Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104163/8/Br

Linz, 27.12.1996

VwSen-104163/8/Br Linz, am 27. Dezember 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried vom 31. Oktober 1996, AZ.

VerkR96-6634-1995, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 27. Dezember 1996 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird in Punkt 1) Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird in diesem Punkt behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt; in Punkt 2) wird das angefochtene Straferkenntnis jedoch vollinhaltlich bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr.

471/1995 - AVG, iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG; II. In Punkt 1) entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge; in Punkt 2) werden zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten als Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren 200 S auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs. 1 und 2, sowie § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried hat mit dem Straferkenntnis vom 31. Oktober 1996, AZ. VerkR96-6634-1995 über den Berufungswerber wegen Übertretungen nach § 4 Abs.1 lit.a u. § 4 Abs.5 StVO 1960 eine Geldstrafe von 1) 2.000 S und für den Nichteinbringungsfall 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe und 2) 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er es am 19.

Juli 1995 um etwa 13.35 Uhr, auf der S im Ortsgebiet von K, Höhe Haus Nr. . Gemeinde K, Fahrtrichtung S, als Lenker des Lkw mit dem Kennzeichen , nachdem sein Verhalten mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, unterlassen habe, 1. das von ihm gelenkte Fahrzeug sofort anzuhalten und 2. die nächste Sicherheitsdienststelle ohne unnötigen Aufschub von diesem Unfall zu verständigen.

1.1. In der Begründung folge die Erstbehörde den Angaben des Zeugen W und den Ausführungen des Gutachters, welcher vermeinte, daß der Anstoß vom Lenker zumindest visuell bemerkt werden hätte müssen.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber aus, daß er den Anstoß nicht bemerkt habe.

Der Zweitbeteiligte habe ihn in der Folge wohl zum Anhalten genötigt, dabei habe er jedoch keine Beschädigung am Spiegel seines Fahrzeuges feststellen können. Er habe daher keine Veranlassung für eine Meldung bei der nächsten Gendarmeriedienststelle gesehen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Ried vom 22.

November 1996, AZ. VerkR96-6634-1995 und Erörterung des Akteninhaltes im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Ferner durch die Vernehmung des Zeugen J und des Berufungswerbers als Beschuldigten anläßlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber lenkte zur o.a. Zeit und Örtlichkeit einen dreiachsigen Lastkraftwagen, worauf er ein Fertigteilhaus transportierte welches etwa über ein Viertel der Fahrzeuglänge über das Fahrzeug hinausrage. Während der Vorbeifahrt am Fahrzeug des Zeugen W kam es offenbar mit der Ladung zu einer Streifung des vom W gelenkten Fahrzeuges und zu einer Beschädigung des linken Außenspiegels dieses Fahrzeuges. Der Zeuge W hatte vorher sein Fahrzeug am rechten Fahrbahnrand zum Stillstand gebracht gehabt um sich nach einer Adresse zu erkundigen. Zum Zeitpunkt des Fahrzeugkontaktes war er bereits eine Weile gestanden und hatte vom Beifahrersitz aus bei einer an der Liegenschaft K Nr. 10, Gde. K, befindlichen Person eine Adressenauskunft für seine Zustelltätigkeit eingeholt. Unmittelbar nach dem Fahrzeugkontakt fuhr er dem Fahrzeug des Berufungswerbers nach, gab mehrfach akustische und optische Warnzeichen ab und konnte schließlich nach einem bis zwei Kilometer den Lkw des Berufungswerbers überholen und zur Anhaltung bringen.

Auf den Schaden hingewiesen verweigerte der Berufungswerber sich mit dem Zeugen W - den Lenker des beschädigten Fahrzeuges - auseinanderzusetzen. Es kam seitens des Berufungswerbers zu einer emotionalen verbalen Auseinandersetzung mit dem Zeugen W, wobei ein Identitätsaustausch und eine Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung seitens des Berufungswerbers nicht ermöglicht wurde. Im Gegensatz zu seiner Verantwortung stieg er auch nicht aus seinem Fahrzeug um sich über das Schadensausmaß zu überzeugen. Ebenfalls unterblieb eine Meldung an die nächste Gendarmeriedienststelle seitens des Berufungswerbers.

5. Das entscheidungsrelevante Beweisergebnis stützt sich insbesondere auf die Aussage des Zeugen W. Dessen Angaben wurden sachlich vorgetragen und wirkten überzeugend. Der Zeuge legte auch dar, daß es nicht seine Absicht gewesen wäre den Berufungswerber anzuzeigen, jedoch sei ihm nichts anderes übrig geblieben, weil der Schaden gegenüber seiner Firma nicht anders zu regeln gewesen wäre, indem eben der Zweitbeteiligte jegliche Mitwirkung verweigert habe. Der Zeuge wies aber etwa auch darauf hin, daß er selbst Berufskraftfahrer sei und der Ansicht wäre, die Beschädigung sei durch den Kontakt mit dem hinteren Bereich des transportierenden Fertigteilhauses geschehen, welchen der Berufungswerber jedoch nicht bemerkt haben mußte. Durch diese Darlegung wird die Zeugenaussage als besonders sachlich und glaubwürdig qualifiziert. Ebenfalls war der Zeuge auch dahingehend glaubwürdig, daß er den Berufungswerber auf den Schaden aufmerksam gemacht habe und dieser nicht aus dem Fahrzeug ausgestiegen sei, sondern ihn vielmehr beschimpft habe.

