Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521112/19/Zo/Da

Linz, 01.12.2005

 

 

 

VwSen-521112/19/Zo/Da Linz, am 1. Dezember 2005

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn M F, geb. , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P, M, vom 22.9.2005, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau vom 31.8.2005, Zl. VerkR21-487-2005, wegen Entziehung der Lenkberechtigung nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 17.11.2005 zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsverfahren eingestellt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 iVm 67a und 67d AVG, §§ 24, 25 und 7 Abs.3 Z3 FSG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab 29.7.2005 (Zustellung des Mandatsbescheides) entzogen und ihm für den selben Zeitraum das Lenken von Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen verboten. Dieser Bescheid wurde damit begründet, dass der Berufungswerber am 30.6.2005 als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen BR- auf der B147 im Bereich des Strkm 13,645 ein besonders gefährliches Überholmanöver durchgeführt habe und dabei einen Verkehrsunfall mit einer Verletzten verschuldet habe. Entsprechend dem Akteninhalt war die Erstinstanz davon ausgegangen, dass der überholte Unimog eine Sichtabdeckung nach vorne verursacht hatte und zum Zeitpunkt des Überholvorganges des Berufungswerbers bereits den bevorstehenden Linksabbiegevorgang durch Betätigen des linken Blinkers angezeigt hatte.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, in welcher der Berufungswerber zwar einräumt, dass er ein rechtswidriges Überholmanöver durchgeführt hat. Er bereue dieses Fehlverhalten und er müsse deswegen auch mit einer strafgerichtlichen Verurteilung wegen einer fahrlässigen leichten Körperverletzung rechnen. Auch die Staatsanwaltschaft gehe in ihrer Anklageschrift aber nicht vom Vorliegen von besonders gefährlichen Verhältnissen aus. Auf Grund der örtlichen Verhältnisse sei die Überholsichtweite zwar nicht ausreichend gewesen, sie sei aber auch nicht so gering gewesen, dass "bei weitem nicht ausreichende Sichtverhältnisse" iSd § 7 Abs.3 Z3 FSG vorgelegen seien. Die sonstigen Straßen- und Sichtverhältnisse seien zum damaligen Zeitpunkt einwandfrei gewesen.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Braunau am Inn hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt, eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Dieser hat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 67a Abs.1 AVG) zu entscheiden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung an Ort und Stelle am 17.11.2005, bei welcher der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter sowie die Erstinstanz gehört, die Zeugen P, K und K unter Erinnerung an die Wahrheitspflicht zum Sachverhalt einvernommen und ein Gutachten eines Sachverständigen für Verkehrstechnik erstellt wurde.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

 

Der Berufungswerber lenkte am 30.6.2005 um ca. 7.35 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen BR- auf der B 147 von Munderfing kommend in Richtung Mattighofen. Im Bereich zwischen dem Ende der 60 km/h Beschränkung und der Schwemmbachbrücke versuchte der Berufungswerber einen vor ihm fahrenden PKW sowie einen Unimog in einem Zug zu überholen. Auf Grund von Gegenverkehr konnte er diesen Überholvorgang aber nicht mehr abschließen und es kam bei km 13,645 zum Zusammenstoß mit dem entgegenkommenden, von Frau D P gelenkten PKW. Bei diesem Verkehrsunfall wurde Frau P leicht verletzt (Zerrung der Halswirbelsäule, Prellung der rechten Schulter und des rechten Handgelenkes). Wegen dieses Vorfalles wurde der Berufungswerber vom Bezirksgericht Mattighofen zu Zl. 1U 100/05 mit Urteil vom 4.10.2005 gemäß § 88 Abs.1 StGB zu einer unbedingten Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen verurteilt.

 

Hinsichtlich des gegenständlichen Überholmanövers weichen die Angaben der Beteiligten deutlich voneinander ab. Der Berufungswerber schildert den Überholvorgang dahingehend, dass er auf den Unimog und den dahinter fahrenden Audi aufgelaufen sei, wobei diese Fahrzeuge nur eine Geschwindigkeit zwischen 40 - 50 km/h eingehalten hätten. Er selbst sei zwischen 70 - 80 km/h gefahren und habe den Überholvorgang mit dieser Geschwindigkeit eingeleitet. Den Überholvorgang habe er unmittelbar beim Ende der 60 km/h Beschränkung begonnen. Er habe sich in etwa auf Höhe des Unimog befunden, als er den entgegenkommenden PKW wahrgenommen habe. Er habe dann versucht, sein Fahrzeug abzubremsen, habe aber den Zusammenstoß nicht mehr vermeiden können, wobei er mit seinem linken vorderen Fahrzeugeck an das linke vordere Fahrzeugeck des entgegenkommenden PKW gestoßen sei. Zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes hätte sich der Unimog, das entgegenkommende Fahrzeug und er selbst in etwa auf gleicher Höhe befunden. Er habe nicht gesehen, ob der Unimog links geblinkt habe.

 

Die Lenkerin des entgegenkommenden PKW, Frau P, schilderte den Vorfall dahingehend, dass sie auf der B 147 mit einer Geschwindigkeit von 60 - 70 km/h in Richtung Munderfing gefahren sei. Es sei ihr ein Unimog und dahinter mehrere Fahrzeuge entgegengekommen. Plötzlich habe hinter dem Unimog ein Fahrzeug ausgeschert und sei ihr auf ihrer Fahrbahnhälfte entgegengekommen. Sie habe keine Möglichkeit mehr gehabt, ihr Fahrzeug abzubremsen sondern konnte nur noch an den äußerst rechten Fahrbahnrand lenken, dann sei es bereits zum Zusammenstoß gekommen. Die Zeugin konnte nicht mehr genau sagen, wo sich der Unimog befunden hatte, als das Fahrzeug hinter diesem ausgeschert hatte, nach ihren Angaben dürfte er sich aber bereits am Beginn der Brücke bzw. der unmittelbar vorher befindlichen Leitschiene befunden haben. Auch dieser Zeugin ist nicht aufgefallen, ob der Unimog geblinkt hat.

 

Der Lenker des Unimog, Herr K, gab an, dass er im Bereich der Tafel mit der Aufschrift "Gewerbegebiet" in den Rückspiegel geblickt habe, wobei er zwar hinter sich Fahrzeuge gesehen habe, zu diesem Zeitpunkt sei ihm aber kein überholendes Fahrzeug aufgefallen. Er habe den linken Blinker betätigt, weil er eben beabsichtigt habe, nach der Brücke links zum Gewerbegebiet zuzufahren. Er habe sich in etwa am Beginn der Leitschiene befunden, als er den entgegenkommenden PKW gesehen habe, den überholenden PKW des Berufungswerbers habe er erst wahrgenommen, als sich dieser bereits annähernd auf gleicher Höhe mit ihm befunden habe. Er habe unmittelbar zuvor das Bremsmanöver des überholenden Fahrzeuges gehört. Er sei dann noch soweit wie möglich nach rechts ausgewichen, um dem überholenden Fahrzeug das Durchfahren zwischen ihm und dem Gegenverkehr zu ermöglichen, es sei aber zum Verkehrsunfall gekommen, wobei sich zu diesem Zeitpunkt die drei Fahrzeuge praktisch direkt nebeneinander befunden hätten.

 

Zu den örtlichen Verhältnissen ist festzuhalten, dass die B 147 im gegenständlichen Bereich eine Fahrbahnbreite von 7 m aufweist. In Fahrtrichtung des Berufungswerbers befindet sich vorerst eine Linkskurve, welche im Bereich von km 13,6 in eine Rechtskurve übergeht. Die Sicht nach vorne ist durch den Kurvenverlauf sowie das Brückengeländer und das neben der Fahrbahn befindliche Gebüsch eingeschränkt. Die 60 km/h Beschränkung aus Richtung Munderfing kommend endet bei km 13,472. Die Unfallstelle befindet sich am Ende der Brücke über den Schwemmbach bei km 13,645. In Fahrtrichtung des Berufungswerbers ist die B 147 von km 13,472 aus bis unmittelbar nach der Zufahrt zum Gewerbegebiet, welches sich bei km 13,700 befindet, einzusehen. In Annäherung an die Unfallstelle ändert sich der einsehbare Bereich vorerst nicht, erst in unmittelbarer Annäherung an die Brücke wird auf Grund der Rechtskurve die Sichtweite immer geringer.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung ist festzuhalten, dass nicht mit Sicherheit erwiesen ist, ob der Lenker des Unimog seine Absicht zum Linksabbiegen tatsächlich mit dem Blinker angezeigt hat. Sowohl der Berufungswerber als auch sein Beifahrer, aber auch die entgegenkommende Zeugin P haben jedenfalls keinen Blinker wahrgenommen.

 

Bezüglich des Überholvorganges können die Angaben des Berufungswerbers nicht zur Gänze den Tatsachen entsprechen. Hätte sich der Überholvorgang genau so abgespielt, wie ihn der Berufungswerber geschildert hat, so wäre er nach den schlüssigen Berechnungen des Sachverständigen bereits bei km 13,580 auf gleicher Höhe mit dem Unimog gewesen. In diesem Fall hätte er sich problemlos bis km 13,645 vor dem Unimog auf dem rechten Fahrstreifen einordnen können. Dies war aber nicht der Fall, weil es eben bei km 13,645 tatsächlich zum Verkehrsunfall gekommen ist und sich die drei Fahrzeuge zu diesem Zeitpunkt praktisch auf gleicher Höhe befunden haben. Es spricht also einiges dafür, dass der Berufungswerber den Überholvorgang tatsächlich erst später begonnen hat.

