Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521304/7/Br/Ps

Linz, 06.06.2006

 

 

 

VwSen-521304/7/Br/Ps Linz, am 6. Juni 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn R K, E, N, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. H u. Dr. J B, A, L, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, vom 3.4.2006, Zl. VerkR21-713-2005/LL, nach der am 30.5.2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der ausgesprochene Entzug der Lenkberechtigungen und des Fahrverbotes wird behoben.

Dem Berufungswerber wird jedoch die Auflage erteilt, im Verlaufe des Mai 2007 betreffend der Diagnose "wahnhafte Störungen" der Behörde erster Instanz (Bezirkshauptmannschaft Linz-Land) eine psychiatrische Stellungnahme vorzulegen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 3 Abs.1, § 8 Abs.1 u. § 24 Abs.1 FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 Führerscheingesetz - FSG, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 32/2006 und § 2 Abs.5 u. § 13 Abs.1 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV, BGBl. II Nr. 322/1997, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 64/2006 und
§ 66 Abs.4, § 67d Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 10/2004;

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem hier angefochtenen Bescheid wurde dem Berufungswerber in Bestätigung des Mandatsbescheides vom 4.10.2005 dessen Lenkberechtigung entzogen sowie das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges - bis zum Wiedererlangen der gesundheitlichen Eignung - verboten.

Einer Berufung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

 

1.1. Begründend wurde ausgeführt:

"Gemäß § 24 Abs. 1 Führerscheingesetz 1997 - FSG, BGBl. Nr. 120/1997, idgF. ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkerberechtigung zu entziehen

2. oder die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.

 

Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist gemäß § 24 Abs.4 Führerscheingesetz 1991 - FSG BGBI.Nr. 120/1997, idgF. ein vom Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen.

 

Personen, die nicht im Sinne des § 7 Führerscheingesetz 1997 - FSG, BGBI.Nr. 120/1997, idgF. verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde gemäß § 32 Abs.2 Führerscheingesetz 1997 - FSG, BGBI.Nr. 120/1997, idgF. unter Anwendung der §§ 24 Abs. 3 und 4, 25, 26 und 29 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges

1. ausdrücklich zu verbieten,

2. nur zu gestatten, wenn vorgeschriebene Auflagen eingehalten werden, oder

3. nur für bestimmte Zeit oder nur unter zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen zu gestatten.

 

Das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges entgegen einer behördlichen Verfügung nach Z 1, 2 oder 3 ist unzulässig. Eine solche Verfügung ist aufzuheben, wenn der Grund für ihre Erlassung nicht mehr gegeben ist.

 

Gemäß § 25 Abs. 2 Führerscheingesetz 1997 - FSG, BGBI.Nr. 120/1997, idgF. ist bei einer Entziehung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung die Dauer der Entziehung aufgrund des gemäß § 24 Abs. 4 eingeholten Gutachtens für die Dauer der Nichteignung festzusetzen.

 

Mit Mandatsbescheid der BH Linz-Land vom 07.02.2006, ZI. VerkR21-713-2005/LL, wurde Ihnen die Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen entzogen.

 

Grundlage für diese Maßnahme bildete das nachstehend zitierte amtsärztliche Gutachten vom 01.02.2006:

 

'Herr K wurde amtsärztlich untersucht, weil von der Pl. Neuhofen mitgeteilt worden war, dass der Verdacht auf eine psychische Krankheit bestehe.

Bei der klinischen Untersuchung ergaben sich Auffälligkeiten. Herr K äußerte massive Beeinträchtigungsideen, sehr detailliert und komplex, machte auch plötzliche Gedankensprünge. Auch bei der Fachärztin war der Gedankengang geprägt von der wahnhaften Überzeugung, verfolgt zu werden. Verfolgungs-, Beziehungs-, Beobachtungs- und Vergiftungsideen lagen vor. Die Konzentration war herabgesetzt, die Ablenkbarkeit erhöht, die Stimmung gereizt.

Die Fachärztin kam zu dem Schluss, dass eine Gefährdung im Straßenverkehr zu befürchten ist, einerseits durch die Einschränkung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit wegen der ständigen Anspannung aufgrund des Erlebens einer permanenten Bedrohung, andererseits durch paranoide Verarbeitung alltäglicher Situationen, durch Fehlinterpretationen und Realitätsverkennung.

Die Argumentation der Fachärztin ist schlüssig. Wenn sich Herr K bedroht fühlt, kann es durch Flucht- oder Abwehrreaktionen seinerseits zu gefährlichen Situationen im Straßenverkehr kommen. Auch kann nachvollzogen werden, dass durch das ständige Gefühl der Bedrohung die Aufmerksamkeit vom Geschehen im Straßenverkehr abgelenkt werden kann. Diese Beeinträchtigung ist aber nicht mit ausreichender Sicherheit in einer verkehrspsychologischen Untersuchung fassbar, da es sein kann, dass sich Herr K in der Testsituation sicher fühlt und dadurch Ergebnisse erzielt, die im Straßenverkehr nicht erreicht würden. Eine verkehrspsychologische Untersuchung ist auch nicht in der Lage, die Bedenken hinsichtlich der Gefahr der Fehlinterpretation und Realitätsverkennung zu entkräften, weshalb darauf verzichtet wird, da es für Herrn K nur Kosten verursachen würde, ohne für ihn eine Änderung der Beurteilung erzielen zu können.

