Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520880/8/Br/Wü

Linz, 17.03.2005

 

 

 VwSen-520880/8/Br/Wü Linz, am 17. März 2005

DVR.0690392
 

 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau R T, W, B H, vertreten durch Dr L, Dr. W Mag. O, Rechtsanwälte, G, S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 24.1.2005, VerkR21-260-2004/Lw/Scr, nach der am 16. März 2005 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
 
Der Berufung wird Folge gegeben; der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben
.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 7 Abs.1 Z1, Abs.3 Z3 u. Abs.6 iVm § 24 Abs.3 Führerscheingesetz - FSG, BGBl. I Nr. 120/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 129/2002;

§ 66 Abs.4 u. § 67d Abs.1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 10/2004;
 
 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben genannten Bescheid wurde in Bestätigung des zitierten Mandatsbescheides der mit drei Monaten ausgesprochene Entzug - beginnend mit Zustellung des Mandatsbescheides am 2.12.2004 - sowie die ebenfalls auf § 24 Abs.3 FSG getroffene Anordnung sich der begleitenden Maßnahme sich einer Nachschulung zu unterziehen, bestätigt;

Wie schon im Mandatsbescheid wurde auch im hier angefochtenen Bescheid einem Rechtsmittel (hier der Berufung) die aufschiebende Wirkung aberkannt (§ 64 Abs.2 AVG).

 

1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend folgendes aus:

"zu 1.:

Mit dem bereits zitierten Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land wurde Ihnen die Lenkberechtigung auf die Dauer von 3 Monaten entzogen, zumal Sie laut Anzeige der Gendarmerie Bad Hall am 4.9.2004 um 23.15 Uhr den VW-Multivan, in Bad Hall auf dem Bahnhofsparkplatz im Rückwärtsgang von der dortigen Laderampe lenkten, wobei Sie mit fünf Personen kollidierten und zumindestens 1 Person verletzten.

Sie haben es unterlassen, nach einem durch das Lenken eines Kraftfahrzeuges selbst verursachten Verkehrsunfall, bei dem eine Person verletzt wurde, sofort anzuhalten und erforderliche Hilfe zu leisten oder herbeizuholen. Weiters wurde Ihnen die Absolvierung einer Nachschulung vorgeschrieben, wobei die Entzugsdauer nicht vor Befolgung dieser Anordnung endet.

 

Gegen diesen Bescheid haben Sie rechtzeitig Vorstellung erhoben und beantragt, das Verfahren einzustellen und den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben. Die Vorstellung wurde wie folgt begründet:

 

"Mit dem angefochtenen Bescheid hat mir die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land die Lenkberechtigung für die Klasse B, vorübergehend auf die Dauer von 3 Monaten, entzogen.

 

Der Entzug der Lenkberechtigung erfolgte völlig zu Unrecht. Ich bin seit ca. 20 Jahren im Besitz einer Lenkberechtigung, hatte bisher keine Verkehrsunfälle und auch sonst keinen Entzug der Lenkberechtigung im Sinne der Bestimmungen des Führerscheingesetztes.

 

Mir wird vorgeworfen, dass ich am 4,9.2004, ca. 23.15 Uhr, den VW Mulivan, Kennzeichen; in Bad Hall auf dem Bahnhofsparkplatz im Rückwärtsgang von der dortigen Laderampe gelenkt habe und mit fünf Personen kollidierte, wobei zumindest eine Person verletzt wurde. Weiters wird mir vorgeworfen, ich hätte es unterlassen, nach dem verursachten Verkehrsunfall sofort anzuhalten und die erforderliche Hilfe leisten oder herbei zu holen."

 

Dazu ist Folgendes auszuführen: Mein Ehegatte und ich betreiben einerseits einen Getränkehandel und einen Zeltverleih und sind andererseits Pächter der "B-T" in B H, situiert an der Voralpen-Bundesstraße B 122, unmittelbar gegenüber dem ehem. Bahnhofsgelände. Unter anderem sind wir auch Mieter des auf dem ehem. Betriebsgelände der ÖBB in B H befindlichen Magazins, samt Vorplatzrampe.

 

Auf diesem Platz werden unsere Fahrzeuge und sonstige diverse Gegenstände abgestellt. Seit einigen Monaten kommt es immer wieder zu Vorfällen, unmittelbar auf dem ehem. Bahnhofsgelände, unter anderem wurden auch an dem von uns gemieteten Gebäude erhebliche Schäden durch unbekannte Täter verursacht. Die Personen selbst sind uns namentlich nicht bekannt.

 

Es ist aber immer wieder so, dass auf dem von uns gemieteten Gelände sich Jugendliche aufhalten, dort Alkohol konsumieren und es dann zu den angeführten Beschädigungen kommt.

 

Beweis: - Akt: Sich20-1-6-2004 Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land

 

Am 4.9.2004, ca. 23.15 Uhr, fuhr ich mit dem angeführten Fahrzeug (VW Multivan) unter anderem zu unserer Tankstelle und in weiterer Folge auch zum Bahnhofsgelände. Ich führte eine Kontrolle durch, da -wie bereits oben angeführt - es immer wieder zu Sachschäden an unserem Eigentum und auch an dem von uns gemieteten Gebäude gekommen ist.

