Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520959/15/Br/Sta

Linz, 03.07.2005

 

 

 VwSen-520959/15/Br/Sta Linz, am 3. Juli 2005

DVR.0690392
 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J, M, L, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 13. April 2005, Zl. FE-534/2004, nach der am 28.6.2005 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass der ausgesprochene Entzug und die Befristung behoben werden; dem Berufungswerber wird jedoch die Auflage erteilt, dass er für die Dauer eines Jahres, der Behörde erster Instanz alle drei Monate [beginnend mit 11.5.2005 bis 11.5.2006 - bei einer Toleranzfrist von einer Woche] unaufgefordert normwertige alkoholrelevante Laborparameter (Gamma-GT, MCV, CDT u. Cholinesterasen) vorzuweisen und sich binnen vier Wochen vor Ablauf dieser Frist einer ärztlichen Kontrolluntersuchung zu unterziehen.

(Spruchanpassung gegenüber dem verkündeten Bescheid iSd amtsärztlichen Gutachtens betr. Formulierung der Laborbefunde und "ärztliche Kontrolluntersuchung" anstatt amtsärztliche Kontrolluntersuchung).

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG, § 24 Abs.1 Z2 iVm § 3 Abs.1 Z3, § 5 Abs.5, § 8 Abs.1 und 2 Führerscheingesetz - FSG, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 129/2002 und
§ 14 Abs.5 FSG-GV, BGBl. II Nr. 322/1997 zuletzt geändert durch BGBl II Nr. 427/2002.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Behörde I. Instanz entzog mit dem o.a. Bescheid die dem Berufungswerber am 15.3.2002 zu F 1054/2002 für die Klassen B erteilte Lenkberechtigung ab 17.6.2005 mangels gesundheitlicher Eignung iSd § 24 Abs.1 FSG.

Die aufschiebende Wirkung wurde gestützt auf § 64 Abs.2 AVG aberkannt.

 

 

1.1. Begründend wurde Folgendes ausgeführt:

"Gem. § 24 Abs. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, diese unter anderem zu entziehen, wenn sie zum Lenken eines Kraftfahrzeuges gesundheitlich nicht geeignet sind.
 

Nach § 3 Abs. 1 FSG-Gesundheitsverordnung gilt zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse als gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften 1) die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt, 2) die nötige Körpergröße besitzt, 3) ausreichend frei von Behinderungen ist und 4) aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit verfügt.
 

Laut amtsärztlichem Gutachten vom 29.03.2005 sind Sie derzeit gesundheitlich nicht geeignet, KFZ zu lenken. Die mangelnde Eignung stützt sich auf das Ergebnis der verkehrspsychologischen Untersuchung, wonach die Befundlage zur Persönlichkeit eignungsausschließenden Charakter hat. Sie beschreiben eine Alkoholabstinenz seit dem letzten Führerscheinentzug, die jedoch nach Ausführungen des Verkehrspsychologen angesichts deutlicher Beschönigungstendenzen hinsichtlich des früheren Alkoholkonsums nicht glaubhaft ist. Darüber hinaus zeigten sich im objektiven Persönlichkeitsverfahrens nach wie vor deutliche Einschränkungen, die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für neuerliche Trunkenheitsfahrten nahe legen. Es zeigte sich vorwiegend eine spontane Verhaltenssteuerung und eine geringe soziale Konfliktbereitschaft, so dass ein leichtes Nachgeben gegenüber sozialen Trinkzwängen wahrscheinlich erscheint, insbesondere da sich auch deutliche Informationsdefizite bezüglich der Alkoholwirkung im Körper zeigen und das soziale Umfeld als hoch alkoholaffin erscheint. Darüber hinaus ist ein geringes Gefahrenbewusstsein für die Alkoholproblematik im Straßenverkehr und eine geringe Akzeptanz der Alkoholvorschriften beobachtbar. Der Verkehrspsychologe stellte zusammenfassend fest, dass eine hinreichend selbstkritische Auseinandersetzung mit den eigenen Alkoholkonsumgewohnheiten bisher nicht stattgefunden zu haben scheint. Eine stabile Einstellungs- und Verhaltensänderung kann daher noch nicht angenommen werden.
2 Nachschulungskurse haben offensichtlich ihre Wirkung verfehlt. Die daraus abzuleitende fehlende Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist nachvollziehbar und schlüssig begründet. Der Amtsarzt stützt sich zutreffend auf die verkehrspsychologische Untersuchung und das Gutachten kann daher der Entscheidung zugrunde gelegt werden.
 

