Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520642/2/Fra/WW/Sta

Linz, 28.07.2004

 

 

 VwSen-520642/2/Fra/WW/Sta Linz, am 28. Juli 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung der Frau W A, vertreten durch die Herren RAe Dr. K S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 11. Juni 2004, VerkR21-106-2003/EF-Mg/Kw, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung für die Klasse B auf 6 Monate gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Mandatsbescheides (= 12.3.2004) herabgesetzt wird. Haftzeiten sind in diese Entziehungsdauer nicht einzurechnen. Im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 iVm § 67a Abs.1 AVG.
 
 

Entscheidungsgründe:
 
 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat mit dem in der Präambel angeführten Bescheid der Berufungswerberin (Bw) die Lenkberechtigung für die Klasse B für einen Zeitraum von 3 Jahren entzogen und es wurde festgelegt, dass für den Fall, dass eine unbedingte Haftstrafe über die Bw verhängt wird, sich die Entzugsdauer der Lenkberechtigung um diese Haftzeit verlängert. Einer eventuellen Berufung wurde im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr in Verzug die aufschiebende Wirkung aberkannt.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied entscheidet (§ 67a Abs.1 AVG).

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Für den Berufungsfall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes-FSG, idF BGBl. I Nr. 129/2002, maßgebend:

 

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 25 Abs.1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist aufgrund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

 

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z10 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Absatz 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

3.2. Dem Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht Wels vom 24.10.2003, 15 Hv 123/03 m, ist zu entnehmen, dass sich die Bw am 25. oder
26. Juni 2003 in Aschach/D. in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen ließ, ihren Lebensgefährten G E vorsätzlich zu töten zu versuchen, indem sie nach vorangegangenem Streit, einen an das Stromnetz angeschlossenen Fön in die halb mit Wasser gefüllte Badewanne, in welcher sich G E befand, warf, wobei die Tat mangels Ansprechens des Stromkreises beim Versuch blieb. Sie hat hiedurch das Verbrechen des versuchten Totschlags nach dem §§ 15 Abs.1, 76 StGB begangen und wurde hiefür unter Anwendung des § 41 StGB nach § 76 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Gemäß § 43a Abs.4 StGB wurde ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe von 26 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen (der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe beträgt sohin 10 Monate). Gemäß § 38 Abs.1 Z1 StGB wurde die von der Bw erlittene Vorhaft in der Zeit vom 26.6.2003, 1.15 Uhr bis 24.10.2003, 18.30 Uhr auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Als mildernd wurde das Geständnis, die gerichtliche Unbescholtenheit, der Umstand, dass die Tat beim Versuch geblieben ist und bei G E keinerlei Verletzungen entstanden sind, gewertet. Erschwerend war kein Umstand. Der Gesinnungsunwert wurde als niedrig eingestuft. Gegen dieses Urteil erhob die Staatsanwaltschaft Wels Berufung. Dieser Berufung wurde vom Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 26.2.2004 zu 7 Bs 24/04 Folge gegeben und das angefochtene Urteil in seinem Strafausspruch dahingehend abgeändert, dass die Anwendung des § 43a Abs.4 StGB (die bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafe) aus dem erstgerichtlichen Urteil ausgeschieden wurde.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist an dieses - mittlerweile in Rechtskraft erwachsene - Strafurteil gebunden (ständige Rechtsprechung des VwGH, vgl. Erkenntnis vom 23.4.2002, 2001/011/0398).

 

Auf Grund der Bindung an die oben bezeichnete rechtskräftige Bestrafung der Berufungswerberin wegen des Verbrechens nach §§ 15 Abs.1 iVm 76 StGB ist die belangte Behörde mit Recht vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs.3 Z10 FSG ausgegangen. Dies wird von der Bw auch nicht in Zweifel gezogen. Daraus resultiert (zwingend jedenfalls) eine Mindestentziehungsdauer der Lenkberechtigung von 3 Monaten (siehe § 25 Abs.3 FSG).

 

Die belangte Behörde verweist im angefochtenen Bescheid unter anderem darauf, dass auf Grund der in dieser Tatsache zum Ausdruck kommenden Sinnesart davon auszugehen sei, dass sich die Bw weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert würden. Die belangte Behörde hat sohin die oben angeführte strafbare Handlung offenbar jenen bestimmten Tatsachen zugeordnet, auf Grund welcher gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG auf eine Sinnesart des Betreffenden geschlossen werden kann, deretwegen er sich weiterer schwerer strafbaren Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden. Dies ist verfehlt. Die Begehung der in § 7 Abs.3 Z10 FSG genannten strafbaren Handlungen weisen vielmehr auf eine Sinnesart hin, auf Grund der anzunehmen ist, dass der Betreffende im Sinne des § 7 Abs.1 Z1 FSG beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden werde, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit. Von Kraftfahrzeuglenkern muss nämlich wegen der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktfälle eine nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Sinnesart verlangt werden (vgl. VwGH vom 22.1.2002, 2001/11/0196, mit weiteren Nennungen).