 

Andererseits sind auch die Angaben der Zeugin P eher unwahrscheinlich. Der Berufungswerber und sein Beifahrer haben selbst eingeräumt, dass er nicht nur den Unimog sondern einen dahinterfahrenden PKW in einem Zug überholen wollte. Hätte der Berufungswerber den Überholvorgang tatsächlich erst begonnen, als sich der Unimog im Bereich von km 13,600 befunden hatte, so hätte er sich mit großer Wahrscheinlich wieder hinter dem zu diesem Zeitpunkt bereits langsam fahrenden Unimog einordnen können oder er hätte zumindest sein Fahrzeug vor der Unfallstelle so stark abbremsen können, dass es nicht zum Verkehrsunfall mit Verletzungen gekommen wäre. Es ist daher anzunehmen, dass der Berufungswerber den Überholvorgang tatsächlich früher eingeleitet hat, als dies die Zeugin P wahrnehmen konnte.

 

Die Angaben des Zeugen K, wonach sich der Berufungswerber in etwa bei km 13,600 auf gleicher Höhe mit seinem Unimog befunden habe, wobei er zu diesem Zeitpunkt bereits das Bremsmanöver des Berufungswerbers hören konnte, erscheint am ehesten nachvollziehbar. Dies erklärt, dass es bei km 13,645 tatsächlich zum Verkehrsunfall gekommen ist und steht auch nicht im Widerspruch zu seinen Angaben, wonach er auf Höhe der Tafel "Gewerbegebiet" das überholende Fahrzeug im Rückspiegel noch nicht gesehen hat. Legt man diesen Angaben die Berechnung des Sachverständigen zum erforderlichen Überholweg zu Grunde, so ergibt sich, dass der Berufungswerber seinen Überholvorgang eben nicht bei km 13,472 sondern ca. 20 m später begonnen hat. In diesem Fall ist es technisch möglich, dass er bei km 13,600 auf gleicher Höhe mit dem Unimog war. Das deckt sich auch mit den Angaben des Beifahrers des Berufungswerbers, welcher den Beginn des Überholvorganges ebenfalls einige Meter näher zur Brücke festgelegt hatte, als der Berufungswerber selbst.

 

Es ist daher davon auszugehen, dass der Berufungswerber den Überholvorgang im Bereich zwischen km 13,490 und 13,500 eingeleitet hat. Auch von jener Straßestelle reicht die Sicht bis unmittelbar nach der Zufahrt zum Gewerbegebiet ca. bis km 13,705. Dem Berufungswerber stand daher eine Überholsichtweite von ca. 205 - 215 m zur Verfügung. Nach den schlüssigen Berechnungen des Sachverständigen hätte er für ein gefahrloses Überholen eine Überholsichtweite von 287 m benötigt.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

Als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 hat gemäß § 7 Abs.3 Z3 FSG insbesondere zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen, das Nichteinhalten des zeitlichen Sicherheitsabstandes beim Hintereinanderfahren, sofern der zeitliche Sicherheitsabstand eine Zeitdauer von 0,2 sec. unterschritten hat und die Übertretung mit technischen Messgeräten festgestellt wurde, oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen.

 

5.2. Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ist erwiesen, dass dem Berufungswerber die erforderliche Überholsichtweite von 287 m nicht zur Verfügung gestanden ist. Diese wurde um ca. 70 - 80 m verkürzt, was in etwa 25 % der erforderlichen Überholsichtweite entspricht. Das Überholmanöver des Berufungswerbers war daher verboten, die Überholsichtweite war aber nicht so gering, dass von "bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen" iSd § 7 Abs.3 Z3 FSG auszugehen ist. Beim Lokalaugenschein hat sich auch herausgestellt, dass der vom Berufungswerber überholte Unimog für den Berufungswerber keine Sichtbehinderung dargestellt hat.

 

Sonstige Umstände, welche dieses Überholmanöver zu einem "besonders gefährlichen" iSd § 7 Abs.3 Z3 FSG machen würden, liegen ebenfalls nicht vor. Insbesondere konnte nicht erwiesen werden, ob der Unimog-Lenker am Beginn des Überholvorganges des Berufungswerbers tatsächlich nach links beblinkt hat und auch der Verkehrsunfall, bei welchem die entgegenkommende Fahrzeuglenkerin letztlich "nur" leicht verletzt wurde, begründet nicht automatisch besonders gefährliche Verhältnisse. Es war daher der Berufung stattzugeben. Diese Entscheidung stützt sich auf die Feststellungen beim Lokalaugenschein und die oben angeführte Würdigung der Zeugenaussagen. Hätte sich der Vorfall tatsächlich so abgespielt, wie ihn die Zeugin P geschildert hat, so wäre die Entziehung der Lenkberechtigung jedenfalls gerechtfertigt gewesen. Dies konnte aber letztlich nicht bewiesen werden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Mag. Z ö b l

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