Schließlich ist festzustellen, dass sie am 26.04.2004 ein Kraftfahrzeug lenkten, obwohl Ihnen der Führerschein am 16.04.2004 wegen Alkoholisierung im Straßenverkehr vorläufig abgenommen worden war. Auch dies ist ein Faktum, dass auf mangelnde Bereitschaft der Verkehrsanpassung hinweist.
 

Aus Gründen der öffentlichen Verkehrsicherheit war bei Gefahr im Verzug einer Berufung die aufschiebende Wirkung zu versagen."

 

 

2. Der Berufungswerber tritt dem mit nachfolgender Berufungsausführung entgegen:

"Ich erhebe hiermit innerhalb offener Frist Einspruch gegen den am 13.04.2005 erlassenen Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz, mit welchem mir die Lenkerberechtigung ab 17.06.2005 bis zur behördlichen Feststellung meiner gesundheitlichen Eignung entzogen wird und begründe dies wie folgt:

 

Als Begründung für den Entzug meiner Lenkerberechtigung wird u.a. unter Zugrundelegung des Ergebnisses der verkehrspsychologischen Untersuchung angegeben, dass ich bezüglich Alkoholabstinenz nicht glaubhaft sei, obwohl die vorgelegten Blutwertatteste das Gegenteil bescheinigen. Seit dem 26.04.2004 habe ich keinerlei alkoholische Getränke zu mir genommen. Eine neuerliche Trunkenheitsfahrt kann meinerseits ausgeschlossen werden. Des weiteren widerspreche ich den angeführten Punkten geringe soziale Konfliktbereitschaft, geringem Gefahrenbewusstsein über Alkoholproblematik im Straßenverkehr sowie dass zwei Nachschulungen offensichtlich ihre Wirkung verfehlt haben. Ich besuchte diese Nachschulungen mit dem nötigen Ernst der Lage und überlegte mir sehr wohl auch meinen schwerwiegenden begangenen Fehler. Jedoch bin ich mir sicher aus diesem gelernt zu haben, so dass es zu keiner Wiederholung kommen kann. Die Annahme, dass mein soziales Umfeld als hoch alkoholaffin erscheint, weise ich entschieden zurück, da weder in meinem Familienkreis noch im Kreise meiner Arbeitskollegen Alkohol im bedenklichen Ausmaß konsumiert wird. Bekräftigen möchte ich dieses Argument weiters damit, dass bei der Tätigkeitsverrichtung bei meinem Dienstgeber absolutes Alkoholverbot herrscht. Die Feststellung der mangelnden Bereitschaft der Verkehrsanpassung auf Grund des Vorfalles vom 26.04.2004 bezieht sich auf einen Zeitpunkt vor Absolvierung meiner Nachschulungen und ist aus meiner Sicht auf Grund der mangelnden Aktualität nicht mehr argumentationstauglich. Da ich aus beruflichen Gründen für meine Tätigkeit als Zusteller vor allem auf meine Lenkerberechtigung angewiesen bin, trifft mich der bisherige Entzug bereits sehr hart. Ich möchte noch einmal deutlich hervorheben, dass ich aus dieser Situation gestärkt hervortreten werde und dass sich aufgrund der mir zwischenzeitlich entstandenen beruflichen Nachteile bzw. finanziellen Einbußen meine Einstellung zum Thema Alkohol grundlegend geändert hat, so dass derartige Vorkommnisse aus meiner Sicht ausgeschlossen werden können. Aus den vorangeführten Gründen stelle ich den Antrag, die mir entzogene Lenkerberechtigung mit 17.06.2005 wieder auszufolgen. Die im Bescheid angeführten Maßnahmen für den Nachweis meiner gesundheitlichen Eignung würde ich jedenfalls akzeptieren."