 

Für die Festsetzung der konkreten Entziehungsdauer ist nun die - unter Berücksichtigung der Wertungskriterien gemäß § 7 Abs.4 FSG zu erstellende -Prognose maßgebend, wann der Betreffende die Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangen werde (vgl. VwGH vom 20.9.2001, 2001/11/0119) bzw. wann er die Sinnesart gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG deretwegen die Verkehrsunzuverlässigkeit anzunehmen ist, überwunden haben wird. Unter dem Wertungskriterium der Verwerflichkeit der strafbaren Handlung fällt entscheidend ins Gewicht, dass es sich bei versuchtem Totschlag um ein vorsätzliches Tötungsdelikt, sohin um eines der schwerwiegendsten Verbrechen überhaupt, handelt. Der hohe Unrechtsgehalt dieses Verbrechens wird schon durch die hohe abstrakte Strafdrohung des § 76 (Freiheitsstrafe von 5 bis zu 10 Jahren) veranschaulicht. Im Zusammenhang mit den Wertungskriterien des § 7 Abs.4 FSG war zudem zu berücksichtigen, dass die Tat offenbar unter Alkoholeinfluss begangen wurde. Im Hinblick darauf, dass sich die Tat am 25. oder 26. Juni 2003 ereignete und sich die Berufungswerberin bereits ab dem 26. Juni 2003, 1.15 Uhr, in Haft befunden hat, konnte nicht davon ausgegangen werden, sie habe bereits im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die in § 7 Abs.1 Z1 FSG umschriebene Sinnesart überwunden. Es bedarf vielmehr eines längeren Wohlverhaltens der Bw, um die Überwindung dieser Sinnesart annehmen zu können. Unterstützend ist dabei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zu verweisen, wonach das Wohlverhalten einer Person in Haft wegen der durch die Haft eingeschränkten Möglichkeit, ihren eigenen Entschlüssen gemäß zu handeln, allein nicht geeignet ist, die Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit zu bewirken (vgl. dazu ua die Erkenntnisse vom 29.10.1996, Zl 96/11/0257, und vom 10.11.1998, Zl. 97/11/0107). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn einem Verurteilten - wie der Bw - während der Haft ein Freigeherstatus zukommt. Es ist daher in Fällen wie dem vorliegenden auch ein Wohlverhalten in Freiheit über einen längeren Zeitraum, dessen Ausmaß unter anderem von der Verwerflichkeit der Straftaten bestimmt wird, Voraussetzung dafür, um annehmen zu können, die Bw habe ihre Sinnesart gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG überwunden und ihre Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangt. Daraus folgt, dass es zulässig ist, die Entziehungszeit unter Nichteinrechnung von Haftzeiten festzusetzen. Die Haftzeiten sind aber in diesem Zusammenhang nicht ohne Bedeutung, sondern in die Prognose miteinzubeziehen, insbesondere weil die Strafe (neben anderen Strafzwecken) auch spezialpräventiven Bedürfnissen dient. Darüber hinaus zeigt die bisherige strafrechtliche Unbescholtenheit der Bw, dass die Bw ihrer Sinnesart nach an sich nicht zu Gewalttätigkeiten neigt. Im Zusammenhang mit der von ihr zu verantwortenden Straftat wurde kein Kraftfahrzeug verwendet, es handelte sich um einen Konflikt innerhalb der Familie, wobei die problematische Beziehung zu G E mittlerweile aufgelöst wurde. Zudem war dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es beim Versuch blieb und bei ihrem Opfer keinerlei Verletzungen entstanden sind. Abgesehen davon unterzieht sich die Bw mittlerweile einer Therapie (wegen ihrer Alkoholprobleme). Die Bw arbeitet im Rahmen ihres Freiganges im Unternehmen der Fa. T und wird eventuell nach der Haft als Mitarbeiterin in dieses Unternehmen eintreten. Der Verwaltungssenat ist daher der Ansicht, dass die gesellschaftliche Integration der Bw nach der Haftentlassung relativ schnell vor sich gehen wird. Bei solcher Sachlage erscheint die Ansicht der belangten Behörde, die Bw werde erst drei Jahre nach der Haftentlassung die zur Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs.1 Z1 FSG führende Sinnesart überwunden haben, nicht gerechtfertigt. Aus den dargelegten Erwägungen folgt vielmehr, dass die Bw bereits sechs Monate nach der Haftentlassung wieder als verkehrszuverlässig anzusehen ist. Dementsprechend war die Entziehungsdauer spruchgemäß - wie auch von der Bw in eventu beantragt wurde - herabzusetzen.

Der Umstand, dass der Bw bereits zweimal die Lenkberechtigung entzogen wurde, war nicht weiter zu berücksichtigen, da diese Führerscheinentzüge bereits über
10 Jahre zurückliegen und von der erstbelangten Behörde auch nicht weiter thematisiert wurden.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde im Sinne des § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung immer dann ausschließen, wenn die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen wird; siehe die in W-T, Verwaltungsverfahren, 2. Auflage, E23 zu § 64 AVG (Seite 1222f) zitierten zahlreichen VwGH-Entscheidungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:
 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
  2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen.

 
 
 

Dr. F r a g n e r

 
 

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