Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520643/6/Zo/Pe

Linz, 17.08.2004

 

 

 VwSen-520643/6/Zo/Pe Linz, am 17. August 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn M G, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. E H, vom 23.6.2004, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 9.6.2004, VerkR20-2644-2000, wegen Entziehung der Lenkberechtigung sowie Anordnung einer Nachschulung nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 12.8.2004 durch sofortige Verkündung zu Recht erkannt:

 

  1. Hinsichtlich der Punkte I, III und IV des angefochtenen Bescheides wird die Berufung abgewiesen und der Bescheid bestätigt.
  2.  

  3. Hinsichtlich Punkt II des angefochtenen Bescheides wird der Berufung stattgegeben und der Bescheid diesbezüglich aufgehoben.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 66 Abs.4, 67a Abs.1 und 67d AVG iVm §§ 24 Abs.1, 25 Abs.1 und 3 sowie 7 Abs.1 Z1, Abs.3 Z3 und Abs.4 FSG.

zu II.: § 24 Abs.3 FSG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung hat dem Berufungswerber mit dem angefochtenen Bescheid die Lenkberechtigung für die Klassen A und B für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides (das ist vom 17.6.2004 bis 17.9.2004) entzogen. Unter Spruchpunkt II wurde der Berufungswerber verpflichtet, sich auf seine Kosten bis zum Ablauf der Entziehungsdauer einer Nachschulung bei einer ermächtigten Stelle zu unterziehen. Weiters wurde er verpflichtet, den Führerschein unverzüglich beim zuständigen Gendarmerieposten abzuliefern und einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, in welcher der Berufungswerber zwar den Vorfall eingesteht, aber ausführt, dass eine "besondere Rücksichtslosigkeit" gegenüber anderen Straßenbenützern nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hier nicht vorliegen würde. Eine solche sei nur dann gegeben, wenn zu der Verwaltungsübertretung ein besonderes Übermaß mangelnder Rücksichtnahme als weiteres Tatbestandselement hinzutrifft, wofür hier aber keine Anhaltspunkte gegeben seien. Der Hinweis, dass beim geringsten Fahrfehler des vorausfahrenden Fahrzeuges oder einer unvermuteten Bremsung ein Auffahrunfall passieren würde, würde die Entziehung der Lenkberechtigung nicht rechtfertigen, weil es sich dabei nur um eine abstrakte, theoretisch mögliche Gefahrensituation handeln würde. Es gäbe keine Sachverhaltsfeststellungen dahingehend, dass eine tatsächliche Gefährdung vorgelegen hätte.

 

Selbst wenn man vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache iSd § 7 Abs.3 FSG ausgehen würde, so müsste diese noch gewertet werden, wobei insbesondere deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurde, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend sind. Der Berufungswerber besitzt seit 29.12.2000 die Lenkberechtigung und ist bisher verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Die gegenständliche Übertretung bilde einen "Ausnahmefall" und der Berufungswerber habe sich auch seit diesem Vorfall bis zur Abgabe der Lenkberechtigung, also noch drei Monate lang, im Straßenverkehr wohlverhalten. Es sei daher seine Verkehrszuverlässigkeit jedenfalls wiedergegeben.

 

Die Anordnung der Nachschulung stütze sich auf § 24 Abs.3 FSG, wobei eine Nachschulung im Gesetz nicht zwingend vorgesehen ist. Die Erstinstanz habe in der Begründung des angefochtenen Bescheides in keiner Weise dargelegt, warum im gegenständlichen Fall die Nachschulung notwendig sei.

 

Es wurde daher beantragt, den angefochtenen Bescheid zur Gänze aufzuheben, in eventu die Entzugsdauer auf vier Wochen herabzusetzen und die Anordnung der Nachschulung zu beheben.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt, eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Dieser hat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 67a Abs.1 AVG) zu entscheiden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 12.8.2004, bei welcher in die Videoaufzeichnungen über den betreffenden Vorfall Einsicht genommen wurde sowie der Berufungswerber und dessen Rechtsvertreter gehört und der Meldungsleger, RI P als Zeuge einvernommen wurde.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt:

 

Der Berufungswerber lenkte am 9.3.2004 den Pkw auf der A 7 Mühlkreisautobahn von Linz kommend in Fahrtrichtung Norden auf dem mittlerem von drei Fahrstreifen. Er hielt dabei eine Geschwindigkeit von 126 km/h ein und lenkte seinen Pkw unmittelbar hinter einem anderen Pkw nach. Die Videoaufzeichnung dauert von 17.17 Uhr und 20 Sekunden bis 17.17 Uhr und 27 Sekunden, wobei sich in dieser Zeit der vom Berufungswerber eingehaltene Abstand augenscheinlich nicht geändert hat. Der Berufungswerber legte in dieser Zeit eine Strecke von ca. 250 m zurück. Die Abstandsmessung selbst erfolgte um 17.17 Uhr und 27 Sekunden und ergab einen aufgerundeten Abstand von 10 m, was einem zeitlichen Abstand von exakt 0,3 Sekunden entspricht. Im Messbereich selbst befand sich vor dem Fahrzeug, hinter welchem der Berufungswerber nachgefahren ist, am mittleren Fahrstreifen kein weiteres Fahrzeug, am Beginn der Videoaufzeichnungen war noch ein Fahrzeug auf dem Mittelstreifen ersichtlich, welches aber dann auf den rechten Fahrstreifen gewechselt hat. Sowohl auf dem rechten als auch auf dem linken Fahrstreifen befanden sich weitere Fahrzeuge im Nahebereich des Berufungswerbers.