 

 

3. Der Berufungsakt wurde von der Behörde I. Instanz dem Oö. Verwaltungssenat vorgelegt. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. ist durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 67a Abs.1 2.Absatz AVG).

Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien hier zwecks unmittelbarer Abklärung divergierender Gutachtensstandpunkte iSd der Wahrung der durch Art. 6 Abs.1 EMRK intendierten Rechte geboten (§ 67d Abs.1 AVG).

 

 

3.1. Der Berufungswerber legte im Zuge der mit h. Schreiben erfolgten Manuduktion vom 6. Mai 2005 eine positive verkehrspsychologische Stellungnahme vor. Diese wurde angesichts der Verweigerung der Mitwirkung von Gutachtensergänzungen durch die Amtsärzteschaft der Bundespolizeidirektion Linz im Berufungsverfahren der Sanitätsdirektion mit dem Ersuchen um Beurteilung der gesundheitlichen Eignung im Lichte der vorgelegten positiven verkehrspsychologischen Stellungnahme übermittelt.

Ebenfalls wurden auch aktuelle normwertige Laborbefunde insb. der CD-Tect-Wert vom März 2005 der Amtsärztin übermittelt.

Der Berufungswerber wurde über den h. Auftrag zur Erstattung eines Endgutachtens kurzfristig zur Sanitätsdirektion zu einer amtsärztlichen Untersuchung geladen. Die Notwendigkeit einer Zuweisung zu einer psychiatrischen Untersuchung wurde angesichts der auf die Vorgeschichte gestützten fachlichen Annahme eines bestandenen Alkoholmissbrauchsverhaltens von der Amtsärztin wohl im Sinne einer raschen Verfahrensabwicklung selbst wahrgenommen.

Der Berufungswerber befolgte diese Anordnung und unterzog sich am 24.6.2005 einer Untersuchung beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S.

Im Rahmen der Berufungsverhandlung am 29. Juni 2005 erstattete die Amtsärztin als medizinische Sachverständige das Endgutachten unter Einbeziehung der oben angeführten fahreignungsspezifischen fachlichen Stellungnahmen.

Der Berufungswerber nahm persönlich an der Berufungsverhandlung teil. Der Vertreter der Behörde erster Instanz entschuldigte sich hinsichtlich seiner Nichtteilnahme unter Hinweis auf dienstliche Unabkömmlichkeit.

 

 

4.1. Anlass für dieses Verfahren war eine Alkofahrt des Berufungswerbers in der ersten Jahreshälfte 2004 mit einem Atemalkoholgehalt von über 1,27 mg/l. Ebenfalls kam es bereits im Jahr 2000 zu einem einen viermonatigen Entzug nach sich ziehenden Alkoverfahren. Es wurde zuletzt einer auf § 7 Abs.1, 3 u. 4 FSG gestützter 14-monatiger Entzug - bis zum 16.6.2005 - ausgesprochen.

Die dem erstinstanzlichen Verfahren zu Grunde liegende verkehrspsychologische Stellungnahme ging trotz einer ausreichend gegebenen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit von einer Nichteignung aus, weil - sinngemäß zusammenfassend - sich der Berufungswerber noch zuwenig kritisch mit den bisherigen (Alkohol-) Konsumgewohnheiten auseinander setzte. Ebenfalls wurde ihm darin ein geringes Gefahrenbewusstsein betreffend Alkohol im Straßenverkehr, sowie eine geringe Konfliktbereitschaft, die auf ein leichtes Nachgeben gegenüber sozialen Trinkzwängen attestiert. Die Wirkung der ebenfalls absolvierten Nachschulungsmaßnahme blieb in diesem negativen Gutachten (Stellungnahme) unerwähnt.

Zusammenfassend wurde der angefochtenen Entscheidung eine bestehende Alkoholaffinität des Berufungswerbers zu Grunde gelegt.