 

Was weiters passierte, kann man aus meiner Sicht nur als entschuldbaren Notstand anführen. Ich habe mehrere Jugendliche wiederum auf unserem Firmengelände gesehen; unmittelbar im Bereich des Lokals "T" war ebenfalls ein Vorfall, aufgrund dessen offensichtlich ein Einsatz durchgeführt wurde (Gendarmerie und Rettung waren vor Ort). Auf unserer Rampe befanden sich ca. 10 bis 15 Jugendliche, welche mich gröblichst beschimpften; ich wurde von den Jugendlichen, die mir namentlich nicht bekannt sind, bedroht. Einer der Jugendlichen hat mich mit einer Bierflasche bedroht. Dieser hat sich vorerst auf die Rampe gestellt und hat dann auf das Auto die "kleine Notdurft" verrichtet und dann das Bier darauf geschüttet. Einer der Jugendlichen hat mich angespuckt, dies hat der Jugendliche in seinen Angaben auch selbst zugegeben. Ich kann nur sagen, dass ich aufgrund dieser Situation in Angst geraten bin. Ich habe mich dann aus Angst in mein Fahrzeug begeben und habe versucht, wegzufahren. Als ich wegfuhr, sind die Jugendlichen erst zum Auto gelaufen und sind mehrere auch auf die hintere Stoßstange (bei einem VW-Bus ist dies leicht durchführbar) gesprungen. Sie sind auf der Stoßstange gestanden und sind einerseits herumgesprungen und haben auch mit den Füßen gegen das Fahrzeug getreten. Mir ist auch nicht bekannt, dass ich bei diesem Vorfall irgend jemanden verletzt hätte.

 

Ich bin mir sicher, dass ich niemand verletzt habe. Wie sich Frau M A die diagnostizierte Unterschenkelprellung zugezogen hat, kann ich nicht angeben. Sie wurde sicher nicht durch das von mir gelenkte Fahrzeug verletzt. Die Jugendlichen waren allesamt meines Erachtens alkoholisiert; dadurch haben sie sich mir gegenüber auch so aufgeführt.

 

Aufgrund der Stellung der Fahrzeuge, sowie aufgrund der gegebenen Verhältnisse an Ort und Stelle (im Bereich der Laderampe herrschte völlige Dunkelheit), ist mir nicht erklärbar, wie die Stellungnahme aufgrund des Aktenvermerkes vom 5.9.2004 zustande kam.

 

Ich kann nur anführen, dass ich niemanden absichtlich gefährdet habe. Die Aussagen der Jugendlichen sind mir bekannt; ich kann nur anführen, dass diese nicht der Wahrheit entsprechen. Ich habe kein rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr an den Tag gelegt. Ich darf nochmals darauf verweisen, wenn man die Situation betrachtet, es sich aus meiner Sicht um eine Notstandssituation handelte. Ich habe aber weder jemand fahrlässig oder gar vorsätzlich verletzt, noch habe ich die Personen gefährdet.

 

Aufgrund des oben näher geschilderten Sachverhaltes beantrage ich, dass meiner Vorstellung auch die aufschiebende Wirkung zukommt. Ein Führerscheinentzug wäre für mich mit erheblichen Nachteilen verbunden. Ich bin einerseits Hausfrau und habe Kinder zu versorgen, d.h. in die Schule und in den Kindergarten zu bringen. Andererseits haben wir ein Geschäft in R im K zu betreuen. Nach Klärung des tatsächlichen Sachverhaltes ist es daher meines Erachtens angebracht, dass der Vorstellung aufschiebende Wirkung zukommt.

 

Wie bereits oben ausgeführt, handelt es sich hier erstmalig um ein Verwaltungsstrafverfahren, welches gegen mich eingeleitet wurde. Es ist auch keine Gefahr im Verzug. Ich weise nochmals darauf hin, dass es bisher gegen mich keine Verwaltungsstrafverfahren gab; es gab auch noch nie ein Führerscheinentzugsverfahren.

 

Ich beantrage daher, das Verfahren wegen Entziehung der Lenkberechtigung, sowie die Anordnung einer begleitenden Maßnahme, einzustellen und den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben."

 

Die Behörde hat insbesondere Beweis erhoben durch die zeugenschaftliche Einvernahme der M A (Verletzte) und des RI B E:

 

M A sagte folgendes aus:

 

"Am 4.9.2004 befand ich mich in Begleitung meiner Freunde in Bad Hall in der Disco/Pub T. Ca. eine halbe Stunde vor dem gegenständlichen Verkehrsunfall kamen wir aus dem Lokal um am Parkplatzgelände beim Bahnhof Bad Hall der Amtshandlung der Gendarmerie und den Einsatz der Rettung (ein mir bekannter Bursch wurde ruhiggestellt) zuzuschauen. Im Zuge dieses Vorfalles kam dann auch Frau T mit einem VW-Bus zur gegenständlichen Örtlichkeit. Frau T ging sofort zur dortigen Verladerampe und warf unsere dort abgestellten Helme und Rucksäcke zu Boden. Auf Grund dieses Umstandes begaben wir uns ebenfalls zur Rampe. Von mir war weder ein Rucksack, noch ein Helm dabei. Anfänglich beschwerten sich die Burschen unserer Gruppe bei Frau T über ihr Verhalten und in der Folge ging auch ich dort hin. Als ich bei der Rampe ankam, lief noch eine verbale Auseinandersetzung. Andere Maßnahmen meiner Freunde, wie Drohungen udgl. habe ich nicht wahrgenommen. Kurz bevor Frau T mit ihrem Fahrzeug die Örtlichkeit in Richtung Bundesstraße verließ, kam noch ein Bekannter von uns mit seinem PKW und stellte diesen im Nahbereich ab. Frau T fuhr nunmehr mit dem genannten Fahrzeug nach vorne weg und wollte vermutlich den Bahnhofsparkplatz verlassen, dies war aber nicht möglich, da bei der Ausfahrt der oben angeführte Einsatz der Gendarmerie und Rettung die Einfahrt verstellte. Vom anwesenden Gendarmeriebeamten wurde sie aufmerksam gemacht, dass sie die Fahrzeugbeleuchtung einschalten müsse. Da das Ausfahren auf die Bundesstraße wie vorstehend angeführt nicht möglich war, setzte die Angezeigte in der Folge das Fahrzeug im Rückwärtsgang zurück. Wir befanden uns zu diese Zeitpunkt ca. 10 - 15 m vom Fahrzeug entfernt.

