Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-520598/2/Zo/Pe

Linz, 01.06.2004

 

 

 VwSen-520598/2/Zo/Pe Linz, am 1. Juni 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn G H, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. W-R S, vom 3.5.2004, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Steyr vom 20.4.2004, Fe-87/2003, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird teilweise stattgegeben und die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung auf 15 Monate - unter Ausschluss von Haftzeiten -, gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, herabgesetzt.

Im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a Abs.1 AVG iVm §§ 7 Abs.1 Z2, Abs.3 Z9 und Abs.4 sowie 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 und 29 Abs.3 FSG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Polizeidirektor hat dem Berufungswerber mit dem angefochtenen Bescheid die Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C, E, F und G für einen Zeitraum von 21 Monaten - unter Ausschluss von Haftzeiten -, gerechnet ab der Zustellung des Bescheides (das war der 20.4.2004) entzogen. Weiters wurde der Berufungswerber aufgefordert, seinen Führerschein unverzüglich bei der BPD Steyr abzuliefern und einer Berufung gegen diesen Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, in welcher der Berufungswerber vorbringt, dass sich die Entziehung der Lenkberechtigung unter Berücksichtigung des zugrundeliegenden Sachverhaltes - insbesondere für die Dauer von 21 Monaten - als verfehlt erweist.

 

Mit Ausnahme der Anlasstat lägen keine Umstände vor, welche den Schluss auf eine mangelnde Verkehrszuverlässigkeit des Berufungswerbers rechtfertigen würden. Es sei aber eine Gesamtbeurteilung der Charaktereigenschaften zur Frage der Verkehrszuverlässigkeit durchzuführen. Der Berufungswerber sei sozial vollkommen integriert, gehe einer geregelten Beschäftigung nach und die Anlasstat stehe in ganz auffälligem Widerspruch zu seinem vorherigen und nachher gezeigten Lebenswandel. Es könne daher nicht angenommen werden, der Berufungswerber werde unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges neuerlich Straftaten verüben oder es würde ihm die Begehung weiterer Straftaten durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges erleichtert.

 

Der Berufungswerber sei 60 Jahre alt und daher nicht mit einem klassischen Sexualstraftäter vergleichbar. Er sei vielmehr wegen des Trennungsentschlusses seiner langjährigen Lebensgefährtin in eine psychische Ausnahmesituation geraten. Er habe sich immerhin bereits mehr als ein Jahr wohlverhalten, was entsprechend berücksichtigt werden müsse. Die Behörde habe ihn nicht zum persönlichen Erscheinen aufgefordert, weshalb aus seinem Nichterscheinen keine für ihn negativen Schlüsse gezogen werden dürften. Seine Beweggründe bei dem gegenständlichen Vorfall sei völlig anders gelagert gewesen als beim "herkömmlichen Sexualverbrecher", weshalb die Anlasstat nicht als besonders verwerflich anzusehen sei. Weiters beantragte der Berufungswerber die Einholung eines psychologischen Gutachtens über seine Verkehrszuverlässigkeit.

 

3. Der Polizeidirektor von Steyr hat den Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt, eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Dieser hat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 67a Abs.1 AVG) zu entscheiden.

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt. Eine öffentliche mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt und war nicht erforderlich, weil sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage ergibt (§ 67d Abs.1 AVG).

 

4.1. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:

 

Der Berufungswerber hat in der Nacht zum 9.3.2003 in Sierning das Verbrechen der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs.2 und 3 erste Alternative StGB, das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs.1 StGB, der Nötigung nach § 105 Abs.1 StGB, der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs.1 und 2 erste und dritte Alternative StGB sowie das Vergehen der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs.1 erste Alternative StGB begangen. Hinsichtlich des genaueren Sachverhaltes wird - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die ausführliche Darstellung im angefochtenen Bescheid verwiesen, welche auch der Berufungsentscheidung zugrundegelegt wird.

 

Wegen dieses Vorfalles wurde der Berufungswerber mit Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 12.11.2003, Zl. 11 Hv 23/03t, zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, wobei diese zur Gänze gemäß § 43 Abs.1 StGB bedingt nachgesehen wurde. Der Berufungswerber befand sich vom 10. bis 31.3.2003 in Haft. Vor diesem Vorfall sowie seit der Haftentlassung hat sich der Berufungswerber wohlverhalten, es scheinen keinerlei strafrechtliche und lediglich ein paar geringfügige verkehrsrechtliche Übertretungen auf. Diese stehen im Zusammenhang mit seiner Funktion als Zulassungsbesitzer von Kraftfahrzeugen und haben auf die Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit keinen Einfluss.

 

Die Anwendung des § 43 Abs.1 StGB hat das Strafgericht mit der Einsicht des Berufungswerbers, seiner Bereitschaft zur psychotherapeutischen Behandlung, der jahrzehntelangen Verbindung mit dem Tatopfer sowie der Bereitschaft für den Schaden soweit als möglich finanziell aufzukommen, begründet und ausgesprochen, dass deshalb die Strafe gerade noch bedingt nachgesehen werden kann.