Aus amtsärztlicher Sicht ist Herr K derzeit nicht geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen.'

 

Gegen den eingangs angeführten Bescheid wurde von Ihrem rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig das Rechtsmittel der Vorstellung eingebracht. Im Schriftsatz vom 27.02.2006 wird im wesentlichen ausgeführt, dass sich aus dem amtsärztlichen Gutachten vom 01.02.2006 keine wirkliche gesundheitliche Beeinträchtigung ableiten lasse. Eine solche könne weder aus den angeführten Vorerkrankungen abgeleitet werden und auch nicht aus den Angaben der Amtsärztin zum gegenwärtigen Befund. Insbesondere aber auch nicht aus Ihren Angaben zu den zitierten Feststellungen des Bescheides vom 04.10.2005, dass im Zuge durchgeführter Ermittlungen bekannt geworden sei, dass Sie an einem Verfolgungswahn leiden würden.

 

Hinsichtlich dieses Verfolgungswahnes - es wäre behauptet worden, Sie hätten Geld kassiert und keine Abgaben bezahlt, weshalb gegen Sie eine Fahndung eingeleitet worden wäre - wird angeführt, dass bekannt ist, dass Steuerhinterziehungen von der Finanzverwaltung durch Fahndungsabteilungen untersucht werden, während im ganzen sonstigen öffentlichen Justiz- und Verwaltungsbereich nirgendwo 'Fahnder' am Werk sind. Dies dürfte Ihnen nicht bekannt gewesen sein, da Sie sich bezüglich einer möglichen Fahndung an eine Polizeistelle um Aufklärung gewandt haben. Daraus könne aber nie und nimmer die Schlußfolgerung abgeleitet werden, Sie würden an Verfolgungswahn leiden.

Wenn die Amtsärztin auf die psychiatrische Stellungnahme der Fachärztin Bezug nimmt und daraus ableitet, dass Ihr Gedankengang auch bei der Fachärztin von der wahnhaften Überzeugung geprägt war, verfolgt zu werden, so muss der Wortlaut dieser Stellungnahme entgegen gehalten werden:

'Da keine außeranamnestischen Angaben vorliegen, können zur Dauer der Erkrankung keine Angaben gemacht werden, bisher nie in psychiatrischer Behandlung. Im Hinblick auf die Prognose ist jedoch darauf hinzuweisen, dass bei einer eventuell bereits seit langem bestehenden chronifizierten wahnhaften Störung auch unter adäquater Behandlung die Wahrscheinlichkeit einer vollkommenen Remission nicht sicher gegeben ist.'

Die Fachärztin wäre nach Einsicht in den Bescheid der BH Linz-Land vom 04.10.2005 davon ausgegangen, dass der Verfolgungswahn bereits behördlich festgestellt worden war. Dass die Fachärztin eine ergänzende verkehrspsychologische Untersuchung angeraten hat, ergäbe die zwingende Schlussfolgerung, dass sie eine geistige Störung und eine geistige Erkrankung jedenfalls ausgeschlossen hat.

Die Ausführungen der Amtsärztin wären jedenfalls nicht geeignet, den angefochtenen Bescheid zu begründen. Zumindest nicht ohne entsprechende Ermittlungen, wobei darauf hingewiesen wird, dass die Behörde den Verfolgungswahn nicht so ernst genommen hat, da man Ihnen eine zweimonatige Frist einräumte, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen. Die Ausführungen zu einer unumgänglichen Sofortmaßnahme wären unter diesem Blickwinkel in keiner Weise überzeugend.

 

Die Behörde hat folgendes erwogen:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Ziff. 1 13 Führerscheingesetz - Gesundheitsverordnung (FSG-GV), BGBl. II Nr. 322/1997, idgF. gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 Führerscheingesetz gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt.

 

Gemäß § 13 Führerscheingesetz - Gesundheitsverordnung (FSG-GV), BGBl. II Nr. 322/1997, idgF. gelten Personen als ausreichend frei von psychischen Krankheiten, bei denen keine Erscheinungsformen solcher Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen mitbeurteilt.

 

Aus dem amtsärztlichen Gutachten vom 01.02.2006 sowie aus der fachärztlichen Stellungnahme vom 18.01.2006, welche jeweils als schlüssig und nachvollziehbar beurteilt werden, ergibt sich für die Behörde eindeutig, dass Sie derzeit nicht geeignet sind, Kraftfahrzeuge zu lenken.

 

Von der Fachärztin wurde eine eingehende Untersuchung vorgenommen und die klare Diagnose 'wahnhafte Störung' gestellt. Bei Ihnen liege überdies keinerlei Krankheits- und daraus resultierend auch keine Behandlungseinsicht bzw. -bereitschaft vor. Dass sich bei dieser Erkrankung durch die ständige Anspannung und das Erleben einer permanenten Bedrohung Gefährdungsmomente ergeben, welche eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen, wurde seitens der Fachärztin nachvollziehbar dargelegt.