 

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass Frau T zu diesem Zeitpunkt in der Nähe eines Gendarmeriebeamten war und dennoch von einer Bedrohung durch uns spricht. Abgesehen davon, dass wir sie zu keiner Zeit tatsächlich bedroht haben, hätte sie spätestens zu diesem Zeitpunkt - also noch bevor sie mit dem Auto auf uns losfuhr - den anwesenden Gendarmeriebeamten um Hilfestellung ersuchen können. Der Gendarmeriebeamte hätte wohl auch selbst wahrgenommen, wenn wir uns derartig aufgeführt hätten. Es fiel ihm ja auch auf, dass die Frau T die Fahrzeugbeleuchtung nicht eingeschaltet hatte.

 

Wie bereits in der Strafanzeige der Gendarmerie Bad Hall angeführt, passierte um ca.
23.15 Uhr dann die gegenständliche Verletzung, welche auch in der Verletzungsanzeige des LKW Steyr attestiert ist, an meinem rechten Unterschenkel. Dazu möchte ich angeben, dass es mir nicht möglich war, dem im Rückwärtsgang ankommenden VW-Bus auszuweichen, da durch ein abgestelltes Fahrzeug und die umherstehenden Freunde kein Platz dafür war. Ich wurde von einem Freund an der Hand noch weiter vom Fahrzeug der Frau T weggerissen. Deshalb konnte verhindert werden, dass ich vom Fahrzeug schwerer verletzt bzw. überhaupt überfahren wurde. Ein anderer Bekannter konnte sich nur mehr durch einen Sprung auf die Stoßstange des Autos retten. Meines Wissens wurden noch 4 weitere Personen vom Fahrzeug der Frau T gestreift, wobei diese aber offenbar keine Verletzungen erlitten oder zur Anzeige brachten.

 

Ich möchte feststellen, dass es mir nicht möglich war, diesen Verkehrsunfall zu verhindern, dass ich weder Frau T vorher an der Rampe beschimpfte oder gar tätlich wurde und auch sonst keine Veranlassung gab (z.B. vermutete Beschädigungen im Eigentum der Fam. T), die die Verhaltensweise der Angezeigten rechtfertigen würde.

 

Über Befragen gebe ich an, dass ich nicht so genau sagen kann, mit welchem Teil des Fahrzeuges meine Verletzungen verursacht wurde, da ich ja von meinem Bekannten zurückgerissen wurde, um einen größeren Unfall zu verhindern.

 

Ich bin auch der Ansicht, dass Frau T wahrgenommen haben muss, dass sie mit ihrem Fahrzeug den gegenständlichen Unfall verursachte. Insbesondere fuhr sie ja im Rückwärtsgang zur Ausfahrt und musste deshalb auch sehen, dass ich mich zu Boden bewegte. Von den umherstehenden Jugendlichen wurde versucht, Frau T auf meine Verletzung aufmerksam zu machen. Einerseits schrieen sie in das Fahrzeug und andererseits trommelten sie mit den Händen an die Fenster des Fahrzeuges. Darauf reagierte die Angezeigte nicht. Sie setzte, ohne stehen zu bleiben, ihre Fahrt fort.

 

Wie ich bereits auch bei der Gendarmerie bekannt gegeben habe, war am Ort des Geschehens auch der Notarzt anwesend, welcher von einem Bekannten von mir ersucht wurde, auch meine Verletzung zu begutachten. Der Notarzt hat nach einer kurzen Untersuchung empfohlen, das Krankenhaus aufzusuchen. Ich wurde mit der Rettung in das LKH Steyr gebracht."

 

Nachstehend die Aussage des RI. E:

 

"Ich war am 4.9.2004 um ca. 23.15 Uhr am Parkplatzgelände beim Bahnhof Bad Hall mit der Sicherung einer schwer alkoholisierten Person beschäftigt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich auch der Arzt von Bad Hall, Dr. K-S, vor Ort. Das Rettungsauto war einige Meter neben der alten ÖBB-Verladerampe, die von der Fa. T gemietet ist, parallel zur Bundesstraße abgestellt. In einer Entfernung von ca. 10 Meter vom Rettungsauto hielt ein VW-Bus. Ich habe mich auf Grund meiner Tätigkeit bei der Sicherung des B M mehr auf diese Tätigkeit, als auf den genannten VW-Bus, konzentriert, da die genannte Person derart renitent war und ich diese im Auge behalten musste. Nach kurzer Zeit wurde der VW-Bus wieder gestartet und einige Sekunden später die Fahrzeugbeleuchtung eingeschaltet. Der VW-Bus wurde, obwohl sich Jugendliche hinter dem Fahrzeug befanden, ruckartig zurückgelenkt. Auf diesen Vorfall wurde ich aufmerksam, zumal von einigen Jugendlichen mit den Händen oder Fäusten auf das Fahrzeug eingeschlagen bzw. gehämmert wurde. Auf das Fahrzeug wurde erst gehämmert, als sich dieses bereits in Bewegung gesetzt hatte. Vorher konnte ich keine derartigen Geräusche wahrnehmen. Von den Jugendlichen wurde ich aufmerksam gemacht, dass der VW-Bus beim Rückwärtsfahren eine Person angefahren habe. Unmittelbar darauf begab ich mich zu den Jugendlichen. Zu diesem Zeitpunkt lag das Mädchen am Boden und klagte über Schmerzen. Da der Arzt vor Ort noch anwesend war, habe ich ihn um Intervention ersucht. Zum Zeitpunkt, als dieser Unfall passierte, war mein Kollege nicht anwesend. Dieser war unterwegs zum Gendarmerieposten Bad Hall, um ein Einweisungsformular für B M zu holen. Tatsache ist, dass vom Lenker/der Lenkerin des VW-Busses unmittelbar nach dem Unfall bei mir keine Meldung bzw. Anzeige erfolgt ist, obwohl ich mich in einer Entfernung von ca. 10 in befand."

