Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521305/10/Br/Ps

Linz, 06.06.2006

 

 

VwSen-521305/10/Br/Ps Linz, am 6. Juni 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn M K, S, L, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz, vom 25. April 2006, AZ: FE796/2005, nach der am 6. Juni 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, es werden sämtliche von der Berufung umfassten Einschränkungen aufgehoben; die Behörde hat in den Führerschein den Zahlencode 01:01 einzutragen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG, § 3 Abs.1 Z3, § 8 Abs.2 und 3 Z2 Führerscheingesetz - FSG, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 129/2002 und § 3 Abs.1 Z1, § 14 Abs.1 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV, BGBl. II Nr. 322/1997, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 427/2002.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem in der Präambel bezeichneten Bescheid wurde dem Berufungswerber am 25.4.2006 befristet (bis 25.10.2006) und mit Auflagen die Lenkberechtigung für die Klassen Al u. B (Zl.:) erteilt. Unangefochten bleibt der Auflagepunkt beim Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1, Klasse(n) Al u. B eine Brille zu verwenden. Darüber hinaus wurden folgende - berufungsrelevante - Auflagen erteilt:

1) Vorlage einer schriftlichen Bestätigung einer geeigneten therapeutischen Institution od. eines Psychotherapeuten oder eines Arztes mit psychotherapeutischer Zusatzausbildung über die regelmäßige (1-2x monatliche) Inanspruchnahme einer geeigenten "ich-stabilisierenden Psychotherapie" bei emotional instabilder Persönlichkeit, in Verbindung mit z.n. Cannabisabhängigkeit und Amphetamin- und Alkoholmissbrauch, einschließlich einer Verlaufsbeurteilung;

  1. a] Drogenlaborbefunde (Cannabis und Amphetamine) nach 2 und 6 Monaten

  1. b] Leberlaborwerte (LFP, MCV, CDT) nach 6 Monaten

Präzisierend wurde aufgetragen erstmals am 25.6.2006 und weiters am 25.10.2006 Drogenlaborbefunde (Cannabis und Amphetamine) nach 2 und 6 Monaten sowie die Leberlaborwerte (LFP, MCV, CDT) nach 6 Monaten im Original der Behörde vorzulegen.

 

Gestützt wurde dieser Bescheid unter Hinweis auf das amtsärztliche Gutachten auf § 24 Abs.1 FSG iVm § 8 Abs.3 Z2 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung.

 

 

2. Die Behörde erster Instanz sah den Berufungswerber dzt. gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen nur bedingt geeignet. Dies unter Hinweis auf das amtsärztliche Gutachten vom 25.4.2006. Demnach sei beim Berufungswerber noch immer eine erhöhte Rückfallgefährdung betreffend Alkohol- u. Drogenkonsum gegeben. Aus diesem Grunde wurde weiterhin eine sehr engmaschige Verlaufskontrolle angeordnet.

 

 

2.1. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung. Darin vermeint er im Ergebnis, dass diese Auflagen einer Grundlage entbehrten. Er sei weder alkoholabhängig, psychisch beeinträchtigt noch drogenabhängig.

 

 

3. Der Verfahrensakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 Z2 AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war in Wahrung der durch Art. 6 Abs.1 EMRK zu garantierenden Rechte geboten (§ 67d Abs.1 AVG).

Dem Verfahrensakt angeschlossen finden sich neben dem hier entscheidungswesentlichen amtsärztlichen Gutachten vom 25.4.2006, die verkehrspsychologische Stellungnahme des Kuratoriums für Verkehrssicherheit - Landesgeschäftsstelle Linz, vom 18.3.2005, sowie Befunde des Labors Dr. R vom 9.8.2005 und vom 7.2.2006, sowie eine psychiatrische Stellungnahme vom 1.3.2006 und dessen Ergänzung vom 24.4.2006.