 

Weshalb seitens der Amtsärztin von der Zuweisung zur verkehrspsychologischen Untersuchung Abstand genommen wurde, wurde ausführlich begründet. Ebenso aus welchen Gründen die amtsärztliche Beurteilung als 'nicht geeignet' erfolgte.

 

Zur Behauptung, die Behörde hätte den von der Polizeiinspektion Neuhofen angezeigten Sachverhalt nicht ernst genommen, wird darauf hingewiesen, dass die Erlassung eines Bescheides gemäß § 24 Abs. 4 FSG lediglich begründete Bedenken voraussetzt, dass der Betroffene eine der Voraussetzungen für das Vorliegen der gesundheitlichen Eignung nicht bzw. nicht mehr erfüllt. In diesem Stadium des Verfahrens geht es noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer dieser Voraussetzungen geschlossen werden kann.

 

Erst durch die amtsärztliche und fachärztliche Untersuchung wurden diese konkreten Umstände bekannt, die Notwendigkeit der Erlassung eines Mandatsbescheides war daher geboten.

 

Im Interesse der Sicherheit aller Straßenbenützer sind Personen, die zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich nicht ausreichend geeignet sind, unverzüglich von der Teilnahme am Straßenverkehr als Fahrzeuglenker auszuschließen und es war daher wegen Gefahr in Verzug im Interesse des öffentliches Wohles einer gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen."

 

 

2. Dem tritt der Berufungswerber mit seiner durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung entgegen:

"Gegen den Bescheid der BH Linz-Land vom 03.04.2006, GZ VerkR21-713-2005/LL, den ausgewiesenen Vertretern des Berufungswerbers zugestellt am 06.04.2006, erhebt der Berufungswerber innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der

 

Berufung

und begründet diese wie folgt:

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Berufungswerber seine Lenkberechtigung zum Lenken führerscheinpflichtiger Kraftfahrzeuge der Klassen A, B, C, E, F und G sowie zum Lenken von Motorfahrrädern, 4-rädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftzeugen bis zu seiner ärztlich bestätigten gesundheitlichen Eignung entzogen und für den selben Zeitraum ein Lenkverbot für die Dauer der Nichteignung ab 15.02.2006 ausgesprochen; gleichzeitig wurde die aufschiebende Wirkung einer allfällig eingebrachten Berufung aberkannt.

 

Diesem Bescheid war vorerst ein Bescheid vom 04.10.2005, AZ VerkR21-7132005/LL vorangegangen, mit welchem der Berufungswerber aufgefordert worden war, sich innerhalb von 2 Monaten einer amtsärztlichen Untersuchung hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und 2 zu unterziehen. Dieser Bescheid war damit begründet worden, daß 'im Zuge der durchgeführten Ermittlungen bekannt wurde, daß der Berufungswerber an einem Verfolgungswahn leide.' Obwohl - wie sich später durch Akteneinsicht herausstellte - tatsächlich solche Ermittlungen überhaupt nicht durchgeführt worden waren, kam der Berufungswerber der Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung nach. Daraufhin wurde ihm der Mandatsbescheid vom 07.02.2006, AZ VerR21-7132005/LL und anschließend nach Einbringung der Vorstellung gegen diesen Bescheid der gegenständlich angefochtene Bescheid zugestellt, welche beide denselben Spruch aufweisen und sich beide auf die amtsärztliche Untersuchung vom 30.11.2005 und die darin eingearbeitete fachärztliche Stellungnahme von Frau Dr. T vom 18.01.2006 stützen. Dies ergibt sich jedenfalls aus der Begründung auf Seite 3 des gegenständlich angefochtenen Bescheides wo ausgeführt wurde, die Fachärztin sei zu dem Schluß gekommen, daß eine Gefährdung im Straßenverkehr zu befürchten sei, einerseits durch die Einschränkung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit wegen der ständigen Anspannung auf Grund des Erlebens einer permanenten Bedrohung, andererseits durch paranoide Verarbeitung alltäglicher Situationen, durch Fehlinterpretationen und Realitätsverkennung.

 

Nach Darstellung der Ausführungen in der Vorstellung des Berufungswerbers folgt auf Seite 5 des Bescheides die Begründung für die schon im Mandatsbescheid getroffene Feststellung, daß der Berufungswerber derzeit nicht geeignet sei Kraftfahrzeuge zu lenken.

 

Hiefür wird angeführt, daß von der Fachärztin nach eingehender Untersuchung die klare Diagnose: 'wahnhafte Störung' gestellt wurde.

 

Bei genauer Prüfung des Wortlauts der psychiatrischen Stellungnahme von Frau Dr. T vom 18.01.2006 ergibt sich allerdings, daß diese Formulierung zwar an die Spitze ihrer Stellungnahme gestellt wurde, wozu unmittelbar folgend noch angeführt wurde: 'keine Krankheits- und dadurch resultierend auch keine Behandlungseinsicht bzw. -bereitschaft.'

