Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520677/8/Br/Wü

Linz, 12.10.2004

 

 VwSen-520677/8/Br/Wü Linz, am 12. Oktober 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau R T, geb. , A, T, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 29. Juni 2004, Zl. VerkR22-16-248-2004, zu Recht:

Der Berufung wird keine Folge gegeben; der Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass die Lenkberechtigung mangels gesundheitlicher Eignung entzogen wird.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG, § 3 Abs.1 Z3, § 5 Abs.5, § 8 Abs.1 und 2, § 25 Abs.1, § 29 Abs.3 Führerscheingesetz - FSG, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 129/2002.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Behörde I. Instanz erteilte mit dem o.a. Bescheid die Lenkberechtigung der Berufungswerberin gestützt auf § 5 Abs.5 FSG unter folgenden Auflagen:

"Die Lenkberechtigung für die Klasse(n) wird Ihnen unter folgenden Bedingungen, Befristungen, Auflagen und Beschränkungen erteilt:
 
Klassen: ausgestellt: Befristet bis Einschränkungen:
B 4.4.2002 104 (3 Mon)
 

In dreimonatigen Abständen ist der ha. Behörde unaufgefordert eine fachärztliche Behandlungsbestätigung vorzulegen (bis spätestens: 3.9.2004, 3.12.2004, 3.3.2005, 3.6.2005, 3.9.2005, 3.12.2005, 3.3.2006, 3.6.2006 - mit jeweils einer Toleranzfrist von jeweils einer Woche). Sollten Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, wird Ihnen die Lenkberechtigung entzogen.
 
Rechtsgrundlage:

§ 5/5 Führerscheingesetz 1997 (FSG)

 

1.1. Gestützt wurde diese Einschränkung auf ein amtsärztliches Gutachten worin Nachfolgendes ausgeführt wird:

"Frau T sucht um die Streichung des Codes 104 an und legt dazu eine fachärztliche Stellungnahme von Dr. S vor.

 

Befund:

Psychiatrische Stellungnahme vom 10.5.2004 von Dr. S:

 

Die Untersuchte wurde im November 1996 wegen eines Konvexitätsmeningeoms rechtsseitig operiert. Nach ihren Angaben seien dieser Problematik eher depressive Zustände vorangegangen.

Dem Krankenhausbericht kann entnommen werden, dass es postoperativ zum Auftreten eines hypomanischen Zustandsbildes gekommen ist (also vermutlich im Rahmen eines frontalen Pyschosyndroms). Unter der medikamentösen Therapie habe sich dies allmählich gebessert und stabilisiert. Bezüglich des weiteren Verlaufes gibt es keine exakten Informationen mehr. Gegen Ende 2000 wurde sie auffällig und dann wird ein manisches Zustandsbild beschrieben.

 

Aktuell zeigt sie sich in einem leichtgradigem hypomanischen Zustand (vor allem gesteigerte Sprachproduktion, Assoziationsreichtum, lebhafte Psychomotorik - bei letztlich wieder situations- und gesprächsadäquatem Verhalten). Vom Vollbild der Manie ist dieser Zustand also noch einigermaßen weit entfernt (nach Absetzen der Medikamente - wäre bei Annahme einer bipolar affektiven Störung in der Regel eine wesentlich ausgeprägtere Psychopathologie zu erwarten).

 

Nennenswerte kognitive Beeinträchtigungen zum aktuellen Zeitpunkt bestehen nicht. Im Cognitrone Verfahren hat sie genau gearbeitet (was bei ausgeprägteren Manien eher ungewöhnlich ist).

