Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-521088/6/Ki/Da

Linz, 14.10.2005

VwSen-521088/6/Ki/Da Linz, am 14. Oktober 2005

DVR.0690392

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Herrn F S, R, S, vom 29.8.2005, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 22.8.2005, VerkR20-1181-2005, betreffend Einschränkung der Lenkberechtigung nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 12.10.2005 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben, der angefochtene Bescheid wird mit der Maßgabe bestätigt, dass die erteilte Auflage (104) wie folgt konkretisiert wird:

  1. Herr S hat sich in Abständen von jeweils 4 Wochen, beginnend ab Zustellung des Berufungsbescheides, einer nervenfachärztlichen Kontrolluntersuchung zu unterziehen.
  2. Weiters hat Herr S nach Ablauf eines Jahres ab Zustellung des Berufungsbescheides und in der Folge jeweils nach Ablauf eines weiteren Jahres der zuständigen Führerscheinbehörde (derzeit Bezirkshauptmannschaft Freistadt) einen Nachweis über die durchgeführten Kontrolluntersuchungen sowie eine nervenfachärztliche Stellungnahme, welche einen kurzen Verlaufsbericht sowie eine Aussage, ob sich für die Fahreignung relevante Änderungen ergeben haben, zu beinhalten hat, vorzulegen.

Das neben dem Code 104 in Klammer gesetzte Datum hat zu entfallen.

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG iVm §§ 3 Abs.1 Z3 und 24 Abs.1 FSG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde Herrn F S die Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C, E, F (ausgestellt alle Klassen am 21.7.1987) durch die Auflage, es sei alle Jahre die Vorlage einer nervenfachärztlichen Bestätigung mit Nachweis regelmäßiger fachärztlicher Kontrollen alle 4 Wochen, kurzem Verlaufsbericht und Aussage, ob sich für die Fahreignung relevante Änderungen ergeben haben, vorzulegen.

Die Erstbehörde stützt diese Entscheidung auf ein amtsärztliches Gutachten vom 19.7.2005. Dieses amtsärztliche Gutachten berücksichtigt seinerseits eine psychiatrische Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Prim. i.R. Dr. W P vom 23.6.2005 bzw. eine ergänzende psychiatrische Stellungnahme des genannten Facharztes vom 15.7.2005.

2. Dagegen hat Herr S am 29.8.2005 Berufung erhoben, dies mit der Begründung, er sei gesund, habe keine Probleme und er spreche sich gegen den Bescheid aus.

Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt, dieser hatte durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 12.10.2005. Bei dieser Berufungsverhandlung wurde Herr S einvernommen und es wurden im Beisein der Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, Frau Dr. G H, das amtsärztliche Gutachten sowie die psychiatrischen Stellungnahmen erörtert.

Ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Freistadt ist trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne Angabe von Gründen nicht zur Verhandlung erschienen.

4. Laut amtsärztlichem Gutachten vom 19.7.2005 ist Herr S zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A, B, C, E und F zwar geeignet, vorgeschlagen wurde jedoch eine jährliche Kontrolluntersuchung sowie die Vorlage einer nervenfachärztlichen Bestätigung mit Nachweis regelmäßiger fachärztlicher Kontrollen (alle vier Wochen), kurzem Verlaufsbericht und Aussage, ob sich für die Fahreignung relevante Änderungen ergeben haben.

Die Amtsärztin begründete die vorgeschlagene Maßnahme wie folgt:

"Bei Herrn S besteht eine manisch - depressive Mischpsychose.

Lt. vorliegender nervenfachärztlicher Stellungnahme inkl. Ergänzung des Herrn Prim. i. R Dr. P, ist Herr S nun schon über 3 Jahre durchgehend frei von Symptomen seiner Erkrankung, dies auch nach Absetzen der Medikation und er sei lt. Herrn Prim. i. R. Dr. W. P wie auch schon vorher ein verkehrsunauffälliger Lenker gewesen. Die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen scheinen weiterhin ausreichend gegeben. Herr Dr. P beurteilt Herrn S bei gegebener Befundsituation als geeignet zum Lenken von Kfz der von ihm erworbenen Führerscheinklassen und verweist auf Rechtsmittelentscheidungen des VwGH, dass eine im Einzelfall konkret medizinisch begründbare Gefahr einer verkehrsrelevanten Verschlechterung innerhalb einer absehbaren Zeit anzunehmen sein muss um eine Führerscheinbefristung auszusprechen. Bei Herrn S habe sich die Erkrankung stabilisiert und eine Befristung sei daher unzulässig.

Nachdem bekannt ist, dass bei einer schizoaffektiven Erkrankung bei 80% der Patienten ein schubhafter Erkrankungsverlauf mit unterschiedlichem Remissionsniveau sich zeige, wurde Herr Dr. P ergänzend befragt, ob er bei Herrn S die Erfordernis fachärztlicher Kontrollen sehe.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 15.07.2005 bestätigt Herr Dr. P aus, dass langfristig die Gefahr von Rückfällen bestehe, insbesondere bei Herrn S deshalb, da er keine medikamentöse Prophylaxe mehr habe und auch keine mehr möchte. Herr Dr. P führt dabei aus, dass als Bedingung für die Fahrerlaubnis sollte in geeigneter Weise für eine Weiterführung der Facharztkontrollen gesorgt werden und jährlich sollte eine Facharztbestätigung der Behörde vorgelegt werden, die als Mindestanforderung die Aussage enthalten sollte, ob sich für die Lenkerberechtigung relevante Änderungen im Krankheitsverlauf ergeben haben."

Diesem amtsärztlichen Gutachten liegt eine psychiatrische Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. W P vom 23.6.2005 (ergänzt am 15.7.2005) zu Grunde. Der Facharzt attestiert Herrn S, dass er derzeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Es sei bei ihm vor über acht Jahren erstmals eine Phase einer schizoaffektiven Erkrankung aufgetreten, er sei aber in den ersten vier Jahren während noch auftretender Krankheitsepisoden nie verkehrsgefährdend oder sonst verantwortungslos mit seinen Fahrzeugen unterwegs gewesen und seit vier Jahren symptomfrei geblieben. Die Erkrankung habe sich somit stabilisiert, er sei symptomfrei und mit anderen Worten völlig und ohne Restsymptomatik remittiert.

Langfristig bestehe statistisch gesehen natürlich die Gefahr von Rückfällen, insbesondere auch deswegen, weil Herr S auch keine medikamentöse Prophylaxe mehr möchte. Herr S sei trotz chronischer Erklärungen, dass auch bei langer Phasenfreiheit die Möglichkeit zu Rückfällen als gesundheitliche Schwachstelle immer bestehen bleibe, der Überzeugung, er sei ausgeheilt.

Als Bedingung für die Fahrerlaubnis sollte daher in geeigneter Weise für eine Weiterführung der Facharztkontakte gesorgt werden. Wünschenswert und ausreichend wären vorzuschreibende Kontakte in drei- bis vierwöchigen Abständen, wobei in einjährigen Abständen eine Facharztbestätigung der Behörde vorzulegen wäre, welche als Mindestinformation enthalten sollte, ob sich für die Lenkberechtigung relevante Änderungen im Krankheitsverlauf ergeben haben.

Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung bestätigte Herr S, dass er im Jahre 1999 wegen einer diagnostizierten schizophrenen affektiven Psychose stationär im Wagner-Jauregg-Krankenhaus gewesen sei und dass er wegen dieser Erkrankung auch zu einem späteren Zeitpunkt, jeweils ca. zwei Monate, stationär in diesem Krankhaus war. Er habe sich dann in psychiatrische Behandlung begeben.

Ausdrücklich vertritt er die Auffassung, dass er nunmehr gesund sei und er weder eine weitere psychiatrische Behandlung noch eine Einnahme von entsprechenden Medikamenten nötig hätte, weshalb ihm die Lenkberechtigung ohne irgendeine Einschränkung erteilt werden müsse.

Es hätten familiäre Probleme zum Auftreten der Erkrankung geführt, nunmehr habe er eine feste Beziehung, er strebe den Erwerb der Matura an und besuche auch eine Musikschule, er fühle sich ganz gesund.

In der Folge wurden das Gutachten der Amtsärztin sowie die psychiatrischen Stellungnahmen erörtert und es erklärte die Amtsärztin dazu, dass, wenn Herr S wie derzeit symptom- und phasenfrei ist, keine zwingende Erfordernis einer aktuellen Medikamenteneinnahme bestehe. Es wäre jedoch günstig, wenn er zur Verhinderung von Rückfällen bzw. neuen Schüben Medikamente einnehmen würde. Nachdem er offensichtlich nicht bereit ist, Medikamente einzunehmen, wäre es um so wichtiger, eine fachärztliche Verlaufskontrolle durchzuführen, damit im Falle einer allfälligen Verschlechterung sofort reagiert werden könne.