 

Dann folgen allerdings folgende weitere Ausführungen der genannten Fachärztin:

 

'Da keine außenanamnestischen Angaben vorliegen, können zur Dauer der Erkrankung keine Angaben gemacht werden, bisher nie in psychiatrischer Behandlung. Im Hinblick auf die P r o g n o s e n ist jedoch darauf hinzuweisen, daß bei einer eventuell bereits seit langem bestehenden chronifizierten wahnhaften Störung auch unter adäquater Behandlung die Wahrscheinlichkeit einer vollkommenen Remission nicht sicher gegeben ist. Gefährdungsmomente ergeben sich bei dieser Erkrankung durch die ständige Anspannung auf Grund des Erlebens der permanenten Bedrohung, was naturgemäß Beeinträchtigungen auf das Konzentrationsvermögen und die Reaktionsschnelligkeit und -sicherheit hat. Auf Grund der paranoiden Verarbeitung alltäglicher Situationen kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich durch Fehlinterpretationen und Realitätsverkennung gefährliche Situationen im Straßenverkehr ergeben. Es kann daher keine befürwortende Stellungnahme für das Lenken eines KFZ obiger Gruppen abgegeben werden.

 

Die Hinweise einerseits, daß der Berufungswerber bisher nie in psychiatrischer Behandlung war und die weiteren Hinweise auf Gefährdungsmomente bei einer eventuell bereits seit langem bestehenden chronifizierten wahnhaften Störung machen unzweifelhaft klar, daß weder die angeführte wahnhafte Störung von der Fachärztin Dr. T diagnostiziert wurde, noch die fehlende Behandlungseinsicht bzw. -bereitschaft. Zufolge Fehlens außenanamnestischer Angaben konnte sie zu einer solchen Erkrankung bzw. deren Dauer keine Angaben machen, verwies allerdings darauf, daß der Berufungswerber bisher nie in psychiatrischer Behandlung war.

 

Bei der von der Behörde angenommenen wahnhaften Störung und fehlende Behandlungseinsicht und -bereitschaft, handelt es sich daher augenscheinlich um eine bloße Annahme der Behörde, die auch der Fachärztin Dr. T als Grund für die durchgeführte Untersuchung angegeben worden war.

 

Die abschließend von dieser Fachärztin angeratene ergänzende verkehrspsychologische Überprüfung läßt im Übrigen abschließend die zwingende Schlußfolgerung zu, daß sie eine psychische und geistige Beeinträchtigung des Berufungswerbers nicht angenommen hat, weil sie diesfalls unzweifelhaft eine entsprechende psychiatrische Untersuchung angeregt hätte.

 

Die Empfehlung der Ärztin, eine ergänzende verkehrspsychologische Überprüfung durchzuführen, spricht eindeutig dafür, daß die genannte Ärztin keinen krankhaften neurologischen Befund erstellen konnte.

 

Die Umdeutung, welche die Amtsärztin in ihrem Gutachten in der Folge vornimmt, nämlich daß auch bei der Fachärztin der Gedankengang des Berufungswerbers von der wahnhaften Überzeugung, verfolgt zu werden, geprägt war, ist durch die Ausführungen der psychiatrischen Stellungnahme Dr. T vom 18.01.2006 in keiner Weise gedeckt. Die solcherart konstruierten Schlußfolgerungen der Amtsärztin entbehren ebensowenig jeder Grundlage wie die Feststellungen im eingangs zitierten Bescheid vom 04.10.2005, daß im Zuge der durchgeführten Ermittlungen bekannt geworden sei, daß der Berufungswerber an einem Verfolgungswahn leide.

 

Derartige Ermittlungen sind, wie bereits in der Vorstellung gegen den eingangs zitierten Bescheid vom 07.02.2006 dargelegt wurde, tatsächlich niemals geführt worden.

 

Ebensowenig können die im letzten Teil des amtsärztlichen Gutachtens vom 01.02.2006 angeführten theoretischen Folgen der Person des Berufungswerbers angelastet werden, solange nicht konkret feststeht, daß seit längerem eine chronifizierte wahnhafte Störung besteht.

 

In Wirklichkeit hat die Fachärztin niemals die klare Diagnose 'wahnhafte Störung' gestellt und im übrigen die von ihr angeführten und in den angefochtenen Bescheid aufgenommenen Gefährdungsmomente bloß für den Fall möglich gehalten, daß bei einer eventuell bereits seit langem bestehenden chronifizierten wahnhaften Störung auch unter adäquater Behandlung die Wahrscheinlichkeit einer vollkommenen Remission nicht sicher gegeben sei. Damit wird aber kein wie immer gearteter Bezug zur Person des Berufungswerbers hergestellt, wie sich aus dem vorzitierten Wortlaut der Ausführungen der Fachärztin ergeben.

 

Der angefochtene Bescheid entspricht daher nicht dem Gesetz, wobei der erstinstanzlichen Behörde nicht nur Aktenwidrigkeit und widersprüchliche Begründung im Sinn der vorstehenden Ausführungen vorgeworfen wird, sondern auch eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, weil die Feststellung des Fehlens einer gesundheitlichen Eignung zum Lenken führerscheinpflichtiger Kraftfahrzeuge mit Rücksicht auf die Bedeutung einer solchen Feststellung einer umfangreichen fachärztlichen Begutachtung bedurft hätte. Dies ist aber nicht geschehen, weil der beigezogenen Fachärztin Dr. T das Bestehen einer wahnhaften Störung mehr oder weniger vorgegeben wurde, eine diesbezüglich genaue neurologische und psychiatrische Untersuchung aus diesem Grunde offensichtlich gar nicht erfolgte und andererseits die Amtsärztin von vornherein keine neurologischen oder psychiatrischen Fachkenntnisse hat.

