Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520748/5/Bi/An

Linz, 21.12.2004

 VwSen-520748/5/Bi/An Linz, am 21. Dezember 2004

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn M P., vertreten durch Dr. K D, Dr. R M, MMag. C D Rechsanwälte GmbH, vom 14. Oktober 2004 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 1. Oktober 2004, VerkR21-167-2004-Br, wegen Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung, den Führerschein der Behörde abzuliefern, zu Recht erkannt:
 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) die von der BH Freistadt am 9. März 2004, VerkR20-396-2004, für die Klassen A und B erteilte Lenkberechtigung gemäß §§ 7, 24 Abs.1 Z1 und 25 FSG für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, entzogen und gemäß § 29 FSG angeordnet, dass der Bw den Führerschein ab Vollstreckbarkeit des Bescheides unverzüglich der BH Freistadt abzuliefern habe.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte mit 1. Oktober 2004.

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG).

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, ihm sei nicht nachvollziehbar, dass er am Vorfallstag das Fahrzeug mit dem Kennzeichen gelenkt habe. Dazu lege er eine Stundenaufzeichnung bzw einen Leistungsnachweis über den Vorfallstag, unterfertigt von seinem Vorgesetzen, vor, dem zu entnehmen sei, dass er am Donnerstag, dem 22. April 2004 bis 16.00 Uhr gearbeitet habe. Er sei beim Elektrizitätswerk Wels AG beschäftigt und habe im fraglichen Zeitraum bei der Klinikum Kreuzschwestern Wels GmbH, in Wels, gearbeitet. Von dort sei es nicht möglich, nach Arbeitsschluss bis 16.29 Uhr zum Tatort zu gelangen, insbesondere deshalb, da er keine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten habe. Ihm sei das nicht erklärlich, möglicherweise habe er sein Fahrzeug verborgt. Er habe eine Lenkerauskunft in Unkenntnis der Rechtslage erteilt, nun aber erkannt, dass entweder die Tatzeit nicht stimmen könne oder er das Fahrzeug nicht gelenkt haben könne. Es sei zwar im Leistungsnachweis das Datum falsch geschrieben (statt 20. müsste es 22. heißen), aber er biete dazu die Zeugeneinvernahme des Herbert Gruber und die Vorlage von Bautagesberichten an. Im Entziehungsverfahren sei auch kein Parteiengehör eingeräumt worden. Der Bescheid sei daher mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet.

Im Übrigen bestehe keine Bindungswirkung der FS-Behörde gegenüber der Strafbehörde hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation der Tat. Deshalb sei auch nicht von besonderer Rücksichtslosigkeit auszugehen, sodass die Verkehrszuverlässigkeit jedenfalls noch gegeben sei. In der Aufzählung des § 7 Abs.1 Z3 FSG sei die Einhaltung eines zu geringen Sicherheitsabstandes nicht enthalten. Er habe sich auch seither wohlverhalten, sodass zum jetzigen Zeitpunkt nicht von Verkehrsunzuverlässigkeit ausgegangen werden könne. Beantragt wird Bescheidbehebung und Verfahrenseinstellung.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Bw mit Straferkenntnis der Erstinstanz vom 12. Juli 2004, VerkR96-1433-2004, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 18 Abs.1 iVm 9 Abs.2 lit.c StVO 1960 rechtskräftig bestraft wurde, weil er am 22. April 2004 um 16.20 Uhr als Lenker des Pkw in Linz auf der A7, RFB Nord, Autobahnkm 15.7, zu einem vor ihm fahrenden Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von 122 km/h einen Abstand von 9 m, dh 0,28 Sekunden, eingehalten habe, was als besondere Rücksichtslosigkeit gegen den Lenker dieses Kfz angesehen wurde.

Der Bw hat sich in der Lenkerauskunft selbst als Lenker des Pkw zum angeführten Zeitpunkt bezeichnet und nunmehr das Gegenteil seiner damaligen Behauptung eingewendet, er selbst habe nicht der Lenker sein können, weil das zeitlich nicht möglich sei - möglicherweise habe er sein Fahrzeug verborgt gehabt.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind.