 

In seiner Stellungnahme zum Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme brachte der nunmehrige Vertreter der Vorstellungswerberin, Rechtsanwalt Dr. E W, folgendes vor:

 

"Ich verweise insbesondere auf die Angaben in meiner Niederschrift vom 6.9.2004. Ich wurde vor dem Wegfahren von den Jugendlichen unflätig beschimpft und bedroht. Es wurde auf mein Auto uriniert und Bier gegen das Fahrzeug geschüttet. Von einem Jugendlichen wurde ich bespuckt. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte das, nach meiner Einschätzung, den einschreitenden Gendarmeriebeamten auch auffallen müssen. In dieser Stresssituation wollte ich vom ehemaligen Bahnhofsgelände ausfahren. Weil die Ausfahrt durch ein anderes Fahrzeug behindert war, musste ich den geschlossenen VW-Bus zurückschieben. Dabei haben die aggressiven Jugendlichen neuerlich gegen das Fahrzeug gehämmert. Ich habe dieses Hämmern auf das Fahrzeug eindeutig der zuvor schon dokumentierten Aggressivität der Jugendlichen zugeordnet. Ich habe nicht bemerkt, dass ich jemanden angefahren oder überfahren haben sollte. Sofort nach meiner Rückkehr habe ich die Gendarmerie angerufen und wollte Strafanzeige gegen die Jugendlichen erstatten, die mich kurz zuvor attackiert hatten. Dazu hätte wohl keine Veranlassung bestanden, wenn ich zuvor Fahrerflucht begangen habe. Auch aus den ergänzenden Einvernahmen lässt sich meine Verantwortung nicht entkräften. Der erhebende Beamte kann zur Wahrnehmbarkeit keine Angaben machen. Die Angaben der M A vor der Gendarmerie und im Verwaltungsstrafverfahren sind wieder nur Vermutungen ohne konkrete Anhaltspunkte. Ich beantrage neuerlich die Einstellung des Verfahrens und die Ausfolgung des Führerscheines."

 

In rechtlicher Hinsicht ist hiezu Folgendes anzuführen:

 

Gemäß § 24 Abs.1 Ziff. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen

 

Nach § 7 Abs.1 Ziff. 1 leg. cit. gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährdet.

 

Als bestimmte Tatsache gilt gemäß § 7 Abs.3 Ziff. 6 FSG insbesondere, wenn jemand es unterlassen hat, nach einem durch das Lenken eines Kraftfahrzeuges selbst verursachten Verkehrsunfall, bei dem eine Person verletzt wurde, sofort anzuhalten oder erforderliche Hilfe zu leisten oder herbeizuholen.

 

Im durchgeführten Verfahren blieben die Tatzeit, der Tatort und die Tatsache unbestritten, dass das gegenständliche Fahrzeug im Rückwärtsgang gelenkt wurde.

 

Wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, muss sich der Lenker beim Rückwärtsfahren von einer geeigneten Person einweisen lassen. Hiedurch soll die Verletzung von Personen oder die Beschädigung von Sachen ausgeschlossen werden. Dieses Manöver erfordert grundsätzlich besondere Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme, insbesondere wenn andere Verkehrsteilnehmer vorhanden sind. Wie die Vorstellungswerberin angab, handelte es sich bei dem von ihr gelenkten Fahrzeug um einen "geschlossenen VW-Bus". Weiters war ihr, wie sie bereits bei der Gendarmerie am 6.9.2004 angab, bekannt, dass sich bei ihrer Rückwärtsfahrt ca. 8 bis 10 Personen im Nahbereich des VW-Busses aufhielten (..."mein Bus wurde von ca. 8 bis 10 Personen attackiert. In einem solchen Fall wäre von einem Rückwärtsfahren vorerst überhaupt Abstand zu nehmen, da hier die Möglichkeit vorhanden war, den ca. 10 Meter entfernten Gendarmeriebeamten durch Abgabe von akustischen Warnzeichen um Hilfestellung zu ersuchen.

 

Für die Behörde besteht auch kein Zweifel daran, dass die Verletzung der M A durch den VW-Bus der Vorstellungswerberin beim gegenständlichen Vorfall (Verkehrsunfall mit Personenschaden) verursacht wurde. Schließlich begab sich der Gendarmeriebeamte über Ersuchen der Jugendlichen unmittelbar nach dem Unfall zur am Boden liegenden Verletzten und zog sofort den ebenfalls anwesenden Arzt Dr. K-S bei. Nach der Erstversorgung wurde die Verletzte mit der Rettung in das LKH-Steyr eingeliefert. Der Behörde liegt eine diesbezügliche Verletzungsanzeige (Verletzungsgrad: leicht) mit der Diagnose "Unterschenkelprellung re." vor.

 

Voraussetzung für die Anhalte- und Meldepflicht nach § 4 StVO 1960 ist als objektives Tatbestandsmerkmal der Eintritt wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätte kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles und einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte. VwGH 23.5.2002,2001/03/0417.

 

Im vorliegenden Fall liegt ein Verkehrsunfall mit Personenschaden vor. Der Vorstellungswerben'n hätten bei gehöriger Aufmerksamkeit objektive Umstände zu Bewusstsein kommen müssen, zumal ihr Fahrmanöver besondere Rücksichtnahme erforderte. Sowohl die Zeugin A als auch der Gendarmeriebeamte RI E sagten übereinstimmend aus, dass die Jugendlichen erst zu diesem Zeitpunkt, also nach dem Unfall, mit den Händen bzw. Fäusten auf das Fahrzeug der Angezeigten eingeschlagen bzw. gehämmert haben. Dies erfolgte offensichtlich zu dem Zweck, die Rechtsmittelwerberin zum Anhalten zu bewegen. Die Zeugin A sagte zusätzlich aus, dass von den umherstehenden Jugendlichen versucht wurde, die Vorstellungswerberin auch durch Schreien in das Fahrzeug auf den Unfall aufmerksam zu machen.