Bereits vor 2002 habe ich mit den Medikamenten abgesetzt, seit 2002 überbringe ich regelmäßig Bestätigungen über ärztliche Untersuchungen und Gutachten. In jedem dieser ärztlichen Berichte wird die Stabilität meines Gesundheitszustandes bestätigt. Wenn nun Herr Dr. H S in dem direkt an sie gesandten neurologischen und psychiatrischen Gutachten weitere fachärztliche Kontrollen für erforderlich hält, um den weiteren Verlauf im Auge zu behalten und daher neuerliche Kontrollen, zunächst einmal in dreimonatigen Abständen bei freier Arztwahl vorschlägt, ist entgegenzuhalten, dass er nicht wusste, dass diese ständigen Kontrollen bereits von 2002 von mir erfolgt sind, diese bei der Behörde aufliegen und damit bestätigt wird, dass es bereits 2 Jahre zu keinem Rückfall gekommen ist und von einer ausreichenden psychischen Stabilität daher ausgegangen werden kann.

 

Ich stelle daher den Antrag, dieses Gutachten nicht allein gestellt, sondern in dem Zusammenhang mit allen bisher vorgelegten Kontrolluntersuchungsergebnissen zu beurteilen, sodass sich daraus mit Sicherheit meine gesundheitliche Stabilität seit 2002 damit schon über einen Zeitraum von 2 Jahren ergeben wird und stelle ich daher ferner den Antrag, die Einschränkung meines Führerscheins mit Code 104 zu streichen bzw. diese Bedingung aufzuheben.

 

Mit freundlichen Grüßen (gezeichnet Dr. Ü, Amtsärztin)"

 

 

2. Der Berufungsakt wurde dem unabhängigen Verwaltungssenat von der Behörde erster Instanz zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Demnach hat dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG).

Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien hier mit Blick auf § 67d Abs.1 AVG in Wahrung der durch Art. 6 Abs. 1 EMRK intendierten Rechte geboten.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt unter Berücksichtigung des darin befindlichen Gutachtens. Im Rahmen des Parteiengehörs wurde die Berufungswerberin per Niederschrift vom 10.8.2004 darüber aufgeklärt, dass einem Gutachten inhaltlich entgegen zu treten ist um dadurch dieses inhaltlich in Frage stellen zu können. Sie erklärte sich bereit ein weiteres Facharztgutachten hinsichtlich der bekämpften Auflage beizubringen.

Ein solches Gutachten wurde als "Stellungnahme nach dem Führerscheingesetz" wurde von Dr. H, FA f. Psychiatrie am 14.9.2004 erstellt. Dieses wiederum wurde der Amtsärztin bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zur Erstattung eines amtsärztlichen Endgutachtens übermittelt. Diese Stellungnahme wurde am  

21. September 2004 erstattet.

Der Berufungswerberin wurde das Ergebnis der Gutachten im Rahmen einer öffentlichen mündlichen Verhandlung im Beisein der Amtsärztin Dr. E W, Sanitätsdirektion des Landes Oö., zur Kenntnis gebracht.

 

3. Folgendes Beweisergebnis ergibt sich aus diesen Verfahrensergänzungen:

 

PSYCHIATRISCHE STELLUNGNAHME NACH DEM

FÜHRERSCHEINGESETZ

Linz, 2004-09-14
 
 
Frau T R, geb. , war am 02.09.2004 erstmals bei mir. Ein Termin in der Woche davor wurde kurzfristig abgesagt. Frau T hat eine "Niederschrift" vom 10.08.2004 mitgebracht aufgenommen beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes O.Ö. Dieser Niederschrift kann man entnehmen, dass in einem Gutachten von Herrn Dr. S und im Bescheid der Führerscheinbehörde die Vorlage von Behandlungsbestätigungen gefordert wird.
Frau T gab an, dass sie sich in ihrer Fahrtauglichkeit in keiner Weise beeinträchtigt fühlt, dass ihre damaligen Probleme (die im Jahr 2001 zur amtsärztlichen Untersuchung geführt haben) mit ihrem Temperament zu tun hätten und dass daher die mit der Auflage verbundenen Kosten und zeitlichen Aufwendungen nicht gerechtfertigt seien.
Frau T hat weder das Gutachten von Herrn Dr. S noch andere Unterlagen mitgebracht. Sie berichtet über das Ereignis, das zur amtsärztlichen Überprüfung ihrer Fahrtauglichkeit führte, dass sie im Jahr 2001 in Bad Ischl auf Urlaub weilte. Frau T wollte den Verdacht, dass sie vergewaltigt worden wäre, bei der Polizei anzeigen. Frau T gibt an, dass sie bei dieser Gelegenheit den Führerschein vorweisen musste und den Führerschein am Wachzimmer vergessen hätte.
Was ihre psychische Befindlichkeit zu diesem Zeitpunkt betrifft, gibt Frau T an, dass sie damals "überdreht" war, nicht recht schlafen konnte. Sie hat aber nicht den Eindruck, dass sie damals psychisch krank war, sondern in einem Zustand der emotionalen Aufwühlung, der aus ihrer Sicht mit einer Männerbeziehung in Zusammenhang stand. Frau T gibt weiters an, dass sie damals in das Krankenhaus Bad lschl eingewiesen wurde, aber in die Landesnervenklinik Linz weitergeleitet wurde. Dort war sie einige Wochen in stationärer Behandlung. Nach längerer Befragung gibt Frau T an, dass dort die Diagnose "bipolare affektive Störung" gestellt wurde.
Weiters gibt Frau T zum Verlauf ihrer psychischen Erkrankung an, dass sie erstmals 1997 Probleme mit Depressionen hatte. 1998 wurde eine Manie diagnostiziert. Aus ihrer Sicht kam es nachher zu keinen relevanten psychischen Problemen mehr. Sie war anschließend wieder berufstätig, ca. seit dem Jahr 2001 ist sie in Pension. Was die Ereignisse im Jahr 2001 betrifft ist Frau T der Meinung, dass es sich um keine Manie gehandelt hat, auch Depressionen sind ihrer Ansicht nach später nicht mehr aufgetreten. Frau T gibt an, dass sie eine Zeit lang beim Facharzt Dr. A in Behandlung war. Dieser hätte sie aber wegen einer Viruserkrankung behandelt. Sie konnte seine Therapievorschläge nicht nachvollziehen. Auch bei Herrn Dr. M in Traun hätte sie eine Behandlung aufgenommen, der wäre aber zu kompliziert gewesen. In der letzten Zeit war sie beim Facharzt Herrn Dr. H in Leonding in Behandlung, der ihr wegen Wirbelsäulenbeschwerden Parkemed verschreibt.
 
Zu ihren aktuellen Beschwerden gibt Frau T an, dass sie zeitweise unter Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule leidet, sonst fühlt sie sich gesund. Zeitweise hat sie Probleme mit Schlafstörungen, manchmal schläft sie auch zu viel. Sie ist 'manchmal bis in die frühen Morgenstunden wach, kommt aber insgesamt doch auf 8 Stunden Schlaf. Darüber hinaus hat sie aus ihrer Sicht keinerlei psychische Beschwerden.
 
Verkehrsanamnese:

 
Frau T gibt an, dass sie die Lenkerberechtigung der Gruppe 1 (Führerscheinklasse B) seit mehr als 30 Jahren besitzt und dass sie weder durch Unfälle noch durch Strafen auffällig wurde. Sie benutzt ihren PKW wenig und legt sicher nicht mehr als 10.000 km im Jahr zurück. Sie vermeide Fahrten auf der Autobahn, weil ihr das Tempo zu rasant ist. Auch den Stadtverkehr in Linz versucht sie zu vermeiden. Zur Begutachtung ist sie allerdings doch mit dem eigenen Fahrzeug angereist.
 
Psychopathologischer Befund:

 
Die Patientin ist in allen Qualitäten orientiert und bei klarem Bewusstsein. Sie ist im Gespräch erschwert lenkbar. Ihre Erzählungen sind sehr weitschweifig, sie verliert sich in Details. Es ist nur mit Nachdruck möglich konkrete Antworten auf konkrete Frage zu bekommen. Die Patientin ist bei der Untersuchung leicht agitiert, affektiv etwas überschießend. Inhaltliche Denkstörungen im Sinn von Wahnphänomenen sind nicht nachweisbar. Die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistungen sind in der Gesprächssituation mittelschwer beeinträchtigt. Die kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen sind - soweit das in der klinischen Untersuchungssituation beurteilt werden kann - deutlich beeinträchtigt.
 
Vorliegende Befunde:

 
Niederschrift vom 10.08.2004 aufgenommen beim unabhängigen Verwaltungssenat Herr Dr. Bleier
 
Arztbrief der Landesnervenklinik Linz vom 15.02.2001: Diagnose manische Episode bei bipolarer effektiver Störung.
 
Gutachten des Herrn Dr. S vom 10.05.2004: Diagnose hypomanisches Zustandsbild bei Verdacht auf organisches Psychosyndrom nach Meningeomoperation 1996 (ein gutartiger Hirntumor)
 
Behandlung derzeit:

 
keine
 
Zusammenfassung und Beurteilung:

 
Die Anamnese und der Befundbericht der Landesnervenklinik Linz sprechen für eine bipolare affektive Störung. Es ist keine Frage, dass im Zustand der Manie Beeinträchtigungen der kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen zu erwarten sind - einerseits durch Antriebssteigerung, andererseits durch den Wegfall von Hemmungen und auch durch Konzentrationsstörungen. Auch im Zustand der Depression sind Beeinträchtigungen der kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen möglich, aber weniger wahrscheinlich. Bei Frau T wurden bisher mindestens 2 manische Episoden diagnostiziert.
Das Risiko, dass es bei einer bipolar effektiven Störung zu einem Rückfall in die Manie kommt, ist hoch einzuschätzen und liegt bei ca. 90%. Durch eine psychopharmakologische Behandlung z.B. mit Lithium ist es möglich dieses Risiko deutlich zu reduzieren. Es ist daher üblich und allgemein anerkannt, dass Patienten, die an einer bipolaren effektiven Störung leiden, nur dann geeignet sind Kraftfahrzeuge zu lenken, wenn aktuell keine manische oder schwere depressive Episode vorliegt und wenn durch eine adäquate Therapie das Rückfallsrisiko reduziert wird. Behandlungsauflagen und fachärztliche Kontrollen sind vor allem dann notwendig, wenn die Behandlungsmotivation und die Krankheitseinsicht nicht vorhanden sind. Das Zustandsbild der Manie ist in der Regel mit starken Beeinträchtigungen der Kritikfähigkeit und des Realitätsbezuges verbunden. Es sind weder Krankheitsgefühl noch Einsicht zu erwarten, die Motivation zur Behandlung ist daher meistens gering ausgeprägt oder fehlt.
Von Herrn Dr. S wurde der Verdacht geäußert, dass ein organisches Psychosyndrom nach Operation eines Meningeoms vorliegt. Von Frau T wurde mir diesbezüglich nichts mitgeteilt. Es liegen auch keine Befunde vor, denen man Details über die damalige Operation und den Verlauf entnehmen könnte. Es ist aber keine Frage, dass durch ein organisches Psychosyndrom die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen beeinträchtigt werden. In diesem Fall müsste man mit einer anhaltenden Beeinträchtigung rechnen, die durch eine verkehrspsychologische Untersuchung zu quantifizieren ist.
 
Der aktuelle psychopathologische Befund spricht unabhängig von der Ursache für eine Beeinträchtigung der kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen.
 
Derzeit ist Frau T daher nicht geeignet, Kraftfahrzeuge egal welcher Gruppe zu lenken. Eine adäquate fachärztliche Therapie ist notwendig, um die noch offenen diagnostischen Fragen zu klären und den psychischen Zustand zu stabilisieren. Derzeit ist davon auszugehen, dass eine Lithiumbehandlung oder eine andere stimmungsstabilisierende Medikation erforderlich ist. Da weder Krankheitsgefühl noch Krankheitseinsicht vorhanden sind, muss man mit Complianceproblemen rechnen. Wenn sich das Zustandsbild der Patientin so weit stabilisiert, dass sie die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen wieder erlangt, sind Kontrollen durch die Führerscheinbehörde indiziert und notwendig. Konkret empfehle ich für diesen Fall eine Befristung von einem Jahr und Kontrollen des Medikamentenspiegels sowie fachärztliche Kontrollen in dreimonatlichen Abständen.

