Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104178/2/Br

Linz, 05.12.1996

VwSen-104178/2/Br Linz, am 5. Dezember 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Dipl.Tzt. OberstVet. A, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10. Oktober 1996, Zl.

VerkR96-11171-1996, wegen der Übertretung der StVO 1960, zu Recht:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe F o l g e gegeben als unter Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.

471/1995 - AVG iVm § 21, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.620/1995 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem o.a.

Straferkenntnis wider den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und darin folgenden Tatvorwurf erhoben:" Sie haben am 11.5.1996 um 14.49 Uhr den Kombi auf der in Fahrtrichtung W gelenkt und haben im Gemeindegebiet von S. bei km 237,900 die auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 39 km/h überschritten." 1.1. Begründend führte die Erstbehörde aus:

"Sie brachten gegen die ha. Strafverfügung vom 12.7.1996 innerhalb offener Frist einen Einspruch ein. Diesen begründeten Sie damit, daß Sie in Ihrer Funktion als Veterinäroffizier beim Ö auch für die in S diensteingeteilten Militärhunde zuständig sind.

Nebenberuflich seien Sie als freiberuflicher Tierarzt tätig und hätten als solcher auch die Genehmigung zur Anbringung und Verwendung von Blaulicht und Folgetonhorn. Von 10. 13.5.1996 hätten Sie tierärztlichen Notdienst gehabt und seien Sie am 11.5.1996 knapp vor 14.00 Uhr vom Militärhundeführer A verständigt worden, daß sich der Militärhund Enzo komisch verhalte und vermutet werde, daß er etwas im Schlund stecken hätte, und daß kein Tierarzt erreichbar wäre. Sie hätten sich daher entschlossen, nach S zu fahren und hätten sich damit sozusagen in den militärischen Dienst gestellt. Das Blaulicht hätten Sie bei der gegenständlichen Fahrt nicht montiert, da dies die Verkehrsverhältnisse auf der Autobahn nicht nötig gemacht hätten. Der Hund Enzo mußte dann tatsächlich in Narkose von einem Fremdkörper im Rachen-Luftröhrenbereich befreit werden.

Hiezu wird festgestellt, daß Gemäß § 6 VSTG. unter Notstand nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden kann, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht (VwGH.24.4.1974, 1999/73, 27.10.1977, 1967/76, 11.9.1979, 2218/79, 13.11.1981, 81/02/0252 uva); dies trifft aber selbst bei Annahme einer wirtschaftlichen Schädigung, sofern sie die Lebensmöglichkeit selbst nicht unmittelbar bedroht, nicht zu (VwGH. 11.6.1954, 466/52).

Da es sich bei einem Tier jedoch im Sinne des Gesetzes um eine Sache handelt, könnte im Falle dessen Verendens nur von einer wirtschaftlichen Schädigung ausgegangen werden. Es könnte sich jedoch nicht um einen Notstand im Sinne des § 6 VStG.1991 handeln.

Die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 6 VStG.1991 ist daher nicht möglich.

Es wird von ha. jedoch nicht angezweifelt, daß der Militärhund Enzo tatsächlich etwas verschluckt hatte und in der Folge auch ein Fremdkörper entfernt werden mußte. Es kann sich jedoch keinesfalls um einen lebensbedrohlichen Zustand gehandelt haben, da es für Sie ansonsten unmöglich gewesen werden, rechtzeitig von W nach S zu kommen. Hätte tatsächlich Erstickungsgefahr bestanden, hätte der Hund nicht so lange durchgehalten.

Wenn auch vor dem Gesetz ein Hund als Sache zu sehen ist, sieht das hsg. Amt durchaus ein, daß das Verhältnis von Mensch und Hund im Allgemeinen ein besonderes ist. Dies gilt sicherlich um so mehr für einen gut ausgebildeten und daher besonders wertvollen Militärhund. Deshalb, und auf Grund der Tatsache, daß Ihnen die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit zugute kommt, wurde der Strafbetrag nunmehr entsprechend reduziert.

Der Umstand, daß Sie die auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten haben ist auf Grund der dienstlichen Wahrnehmung eines Beamten des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich, Verkehrsabteilung, Außenstelle S erwiesen und wurde von Ihnen auch nicht bestritten. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 20 Abs.2 StV0.1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges sofern die Behörde nicht eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt (§ 43 Abs.1) oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt (§ 43 Abs.4), im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.

Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StV0.1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 10.000,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs.1, 2 oder 4 zu bestrafen ist.

Die Bestimmungen des § 19 VStG.1991 wurden berücksichtigt.

Bei der Strafbemessung war die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit strafmildernd. Straferschwerend war das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung.

Da Geschwindigkeitsüberschreitungen die Hauptursache für Verkehrsunfälle sind, zählen sie zu den besonders schweren Verstößen im Straßenverkehr und sind daher auch entsprechend konsequent zu bestrafen.