 

Der in der Vorstellung bereits geltend gemachte Notstand liegt ebenfalls nicht vor. Nach ständiger Rechtssprechung des VwGH ist unter Notstand gemäß § 6 VStG ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten zu verstehen, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begeht. Zum Wesen eines Notstandes gehört es somit, dass der Beschuldigte einer unmittelbaren drohenden Gefahr für das Leben, die Gesundheit, die Freiheit oder das Vermögen ausgesetzt ist und diese Gefahr zumutbarer Weise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung behoben werden kann. Auch die irrtümliche Annahme eines Notstandes kann entschuldigen, und zwar dann, wenn der Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Notstandes nicht auf Fahrlässigkeit beruhte, dem Beschuldigten also nicht vorwerfbar wäre. VwGH 15.11.2000,2000/03/0264. Wie bereits angeführt, befand sich im Nahbereich der Unfallstelle ein Gendarmeriebeamter und andere Einsatzkräfte.

 

Selbst wenn eine Gefahr für die Rechtmittelwerberin in diesem Sinne vorgelegen wäre, hätte sie dieser zumutbarer Weise in einer anderen Art (z.B. akustische Warnzeichen) begegnen müssen.

 

Unter dieser Betrachtung gelangte die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land zur Auffassung, dass hier die eingangs zitierte bestimmte Tatsache nach § 7 Abs.3 Ziff. 6 FSG vorliegt. Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist gemäß § 25 Abs.3 FSG eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen.

 

Bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit ist ein strenger Maßstab anzuwenden, wobei auch aus dem bisherigen Verhalten der zu Beurteilenden im Straßenverkehr die entsprechenden Schlüsse gezogen wurden. Hiebei ist auch die charakterliche Veranlagung der Betreffenden einer Prüfung und Beurteilung bzw. einer Wertung zu unterziehen. Es sind alle Handlungen der zu beurteilenden Person, die nach außen in Erscheinung treten und der Behörde zur Kenntnis gekommen sind, dahingehend zu analysieren und zu werten und ist hiebei eine Zukunftsprognose aufzustellen.

 

Die der Angezeigten zur Last gelegte Übertretung ist einerseits im hohen Maße als verwerflich anzusehen, nahm sie doch in Kauf, dass Personen durch ihr Verhalten gefährdet bzw. verletzt werden, andererseits trat sie vor dieser Angelegenheit und auch seit der Entziehung der Lenkberechtigung nicht nachteilig in Erscheinung. Hingegen konnten die in der Vorstellung angeführten wirtschaftlichen Nachteile nicht berücksichtigt werden. Derartige Nachteile können nicht mit der Gefährdung der Verkehrssicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer kompensiert werden.

 

Unter Abwägung aller Umstände und der im Sinne des § 7 Abs.4 FSG vorgeschriebenen Wertung gelangte die Behörde zur Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Mindestentzugsdauer gerade noch ausreicht.

 

Die nach Art. IV des Verkehrsrecht-Anpassungsgesetzes vorgesehene Verständigung erfolgte bisher noch nicht.

 

Somit war spruchgemäß zu entscheiden."

 

 

2. Dem tritt die Berufungswerberin mit ihrer fristgerecht durch ihre ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung wie folgt entgegen:

"Gegen den Bescheid vom 24.01.2005, zugestellt am 04.02.2005, erhebe ich durch meine Vertreter in offener Frist

B e r u f u n g

 

Der oben angeführte Bescheid wird seinem gesamten Umfang nach aus folgenden Gründen angefochten:

 

Der Entzug der Lenkberechtigung ist aus mehrfachen Gründen nicht gerechtfertigt.

 

a. Ich habe schon im ganzen Verfahren darauf verwiesen, dass ich bei dem Vorfall am 04.09.2004 von den Jugendlichen in einer Art und Weise angegangen und attackiert wurde, die wohl kaum mitteleuropäischen Verhältnissen entspricht. Vom erhebenden Gendarmeriebeamten wurde und wird das genauso abgetan wie von den Jugendlichen. Dabei ergeben sich schon aus dem Akt ganz konkrete Anhaltspunkte, wie ich hier attackiert wurde.

 

* Die Rampe und das anschließende Lagergebäude auf dem ehemaligen Bahnhofsgelände in Bad Hall ist von mir und meinem Ehegatten angemietet. Wir sind daher berechtigt anderen Personen zu sagen, dass sie sich auf diesem (Privat-)Grund nicht aufzuhalten haben. Das habe ich den Jungendlichen mitgeteilt. Die Reaktion darauf war, dass ich angepöbelt wurde.

 

* Beim anschließenden Rückfahrmanöver wurde auf mein Fahrzeug uriniert, Bier gegen das Fahrzeug geschüttet, gegen das Fahrzeug getreten und geschlagen, von einem Jugendlichen wurde ich bespuckt und insgesamt unflätig beschimpft. Das wird jetzt abgestritten. Dabei ergibt sich die Richtigkeit meiner Verantwortung schon aus den im Akt erliegenden Lichtbildern. Dort wird ausdrücklich festgehalten Scheibe, bespritzt mit Bier "leichte Eindellung unterhalb des Kennzeichens", "Kratzspuren an der rechten Schiebetüre". Wenn dann von der Zeugin behauptet wird "andere Maßnahmen meiner Freunde, wie Drohungen udgl. habe ich nicht wahrgenommen", dann kann das mit Beschönigung nur mehr schwer gerechtfertigt werden.

 

Insgesamt hätte daher im angefochtenen Bescheid darauf sehr wohl eingegangen werden müssen, weil das für die nachfolgende Beurteilung von Bedeutung ist.

 

b. In dieser Stresssituation wollte ich verständlicherweise vom ehemaligen Bahnhofsgelände möglichst rasch ausfahren. Die eine Ausfahrt war durch andere Fahrzeuge behindert, weshalb ich zurückschieben musste. Bevor ich zurückgeschoben habe, war ich hinter dem Fahrzeug und habe mich vergewissert, dass niemand unmittelbar hinter dem Fahrzeug steht (meine erste Niederschrift Beilage 21). Anschließend bin ich zurückgefahren. Während dieses Rückfahrmanövers haben mich die Jugendlichen wiederholt lautstark angepöbelt, das Fahrzeug neuerlich mit Bier angeschüttet und geschrieen.