 

Dr. E M H, Facharzt für Psychiatrie"

 

3.1. Die Amtsärztin Dr. Ü gelangt unter Berücksichtigung der o.a. fachärztlichen Stellungnahme in ihrem Endgutachten zu folgendem Ergebnis:
"Frau T ist derzeit nicht geeignet, KFZ zu lenken.
Beide fachärztliche Gutachten sind schlüssig und stehen in keinem Widerspruch zueinander.
 

Herr Dr. S beurteilte Frau T im Mai 2004 und stellte ein hypomanisches Zustandsbild fest Sie hatte einige Monate davor eine psychiatrische Behandlung abgebrochen und selbstständig die Medikamente abgesetzt. Da nach Absetzen der Medikamente das Risiko des Wiederauftretens einer manischen oder einer depressiven Phase erheblich erhöht ist, wurden von ihm regelmäßige fachärztliche Kontrollen in dreimonatigen Abständen empfohlen, um ein Wiederauftreten einer manischen oder depressiven Phase rechtzeitig erkennen und behandeln zu können. Nach einer telefonischen Rücksprache mit Dr. S vom 2.6.2004 hielt er eine Beobachtungsphase von mindestens 2 Jahren erforderlich, in der Frau T ohne Medikation symptomfrei bleiben müsse, bevor man aus psychiatrischer Sicht davon ausgehen kann, dass auch ohne Medikation keine weiteren manischen oder depressiven Episoden mehr zu erwarten sind.

Herr Dr. H beurteilte sie 4 Monate später. Leider kam es unter der Medikamentenkarenz in dieser Zeit zu einer Verschiebung des hypomanischen Zustandes in Richtung Manie, so dass die Kritikfähigkeit, die Aufmerksamkeitsleistung und die Konzentrationsleistung so weit beeinträchtigt sind, dass eine Behandlung zur Wiederherstellung der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen erforderlich ist. Die Manie ist in Hinblick auf Fehlleistungen so gefährlich, weil es zu einer massiven Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und Enthemmung kommt. Durch die Antriebssteigerung besteht ein vermindertes Schlafbedürfnis. Der Schlafmangel beeinträchtigt wiederum die Reaktionsfähigkeit, die Auffassungsf'ähigkeit und die Konzentrationsfähigkeit herabsetzen. Durch die mangelnde Kritikfähigkeit und die Überschätzung der eigenen Fähigkeiten erhöhen das Risiko von Fehlleistungen erheblich. Für den Verkehr relevante Fehlleistungen sind z.B. riskante Überholmanöver, rücksichtsloses Fahren und Fahren mit erhöhter Geschwindigkeit. Durch die Manie werden die Defizite vom Betroffenen nicht wahrgenommen und es ist keine Bereitschaft zur Behandlung vorhanden. Die Behandlung von Patienten mit einer manisch- depressiven oder bipolaren Störung gestaltet sich besonders in der manischen Phase sehr schwierig und fährt häufig zu Behandlungsabbrüchen, weil weder ein Krankheitsgefühl noch eine Krankheitseinsicht gegeben ist. Zur Wiederherstellung der Eignung zum Lenken von KFZ ist aber unbedingt eine medikamentöse Therapie mit Psychopharmaka erforderlich. Erschwerend kommt hier noch ein organisches Psychosyndrom nach einer Hirnoperation 1996 hinzu.

 

Vor der Wiedererteilung der Lenkerberechtigung ist die Stabilisierung des psychischen Zustandes erforderlich. Dies ist durch die Vorlage eines psychiatrischen Gutachtens und eines entsprechenden Medikamentenspiegels nachzuweisen."

 

3.2. Diese fachlichen Ergebnisse führen zum klaren Ergebnis, dass gegenwärtig von einer gesundheitlichen Eignung nicht ausgegangen werden kann.

Die mit dem Pkw zur Berufungsverhandlung angereiste Berufungswerberin nahm dieses Ergebnis im Rahmen der Berufungsverhandlung zur Kenntnis und vermeinte, dass sie offenbar falsch verstanden worden wäre. Ebenfalls nahm sie zur Kenntnis, dass nach Bescheidzustellung die Lenkberechtigung entzogen gelte und sie den Führerschein bei der Behörde erster Instanz abzugeben habe.

Angesichts der Anreise mit dem Pkw und der Feststellung durch die Amtsärztin, dass zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung kein Bedarf zu einem unmittelbaren Entzug der LB bzw. die Abnahme des Führerscheins nicht bestand, wurde von einer sofortigen Bescheidverkündung Abstand genommen um dadurch der Berufungswerberin noch die Heimfahrt mit dem Pkw zu ermöglichen.

 

4. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Nach § 3 Abs.1 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt - und auch belassen - werden, die: .............

3.) gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9), .......

Nach § 8 Abs.3 FSG hat das ärztliche Gutachten abschließend auszusprechen:

"geeignet", "bedingt geeignet", "beschränkt geeignet" oder "nicht geeignet".

Gemäß § 5 Abs.5 FSG ist die Lenkberechtigung, soweit dies auf Grund des ärztlichen Gutachtens oder wegen der Art der Lenkberechtigung nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter den entsprechenden Befristungen Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen. ........

Nach § 2 Führerscheingesetz - Gesundheitsverordnung, BGBl. II Nr. 1997/322, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 427/2002, hat das ärztliche Gutachten gegebenenfalls auszusprechen:

  1. ob und nach welchem Zeitraum eine amtsärztliche Nachuntersuchung erforderlich ist,
  2. ob und in welchen Zeitabständen die ärztlichen Kontrolluntersuchungen erforderlich sind. ................

 

5.1. Da im Rahmen dieses Verfahrens die gesundheitliche Eignung zum gegenwärtigen Zeitpunkt als nicht (mehr) gegeben festgestellt wurde, war über die bekämpfte Auflage hinausgehend im Rahmen des Berufungsverfahrens die Lenkberechtigung zu entziehen. Im Entziehungsverfahren gilt der Grundsatz der "reformatio in peius" nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. 4. Oktober 2000, Zl. 2000/11/0210) besteht ein derartiges Verbot im administrativen Verwaltungsverfahren nicht, weshalb die Berufungsbehörde im vorliegenden Fall nicht nur befugt, sondern verpflichtet war, gemäß der Sachlage den Entzug auszusprechen um dadurch zu verhindern, dass ein gesundheitlich nicht geeignete Lenkerin länger als zwingend erforderlich am Verkehr teilnimmt (VwGH 28.6.2001, 2001/11/0153). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 28. Mai 2002, Zl. 2001/11/0284 und 8. August 2002, Zl. 2001/11/0186, uva.) ist das Entziehungsverfahren nach dem FSG ein einheitliches in dem Sinn, dass bis zur Erlassung des Entziehungsbescheides hervorkommende Tatsachen, die eine der Eignungsvoraussetzungen betreffen, im Bescheid zu berücksichtigen sind (29.4.2003, 2001/11/0064).

 

Es besteht ferner auch keine Verpflichtung der Berufungsbehörde, dem Berufungswerber anzukündigen, dass sie den mit Berufung angefochtenen Bescheid zu seinem Nachteil abzuändern beabsichtige, und ihn zur Zurücknahme der Berufung einzuladen, sodass auch eine diesbezügliche Verfahrensrüge des Beschwerdeführers nicht begründet wäre (VwGH 4.10.2000, 2000/11/0210).

 

Auf die zu entrichtenden Gebühren in Höhe von 13 Euro wird an dieser Stelle noch hingewiesen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180  Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

 

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