Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521109/2/Bi/Be

Linz, 04.10.2005

 

 

 

VwSen-521109/2/Bi/Be Linz, am 4. Oktober 2005

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn P P, vertreten durch RA Dr. J P, vom 17. September 2005 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 9. August 2005, VerkR21-515-2005/BR, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, Lenkverbot und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) die von der BH Braunau/Inn am 30. November 1994, VerkR-0301/405/1993, für die Klassen A und B erteilte Lenkberechtigung gemäß §§ 7 Abs.1 Z2 und Abs.3 Z3 und 10, 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 und 3 und 32 Abs.1 FSG für die Dauer von drei Monaten bis einschließlich 27. November 2005 entzogen und gleichzeitig das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen für den selben Zeitraum verboten. Weiters wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung einer gegen den Bescheid eingebrachten Berufung ausgeschlossen.

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich.

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die von der Erstinstanz herangezogene bestimmte Tatsache nach § 7 Abs.3 Z9 (zum Tatzeitpunkt und bis 30. Juni 2005 Z10) FSG liege nicht vor, und selbst wenn, könne für einen Zeitraum bis 27. November 2005, also für knapp 11 Monate nach der Tat, keine Verkehrsunzuverlässigkeit angenommen werden.

Er sei entgegen dem Strafantrag der StA Ried nicht wegen vorsätzlicher (§ 83 Abs.1 bzw § 84 StGB), sondern wegen fahrlässiger Körperverletzung nach § 83 Abs.2 StGB (mit den fahrlässigen Tatfolgen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs.1 StGB) rechtskräftig verurteilt worden.

Wenn er am 6. Jänner 2005 keine bestimmte Tatsache gesetzt habe, seien die Verurteilungen aus den Jahren 1996 und 2002 nach § 83 Abs.2 StGB irrelevant und eine aktuelle Verkehrsunzuverlässigkeit habe zu keiner Zeit vorgelegen.

Die in Z8 bis 11 genannten Strafdelikte seien ohne Ausnahme Vorsatzdelikte, zumal auch nur ein Vorsatztäter eine Sinnesart an den Tag legen könne, die Zweifel an seiner Verkehrszuverlässigkeit erwecken könnten. Jedoch seien die Annahmen gemäß § 7 Abs.1 Z1 oder 2 FSG bei ihm nicht gerechtfertigt. Er habe sich außerdem seit 6. Jänner 2005 im Straßenverkehr wohlverhalten.

Ein Vergehen nach § 83 Abs.2 StGB (Vorsatz lediglich hinsichtlich der Misshandlung, Fahrlässigkeit hinsichtlich der eingetretenen Körperverletzung) komme in seinem Unrechtsgehalt den Körperverletzungsdelikten gemäß §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB keineswegs gleich. Dazu komme die bedingte Verurteilung mit entsprechender Zukunftsprognose. Es sei auch nicht zu verstehen, was eine Auseinandersetzung im Zuge eines Gasthausbesuchs mit Verkehrszuverlässigkeit zu tun haben solle, wenn kein Bezug zum Lenken eines Kfz gegeben sei.

Beantragt wird nach einer mündlichen Berufungsverhandlung Bescheidaufhebung, jedenfalls umgehende Entscheidung wegen der Gefährdung seines Arbeitsplatzes.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass seitens der StA Ried/I. gegen den Bw Strafantrag gestellt wurde, wobei ihm zu Last gelegt wurde, er habe am 6. Jänner 2005 in Mattighofen G.G. durch Versetzen von Schlägen mit der Hand sowie der Faust und von Fußtritten vorsätzlich in Form einer Platzwunde am rechten Auge, eins Querbruches der linken Kniescheibe und einer oberflächlichen Abschürfung im Bereich des linken Knies, sohin an sich schwer am Körper verletzt, wobei die Tat eine länger als 24 Tage andauernde Gesundheitsschädigung zur Folge gehabt habe. Er habe hiedurch das Vergehen der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs.1, 84 Abs.1 StGB begangen und sei hiefür nach dem Strafsatz des § 84 StGB zu bestrafen.

Der Bw wurde mit - rechtskräftigem - Urteil des Landesgerichtes Ried/I. vom 7. Juli 2005, 7 Hv 48/05d, schuldig erkannt, er habe am 6. Jänner 2005 in Mattighofen G.G. durch Versetzen von Schlägen mit der Hand sowie der Faust und von Fußtritten am Körper misshandelt und diesen dadurch, wenn auch nur fahrlässig, in Form einer Platzwunde am rechten Auge, eines Querbruches der linken Kniescheibe und einer oberflächlichen Abschürfung im Bereich des linken Knies, sohin an sich schwer am Körper verletzt, wobei die Tat eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung zur Folge gehabt habe, und wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs.2 und 84 Abs.1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Monaten - die gemäß § 43 Abs.1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde - verurteilt. Erschwerend waren die Vorstrafen, mildernd die Provokation des Privatbeteiligten.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen und ihrer Wertung angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr ... gefährden wird.