Die Amtsärztin erklärte weiters, dass es im Falle eines Auftretens von Schüben zu einer Realitätsverkennung, zu Denkstörungen, Konzentrationsstörungen, Affektstörungen oder Antriebstörungen udgl. kommen könne, welche zu einer Beeinträchtigung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit führen könnten. Auszuschließen sei auch nicht, dass letztlich ein chronischer Verlauf eintritt, der ebenfalls mit neurokognitiven Defiziten verbunden sein könnte. All diese Umstände würden auch eine Beeinträchtigung seines Fahrverhaltens erwarten lassen.

Im Rahmen der freien Beweiswürdigung gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Auffassung, dass sowohl das Gutachten einschließlich der im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung gegebenen Erläuterungen der Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Freistadt als auch die dem amtsärztlichen Gutachten zu Grunde liegenden psychiatrischen Stellungnahmen des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie, Dr. W P, schlüssig sind und nicht den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen widersprechen. Es bestehen sohin keine Bedenken, diese Gutachten bzw. Stellungnahmen der Berufungsentscheidung zu Grunde zu legen.

Es mag zutreffen, dass Herr S sich aus subjektiver Sicht als gesund erachtet und er vermeint, er habe keine weitere Verlaufskontrolle bzw. Medikamenteneinnahme nötig. Dem widersprechen jedoch die vorliegenden Gutachten, wonach nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Erkrankung wieder auftreten könnte bzw. dass durch dieses Wiederauftreten der Erkrankung Beeinträchtigungen im Hinblick auf das Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sein könnten.

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

Gemäß § 3 Abs.1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken.

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

  1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
  2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.

Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs.2 in den Führerschein einzutragen.

Unbestritten ist bei Herrn S eine psychische Erkrankung aufgetreten.

Gemäß § 13 Abs.1 FSG-GV gelten als ausreichend frei von psychischen Krankheiten Personen, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen mitbeurteilt.

Im gegenständlichen Falle kann davon ausgegangen werden, dass derzeit bei Herrn S eine gesundheitliche Beeinträchtigung, welche seine Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließen würde, nicht gegeben ist. Andererseits kann konkret in Anbetracht der festgestellten manisch depressiven Mischpsychose auch wenn über Jahre keine Symptome auftreten nicht ausgeschlossen werden, dass Rückfälle bzw. neue Schübe jederzeit auftreten könnten. Dies im konkreten Falle insbesondere auch deshalb, als Herr S offensichtlich nicht bereit ist, entsprechende Medikamente im Zusammenhang mit seiner Grunderkrankung einzunehmen. Ein Rückfall bzw. ein neuer Schub könnte, wie die Amtsärztin schlüssig darlegen konnte, sich auch negativ auf die Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen auswirken. Es ist daher unabdingbar, dass der Krankheitsverlauf des Herrn S regelmäßig kontrolliert und in entsprechenden Abständen der Behörde zur Kenntnis gebracht wird, wobei die tatsächlich konkrete Vorschreibung entsprechend dem Vorschlag des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie erfolgte. Im Interesse der Verkehrssicherheit war daher die gegenständliche Auflage vorzuschreiben.

Der Berufungswerber wird darauf hingewiesen, dass, sollte noch keine entsprechende Eintragung der Auflage im Führerschein erfolgt sein, er diesen unverzüglich nach Zustellung dieser Berufungsentscheidung der Behörde (BH Freistadt) zwecks Eintragung vorzulegen hat. Weiters wird darauf hingewiesen, dass es dem Berufungswerber natürlich frei steht, zu gegebener Zeit einen entsprechenden Nachweis über seinen Gesundheitszustand zu erbringen, welcher allenfalls eine Aufhebung der Auflage bewirken könnte, dieser Nachweis wäre wiederum bei der Behörde erster Instanz zu erbringen.

Zum weiteren Vorbringen des Berufungswerbers in Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren wird festgehalten, dass diese Punkte nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens sind. Gegenstand dieses Verfahrens war ausschließlich die Frage der gesundheitlichen Eignung des Herrn S zum Lenken von Kraftfahrzeugen.

6. Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung im gegenständlichen Fall mit 13 Euro zu vergebühren ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. K i s c h

Beschlagwortung:

Schizoaffektive Erkrankungen - Verlaufskontrolle durch Facharzt grundsätzlich geboten;

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum