhalt des Schriftstückes überzeugen müssen.

Die Rechtsmittelbelehrung im genannten Bescheid erfüllt sämtliche Voraussetzungen des § 63 Abs.3 AVG. Ob unter "Zustellung" außer der Postzustellung auch die mündliche Verkündung mit Übergabe einer Kopie der Niederschrift an den Bescheidadressaten fällt, ist eine Rechtsfrage, die im gegenständlichen Fall nicht vom Bw zu lösen war, sondern zweifellos vom von ihm beauftragten Rechtsvertreter. Zu diesem Zweck erfolgte ja die sofortige Übermittlung der Niederschrift per Fax.

2) Zur Berufung vom 17. Februar 2004 gegen den Bescheid der BPD Linz vom 20. Jänner 2004, FE-1505/2003 (Vorlageantrag):

Gemäß § 64a Abs.1 AVG kann die Behörde die Berufung binnen zwei Monaten nach Einlangen bei der Behörde erster Instanz durch Berufungsvorentscheidung erledigen. Sie kann die Berufung nach Vornahme notwendiger Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens als unzulässig oder verspätet zurückweisen, den Bescheid aufheben oder nach jeder Richtung abändern.

Gemäß Abs.2 leg.cit. kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Berufungsvorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Berufung der Berufungsbehörde zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).

Gemäß Abs.3 leg.cit. tritt die Berufungsvorentscheidung mit Einlangen des Vorlageantrages außer Kraft. ...

Gemäß § 63 Abs.5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. ...

Im gegenständlichen Fall wurde der Vorlageantrag mit Schriftsatz vom 24. März 2004, dh binnen zwei Wochen nach Zustellung der Berufungsvorentscheidung, gestellt. Mit dessen Einlangen bei der Erstinstanz am selben Tag trat die Berufungsvorentscheidung in Form der Zurückweisung der Berufung als verspätet ex lege außer Kraft.

Die Zustellung des Bescheides vom 20. Jänner 2004 erfolgte durch mündliche Verkündung gegenüber dem Bw im Rahmen des Amtshandlung, über die die in Rede stehende Niederschrift aufgenommen wurde, deren Kopie dem Bw sofort ausgehändigt wurde. Damit begann die zweiwöchige Berufungsfrist zu laufen, die


demnach mit 3. Februar 2004 endete. Die Berufung wurde aber erst mit Schriftsatz vom 17. Februar 2004 eingebracht.

Da dem Antrag auf Wiedereinsetzung kein Erfolg beschieden war, war die Berufung vom 17. Februar 2004 gegen den Bescheid vom 20. Jänner 2004 als verspätet eingebracht anzusehen und somit spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung:

WE nicht bewilligt, daher Berufung verspätet - Zurückweisung

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