Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520607/2/Bi/Be

Linz, 18.05.2004

 

 

 VwSen-520607/2/Bi/Be Linz, am 18. Mai 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn G P, vertreten durch RAe Dr. W D, Dr. H M, vom 4. Mai 2004 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 19. April 2004, VerkR21-66-2003, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, Anordnung einer Nachschulung sowie der unverzüglichen Ablieferung des Führerscheins beim zuständigen Gendarmerieposten und Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung, zu Recht erkannt:
 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) die von der Bundespolizeidirektion Linz am 19. Dezember 1991, F 6183/91, für die Klassen A, B, C1, C, F und G erteilte Lenkberechtigung gemäß §§ 24 Abs.1 Z1 iVm 3 Abs.1 Z2 und 7 Abs.3 Z3 FSG für die Dauer von 3 Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides, entzogen, gemäß § 24 Abs.3 FSG die Absolvierung einer Nachschulung bei einer ermächtigten Stelle angeordnet, gemäß § 29 Abs.3 FSG die unverzügliche Ablieferung des Führerscheins bei zuständigen Gendarmerieposten angeordnet und gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung gegen den Bescheid ausgeschlossen.

Die eigenhändige Zustellung des Bescheides und Führerscheinabnahme erfolgte durch einen Beamten des GP Gallneukirchen am 1. Mai 2004.

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungs



senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG).

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, aufgrund des rechtskräftigen Straferkenntnisses stehe zwar fest, dass er einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten habe, jedoch ergebe sich daraus kein besonders rücksichtsloses Verhalten oder ein Verhalten, das geeignet sei, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen. Es fehle dazu nämlich ein "besonderes Übermaß mangelnder Rücksichtnahme". Er habe auch die auf der Autobahn zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht ausgeschöpft oder gar überschritten. Soweit er sich erinnern könne, sei er links gefahren, als knapp vor ihm der auf dem Foto ersichtliche Pkw auf den rechten (gemeint wohl: linken) Fahrstreifen gewechselt habe, um einen Lkw zu überholen und anschließend wieder auf den rechten Fahrstreifen zurückzufahren. Nicht er, sondern dieser Pkw habe den zu geringen Abstand hergestellt. Er habe nur verabsäumt, durch eine starke Bremsung bis zur Vollbremsung den entsprechenden Sicherheitsabstand wiederherzustellen, da er davon ausgegangen sei, der Lenker werde nach dem Überholen wieder auf den rechten Fahrstreifen zurückwechseln. Weiters habe sich vor diesem Fahrzeug kein weiteres auf dem linken Fahrstreifen befunden, sodass die Gefahr eines Bremsmanövers nicht bestanden habe. Die Zeitspanne für den geringen Sicherheitsabstand sei sehr kurz gewesen, die Fotos belegten ca 2 Sekunden. Deswegen könne ihm kein besonders rücksichtsloses Verhalten vorgeworfen werden.

Er sei seit 16 Jahren im Außendienst für die Firma H. Kühlanlagen tätig und habe ca 900.000 km zurückgelegt. Er habe nie einen Verkehrsunfall verursacht, von fehlender Verkehrszuverlässigkeit sei daher nicht auszugehen. Er beantragt die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wegen der beruflichen Nachteile, nämlich die Gefahr der Kündigung des Dienstverhältnisses. Er habe in den letzten 10 Jahren keine Verwaltungsstrafen wegen eines Verkehrsdeliktes erhalten. Es bestehe kein Grund, vor rechtskräftiger Beendigung den Führerschein zu entziehen. Im Übrigen wird die Aufhebung des Bescheides und sofortige Wiederausfolgung des Führerscheins sowie Verfahrenseinstellung beantragt.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus ergibt sich, dass der Lenker des Kraftfahrzeuges zur Anzeige gebracht wurde, weil er am 24. September 2003 um 11.46 Uhr auf er A25, km 6.900 in Weißkirchen, bei einer Geschwindigkeit von (nach Abzug) 124 km/h einen Abstand von 10 m, das entspricht 0,30 Sekunden, zum vor ihm fahrenden Fahrzeug



eingehalten habe. Der Anzeige waren Fotos, aufgenommen im 2 Sekunden-Abstand, beigelegt.