 

Der Berufungswerber wurde wegen dieses Vorfalles mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 25.5.2004 wegen einer Übertretung des § 18 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 rechtskräftig bestraft, weil er bei dieser Verwaltungsübertretung mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften der StVO 1960 verstoßen hat, weil er beim Fahren hinter dem nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten hat, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, weil er bei einer Geschwindigkeit von 126 km/h einen Sicherheitsabstand von lediglich 0,3 Sekunden (10 m) zum Vorderfahrzeug eingehalten hat.

 

Der Berufungswerber ist ansonsten unbescholten, die Lenkberechtigung wurde ihm mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 29.12.2000 für die Klassen A und B erteilt.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

5.1. Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 25 Abs.1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit ist gemäß § 25 Abs.3 FSG eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird.

Gemäß § 7 Abs.3 Z3 FSG hat als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 insbesondere zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbei zu führen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen, sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Gemäß § 24 Abs.3 erster Satz FSG kann die Behörde bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen.

 

5.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist an die rechtskräftige Strafverfügung vom 25.5.2004 gebunden, wobei auf Grund dieses Tatvorwurfes eben davon auszugehen ist, dass der Berufungswerber die gegenständliche Verwaltungsübertretung mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen hat. Es liegt daher eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z3 FSG jedenfalls vor.

 

Das Verhalten des Berufungswerbers ist aber auch einer Wertung iSd § 7 Abs.4 FSG zu unterziehen. Dabei ist die Verwerflichkeit und Gefährlichkeit des Verhaltens zu berücksichtigen, andererseits auch die seit der Übertretung verstrichene Zeit und das Verhalten des Berufungswerbers in dieser Zeit. Zur Gefährlichkeit des Verhaltens ist darauf hinzuweisen, dass bei einem derart geringen Abstand für den Fall des plötzlichen Abbremsens des Vorderfahrzeuges ein Auffahrunfall für den Berufungswerber nicht mehr vermeidbar gewesen wäre. Es ist zwar richtig, dass keine objektiven Gründe für die Notwendigkeit einer Abbremsung des Vorderfahrzeuges auf der Videoaufzeichnung ersichtlich sind, andererseits entspricht es aber der Lebenserfahrung, dass Derartiges immer wieder vorkommt. So könnte z.B. eines der auf dem ersten oder dritten Fahrstreifen fahrenden Fahrzeuge einen Fahrstreifenwechsel einleiten und so das Vorderfahrzeug zu einem plötzlichen Abbremsen veranlassen oder es könnte das Vorderfahrzeug schon deshalb abgebremst werden, weil sich dessen Lenker durch das dichtauffahrende Fahrzeug bedrängt fühlt. Da der Berufungswerber den erforderlichen Sicherheitsabstand deutlich unterschritten hat, darf er iSd § 3 StVO 1960 auch nicht darauf vertrauen, dass das vor ihm fahrende Fahrzeug nicht plötzlich abgebremst wird. In diesem Fall aber wäre ein Auffahrunfall für den Berufungswerber unvermeidbar gewesen und im Hinblick auf das zur Tatzeit doch erhebliche Verkehrsaufkommen auf allen drei Fahrstreifen wäre es dann zu einer außerordentlich gefährlichen Situation auf der Autobahn gekommen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auf der Autobahn generell sehr hohe Geschwindigkeiten eingehalten werden, weshalb Verkehrsunfälle häufig schwerwiegende Folgen haben.

 

Andererseits ist zu Gunsten des Berufungswerbers zu berücksichtigen, dass er bisher unbescholten war und auch in den etwas mehr als drei Monaten nach dieser Verwaltungsübertretung bis zur Entziehung der Lenkberechtigung keine Verkehrsverstöße begangen hat. Es muss aber auch berücksichtigt werden, dass der Berufungswerber den deutlich zu geringen Sicherheitsabstand entsprechend den Videoaufzeichnungen mindestens 7 Sekunden lang eingehalten hat, ohne in dieser Zeit Maßnahmen zu setzen, um den Abstand zu erhöhen. Wäre der Berufungswerber in dieser Zeitspanne bremsbereit gefahren, so hätte sich seine Geschwindigkeit allein auf Grund der Motorbremswirkung deutlich reduziert und der Abstand zum Vorderfahrzeug entsprechend vergrößert. Wenn man dem Berufungswerber auch zugesteht, dass der die Übertretung lediglich fahrlässig begangen hat, so muss ihm doch zumindest eine auffallende Sorglosigkeit vorgeworfen werden. Die Wertung all dieser Umstände ergibt nach Ansicht des zuständigen Mitgliedes des Oö. Verwaltungssenates, dass der Berufungswerber auch derzeit noch nicht als verkehrszuverlässig anzusehen ist und er seine Verkehrszuverlässigkeit erst nach Ablauf der Entzugsdauer wieder erlangen wird.

 

Die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines ergibt sich aus § 29 Abs.3 FSG, die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung erfolgte nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Recht. Hinsichtlich der Punkte I, III und IV war die Berufung daher abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

 

Die Anordnung der Nachschulung wurde von der Erstinstanz auf § 24 Abs.3 FSG gestützt. Dabei handelt es sich - wie der Rechtsvertreter des Berufungswerbers zu Recht geltend macht - um eine Ermessensbestimmung, welche die Nachschulung nicht zwingend vorschreibt. Die Anordnung der Nachschulung wurde von der Erstinstanz nicht begründet und es besteht nach Ansicht des zuständigen Mitgliedes des Unabhängigen Verwaltungssenates zumindest bei jenen Personen, welche eine derartige Verwaltungsübertretung erstmalig begehen, in der Regel keine Notwendigkeit, zusätzlich zur Entziehung der Lenkberechtigung noch begleitende Maßnahmen anzuordnen. Diesbezüglich war der Berufung daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

Mag. Z ö b l

 
 

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