Demgegenüber konnten in der vom Berufungswerber im Rahmen des Berufungsverfahrens vorgelegten verkehrspsychologischen Stellungnahme v. 30.5.2005, Dr. S, im Ergebnis keine Verhaltensmuster, welche mit verkehrsauffälligem Verhalten, konkret mit mangelnder Bereitschaft zur Verkehrsanpassung in Verbindung gebracht werden könnten, festgestellt werden. Es wurde aus verkehrspsychologisch gutachterlicher Sichtweise die uneingeschränkte Eignung zum Lenker von Fahrzeugen der Klasse des Berufungswerbers angenommen.

Auch dieses Ergebnis ergänzt mit normwertigen alkohlspezifischen Laborparametern erschien der Amtsärztin, insbesondere mit Blick auf die hochgradige Alkofahrt über eine längere Strecke zur Zeit eines hohen Verkehrsaufkommens in der Stadt, für ein Endgutachten zur Feststellung der Fahreignung noch nicht ausreichend. Der Berufungswerber war zwecks Abklärung eines zurückliegenden Alkoholmissbrauchsverhaltens und allenfalls einer bestehenden Alkoholabhängigkeit einer fachärztlichen psychiatrischen Untersuchung zuzuweisen.

Zusammenfassend beurteilte der Facharzt f. Psychiatrie Dr. S den Berufungswerber unter Annahme einer glaubhaften Alkoholabstinenz als zur Verkehrsteilnahme bedingt geeignet. Eine Alkoholabhängigkeit könne nicht festgestellt werden, wenngleich auf die Annahme einer erhöhten Alkoholtoleranz nach einer Trunkenheitsfahrt mit 2,5 Promillen geschlossen werden könne. Die weitere Vorlage alkoholspezifischer Parameter in Abständen von drei bis vier Monaten für die Dauer eines weiteren Jahres wurde vorgeschlagen.

Die Amtsärztin schließt sich diesem Kalkül in ihrem nach einer am Patienten vorgenommenen Befunderhebung und schriftlich ausgefertigten und im Rahmen der Berufungsverhandlung mündlich erörterten Gutachten an, wobei die Empfehlung der begleitenden Kontrolle durch Vorlage von Leberfunktionsproben und einer Kontrolluntersuchung angeregt wurde.

 

Eine bloß befristete Eignung lässt sich jedoch aus dem amtsärztlichen Gutachten sachlich nicht nachvollziehen. Bei der Frage handelt es sich hier um eine Sache der rechtlichen Beurteilung. Die Vorlage einer fachärztlichen Stellungnahme nach einem Jahr wurde seitens der Amtsärztin im Rahmen der Gutachtenserörterung durch die Vorlage einer ärztlichen Kontrolluntersuchung als ausreichend erachtet.

Dieser im Rahmen des Berufungsverfahrens beigeschafften Beweislage folgt der Unabhängige Verwaltungssenat. Damit wurden die an sich schon glaubwürdig erscheinenden Angaben des Berufungswerbers im Hinblick auf seine Einstellungsänderung zum Alkohol auch fachlich, insbesondere durch das psychiatrische und amtsärztliche Gutachten untermauert. Seiner Berufung kommt daher im grundsätzlichem Umfang Berechtigung zu.

 

 

4.1.1. Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass bei einer in einer Prognose reduzierten Entscheidungsgrundlage immer ein Spannungsfeld zum freien menschlichen Willen und damit zu Grund- und Menschenrechten steht.

Endgültige Schlussfolgerungen über ein zukünftiges Verhalten so wie dies etwa sehr verkürzt in der verkehrspsychologischen Stellungnahme vom 21.3.2005 geschehen ist, werden wohl immer problematisch bleiben. Die etwa auf einer A4-Seite untergebrachte Exploration lässt wohl kaum den Willen eines Menschen ergründen und macht seine Verhaltensneigung wohl kaum wirklich vorhersehbar. Allenfalls statistische Faktoren lassen sich kaum auf den Einzelfall reduzieren.

Beim Berufungswerber wurde in fachlich zumindest nicht widerlegbarer Weise eine damals erhöhte Alkoholaffinität festgestellt. Dies rechtfertigt daher die hier erteilten Auflagen als sachlich berechtigt und im Sinne der Erhaltung und weiteren Festigung der Eignung geboten. Nicht übersehen wird hier die Problematik, der auf wohl gruppenstatistischen Erfahrungen und Annahmen einer Trunkenheitsproblematik bei einer über 1,6 Promille liegenden Alkofahrt, gestützten sogenannten 1,6 Promille-Dogmas. In der Literatur finden sich dazu kritische Meinungen (Wittkowski/Seitz, Praxis der Verkehrspsychologischen Eigungsbegutachtung, S. 40ff, mit Hinweis auf Weinand 1994, S. 38ff u.a.).