 

5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 hat gemäß § 7 Abs.3 Z9 FSG insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit gemäß den §§ 201 bis 207 oder 217 StGB begangen hat.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Gemäß § 25 Abs.1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

 

5.2. Hinsichtlich des Umstandes, dass der vom Berufungswerber verwirklichte Sachverhalt eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z9 FSG darstellt, wird auf die zutreffende und ausführliche Begründung des erstinstanzlichen Bescheides verwiesen. Dies gilt auch für die Verwerflichkeit des Verhaltens des Berufungswerbers sowie dem Umstand, dass dem Wohlverhalten des Berufungswerbers nach dieser Tat im Hinblick auf den Druck des anhängigen Gerichtsverfahrens und des Führerscheinentzugsverfahrens keine so große Bedeutung zukommt, dass er bereits wieder als verkehrszuverlässig anzusehen sei. Auch diesbezüglich werden die Wertungen des erstinstanzlichen Bescheides für die Berufungsentscheidung übernommen.

 

Lediglich der Umstand, dass dem Berufungswerber die gesamte Freiheitsstrafe von drei Jahren gemäß § 43 StGB bedingt nachgesehen wurde, wurde für die Wertung iSd § 7 Abs.4 FSG und die Festlegung der Führerscheinentzugsdauer von der Erstinstanz nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenates nicht ausreichend berücksichtigt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann es sich bei den in § 43 Abs.1 StGB zu berücksichtigenden Umständen wie der Art der Tat, der Person des Rechtsträgers, seiner Schuld, seinem Vorleben und seinem Verhalten nach der Tat im Einzelfall um Umstände handeln, welche auch die in § 7 Abs.4 FSG genannten Wertungskriterien, insbesondere die Verwerflichkeit der strafbaren Handlung sowie die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit betreffen. Das Strafgericht hat die Einsicht des Berufungswerbers, seine Bereitschaft zur psychotherapeutischen Behandlung, die jahrzehntelange Verbindung mit dem Tatopfer und die Bereitschaft zur finanziellen Wiedergutmachung als Begründung dafür herangezogen, dass die gesamte Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen wurde. Die Einsicht des Berufungswerbers kann bei der Beurteilung seiner Charaktereigenschaften zu seinen Gunsten gewertet werden. Dies gilt auch für seine Bereitschaft zu einer psychotherapeutischen Behandlung (vorausgesetzt, dass diese auch Erfolg hat, was zu Gunsten des Berufungswerbers angenommen wird). Die jahrzehntelange Verbindung mit dem Tatopfer und die Bereitschaft des Berufungswerbers, den angerichteten Schaden - soweit dies möglich ist - finanziell gut zu machen, ändert aber nach der Überzeugung des zuständigen Mitgliedes des Oö. Verwaltungssenates nichts daran, dass die menschenverachtende und brutale Vorgangsweise des Berufungswerbers als besonders verwerflich anzusehen ist. Dies hat auch der Gesetzgeber dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er Vergewaltigungen in der Ehe oder aufrechter Lebensgemeinschaften den sonstigen Sexualdelikten grundsätzlich gleichgestellt hat. Es muss auch berücksichtigt werden, dass auch das Strafgericht die Anwendung des § 43 Abs.1 StGB gerade noch für vertretbar hielt, wobei das Gericht den ihm gemäß § 43 Abs.1 StGB gesetzlich eingeräumten Handlungsspielraum ohnedies überschritten hat.

 

Hinsichtlich der weiteren Wertungskriterien des § 7 Abs.4 FSG wird nochmals auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen, welche auch für die Berufungsentscheidung übernommen werden. Der Berufungswerber ist daher nach wie vor als verkehrsunzuverlässig anzusehen, die Entzugsdauer konnte aber aufgrund der obigen Überlegungen um sechs Monate herabgesetzt werden. Es ist unter Abwägung aller Umstände die Annahme begründet, dass sich der Berufungswerber in der festgesetzten Zeit weiterer strafbarer Handlungen schuldig machen würde. Damit ergibt sich - gerechnet vom Vorfallszeitpunkt (9.3.2003) bis zum Ende der nunmehr herabgesetzten Führerscheinentzugsdauer (20.7.2005) - eine Verkehrsunzuverlässigkeit in der Dauer von ca. 28 1/2 Monaten. Dies entspricht durchaus jenen Zeiträumen, welche der Verwaltungsgerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen als angemessen erachtet hat.

 

Hinsichtlich der vom Berufungswerber vorgebrachten wirtschaftlichen Gründe, seiner Bereitschaft zur Vorlage eines psychiatrischen Gutachtens, des Ausschlusses von Haftzeiten sowie der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheines und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wird ebenfalls zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Mag. Z ö b l

 
 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum