Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521281/2/Bi/Ps

Linz, 20.04.2006

 

 

 

VwSen-521281/2/Bi/Ps Linz, am 20. April 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn J R, S, M, vertreten durch RA Dr. F L, S, B, vom 28. März 2006 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 8. März 2006, VerkR21-629-2005/BR, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, Lenkverbot und Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) die von der BH Zell am See am 7. März 1998 zu GZ 191/88 für die Klassen B, C, E, F, G erteilte Lenkberechtigung gemäß §§ 7 Abs.1 Z2 und Abs.3 Z3 und 10, 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 und 3 FSG für die Dauer von 9 Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides, entzogen und gemäß § 29 Abs.3 FSG die unverzügliche Ablieferung des Führerscheins bei der Behörde bzw zuständigen Polizeiinspektion angeordnet. Weiters wurde gemäß § 32 Abs.1 FSG ein Lenkverbot für vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge und Invalidenkraftfahrzeuge für denselben Zeitraum ausgesprochen. Gemäß § 64 Abs.2 AVG wurde die aufschiebende Wirkung einer allenfalls gegen diesen Bescheid einzubringenden Berufung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug ausgeschlossen.

Die Zustellung des Bescheides (und Ablieferung des Führerscheins durch den Bw) erfolgte mit 21. März 2006.

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG).

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil zwar die Vornahme von Betrugshandlungen die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit rechtfertigen könne, die Erstinstanz habe aber übersehen, dass der VwGH ausdrücklich darauf abgestellt habe, dass die Verwendung eines Kfz mit der Begehung derartiger Straftaten in besonders engem Zusammenhang stehen müsse. Die von der Erstinstanz zitierte Judikatur betreffe solche Fälle, bei denen die Betrugshandlungen ohne Verwendung eines Kfz gar nicht möglich gewesen wären; das Kfz sei hier wesentlicher Bestandteil der Täuschungshandlungen gewesen - ein solcher enger Zusammenhang mit der Verwendung eines Pkw bestehe bei seinen Betrugshandlungen nicht. Die Judikatur habe auch eine vom Gesetzgeber gewollte eingeschränkte Relevanz von Vermögensdelikten für die Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit einer Person festgestellt. Die Erstinstanz stütze sich darauf, dass aufgrund seiner rechtskräftigen Verurteilung vor dem BG Peuerbach und der eingebrachten Exekutionsanträge ihrer Prognose nach er seine Haltung nicht geändert habe und sein Kfz weiterhin zur Begehung strafbarer Handlungen nutzen würde. Diese Feststellungen seien nicht nachvollziehbar. Der VwGH habe auch ausgesprochen, dass lediglich eine entsprechende Mobilität des Täters, die durch die Verwendung eines Kfz gesteigert werde, nicht schlechthin für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit relevant sei, weil sonst sämtliche Vermögensdelikte eine solche Annahme rechtfertigen würden - eine solche Tendenz sei aber nicht erkennbar. Die Prognose der Erstinstanz beruhe auf einer Verkennung der Rechtslage.

Es fehle an einem ausreichenden Zusammenhang der begangenen Straftaten mit der Verwendung seines Pkw, wobei diese zudem die Begehung der Straftaten erleichtern müsse. Die von der Erstinstanz erwähnten, bei der PI Mauerkirchen derzeit als Strafanzeige vorliegenden mutmaßlichen Straftaten reichten nicht aus, um weitere Betrugshandlungen annehmen zu können. Aus der allgemein gehaltenen Gesamtprognose der Erstinstanz gehe auch nicht hervor, woraus sie eine Verkehrsunzuverlässigkeit ableite. Sie gehe auch nicht darauf ein, ob es sich bei den via Strafanzeige vorgeworfenen Taten um solche handle, deren Begehung typischerweise durch die Verwendung eines Kfz erleichtert werde. Der Bescheid weise keine Argumente zur Entziehungsdauer auf; die neun Monate seien nicht nachvollziehbar. Beantragt wird Bescheidaufhebung im gesamten Umfang.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Bw, der bereits früher mit Urteil des OLG Linz vom 10. Mai 2004, 10 Bs 32/04, wegen der im Urteil des LG Ried/I. vom 29. Jänner 2004, 7 Hv 7/04 y, angeführten Fällen wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs.2, 148 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, wovon neun Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt worden war, mit Urteil des BG Peuerbach vom 27. Oktober 2005, U 44/05i-6, wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Wochen verurteilt wurde. Demnach hat der Bw am 17. und 22. Februar 2005 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, H.S. durch Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Übergabe von insgesamt 36 Rundballen Heu im Wert von ca 840 Euro, sohin zu einer Handlung verleitet, welche H.S. an seinem Vermögen schädigte. In der Begründung wird ausgeführt, die Gattin des Bw betreibe seit 2001 einen "Handel mit Heu und Stroh" - das Gewerbe sei auf seine Gattin angemeldet, zumal dem Bw die Gewerbeberechtigung entzogen worden sei - dem Bw obliege der Ein- und Verkauf. Er hole die Ware mit Lkw und Anhänger vom Verkäufer ab und liefere sie den Kunden. Im ggst Fall wurde eine Täuschungshandlung schon aufgrund der - im Einzelnen dargelegten - prekären finanziellen Situation des Bw am Tattag angenommen. Erschwerend waren fünf einschlägige Vorstrafen des Bw, allerdings wurde vom Widerruf der oben angeführten bedingten Freiheitsstrafe abgesehen.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG gilt eine Person als verkehrsunzuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen und ihrer Wertung angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

Als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs.1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand gemäß Abs.3 Z 10 leg.cit. eine strafbare Handlung gemäß den §§ 102, 131, 142 und 143 StGB begangen hat.

Nach dem (auf die geltende Rechtslage des FSG übertragbaren) Erkenntnis des VwGH vom 16.6.1992, 92/11/0079, stellen auch andere als in § 66 Abs.2 KFG aufgezählte Tatbestände "bestimmte Tatsachen" iSd Abs.1 dar, wenn sie im Einzelfall den im Abs.2 ausdrücklich angeführten bestimmten Tatsachen an Bedeutung und Gewicht (im Grad ihrer Verwerflichkeit und/oder der Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden) im Hinblick auf die nach § 66 Abs.1 KFG daraus zu erschließende Sinnesart etwa gleichkommen. Der VwGH hat sich wiederholt mit der Relevanz von (im Katalog des § 66 Abs.2 KFG nicht aufgezählten) Betrugsdelikten für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit einer Person befasst und eine solche Relevanz grundsätzlich verneint. Dabei wurde ausdrücklich auf die vom Gesetzgeber des KFG gewollte eingeschränkte Relevanz von Vermögensdelikten für die Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit einer Person hingewiesen und der dabei zu beachtende Zusammenhang zwischen den begangenen strafbaren Handlungen und den ihre Begehung typischerweise erleichternden Umständen, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, betont. Unter diesem Aspekt hat der Gerichtshof in den Versicherungsbetrügereien in Bezug auf Kraftfahrzeuge betreffenden Erkenntnissen die Relevanz von Betrugsdelikten für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit einer Person bejaht und gleichzeitig im in dem zitierten Erkenntnis zugrundeliegenden Fall verneint, bei dem der Beschwerdeführer gefälschte Münzen zum Verkauf anbot, die als echte Goldmünzen von einer Bank angekauft wurden, wobei er zur Beschaffung der gefälschten Münzen einen Pkw verwendete (Schadenssumme 14.000 S).

Nach der Rechtsprechung des VwGH können Veruntreuungen und Betrugshandlungen, die im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen begangen wurden, jedenfalls bei mehrfacher Begehung und hoher Schadenssumme die Verkehrszuverlässigkeit der betreffenden Person ausschließen (vgl E verst.S. 14.12.1999, 99/11/0124, in dem es um Veruntreuung und schweren gewerbsmäßigen Betrug in Verbindung mit der Übernahme eines Pkw zum Verkauf, Einbehalten des Kaufpreises, Nichtweitergabe der kassierten Geldbeträge bei einem Leasingvertrag, Vorgabe des Handels mit Gebrauchtwagen, betrügerische Autoverkäufe, Nichtbezahlung von Kfz-Reparaturkosten, Täuschung durch die äußere Erscheinung des Täters und der Benützung von Automarken der gehobenen Klasse usw über eineinhalb Jahre mit einer Gesamtschadenssumme über 200.000 S ging; ebenso E 24.4.2001, 99/11/0197, ua wegen eines Verbrechens nach den §§ 146, 147 Abs.1 Z1, 148 2.Fall StGB, wegen Verleitung von Personen zur Erbringung von Versicherungsleistungen durch Täuschung über das Vorliegen eines Versicherungsfalles durch Ausstellen unwahrer Unfallberichte über fingierte bzw absichtlich herbeigeführte Verkehrsunfälle in mehreren Fällen mit einer Schadenssumme von über 100.000 S.

Auf Basis dieser Rechtsprechung kann nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates das im Urteil des BG Peuerbach angeführte strafbare Verhalten des Bw, ein Vermögensdelikt ohne zusätzliche strafsatzändernde Qualifikation bei einer nicht als hoch zu bezeichnenden Gesamtschadenssumme von 840 Euro, an Schwere und Verwerflichkeit nicht mit den in § 7 Abs.3 Z10 FSG angeführten bestimmten Tatsachen gleichgehalten werden, obwohl hinsichtlich der Verwendung des Lkw mit Anhänger zum Transport der Rundballen Heu aber sehr wohl der geforderte Zusammenhang mit der Verwendung eines Kraftfahrzeuges besteht - auch ist ein Heutransport in der beim Bw nach den genannten Urteilen "üblichen" Größenordnung ohne Kraftfahrzeug wohl undenkbar. Es erübrigt sich auf dieser Grundlage, auf die mittlerweile in Form einer Strafanzeige ergangenen das Jahr 2006 betreffenden Anschuldigungen, die Gegenstand eines gerichtsanhängigen Verfahrens sind, einzugehen, zumal zwar auch hier in 18 von 30 Fällen Heu- bzw Strohabholungen auf die gleiche Weise mit Lkw stattgefunden haben, jedoch eine rechtliche Beurteilung des dem Bw vorgeworfenen Verhaltens dem UVS nicht möglich ist.

Da somit die Voraussetzungen für die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit beim Bw nicht gegeben sind, war der angefochtene Bescheid auch hinsichtlich des Lenkverbotes aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Betrug ohne zusätzl. Qualifikation mit Schadenssumme € 840,-- ≠ bestimmte Tatsache iSd VwGH-Judikatur → Aufhebung.

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