Der von der Amtsärztin gemachte Hinweis auf die sogenannten ICD-10 Kriterien gilt aber in der Literatur, soweit diese überblickbar ist - etwa auch A. S - als unstrittig. Diese Kriterien stellen auf das Vorliegen von sechs Parameter ab, wobei für die "sichere" Diagnose einer Abhängigkeit von Suchtmittel irgendwann während des letzten Jahres drei oder mehr dieser Kriterien zutrafen (K F, Psychiatrische Begutachtung, S 207 ff). Davon wird laut den Gutachtern beim Berufungswerber ausgegangen werden können.

Die Notwendigkeit einer stabilen Änderung des Trinkverhaltens, welches nur durch normalisierte Laborbefunde glaubhaft gemacht werden kann, ist evident.

Die Ansichten der Probanden über die Ursachen ihres Alkoholkonsums, ihre Einordnung des eigenen Trinkverhaltens und ihre langfristigen Pläne hinsichtlich des Substanz- oder Alkoholgebrauchs sind aufschlussreich, denn hier müssen für die Begutachtung relevanten Einstellungen und Inhalte frei formuliert werden. Da gemäß einschlägiger Studien zu den Rückfallsraten bei Alkoholabhängigkeit (Alkoholaffinität) erheblich schwanken, ist die Einschätzung der Risikoeignung im Einzelfall letztendlich immer auf das Vertrauen in die Willenskraft des Probanden und auf die rechtlich zu tolerierende Gefahr die letztendlich in irgendeiner Form von jedem Verkehrsteilnehmer ausgeht, angewiesen.

Seinen guten Willen hat der Berufungswerber in diesem Verfahren und vor wohl auch bei den ihn begutachtenden Experten nachhaltig dargelegt. Die in seiner Person liegende Problematik ist ihm bekannt und er bekannte sich auch dazu gegenüber den Gutachtern und zuletzt im Rahmen der Berufungsverhandlung.

Daher geht der unabhängige Verwaltungssenat davon aus, dass der Berufungswerber künftighin wegen der ihm vorläufig auferlegten Abstinenz nicht in die Lage gelangen wird Trinken und Fahren trennen zu müssen. Letzteres Anforderungsprofil trifft für jeden Fahrzeuglenker zu, wobei die empirischen Fakten vom legistischen Idealbild abweichen.

 

 

4.2. Mit Blick auf die nunmehr vorliegende Faktenlage und keines sachlichen Grundes zur Annahme etwa einer rückschreitenden Eignungsvoraussetzung ausgehen zu müssen, erweist sich eine Befristung der Lenkberechtigung sachlich nicht erforderlich.

Sehr wohl als sachgerecht kann jedoch die Empfehlung der Vorlage von alkoholspezifischen Laborparametern alle drei Monate für die Dauer eines Jahres erachtet werden. Darin kann ein Motivationsfaktor zu einer noch weiteren Festigung eines verkehrsrelevanten Abstinenzverhaltens erblickt und es können diese somit als sachgerecht gewertet werden. Auch der gutachterlichen Empfehlung der Überprüfung des "Istzustandes" nach einem Jahr durch eine Kontrolluntersuchung kann - gestützt auf das amtsärztliche Gutachten - ebenfalls als im Sinne der gesetzlichen Intention noch sachlich als vertretbar erachtet werden. Die Amtsärztin gelangte im Rahmen der Erörterung ihres Gutachtens zu Ansicht, dass es nach einem Jahr keiner psychiatrischen Untersuchung bedürfe, sondern auch mit einer ärztlichen Kontrolluntersuchung das Auslangen gefunden werden könne.

 

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

  1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
  2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen.