Dem Berufungswerber vermochte darin gefolgt werden, daß er ursprünglich die Beschädigung nicht bemerkt hatte und diese auch nicht zwingend bemerken mußte. Im übrigen vermochte der Berufungswerber anläßlich der Verhandlung dem Vorwurf auf den Schaden aufmerksam gemacht worden zu sein und der unterlassenen Meldung nichts Überzeugendes entgegenzusetzen.

Der im erstbehördlichen Verfahren beigezogene Sachverständige ist offenkundig von einem unbeladenen Lastkraftwagen ausgegangen. Daher konnte die Erstbehörde auch vom Vorliegen einer schuldhaft unterbliebenen sofortigen Anhaltung ausgehen.

5.1. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1.1. Die Anhaltepflicht (u. die Meldepflicht) tritt grundsätzlich schon dann ein, wenn dem Fahrzeuglenker objektive Umstände zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte. Von derartigen Umständen konnte zum Zeitpunkt des Fahrzeugkontaktes jedoch nicht in einer für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit ausgegangen werden. Aus der Sicht der Praxis kann es bei derartigen Transporten sehr wohl zu Situationen kommen, welche auch bei Einhaltung der objektiv zu erwartenden und subjektiv zumutbaren Sorgfalt einen so geringfügigen Fahrzeugkontakt (Streifung am Außenspiegel) nicht erkennbar sein lassen.

Jedoch spätestens nach der entsprechenden Mitteilung durch den Zweitbeteiligten wäre der Berufungswerber verpflichtet gewesen an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken und er war weiter auch verpflichtet die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.

Eine solche Verständigung darf nur dann unterbleiben, wenn die genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander die Identität nachgewiesen haben (§4 Abs.5 StVO). Dies geschah jedoch nicht. Die Meldepflicht wird ebenso nicht bloß im objektiven Tatbestandsmerkmal des Eintrittes eines Sachschadens, sondern in subjektiver Hinsicht durch das Wissen oder fahrlässige Nichtwissen vom Eintritt eines derartigen Schadens statuiert. Der Tatbestand ist schon dann gegeben, wenn dem Fahrzeuglenker objektive Umstände zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (VwGH v. 19.1.1990, Zl. 89/18/0199). Solche objektive Umstände wurden eben in der entsprechenden Mitteilung durch den Zweitbeteiligten begründet.

5.2. Inhalt dieser Pflicht ist einerseits die Ermöglichung der Sachverhaltsfeststellung und der späteren Durchsetzungsmöglichkeit der zivilrechtlichen Ansprüche. Der Meldepflicht wird folglich nur dann entsprochen, wenn der Inhalt der Verständigung den Polizei- oder Gendarmeriebeamten in die Lage versetzt, eine vollständige Meldung zu erstatten. Eine vollständige, ihren Zweck erfüllende Meldung ist aber nur möglich, wenn die Verständigung neben den Personalien des Beschädigers (des am Unfall in ursächlichem Zusammenhang stehenden Beteiligten) genaue Angaben über Unfallort, Unfallzeit, beschädigendes sowie beschädigtes Objekt und die Unfallursache enthält.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Der Berufungswerber verfügt über ein Monatseinkommen von 15.000 S und ist für drei Kinder sorgepflichtig. Es kann daher der in Punkt 2) verhängten Strafe in der Höhe von bloß 1.000 S (Ausschöpfung des gesetzlichen Strafrahmens im Ausmaß von einem Zehntel) objektiv nicht entgegengetreten werden.

6.2. Das Unterbleiben einer derartigen Unfallmeldung ist geeignet die Durchsetzung der zivilrechtlichen Ansprüche durch den Geschädigten entweder überhaupt unmöglich zu machen, wenigstens aber erheblich zu erschweren. Der objektive Unwertgehalt einer derartigen Unterlassung ist aus diesem Grund ein nicht bloß unbedeutender. Auf der subjektiven Tatseite ist das Verhalten insbesondere deshalb negativ hervorzuheben, weil es hiedurch zu einem erheblichen Mehraufwand im Hinblick auf die Schadensdurchsetzung kommt.

Nicht zuletzt kommt hiedurch auch eine Geringschätzung eines wesentlichen gesetzlich geschützten Rechtsgutes für Verkehrsteilnehmer zum Ausdruck, welche auch aus Gründen der Spezialprävention eine spürbare Bestrafung indiziert.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r

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