Der Zulassungsbesitzer gab im Rahmen der Lenkerauskunft gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 den Bw als Lenker bekannt.

Die Tatortbehörde trat das Verfahren gemäß § 29a an die Erstinstanz als Wohnsitzbehörde ab.

Mit Strafverfügung der Erstinstanz vom 10. Februar 2004, VerkR96-470-2004, wurde der Bw schuldig erkannt und bestraft (Geldstrafe 300 Euro, 108 Stunden EFS), weil er am 24. September 2003, 11.46 Uhr, den Kombi in Weißkirchen/Traun auf der A25 bei km 6.900 in Richtung Wels gelenkt und dabei mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung verstoßen habe, da er beim Fahren hinter dem nächsten, vor ihm fahrenden Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten habe, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, zumal er bei einer Fahrgeschwindigkeit von 124 km/h einen Sicherheitsabstand von lediglich 0,30 Sekunden - entspricht 10 m - zum Vorderfahrzeug eingehalten habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß §§ 18 Abs.1 iVm 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 begangen.

Die Strafverfügung wurde am 29. März 2004 eigenhändig zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.

Daraufhin erging der nunmehr angefochtene Bescheid vom 19. April 2004.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind.

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses
Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache hat gemäß § 7 Abs.3 Z3 insbesondere zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, dass an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten


insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen.

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

Gemäß der oben zitierten rechtskräftigen Strafverfügung vom 10. Februar 2004 hat der Bw eine Verwaltungsübertretung gemäß §§ 18 Abs.1 iVm 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 begangen, wobei der Tatvorwurf von besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern ausgeht. Die Behörde ist im Verfahren betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung an diesen rechtskräftigen Schuldspruch gebunden, sodass zweifelsohne vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z3 FSG auszugehen war; die dafür vorgesehene Mindestentziehungsdauer des § 25 Abs.3 FSG von drei Monaten wurde seitens der Erstinstanz auch nicht überschritten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 23. April 2002, 2001/11/0149, ausgesprochen, dass eine Entziehung der Lenkberechtigung mangels Verkehrsunzuverlässigkeit (§7 FSG) zufolge § 25 Abs.3 FSG nur dann rechtmäßig sei, wenn die Behörde aufgrund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides mit Recht annehmen durfte, es liege Verkehrsunzuverlässigkeit vor und es werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von drei Monaten eintreten (vgl Erk v 23.11.2001, 2000/11/0017, mit Vorjudikatur). Dem angefochtenen Bescheid liege nun die Auffassung zugrunde, der Beschwerdeführer werde die Verkehrszuverlässigkeit erst drei Monate nach der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, das waren im Anlassfall mehr als 6 1/2 Monate nach Begehung der Übertretung, wiedererlangen. Die Wertung der als erwiesen angenommenen Tatsache ließe daher die Annahme der Verkehrunzuverlässigkeit für die Dauer von insgesamt 6 1/2 Monaten als rechtswirdrig erkennen.

Auf den gegenständlichen Fall bezogen ist davon auszugehen, dass die Erstinstanz zum Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides, dh am 1. Mai 2004, annahm, der Bw werde, gerechnet ab diesem Zeitpunkt, noch für weitere drei Monate, dh bis 1. August 2004, verkehrsunzuverlässig sein, somit für insgesamt mehr als 10 Monate, gerechnet ab Begehung der Übertretung am 24. September 2003.

Gemäß § 7 Abs.5 FSG sind für die Wertung der Tatsachen im Sinne des Abs.3 deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen



wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

Wie die Erstinstanz im angefochtenen Bescheid bereits zutreffend ausgeführt hat, ist die derart massive Unterschreitung des 2 Sekunden-Abstandes - 10 m Nachfahrabstand bei 124 km/h entspricht nicht einmal 1/3 Sekunde - immer wieder Ursache für schwerste Verkehrsunfälle, da ein rechtzeitiges Abbremsen oder Auslenken bei einem derartigen Abstand schon aufgrund der Reaktions- und Bremsschwellzeit des hinteren Lenkers schlicht unmöglich ist. Daraus folgt, dass bereits der geringste Fahrfehler des vorderen Lenkers oder eine wegen der verdeckten Sicht auf den vor dem vorderen Fahrzeug befindlichen Fahrbahnbereich nicht vorhersehbare erforderliche Bremsung zu einem Auffahrunfall führt. Dass im gegenständlichen Fall schon aufgrund der Masseverhältnisse zwischen dem vorderen Pkw und dem vom Bw nach links außen versetzt gelenkten Kombi nicht auszuschließen ist, dass das vordere Fahrzeug beim einem Auffahrunfall von seiner Fahrlinie abgedrängt wird, wobei auch die körperliche Verfassung des Lenkers von hinten nicht abschätzbar und ebensowenig die Verwendung des Sicherheitsgurtes durch den vorderen Lenker sowie die Anzahl und körperlichen Verfassung der im vorderen Fahrzeug beförderten Personen erkennbar ist, konnte der Bw als nachfolgender Lenker auch nicht ausschließen, die Insassen, insbesondere den Lenker des vorderen Fahrzeuges, einer Gesundheitsgefährdung (zB eines Schleudertraumas) auszusetzen.

Das Argument des Bw, der vordere Lenker habe den Fahrstreifenwechsel zu knapp vollzogen und daher selbst den geringen Abstand herbeigeführt, ist insofern nicht zielführend, als der Bw in diesem Fall aufgrund des § 18 StVO verpflichtet gewesen wäre, den ausreichenden Abstand, wenn notwendig eben durch eine Bremsung, wiederherzustellen. Abgesehen davon kann sich der Bw bei regelwidrigem Verhalten des Vordermannes nicht darauf verlassen, dieser werde sich in weiterer Folge ordnungsgemäß oder gar gemäß der Einschätzung des Bw verhalten.

Selbst wenn, wie der Bw in seiner Berufung ausführt, dieser geringe Nachfahrabstand nur für zwei Sekunden angedauert hätte - aus den Fotos geht hervor, dass nicht nur ein Lkw überholt wurde, sondern beide Fahrzeuge auch noch im Begriff waren, einen weiteren Lkw zu überholen, zumal ein Wiedereinordnen bei der Position beider Fahrzeuge auf dem Foto unwahrscheinlich ist - wäre, die Verwerflichkeit und die Gefährlichkeit der Verhältnisse nicht gering zu beurteilen.

Zur seither verstrichenen Zeit ist zu bemerken, dass der Bw, der ansonsten in den letzten 5 Jahren - Verwaltungsstrafen sind nach dieser Zeitspanne getilgt - offenbar unbescholten ist, sich insbesondere auch seit der gegenständlichen Übertretung wohlverhalten hat, obwohl ihm die beabsichtigte Entziehung der Lenkberechtigung nach dem Akteninhalt nicht bekannt war, sodass diesem Zeitraum wohl wesentliche Bedeutung zukommt.



Angesichts dessen gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat zu der Auffassung, dass die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Prognose, der Bw werde seine Verkehrszuverlässigkeit erst mit 1. August 2004 wiedererlangen, sachlich nicht begründbar ist. Die Erstinstanz, die aus unerfindlichen Gründen die Rechtskraft des Schuldspruchs im Strafverfahren abgewartet hat, obwohl sie den Sachverhalt auch selbst hätte beurteilen können, hätte vielmehr zum Ergebnis kommen müssen, dass bei Erlassung des angefochtenen Bescheides von einer noch wenigstens drei Monate andauernden Verkehrunzuverlässigkeit nicht mehr ausgegangen werden könne.

Da die Entziehung der Lenkberechtigung somit als rechtswidrig anzusehen war, war auch die Anordnung der Absolvierung einer Nachschulung gemäß § 24 Abs.3 FSG nicht zulässig. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

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