 

Der Berufungswerber stellt daher den

 

Berufungsantrag

 

den angefochtenen Bescheid der BH Linz-Land vom 03.04.2006, AZ VerkR21-7132005/LL gegebenenfalls nach Ergänzung der medizinischen Untersuchungsergebnisse voll inhaltlich aufzuheben.

 

L, 18.4.2006 R K"

 

 

3. Der Verfahrensakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser ist demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 67a Abs.1 Z2 AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien hier zwecks ergänzender Klärung der Sachverhaltslage geboten (§ 67d Abs.1 AVG).

 

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch die im Rahmen der Berufungsverhandlung seitens der Amtsärztin vorgenommene Gutachtensergänzung. Vorweg wurde auch von der Fachärztin für Psychiatrie Dr. T eine Erläuterung ihrer gutachterlichen Stellungnahme eingefordert.

Der Berufungswerber nahm an der Berufungsverhandlung persönlich teil und wurde ebenfalls gehört. Eine Abfrage aus der Führerscheindatei erfolgte seitens der Berufungsbehörde.

 

 

4. Zur Verfahrenseinleitung kam es hier, weil der Berufungswerber am Vormittag des 28.7.2005 bei der Polizeiinspektion Neuhofen an der Krems erschienen war und die Telefonnummer der "Geheimpolizei" verlangt habe.

Dies führte in der an die Behörde erster Instanz erstatteten Sachverhaltsanzeige zum Kalkül, der Berufungswerber sei "geistig etwas verwirrt" erschienen. In einer weiteren Stellungnahme der PI Neuhofen a.d. Krems wird unter Hinweis auf eine Darstellung seitens der geschiedenen Ehefrau des Berufungswerbers dieser bereits als "teilweise äußerst verwirrt" bezeichnet.

Im amtsärztlichen Gutachten wird im Ergebnis auf das Kalkül der fachärztlichen Stellungnahme verwiesen, worin von der Befürchtung einer Gefährdung des Straßenverkehrs durch den Berufungswerber die Rede ist. Wegen der ständigen Anspannung auf Grund des permanenten Erlebens einer Bedrohung sei die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit herabgesetzt und wegen der paranoiden Verarbeitung alltäglicher Situationen seien Fehlinterpretationen und Reaktionsverkennungen möglich.

Dies wurde seitens der Amtsärztin als eignungsausschließend gewertet.

Die Fachärztin für Psychiatrie Dr. T präzisierte in der über h. Auftrag ergänzten Stellungnahme ihr negatives Eignungskalkül mit einer gegenüber gesunden Menschen "ungleich höheren" Wahrscheinlichkeit von Fehleinschätzungen im Straßenverkehr, ohne diese Wahrscheinlichkeit prozentuell quantifizieren zu können. Diese Fehleinschätzungen würden krankheitsbedingt nicht aus Missverständnissen (gemeint, wie solche bei jedem Menschen vorkommen können), sondern aus Wahrnehmungen resultieren. Inhaltlich wird eine solche Auswirkung dahingehend präzisiert, dass der sich krankheitsbedingt verfolgt fühlende Berufungswerber dadurch geneigt sein könnte etwa auf einer Autobahn umzudrehen oder mit stark erhöhter Geschwindigkeit vom "vermeintlichen Verfolger" flüchten zu wollen. Die Amtsärztin hat im Rahmen der Berufungsverhandlung auf die Problematik bei psychischen Erkrankungen hingewiesen, konnte aber ohne Änderung ihres negativen Gutachtens keine dezidierten und nachvollziehbaren Gründe nennen, wodurch der sich weder augenscheinlich noch durch sein Auftreten bei der Berufungsverhandlung von keinem anderen Menschen seines Alters unterscheidende Berufungswerber, konkret einen nicht tragbaren Risikofaktor als Fahrzeuglenker darstellen sollte.

 

 

4.1. Im Rahmen der Berufungsverhandlung machte der Berufungswerber jedenfalls einen durchaus zugänglichen und auch mitteilungsfähigen Eindruck, wobei er die Darstellung der Vorsprache bei der PI Neuhofen a.d. Krems sowie die Schilderungen gegenüber der Amtsärztin im Ergebnis in Abrede stellte. Es konnte daher nicht klargestellt werden, ob sich der Berufungswerber mit diesen Schilderungen in irgendeiner Weise auf sich Aufmerksamkeit verschaffen oder bloß originell wirken wollte oder ob er mit seinen Darstellungen - wie sein Rechtsvertreter vermeinte - unbewältigte Erlebnisse aus seiner früheren Berufswelt zu bewältigen versucht oder ob er sich in dieser Phase tatsächlich verfolgt fühlt. Der Berufungswerber bezeichnet sich selbst als geselligen und in seiner sozialen Umgebung akzeptierten Menschen. In Beurteilung am Maßstab alltäglicher gegenseitiger menschlicher Begegnungsmuster konnte in der Person des 75-jährigen Berufungswerbers keineswegs der Eindruck aufkommen, er könnte für die übrigen Verkehrsteilnehmer potenziell eine überdurchschnittliche Gefahr darstellen, sodass man ihn vom Verkehr fernhalten müsse.

Der Berufungswerber legte seine 40-jährige und weitgehend unfallfrei verlaufene berufliche Fahrpraxis, welche er mit ursprünglich jährlich bis zu 80.000 km und nun nur mehr auf kurze Strecken reduziert und jährlich mit etwa 5.000 km angibt, dar. Betreffend den Berufungswerber bestehen keine Vormerkungen und er ist offenkundig auch sonst nie im Straßenverkehr auffällig geworden.

Die vom Berufungswerber im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung geschilderten, 40 Jahre zurückreichenden und abstrus anmutenden Agentengeschichten entziehen sich einer inhaltlichen Würdigung. Nicht nachvollziehbar mit einem aktuellen Auszug aus dem Führerscheinregister erweist sich etwa auch ein vom Berufungswerber erwähnter früherer Führerscheinentzug. Schädliche Auswirkungen auf die Lebensumgebung des Berufungswerbers sind aber offenbar bislang nie schlagend geworden.

Inwieweit daher die Diagnose "wahnhafte Störung" sich konkret und in welcher Wahrscheinlichkeit als verkehrsverhaltensrelevant auswirkt, konnte von der Amtsärztin auch im Rahmen der Berufungsverhandlung weder näher präzisiert noch konkretisiert werden. Die Amtsärztin räumte im Ergebnis letztlich ein, dass es sich hier um die Beurteilung einer Risikoabschätzung handelt, welche offenbar den Freiraum einer Bewertung der sogenannten Risikoeignung offen lässt. Aus der gegenwärtigen Sicht sei eine konkrete Gefahrensituation nicht spezifizierbar.

Die Fachärztin für Psychiatrie bezeichnete den Berufungswerber als wach und allseits orientiert und in den amnestischen Fähigkeiten nicht beeinträchtigt. Wenn jedoch die Konzentration als herabgesetzt und die Ablenkbarkeit erhöht erachtet wird, wird dies nicht im Bezug zur Altersnorm gesetzt.

Die ausführlich erhobenen und offenbar bereits länger bestehenden Verfolgungsideen haben sich offenkundig bislang nie auf das Fahrverhalten ausgewirkt.

Dem hier offenbar "Im Zweifel zu Gunsten der Verkehrssicherheit" erstellten negativen Kalkül vermag sich der Unabhängige Verwaltungssenat unter sorgfältiger Abwägung der geschilderten Risikofaktoren angesichts der bisher unauffälligen Verkehrsgeschichte nicht anzuschließen. Mit Blick auf das gänzliche Fehlen sogenannter "harter Fakten" im Hinblick auf Auswirkungen auf das Verkehrsverhalten scheint die fachärztliche Diagnose "wahnhafte Störung" für das negative amtsärztliche Gutachten nicht ausreichend. Es kann demnach nicht nachvollzogen werden, dass beim Berufungswerber eine die Fahreignung ausschließende psychische Krankheit vorliegen würde.

Wohl mag die Darstellung des Berufungswerbers im Hinblick auf dessen Schilderungen über "Verfolgungen seiner Person seitens staatlicher Organe" absurd anmuten. Da sich aber das daraus gezogene fachliche Kalkül einer Nichteignung zum Lenken jeglicher Objektivierungsmöglichkeit entzieht, reicht dies mit Blick auf den vom Berufungswerber im Rahmen der Berufungsverhandlung gewonnenen Eindruck nicht aus, ihn gleichsam auf Verdacht und in vorbeugender Absicherung vor einem möglichen Fehlverhalten von elementarem Recht auf Mobilität auszuschließen.

 

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Das Führerscheingesetz, BGBl. I Nr. 120/1997 - FSG, gelangt hier idF BGBl. I Nr. 152/2005 und die Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung BGBl. II Nr. 322/1997 - FSG-GV idF BGBl. II Nr. 64/2006 zur Anwendung:

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt (und belassen)

werden, die:

...

3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),

...

Gesundheitliche Eignung

§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Klassen von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen.

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.

(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen:

'geeignet', 'bedingt geeignet', 'beschränkt geeignet' oder 'nicht geeignet'. Ist der Begutachtete nach dem ärztlichen Befund

1. gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen ohne Einschränkung geeignet, so hat das Gutachten 'geeignet' für diese Klassen zu lauten;

...

4. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nicht geeignet, so hat das Gutachten 'nicht geeignet' für die entsprechenden Klassen zu lauten.

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. ...

Dieses Gutachten muss jedoch schlüssig und nachvollziehbar sein um einen Entzug darauf stützen zu dürfen. Die Rechtslage kann nicht so ausgelegt werden, dass in einem Entzugsverfahren - anders gemäß dem Wortlaut des § 8 Abs.1 FSG im Erteilungsverfahren, wo eine Eignung noch nicht festgestellt wurde - eine Bindung der Behörde auch an ein nicht nachvollziehbares auf "nicht geeignet" lautendes amtsärztliches Gutachten besteht und demnach bis zum Vorliegen eines auf "geeignet" lautendes Gutachten die Berechtigung entzogen bliebe.

Mit dieser Feststellung wird der im Rahmen der Berufungsverhandlung geäußerten Rechtsmeinung der Vertreterin der Behörde erster Instanz entgegen getreten, die auf die Notwendigkeit eines auf "geeignet" lautenden Gutachtens hinwies. Damit entledigte sich jedoch die Behörde ihrer hoheitlichen Kompetenz und würde diese im Ergebnis ausschließlich dem Amtsarzt delegieren. Diese offenbar stillschweigend verbreitete Praxis führte wohl zwangsläufig zum Ergebnis, dass Amtsärzte unter dieser ihnen als Sachverständige überbürdete Last "der Entscheidung", im Zweifel zu Negativbegutachtungen neigen könnten, um dadurch einer präsumtiv ad personam wirksam werdenden Verantwortung, für nie gänzlich auszuschließende Fehlleistung eines Inhabers einer Lenkberechtigung, zu entgehen. Damit würde die Aufgabe des Sachverständigen wohl grundsätzlich verkannt.

Weiters sind folgende Bestimmungen der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung, BGBl. II Nr. 322/1997 idF BGBl. II Nr. 427/2002 (FSG-GV), von Bedeutung:

Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen - FSG-GV, BGBl. II Nr. 322/1997, zuletzt geändert durch, BGBl. II Nr. 64/2006:

§ 3. (3) Ergibt sich aus der Vorgeschichte oder anlässlich der Untersuchung der Verdacht auf das Vorliegen eines Zustandes, der die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einschränken oder ausschließen würde, so ist gegebenenfalls die Vorlage allfälliger fachärztlicher oder verkehrspsychologischer Stellungnahmen zu verlangen. Diese Stellungnahmen sind bei der Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen und im Gutachten in geeigneter Weise zu bewerten, wobei die zusätzlichen Risiken und Gefahren, die mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 verbunden sind, besonders zu berücksichtigen sind.

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Gesundheit

§ 5. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund gilt eine Person, bei der keine der folgenden Krankheiten festgestellt wurde:

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3. Erkrankungen, bei denen es zu unvorhersehbaren Bewusstseinsstörungen oder -trübungen kommt

4. schwere psychische Erkrankungen gemäß § 13 sowie:

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Psychische Krankheiten und Behinderungen

§ 13. (1) Als ausreichend frei von psychischen Krankheiten im Sinne des § 3 Abs.1 Z1 gelten Personen, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mitbeurteilt.

(2) Personen, bei denen

1. eine angeborene oder infolge von Krankheiten, Verletzungen oder
neurochirurgischen Eingriffen erworbene schwere psychische Störung,

2. eine erhebliche geistige Behinderung,

3. ein schwerwiegender pathologischer Alterungsprozess oder

4. eine schwere persönlichkeitsbedingte Störung des Urteilsvermögens, des Verhaltens und der Anpassung besteht, darf eine Lenkberechtigung nur dann erteilt oder belassen werden, wenn das ärztliche Gutachten auf Grund einer psychiatrischen fachärztlichen Stellungnahme, in der die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mitbeurteilt wird, die Eignung bestätigt.

Psychische Krankheiten und Behinderungen im Sinne des § 13 FSG-GV schließen aber nicht schlechthin die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen aus, sondern nur dann, wenn sie auf das Verhalten der betreffenden Person im Straßenverkehr, somit auf das Fahrverhalten, von Einfluss sein könnten. Auch diese Bestimmung kann nur so ausgelegt werden, dass dieses "von Einfluss sein können" einer realen Nachvollziehbarkeit zugänglich bleiben muss und nicht im Bereich der bloßen vagen Möglichkeit angesiedelt sein darf. Ob die festgestellte psychische Krankheit eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lässt, hat der Amtsarzt bei Erstattung des Gutachtens gemäß § 8 Abs. 2 FSG unter Berücksichtigung der psychiatrischen fachärztlichen Stellungnahme zu beurteilen (VwGH 18. März 2003, Zl. 2002/11/0039, mwN). Dass es sich dabei um ein schlüssiges und nachvollziehbares Gutachten zu handeln hat, ist evident.

Im Berufungsfall liegt wohl eine ausführliche Begründung der fachärztlichen Stellungnahme vor, worin letztlich von "ungleich höherer Wahrscheinlichkeit" von zu erwartenden verkehrsrelevanten Fehlverhaltensmustern die Rede ist.

Dieses Kalkül als fachliche Wertungsfrage der Beurteilung der Fahreignung lässt aber im Lichte des Ergebnisses der Berufungsverhandlung und der Beweiswürdigung ausreichend Raum für die Einschätzung der rechtlich entscheidungswesentlichen "Risikoeignung" für die Teilnahme am Straßenverkehr. So wird in der Ergänzung der fachärztlichen Stellungnahme zum Ausdruck gebracht, dass "zum Zeitpunkt der Untersuchung (des Berufungswerbers) 'eine floride wahnhafte Symptomatik explorierbar war, die prinzipiell jeden Menschen einschließen und jede Situation einschließen konnte.' beim Berufungswerber jedoch die Wahrscheinlichkeit von Fehlinterpretationen und sich daraus ergebende Fehlhandlungen 'ungleich höher' sei." Dies reicht jedoch mangels gegenwärtig konkreter Spezifizierbarkeit einer Fehlverhaltensprognose mit Blick auf § 13 Abs.3 FSG-GV nicht aus für ein negatives Gutachten als hinreichend schlüssig zu qualifizieren um darauf mangels harter und nachvollziehbarer Fakten die Nichteignung zu stützen. Die Amtsärztin hielt sich an die Fachempfehlung und fügte dieser mit dem Ergebnis auf ein vermeintlich nicht determinierbares erhöhtes Risiko ebenfalls nichts Greifbares hinzu.

Letztendlich hat aber die Behörde und nicht der Sachverständige die Entscheidung zu treffen.

Macht sich der amtsärztliche Sachverständige die im Vorbefund und -gutachten vertretene Ansicht (hier die psychiatrische Stellungnahme) zu Eigen, die er in sein eigenes Gutachten integriert, stellt das Fehlen von näheren Ausführungen im Gutachten selbst keinen Verfahrensmangel dar, wenn das Vorgutachten schlüssig ist und den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gestellten Anforderungen entspricht (vgl. VwGH 29.1.2004, Zl. 2003/11/0256).

Für die Überprüfbarkeit der Schlüssigkeit eines Gutachtens ist es notwendig, dass der Befund all jene Grundlagen und die Art ihrer Beschaffung nennt, die für das Gutachten verwendet wurden. Fehlt es daran, belastet dies das Sachverständigengutachten mit einem wesentlichen Mangel (Hinweis die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze2, unter E 151f zu § 52 AVG zitierte hg. Judikatur).

Der fachärztliche Befund und dessen Ergänzung vom 20.5.2006 geht - wie oben festgestellt - von mangelnder Krankheits- u. Behandlungseinsicht aus. Ferner liegt diesem die Feststellung zu Grunde, dass der Berufungswerber um seinen Führerschein kämpfen würde. Diese als völlig sozialtypisch zu wertende Meinung eines mit einem spezifischen Verfahren konfrontierten Menschen bestimmte hier offenbar die Diagnose und stützte scheinbar im besonderen Ausmaß das negative Kalkül. Als bemerkenswert hervorzuheben ist dabei, dass - bei einem sich subjektiv gesund fühlenden Menschen - (nur) einerseits die fehlende Behandlungseinsicht und gänzlich vage als "möglich" bezeichneten Bedrohungsbilder und diese wiederum als "möglich" (?) sich auf die Verkehrssicherheit durch "Fluchtverhalten", als im Ergebnis unwiderlegbare Basis der fehlenden Fahreignung herhalten sollte. Eine solche Gutachtensbasis kann unter Hinweis auf die unten zitierte Judikatur mangels ausreichender Nachvollziehbarkeit insbesondere auch mit Blick auf rechtstaatliche Grundsätze keinen so schwerwiegenden Rechtseingriff legitimieren (vgl. VwGH 24.8.1999, 99/11/0149, wonach auch ein "nicht unproblematisches Persönlichkeitsbild" allein keine Zweifel an der geistigen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen begründen müsse; dies mit Hinweis auf VwGH 21.2.2006, 2005/11/0209).

 

 

5.1. Sehr wohl scheint es jedoch vor dem Hintergrund der Diagnose einer wahnhaften Störung geboten, deren Verlauf zumindest zu beobachten und vom Berufungswerber nach einem Jahr die Vorlage einer diesbezüglichen fachärztlichen Stellungnahme zu fordern. Diese Auflage wird auf § 2 Abs.5 FSG-GV gestützt. Seine praktische Bewährung im Straßenverkehr wird dabei - wie es offenbar bisher der Fall gewesen ist - als aussagekräftiger Anhaltspunkt für die nachfolgende fachärztliche Beurteilung seiner Risikoeignung bzw. gesundheitlichen Eignung die Basis zu bilden haben.

Ob sich der Berufungswerber allenfalls schon früher auch einer Untersuchung und Therapie unterzieht, um diese Diagnose zu zerstreuen oder untermauert zu bekommen, muss ihm überlassen bleiben. Eine solche Vorgehensweise könnte jedoch eine bessere Basis für die in einem Jahr vorzulegende Stellungnahme bilden.

Sollte der Berufungswerber der Anordnung zur Beibringung einer solchen fachärztlichen Stellungnahme nicht folgen, hätte die Behörde mit einem kurz zu befristenden Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs.4 FSG vorzugehen. Würde auch diesem keine Folge geleistet, wäre mit einem Entzug der Lenkberechtigung vorzugehen (vgl. VwGH 10.11.1998, 98/11/0120, VwGH 14.3.2000, 99/11/0185 u.v.a).

 

 

5.2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

 

 

Beschlagwortung:

Anforderungen an Schlüssigkeit eines SV-Gutachten "wahnhafte Störung"

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