 

C. Nach meiner festen Überzeugung habe ich bei diesem Rückfahrmanöver niemanden angefahren und verletzt, auch nicht M A. Sollte es dennoch zu einer Verletzung der A gekommen sein, war das für mich angesichts des Motorengeräusches und des Geschreis der Jugendlichen nicht erkennbar.

 

Erst bei Erkennbarkeit eines Personenschadens greifen die Verhaltenspflichten nach § 4
Abs.1 StVO. § 4 Abs.1 bestimmt keine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung. Subjektiv war ein Anstoß nicht erkennbar. Die einhellige Judikatur geht dahin, dass erst objektive Umstände wie Anstoßgeräusch, ruckartige Anstoßerschütterung udgl. zu Bewusstsein kommen müssen, aus denen die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles erkennbar wird (Messiner, StVO10, E 55 zu § 4). Solche Umstände waren erwiesenermaßen nie gegeben.

 

Damit entfällt die Strafbarkeit nach § 4 StVO und somit auch die Grundlage nach § 7 Abs. 1 Z 6 FSG.

 

d. Selbst wenn eine Übertretung nach § 4 angenommen werden sollte, ist im konkreten Fall ein Entzug der Lenkberechtigung nicht gerechtfertigt. Neben dem Delikt an sich ist auch eine Wertung vorzunehmen. Die Behörde geht selbst offenbar nur von einer fahrlässigen Begehung (des § 4 StVO) aus. Hier ist im Sinne der nach dem Gesetz vorzunehmenden Wertung ein Entzug der Lenkberechtigung (noch) nicht angebracht.

 

e. Der Entzug ist aber auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil das zeitliche Moment völlig unter den Tisch fällt. Die behauptete Übertretung war am 04.09.2004. Der Mandatsbescheid wurde Anfang Dezember 2004 zugestellt. Nach ständiger Rechtssprechung ist bei Zeitablauf" zwischen vorgeworfenen Verhalten und tatsächlichem Entzug der Verwaltungszweck, nämlich der Schutz der Allgemeinheit, weil ja Entzug keine Strafe ist, nicht mehr zu erfüllen. Ich habe mich vorher und nachher im Straßenverkehr immer wohl verhalten. Zur charakterlichen Festigung bedürfte es in diesem Fall keines Entzuges mehr.

 

Aus den genannten Gründen stelle ich

 

A n t r a g

 

der Berufung Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid aufzugeben, das Verfahren einzustellen und mir den Führerschein auszufolgen.

 

R T"

 

 

3. Der Verfahrensakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 Z1 AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war hier zwecks unmittelbarer Abklärung des im Ablauf und in der rechtlichen Wertung des strittigen Vorfalls geboten (§ 67d AVG).

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt. Diesem angeschlossen findet sich die unter GZ B/1583/04/Pla vom Gendarmerieposten Bad Hall gg. die Berufungswerberin erstattete Strafanzeige wg. Verdachtes der Körperverletzung. Ferner wurde Beweis erhoben durch Beischaffung eines maßstabsgetreuen Luftbildes aus dem System Doris, sowie durch die Einvernahme der Berufungswerberin und die Befragung der angeblich bei dem verfahrensgegenständlichen Vorfall durch die Berufungswerberin verletzte mj. M A, sowie die zeugenschaftliche Vernehmung des Gendarmeriebeamten RevInsp. E.

4. Zur Sache:

 

Angesichts des weitgehend unstrittigen Sachverhaltes kann auf dessen ausführliche Darstellung in der Bescheidbegründung der Behörde erster Instanz hingewiesen werden.

Faktum ist, dass die bisher nie in ihrem Verkehrsverhalten auffällig gewordene Berufungswerberin etwa fünfzehn Jugendliche an der in ihrem Eigentum befindlichen Laderampe antraf, wobei sie angesichts der bereits mehrfach in diesem Bereich aufgetretenen Sachbeschädigungen, diese Personen in wohl energischer und wenig freundlicher Weise wegzuweisen versuchte. Folglich kam es mit den etwa zur Hälfte aus männlichen Jugendlichen bestehenden Gruppe nicht nur zu verbalen Aggressionsgebärden, sondern auch zum Beschütten der Berufungswerberin und deren Fahrzeug mit Bier. Einer der Jugendlichen hat von der Laderampe aus auf das vor der Rampe abgestellt Fahrzeug der Berufungswerberin uriniert. Die Berufungswerberin warf in Folge dieser Interaktion die auf der Laderampe abgelegten Rücksäcke und Helme der Jugendlichen zu Boden. Ebenfalls erwiderte sie das gegen sie gerichtete Anschütten mit Bier.

Die Berufungsbehörde folgt in der subjektiven Darstellung und Einschätzung des Vorfalles der Berufungswerberin.

Sie konnte und musste daher die wilden Gebärden der männlichen Jugendlichen als Bedrohung ihrer Person empfinden. Dabei kann nicht übersehen werden, dass bei objektiver Beurteilung der Berufungswerberin die in einer Anzahl von fünfzehn Personen ihr gegenüber stehenden und wild gebärdenden Personen, die etwa zur Hälfte männlich waren, als bedrohliche Situation empfunden wurde widerfahren sein. Dieses Verhalten einer Frau gegenüber muss geradezu als demütigend und beschämend bezeichnet werden (Schütten mit Bier, urinieren gegen ihr Fahrzeug). Es ist daher durchaus begreiflich, dass die Berufungswerberin in einer Art panische Situation geraten sein mag als sie den Ort des Geschehens mehr oder weniger fluchtartig und allenfalls auch nicht unter Einhaltung der gebotenen Sorgfalt zu verlassen geneigt war.