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet." 2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung vom 9. November 1996.

2.1. Ich bestätige den Erhalt des oben näher bezeichneten Straferkennisses (Bescheid).

Zur Ergänzung meiner Angaben in meinem Einspruch vom 31.7.1996 gegen die Strafverfügung v. 12.7.1996 erlaube ich mir die Kopie der mir für mein tierärztliches Einschreiten seitens des Dienstgebers gem. RGV 55 zuerkannten Abgeltung der Dienstreise (Indienststellung am 11.5.1996, S) in der Höhe von 218,- ATS zur Kenntnis zu bringen (Beilage: Kopie).

Ich erhebe gegen diesen Bescheid v. 10.10.1996 VerkR96-11171-1996 Berufung und ersuche um Prüfung der Argumente in der Begründung des Straferkenntnisses, die wesentlichen Einfluß auf die Strafbemessung hatten:

Unter "Begründung" Abs.2 und folgende wurde geprüft, ob bei der von mir gesetzten strafbaren Handlung der Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen aufgrund der von mir angegebenen besonderen Umstände "Notstand" geltend gemacht werden könnte und es wurde dies unter Hinweis auf das Erkenntnis VWGH. 11.6.1954, 466/52 verneint.

In den folgenden Begründungsaussagen wird mehrfach vom "Tier als Sache", im Sinne des Gesetzes argumentiert.

Dazu erlaube ich mir folgende, meine Berufung begründende Ausführungen und Bemerkungen:

1. Gemäß ABGB § 285a (BGBl. 1988/179) sind Tiere dezitiert "keine Sachen" 2. Tiere sind leidensfähige und damit auch quälbare Lebewesen die durch besondere Gesetze geschützt sind! 3. Tierärzte sind gem. Tierärztegesetz (BGBl. 1974/16 i.d.g.F.) § 21 (3) zur Ersten Hilfe beim Tier verpflichtet, sind also strafbar bei Unterlassung oder Verweigerung der Ersten Hilfe beim Tier! 4. Dem Tierhalter als Laien ist es schwer möglich, wie damit auch dem telefonisch gerufenen Tierarzt die Schwere der Erkrankung wirklich abzuschätzen; eine realistische Abschätzung der "Gefahr fürs Leben" kann erst vorort getroffen werden. Daher darf man aus veterinärmedizinischer Sicht nicht im Nachhinein so argumentieren, wie im Straferkenntnis (Begründung Absatz 5): "Es kann sich keinesfalls um einen lebensbedrohlichen Zustand gehandelt haben, da es für Sie ansonsten unmöglich gewesen werden, rechtzeitig von W nach S zu kommen. Hätte tatsächlich Erstickungsgefahr bestanden, hätte der Hund nicht so lange durchgehalten." Im vorliegenden Fall war die Erstickungsgefahr, wie sich herausstellte nicht so groß, wie annehmbar; allerdings besteht bei derartigen Fremdkörpern aufrund von Reflexmechanismen und aufgrund der gegebenen Streßsituation jederzeit die Gefahr eines totalen Kreislaufversagens.

Für mich war nach meinem Informationsstand zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsüberschreitung der Militärhund in akuter Lebensgefahr.

5. Daß dem Wert des Lebens eines Tieres vom Gesetzgeber ein besonderer Stellenwert beigemessen wird, zeigt u.a. auch die Möglichkeit für den Tierarzt gem. Kraftfahrgesetz 1967 i.d.g.F. mit behördlicher Bewilligug an seinem Kfz als Einsatzfahrzeug Blaulicht und Folgetonhorn anzubringen und zu verwenden. Der Tierwert ist dabei zweitrangig.

Zusatzbemerkung: Der Wert eines ausgebildeten Militärhundes ist mit ca. ATS 250.000,- zu veranschlagen! 6. Für die Strafbemessung war u.a. das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung straferschwerend. Dazu möchte ich bemerken, daß zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsüberschreitung optimale Sichtverhältnisse, trockene Fahrbahnverhältnisse und geringes Verkehrsaufkommen waren. Es wurde kein anderer Verkehrsteilnehmer durch das Schnellfahren in irgendeiner Weise gefährdet Aus meiner Sicht war keinerlei Unfallgefahr unter diesen Verhältnissen auch bei höherer Geschwindigkeit (wie z.B. in Deutschland auf Autobahnen erlaubt ist) gegeben.

Ich ersuche um neuerliche Prüfung des von mir geltend gemachten Notstandes und meiner sonstigen Argumente.

Beilage erwähnt Hochachtungsvoll (e.h. Unterschrift)." 3. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Zumal hier ausschließlich eine unrichtige rechtliche Beurteilung gerügt wurde, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben (§ 51e Abs.2 VStG).

3.1. Beweis geführt wurde durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt, Zl. VerkR96-11171-1996.

Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt in ausreichendem und schlüssigem Umfang.

4. Demnach wird davon ausgegangen, daß der Berufungswerber sich auf einem als dringend zu bezeichnenden dienstlichen, im Interesse der Landesverteidigung gelegenen, Einsatz befand. Für tierärztliche Einsätze wurde dem Berufungswerber mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg als Kraftfahrbehörde, vom 17. Jänner 1996, Zl.

5/04/-15/117/5-1996, das Anbringen u.a. von Warnleuchten mit blauem Licht unter bestimmten Auflagen bewilligt. Bei der hier verfahrensgegenständlichen Fahrt lag offenkundig ein Einsatzfall vor, welcher eine Einsatzfahrt - unter Verwendung von Blaulicht - gerechtfertigt hätte. Der Berufungswerber hatte jedoch das Blaulicht an seinem Fahrzeug nicht montiert, überschritt jedoch im Zuge dieser Fahrt die gesetzlich erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn, wobei es glaubhaft zu keinerlei konkreten Gefärdungssituationen und damit verbundene nachteilige Folgen für die Verkehrssicherheit kam.

5. Rechtlich ist hiezu auszuführen:

5.1. Gemäß § 20 Abs.2 StVO darf auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h gefahren werden.

5.1.1. Der § 26 Abs.1 u. 2 StVO 1960 lautet:

Die Lenker von Fahrzeugen, die nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften mit Leuchten mit blauem Licht oder blauem Drehlicht und mit Vorrichtungen zum Abgeben von Warnzeichen mit aufeinanderfolgenden verschieden hohen Tönen ausgestattet sind, dürfen diese Signale nur bei Gefahr im Verzuge, zum Beispiel bei Fahrten zum und vom Ort der dringenden Hilfeleistung oder zum Ort des sonstigen dringenden Einsatzes verwenden. Außerdem dürfen die angeführten Signale soweit als notwendig nur noch zur Abwicklung eines protokollarisch festgelegten Programms für Staatsbesuche oder sonstige Staatsakte sowie in Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen verwendet werden. Die Leuchten mit blauem Licht oder blauem Drehlicht dürfen aus Gründen der Verkehrssicherheit auch am Ort der Hilfeleistung oder des sonstigen Einsatzes oder bei einer behördlich vorgeschriebenen Transportbegleitung verwendet werden.

Außer in den in Abs. 3 angeführten Fällen ist der Lenker eines Einsatzfahrzeuges bei seiner Fahrt an Verkehrsverbote oder an Verkehrsbeschränkungen nicht gebunden. Er darf jedoch hiebei nicht Personen gefährden oder Sachen beschädigen.

5.1.2. Nachdem der Berufungswerber das Blaulicht nicht montiert hatte, kam ihm der Status des "bevorzugten Straßenbenützers" nicht zu. Er war daher grundsätzlich an die gesetzlichen Geschwindigkeitsbeschränkungen gebunden.

5.2. Seiner Rechtfertigung kommt aber trotzdem weitgehend Recht zu. Der Berufungswerber handelte hier nicht im privaten Interesse, sondern im öffentlichen Interesse. Er hatte eine Abwägung zwischen zwei Rechtsgütern vorzunehmen.

Einerseits jenem der Einhaltung der straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen, andererseits mußte er - ex ante besehen - ein seiner Dienstpflicht obliegendes Rechtsgut schützen. Die hier vorliegende Situation in Form eines in seiner Gesundheit ernsthaft gefährdeten Hundes stellt auch h. Sicht wohl keine Notstandssituation dar, welche die Verletzung eines anderen (höherwertigen) Rechtsgutes gerechtfertigt hat (hier die Mißachtung von Verkehrsvorschriften), jedoch stellte diese Situation den Betroffenen vor einem Wertungskonflikt und ist einer Notstandssituation im Ergebnis zumindest als nahekommend zu qualifizieren. Dem Berufungswerber stellte sich hier das Problem einer Pflichtenkollision, wobei er der Dienstpflicht als Tierarzt den Vorzug gab.

5.3. Zur Notstandsproblematik sei allgemein angemerkt, daß die Rechtfertigung einer an sich gesetzwidrigen Verhaltensweise voraussetzt, daß der Eingriff in das fremde Rechtsgut (hier die Verletzung von Verkehrsvorschriften) das einzige Mittel zur Abwehr des drohenden Nachteils ist, dieser mithin nicht anders abgewendet werden kann; in der aus der ex-ante-Sicht zur beurteilenden Situation war ein möglichst schnelles Einschreiten indiziert. Nicht der 'nächstmögliche Ausweg ist zu wählen, sondern der einzig mögliche'. Es darf somit kein anderer, schonenderer Weg zur Rettung des bedrohten Guts offenstehen (ÖJZ-LSK 1975/198).

Rechtfertigung setzt aber weiters (und vor allem) voraus, daß das gerettete Rechtsgut gegenüber dem beeinträchtigten höherwertig ist; ist es dem beeinträchtigten gleichwertig oder gar geringerwertig, scheidet rechtfertigender Notstand aus. Die Höherwertigkeit muß eindeutig und zweifellos sein.

Diese Höherwertigkeit kann hier im Verhältnis der Einhaltung von Verkehrssicherheitsvorschriften zum möglichst raschen Einschreiten zur Rettung eines wertvollen Tieres und der möglichst raschen Befreiung desselben von unnötigem Leiden, wohl nicht zu Gunsten des Tieres gesehen werden. Nur unter solchen Voraussetzungen könnte (rechtlich besehen) davon gesprochen werden, daß die Rechtsordnung den eigenmächtigen Eingriff in fremde Rechtsgüter billigt, mithin für rechtmäßig hält; andernfalls kann sie "den Straftäter" zwar uU (nur) für entschuldigt ansehen, sein Verhalten aber nicht für rechtmäßig erklären (Leukauf-Steininger, Das österreichische Strafgesetzbuch, 3. Aufl., Seite 138 ff).

Schließlich wird gefordert, daß die Rettungshandlung das angemessene Mittel zur Rettung des bedrohten Rechtsguts ist (vgl Burgstaller 154; Kienapfel 165 und ÖJZ 1975, 429 und AT 212 Rz 24; Triffterer AT 233). Durch dieses Angemessenheitskorrektiv sollen bei bestimmten Fallgruppen notwendige Korrekturen anhand oberster Wertmaßstäbe ermöglicht werden; rechtfertigender Notstand kommt danach nicht in Betracht, wenn die Tat, bezogen auf die obersten Prinzipien und Wertbegriffe der Rechtsordnung, nicht als das angemessene Mittel erscheint (Kienapfel ÖJZ 1975, 431, 429), oder ein rechtfertigender Notstand setzt voraus, daß es sachgemäß, billigenswert und im Interesse der Gerechtigkeit erlaubt ist, die Notstandslage durch "Beeinträchtigung des kollidierenden Interesses zu überwinden." Derselbe Grundgedanke liegt schließlich auch bei derartigen Fallgestaltungen in Betracht zu ziehenden "sozialen Adäquanz" zugrunde, dem sog. sozialadäquaten Verhalten. Auch dabei wird davon ausgegangen, daß ein gesetzliches Gebot zu einem bestimmten Handeln, welches jedoch aus widrigen Umständen (dem Berufungswerber kam mangels der momentanen Verfügbarkeit des Blaulichtes nicht der Status nach § 26 StVO zu) nicht in einer vorgeschriebenen Form bewirkt werden konnte, trotzdem zu erfolgen hatte.

Zur rechtfertigenden Pflichtenkollision ist es weiter herrschende Lehrauffassung, daß eine Kollision von zwei oder mehreren rechtlich bedeutsamen Pflichten vorliegt, wenn die betreffende Person nach den konkreten Umständen nur eine dieser Pflichten erfüllen kann. Häufig sind derartige Konfliktssituationen über den rechtfertigenden Notstand zu lösen. Soweit dies nicht möglich ist, muß es aber über eine andere dogmatische Konstruktion erlaubt (dh rechtmäßig) sein, eine dieser Pflichten zu verletzen, weil die betreffende Person sich sonst überhaupt nicht rechtmäßig verhalten könnte (Otto Triffterer, Österreichisches Strafrecht, Seite 237 ff und die dort zit.

Literaturhinweise).

Mit diesen Ausführungen sollte der rechtsdogmatische Hintergrund kurz beleuchtet werden.

5.3.1. Eine in dieser Richtung rechtlich vergleichbare Situation lag gegenständlichem Fall zugrunde. Aufgrund der spezifischen Sachzwänge ist einerseits das Verschulden des Berufungswerbers als äußerst gering zu erachten und reduziert sich hier im Ergebnis auf die Nichtverfügbarkeit des Blaulichtes und der nicht vollinhaltlich zutreffenden Beurteilung des Einsatzes als Notstandssituation.

Es war daher hier in geradezu klassischer Weise nach § 21 VStG vorzugehen und von der Verhängung einer Strafe abzusehen. Nach dieser Bestimmung kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Es bedarf nämlich nicht einmal einer Ermahnung um damit den Berufungswerber auf sein wohl rechtswidriges Verhalten aber aus achtenswerten Gründen, zum Schutz eines Rechtsgutes (hier [auch] im öffentlichen Interesse und in Erfüllung von Dienstpflichten gelegen) begangen, hinzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r

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