Nach § 5 Abs.5 FSG ist die Lenkberechtigung, soweit dies auf Grund des ärztlichen Gutachtens oder wegen der Art der Lenkberechtigung nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter den entsprechenden Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen (§ 8 Abs. 3 Z 2).

Die hier ausgesprochene Befristung scheint daher auf Grund der durchaus intakten Zukunftsprognose sachlich nicht geboten. Auf Grund des amtsärztlichen Gutachtens ist die gesundheitliche Eignung derzeit gegeben, sodass eine zusätzliche Befristung auf das Ergebnis eines Entzuges auf bloßen Verdacht in Form einer Unterstellung einer möglichen gesundheitlichen Nichteignung nach einem Jahr hinauslaufen würde.

Eine derart weit vorgreifende, eines medizinischen Indizes entbehrende Maßnahme, ist daher mit Blick auf das Sachlichkeitsgebot nicht gerechtfertigt. Dem kann auch nicht damit Sachgerechtigkeit zuerkannt werden, wenn die Amtsärztin gleichsam durchblicken ließ, dass diese Gefahr einer Alkoholaffinität immanent sei.

 

 

5.2. Angesichts der bestandenen und seit gut einem Jahr als überwunden anzunehmenden Alkoholaffinität reicht es aus, die Abstinenz weiterhin mit einer positiven Verlaufsprognose noch für ein Jahr zu kontrollieren (vgl. VwGH 18.3.2003, 2002/11/0254, mit Hinweis auf VwGH 24. April 2001, Zl. 2000/11/0337, sowie auf VwGH 28. Juni 2001, Zl. 99/11/0243, jeweils mwN). Diese Annahme ist auf das psychiatrische Gutachten Dr. S vom 24.6.2005 und das amtsärztliche Gutachten vom 28.6.2005 zu stützen.

Beschränkungen und auch Auflagen haben - wie ebenfalls oben schon erwähnt - dem sich aus der Rechtsordnung ableitenden Grundsatz des Verhältnismäßigkeits- und Übermaßverbotes standzuhalten (vgl. etwa HIMMELREICH/JANKER, MPU-Begutachtung, 2. Auflage, insb. Rn 147 ff).

Verläuft das Ergebnis positiv, d.h. ändert sich an den Parametern nichts zum Negativen, wird - ohne damit allenfalls sich in der Zukunft dennoch herausstellender anderer medizinisch relevanten Aspekten vorzugreifen - bestätigt damit der Berufungswerber "Fahren und einen allfälligen Konsum von Alkohol" in einer für jedermann geltenden Weise trennen zu können und folglich die Berechtigung uneingeschränkt zu belassen. Der § 14 Abs. 5 FSG-GV bietet keine Grundlage eine Lenkberechtigung quasi prophylaktisch zu befristen (VwGH 23.1.2001, 2000/11/0258).

Unabhängig von den obigen Betrachtungen sollten nicht zuletzt auch verwaltungsökonomische Aspekte, als ein in jüngster Zeit zunehmend erklärtes Staatsziel, gegen eine bloß "routinemäßig" anempfohlene, inhaltlich jedoch nicht mehr nachvollziehbare Befristung von Lenkberechtigungen verbunden mit verwaltungsaufwändigen Auflagen, in die rechtsgestaltenden behördlichen Entscheidungsfindungen stärker einbezogen werden. In diesem Sinne lassen sich auch die o.a. Entscheidungen des VwGH interpretieren (insb. VwGH 4.3.2002, 2001/11/0266).

Aspekte der sogenannten Grenznutzen und Grenzkosten mögen ebenfalls einen illustrativen Ansatz für vertiefte Überlegungen über die Zweckerreichung von Auflagen denen noch greifbare Substanz im Sinne der Verkehrssicherheit zugeordnet werden kann, bilden.

Die schon bisher bestehende Auflage zum Tragen einer Brille war nicht Berufungsgegenstand und bleibt daher vom h. Bescheid unberührt. Die vor einem Jahr erfolgte "Schwarzfahrt" ist nach nunmehr über einem Jahr für die Frage der Verkehrszuverlässigkeit einerseits unbeachtlich und für die Frage der hier zu beurteilenden gesundheitlichen Eignung ohne Belang.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180  Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 
 

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