Die rechtskräftige Verurteilung des Bw wegen §§ 83 Abs.2 und 84 Abs.1 StGB indiziert die Begehung einer strafbaren Handlung gegen Leib und Leben gemäß § 83 StGB im Sinne des § 7 Abs.3 Z9 FSG, wobei aus dem Strafregister des Bw hervorgeht, dass die letzte Verurteilung wegen § 83 Abs.1 StGB vom 7. Juni 2001 (BG Mattighofen, 2 U 38/2001W) stammt, die vorletzte vom 4. Juni 2000 (BG Mattighofen zu 2 U 35/2000B) und die letzte davor vom 21. März 1996 (BG Braunau/Inn zu U 14/96). Auf dieser Grundlage erfolgte aber nie eine Entziehung der Lenkberechtigung, sodass anzunehmen ist, dass hier kein Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges bestanden hat.

Gemäß § 7 Abs.6 FSG sind für die Beurteilung, ob eine strafbare Handlung gemäß ua Abs.3 Z9 letzter Fall wiederholt begangen wurde, vorher begangene Handlungen der gleichen Art selbst dann heranzuziehen, wenn sie bereits einmal zur Begründung des Mangels der Verkehrszuverlässigkeit herangezogen worden sind, es sei denn, die zuletzt begangene Handlung liegt länger als 10 Jahre zurück.

Die letzte Entziehung der Lenkberechtigung erfolgte laut Führerscheinregister wegen Alkohol vom 8.12.2001 bis 8.12.2002, also nicht wegen § 7 Abs.3 Z(damals)10 FSG.

Der Bw weist seither keine wesentlichen Vormerkungen auf.

Die Misshandlung eines anderen - sei es auch im Rahmen einer Wirtshausrauferei und nach Provokation durch den Misshandelten - deutet auf eine insofern bedenkliche Sinnesart des Bw hin, dass er seine Aggressionen offenbar durch Anwendung körperlicher Gewalt abbaut. Auswirkungen auf das Verhalten des Bw im Straßenverkehr sind damit insofern nicht gänzlich ausgeschlossen, als es auch hier zu Konfliktsituationen kommen kann, die Aggressionen fördern können und daher ein gewisses Maß an Beherrschung und Nervenstärke voraussetzen. Von Kraftfahrzeuglenkern muss daher eine nicht zu Gewalttätigkeit neigende Sinnesart verlangt werden (vgl VwGH 26.2.2002, 2001/11/0379).

Mit der wiederholten Begehung einer strafbaren Handlung gemäß § 83 StGB hat der Bw zweifellos eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs.3 Z9 FSG verwirklicht, die gemäß § 7 Abs.4 FSG einer Wertung im Hinblick auf die Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten des Bw während dieser Zeit zu unterziehen ist.

Die Vorverurteilungen des Bw aus 1996, 2000 und 2001 erfolgten wegen § 83 Abs.1 StGB, also wegen vorsätzlicher Körperverletzung, und deuten auf aggressives Verhalten hin, wobei das Alkoholdelikt aus dem Jahr 2002 eine zusätzliche Komponente darstellt.

Zu bedenken ist im Hinblick auf die Wertung, dass der Bw zwar sich seit der Tat am 6. Jänner 2005 wohlverhalten hat, wobei allerdings das Gerichtsverfahren erst im Juli 2005 abgeschlossen wurde. Dass die Freiheitsstrafe bedingt ausgesprochen wurde, vermag Zweifel dahingehend nicht auszuräumen, ob der Bw in Zukunft tatsächlich keine strafbaren Handlungen gleicher Art begehen wird, selbst wenn er "provoziert" werden sollte.

Fest steht aber, dass von der Begehung der strafbaren Handlung am 6. Jänner 2005 bis zur Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides, der eine dreimonatige Entziehungsdauer, gerechnet ab Zustellung des Mandatsbescheides am 27. August 2005, dh bis 27. November 2005, vorsieht, eine prognostizierte Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von 10,5 Monaten umfasst wäre, was angesichts der oben genannten Umstände und der Tatsache, dass der Vorfall vom 6. Jänner 2005 mit der Teilnahme am Straßenverkehr in keinem Zusammenhang stand und die Provokation durch das "Opfer" auch im Urteil als mildernd gewertet wurde, auch im Lichte der VwGH-Judikatur als überzogen anzusehen ist.

Es war daher - auch in Bezug auf das Lenkverbot, dessen einziger Anknüpfungspunkt ebenfalls mangelnde Verkehrszuverlässigkeit ist - spruchgemäß zu entscheiden. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

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