Sie wollte vorerst das Gelände in Richtung der ca. 30 m weiter vorne liegenden Ausfahrt verlassen. Dort war der Zeuge RevInsp. E in einer Amtshandlung mit einem offenbar stark alkoholisierten Jugendlichen beschäftigt. Die Rettung und Notarzt waren in diesem Zusammenhang vor Ort, wobei von einem dieser Fahrzeuge die Ausfahrt blockiert wurde. Das die Berufungswerberin den dort anwesenden Gendarmeriebeamten nicht wahrnahm, scheint angesichts ihrer nachvollziehbaren Erregung durchaus glaubwürdig.

Sie musste daher zum Verlassen des Geländes in Richtung Rampe, zur fünfzig Meter nördlich gelegenen Ausfahrt, zurückschieben. Dabei musste sie an den mit ihr in Streit geratenen Jugendlichen vorbeifahren, welche sich zwischenzeitig um einem gegenüber der Rampe abgestellten Pkw scharten. Gemäß der Darstellung der mj. A sei sie daher zu knapp und in deren subjektiven Einschätzung auch zu schnell an diesem Fahrzeug vorbeigefahren, sodass es zur deren Streifung im Bereich des rechten Unterschenkels bzw. dessen Vorderseite gekommen sein soll.

Sie sei von irgend jemanden gerade noch zurückgerissen worden. Dieses behauptete Verletzungsbild ließe sich auf dem ersten Blick nur auf einem Kontakt mit dem Fahrzeugreifen herleiten. Die Fahrzeugkarosserie liegt jedenfalls über diesem Höhenniveau.

Diese Zeugin konnte den Ablauf wie es zum Fahrzeugkontakt und zu ihrer Verletzung gekommen sein soll nicht näher darstellen. Im Gegensatz zur Darstellung vor der Gendarmerie am 6.9.2004, konnte im Rahmen ihrer Befragung anlässlich der Berufungsverhandlung nicht der Eindruck gewonnen werden, dass die Berufungswerberin mit Vollgas zurückgefahren wäre. Vielmehr wurde diese Rückwärtsfahrt nur als ruckartig beschrieben. Auch die übrigen von der Gendarmerie einvernommenen Personen reden nicht vom Zurückfahren mit Vollgas. Frau S. W beschreibt dieses etwa mit 20 km/h. Dies scheint gänzlich unrealistisch und wurde auch vom etwa 30 m entfernt stehenden Gendarmeriebeamten in keiner Weise vergleichbar eingeschätzt. Wäre dies tatsächlich so gewesen hätte der hier mehrfach behauptete Fahrkontakt wohl zum Sturz von betroffenen Personen führen müssen. Als -unrichtig erweist sich H Foto die mit nur 10 Meter angegebene Entfernung des Zeugen E zum Vorfallsort. Vielmehr lag dieser etwa 30 m entfernt.

Diesbezügliche nähere Feststellungen und Würdigungen haben dem gerichtlichen Verfahren vorzubehalten bleiben.

Ob und wenn ja in welchem Umfang dadurch die zahlreich herumstehenden Jugendlichen zum Zurückweichen veranlasst wurden und/oder sie selbst durch das von der Berufungswerberin behauptete Eintreten auf das Fahrzeug mit diesem in Kontakt gerieten, konnte im Rahmen dieses Verfahrens nicht festgestellt werden bzw. war nicht festzustellen. Eine subjektiv selektive Wahrnehmungsneigung wird wohl auf beiden Seiten angenommen werden müssen. Festzustellen ist, dass ein Hintreten auf das Fahrzeug auch zwingend ein Zurückweichen von diesem mit sich bringt.

Faktum ist, dass laut den im Akt erliegenden Fotos deutliche Streifspuren am Fahrzeug ersichtlich sind, welche durchaus mit den unstrittigen Attacken seitens der Jugendlichen gegen das Fahrzeug in Einklang gebracht werden können. Auch deutliche Spuren einer Besudelung des Fahrzeuges im Bereich der rechten Windschutzscheibe sind evident.

 

4.1. Die Berufungsbehörde beurteilt daher abschließend den Ablauf dahingehend, dass ein bewusstes "Attackieren des Fahrzeuges" der Berufungswerberin durchaus als erwiesen gelten kann. Die Berufungswerberin umschrieb den Ablauf mit einem Ein- oder Hintreten auf ihr Fahrzeug. Ebenfalls seien Personen auf die Stoßstange gesprungen und hätten dadurch ihr Fahrzeug attackiert. Demnach kann durchwegs nicht ausgeschlossen werden, dass A im Gefolge dieser Vorgänge gegen das zurückschiebende Fahrzeug der Berufungswerberin gedrängt wurde. Ein Gedränge wird selbst von der A bestätigt, wenngleich sie dieses Vorgehen als einen Versuch das Fahrzeug zum Anhalten zu bringen gesehen haben wollte. Der behauptete Kontakt zwischen A und dem Fahrzeug der Berufungswerberin wird daher von der Berufungswerberin subjektiv tatsächlich nicht wahrgenommen worden sein. Ob dieser - falls er nicht als Teil des Attackierens empfunden werden musste - als "Unfallereignis" wahrgenommen werden hätte müssen kann hier ebenfalls dahingestellt bleiben bzw. muss der Beurteilung des Strafverfahrens überlassen bleiben.

Der diesen Vorgang aus etwa 30 m Entfernung wahrnehmende RevInsp. E vernahm zwei dumpfe Geräusche, was durchaus die Darstellung der Berufungswerberin betreffend das Attackieren ihres Fahrzeuges bestätigt.

Wenn sie diesen Vorgang schließlich unmittelbar danach bei der Gendarmerie telefonisch meldete, macht sie damit durchaus glaubhaft, dass sie sich zumindest nicht eines Unfalles mit Fahrerflucht schuldig fühlte.

Es ist daher im Rahmen dieses Verfahrens auch nicht zu beurteilen, ob es der Berufungswerberin in der aufgeheizten Situation überhaupt zumutbar gewesen wäre sich den Jugendlichen zu stellen und dabei allenfalls ihre körperliche Integrität zu riskieren.

Im Rahmen dieses Verfahrens gilt es zu beurteilen, ob die Bewertung der Vorgänge um die Berufungswerberin und deren nachfolgendes Fahrverhalten (Zurückschieben, angeblicher Kontakt mit dem Vorderfuss oder Unterschenkel, dessen Nichterkennung als Verkehrsunfall und Weiterfahrt) als eine Sinneshaltung zu werten ist welche die Verkehrszuverlässigkeit vorübergehend ausschließt.

 

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. erwogen:

 

5.1. Nach § 38 AVG ist die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden sind, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen.

Sie könnte aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Ein den Gegenstand der Wertung (Fahrerflucht) betreffendes Verfahren wurde von der Behörde erster Instanz wohl eingeleitet, ist aber noch nicht abgeschlossen. Daher scheint es im Sinne eines schnellen Zuganges zum Recht aber auch iS der Verfahrensökonomie zweckmäßig den Gegenstand der Vorfrage unmittelbar im Rahmen dieses Verfahrens zu klären. Dies einerseits weil auch für das Verwaltungsstrafverfahren Behördenidentität gegeben ist und die Wertung des denkbar als Fahrerflucht iSd § 4 StVO zu wertenden Verhaltens, jedenfalls unabhängig von einem allfälligen Schuldspruch zu treffen ist. Dies trifft letztlich auch für die noch ausstehende Gerichtsentscheidung zu, weil in diesem offenkundig über keine der in § 7 Abs.3 nachfolgenden Ziffern bestimmte Tatsache abgesprochen wird.

 

5.2. Gemäß § 7 Abs.1 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

  1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr ............... gefährden wird, oder
  2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer Handlungen schuldig machen wird.

Nach § 7 Abs.3 Z3 leg.cit. gilt als solche bestimmte Tatsache, wenn jemand

"als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, dass an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat;........."

Für die Wertung einer solchen in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

Als eine solche Tatsache vermag in dem hier festgestellten Verhaltensablauf nicht erblickt werden. Wie oben bereits dargestellt war der Berufungswerberin angesichts des unmittelbar vorher Erlebten und der subjektiven Einschätzung ein Anhalten kaum zumutbar. Sie musste in ihrer subjektiven Einschätzung durchaus mit Angriffen auf ihre körperliche Integrität rechnen. Sie wäre den Jugendlichen wohl unterlegen gewesen.

Der unmittelbar nachher getätigte Anruf belegt nicht zuletzt, dass sie keinesfalls geneigt war irgend etwas zu verschleiern.

 

5.2.1 Die Behörde erster Instanz würdigte und wertete das Verhalten der Berufungswerberin offenbar anders und folgte offenkundig mehr den subjektiven Einschätzungen der beteiligten Jugendlichen. Der Berufungsbehörde jedoch schien die Darstellung der Berufungswerberin glaubwürdiger und lebensnäher. Vor allem war auf ihre subjektive Situation und die daraus resultierende objektiv zu beurteilende Verhaltenserwartung Bedacht zu nehmen. Dies führt im Ergebnis zur Schlussfolgerung, dass auch von jeder anderen weiblichen Person im Ergebnis kein anderes Verhalten zu erwarten gewesen wäre, weil sehr wohl das Risiko einen körperlichen Schaden zu erleiden sehr naheliegend war.

 

5.3. Zur Frage der hier auch ausgesprochenen Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist auf die Judikatur des VwGH zu § 64 Abs.2 AVG zu verweisen. Die Behörde kann (hat!) einer Berufung die aufschiebende Wirkung immer dann ausschließen, wenn die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit zu entziehen ist und ihr die sofortige Vollstreckung im öffentlichen Wohl - hier der Verkehrssicherheit - geboten erscheint. Hinweis auf Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahren, 6. Auflage, Rz. 9a ff zu § 64 AVG (Seite 828 mwN).

 

5.3.1. Auf das Spannungsfeld des öffentlicher Interesses einen/eine verkehrsunzuverlässigen Lenker(in) möglichst rasch von der Verkehrsteilnahme auszuschließen einerseits und andererseits dem Betroffenen einen effektiven Rechtschutz zu öffnen, ist dem behördlichen Ermessen anheimgestellt, wenngleich in diesem Einzelfall mit der ohnedies sehr raschen Verfahrensdurchführung anstatt der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung dem Sachlichkeitsgebot besser Rechnung getragen werden hätte können.

So misst etwa der Verwaltungsgerichtshof eine seit der Tat verstrichene Zeit und dem Verhalten während dieser Zeit Bedeutung bei; dies weil es nicht angeht, die Entziehung für eine verhältnismäßig geringfügige pauschale Dauer auch noch lange Zeit nach der Begehung eines entsprechenden Delikts und trotz anschließendem Wohlverhalten zu verfügen, obwohl zu diesem Zeitpunkt von einer aktuellen Verkehrsunzuverlässigkeit der betreffenden Person nicht mehr gesprochen werden kann (VwSlg 15059 A/1998 mit Hinweis auf VwGH 25.8.1998, 97/11/0213 zum diesbezüglich gleichlautenden KFG);

Andererseits sieht der Verwaltungsgerichtshof es durchaus als zulässig, dass etwa ein Delikt iSd § 7 Abs.3 FSG 1997 die Entziehung der Lenkerberechtigung betreffend einer Person zulässt, wenn zwischen der Tat und der Einleitung des Entziehungsverfahrens nicht mehr als ein Jahr verstrichen ist (VwGH 17.12.1998, 98/11/0227).

 

Rechtsmittelbelehrung:

 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 
 

Dr. B l e i e r
 
Beschlagwortung:
Wertung Sinnesart und Tatsache

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