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache hat gemäß § 7 Abs.3 Z3 insbesondere zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, dass an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen.

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der im Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

Dass ein "Sicherheitsabstand" des nachkommenden Fahrzeuges von 0,28 Sekunden bei 122 km/h zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug - bei 122 km/h beträgt der Weg pro Sekunde ca 33 m - als besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Lenker des Fahrzeuges, auf das dieser Lenker bei einer Bremsung des Vorderfahrzeuges mangels jeglicher Möglichkeit einer entsprechenden Reaktion unweigerlich aufgefahren wäre, anzusehen ist, steht außer Zweifel, zumal ein rechtzeitiges Abbremsen oder Auslenken bei einem derartigen Abstand schon aufgrund der Reaktions- und Bremsschwellzeit des hinteren Lenkers schlicht unmöglich ist. Bereits der geringste Fahrfehler des vorderen Lenkers oder eine wegen der verdeckten Sicht auf den vor dem vorderen Fahrzeug befindlichen

Fahrbahnbereich nicht vorhersehbare erforderliche Bremsung führt zu einem Auffahrunfall. Weiters besteht die Gefahr, dass das vordere Fahrzeug bei einem Auffahrunfall von seiner Fahrlinie abgedrängt wird, wobei auch die körperliche Verfassung des Lenkers, die Verwendung des Sicherheitsgurtes und die Anzahl und körperliche Verfassung der beförderten Personen im vorderen Fahrzeuge von hinten nicht abschätzbar sind. Der nachkommende Lenker kann daher bei zu geringem Abstand auch nicht ausschließen, die Insassen des vorderen Fahrzeuges einer Gesundheitsgefährdung (zB eines Schleudertraumes) auszusetzen.

Abgesehen davon, dass die Lenkereigenschaft des Bw in einer mündlichen Verhandlung durch einen Vergleich des Bw mit der Videoaufzeichnung zu klären gewesen wäre, ist zu bedenken, dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 23. April 2002, 2001/11/0149, ausgesprochen hat, dass eine Entziehung der Lenkberechtigung mangels Verkehrsunzuverlässigkeit (§7 FSG) zufolge § 25 Abs.3 FSG nur dann rechtmäßig sei, wenn die Behörde aufgrund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides mit Recht annehmen durfte, es liege Verkehrsunzuverlässigkeit vor und es werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf der Entziehungsdauer eintreten (vgl 23.11.2001, 2000/11/0017, mit Vorjudikatur). Dem angefochtenen Bescheid liegt nun die Auffassung zugrunde, der Bw werde die Verkehrszuverlässigkeit erst drei Monate nach Zustellung des angefochtenen Bescheides, das waren im Anlassfall mehr als 5 Monate nach der Begehung der Übertretung, wiedererlangen. Allerdings hat die Erstinstanz die aufschiebende Wirkung der Berufung nicht ausgeschlossen, sodass nunmehr von der Zustellung der Berufungsentscheidung auszugehen wäre, was zum jetzigen Zeitpunkt zur Annahme führen würde, der Bw sei seit der Tat am 22. April 2004 verkehrsunzuverlässig und werde die Verkehrszuverlässigkeit voraussichtlich erst mit Ende März 2005 wiedererlangen. Im ggst Fall wäre eine solche Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit für 11 Monate aber sachlich nicht begründbar, zumal in die Wertung auch die verstrichene Zeit und das Verhalten des Bw während dieser Zeit einzubeziehen wäre, was diese Annahme zweifellos als rechtswidrig erkennen ließe. Eine Entziehung der Lenkberechtigung nach so langer Zeit wäre somit nicht mehr zu rechtfertigen, sodass es sich auch erübrigt, den Lenker anhand der Videoaufzeichnungen zu klären und auch die in diesem Zusammenhang geplante mündliche Verhandlung konnte entfallen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

Abstand 9 m bei 122 km/h = 0,28 sec. - aber verlängert bis 11 Monate - Aufhebung

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