 

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und Verlesung des erstinstanzlichen Verfahrensaktes. Im Rahmen des Berufungsverfahrens wurde der Berufungswerber gehört und die Amtsärztin Dr. M. P zwecks Abgabe von Erklärungen über den derzeit gegebenen gesundheitlichen Status des Berufungswerbers im Hinblick auf dessen Risikoeignung für die Teilnahme am Straßenverkehr als Amtssachverständige der Berufungsverhandlung beigezogen. Am 30.5.2006 erörterte der Facharzt f. Psychiatrie Dr. L unter Einbeziehung der derzeitigen Befundlage und des persönlichen Erscheinungsbildes des Berufungswerbers seine psychiatrische Stellungnahmen vom 1.3.2006 und deren Einschränkung am 24.4.2006.

Die als sachverständige Zeugin beigezogene Amtsärztin verwies im Ergebnis auf das ergänzende fachärztliche Kalkül vom 30.5.2006, erklärte sich aber für ergänzende Begutachtungen in Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat als nicht zuständig.

 

 

4. Folgende Sachverhaltslage ist als erwiesen anzusehen:

 

 

4.1. Die auf ein halbes Jahr befristet und mit engmaschigen Auflagen erteilte Lenkberechtigung stützt sich auf das amtsärztliche Gutachten vom 25.4.2006. Dieses nimmt wiederum wesentlich auf die Vorgeschichte, insbesondere eine zum Entzug der Lenkberechtigung führende Alkofahrt mit 0,78 mg/l am 21.3.2004 Bezug.

 

Die Vorgeschichte:

Im Zuge des damals geführten Verwaltungsstrafverfahrens ergaben sich Anhaltspunkte für einen Suchtmittelkonsum (Niederschrift mit dem Berufungswerber am 21.3.2004). Dem Akt angeschlossen findet sich ein Strafregisterauszug (Anfragecode "SC") mit zwei Verurteilungen wegen Suchtmitteldelikte (§§ 16/1 und 27/1 SMG).

Dem Berufungswerber wurde unter der AZ: von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck erstmals eine Lenkberechtigung erteilt.

Mit Mandatsbescheid vom 6.4.2005 wurde dem Berufungswerber die Lenkberechtigung ab 21.3.2004 für die Dauer von fünf Monaten, gestützt auf § 7 Abs.1 FSG wegen fehlender Verkehrszuverlässigkeit entzogen. Gleichzeitig wurden die üblichen begleitenden Maßnahmen angeordnet.

Am 17.8.2004 absolvierte der Berufungswerber die Nachschulungsmaßnahme für alkoholauffällige Lenker beim Kuratorium für Verkehrssicherheit.

Vom damaligen Gendarmerieposten Peuerbach wurde der Berufungswerber der Oö. Landesnervenklinik zwecks Harnuntersuchung zugewiesen. Der dort erhobene Befund verlief positiv und erbrachte den Messwert an Cannabinoid von 69 ng/ml (Grenzwert 0 - 25 ng/ml).

Nachfolgend wurde der Berufungswerber am 26.7.2004 amtsärztlich untersucht. Im Rahmen dieser Untersuchung wurde er auf seine damalige gesundheitliche Nichteignung unter einer Fristangabe bis zum 17.7.2005 hingewiesen.

Am 28.4.2005 wurde von Dr. L eine psychiatrische Stellungnahme erstattet. Zusammenfassend wurden dort Hinweise auf eine Cannabisabhängigkeit und schädlicher Gebrauch von Alkohol und Amphetaminen sowie eine deutliche emotional-instabile und dissoziale Persönlichkeitsstörung festgestellt. Der Berufungswerber wird darin jedoch als motiviert zu einer abstinenten Lebensweise beschrieben. Es wird vom Psychiater jedoch eine große Rückfallgefährdung festgestellt und in Verbindung damit eine regelmäßige psychosoziale Unterstützung oder Begleitung in Form einer regelmäßigen Psychotherapie anempfohlen.

Bei der ambulanten Untersuchung wurde keine Substanzbeeinträchtigung durch psychotropische Substanzen festgestellt.

Abschließend erblickte der Facharzt bei Erfüllung der genannten Voraussetzungen und bei unauffälligem verkehrspsychologischen Befund gegen die Erteilung einer Lenkberechtigung unter begleitender Kontrollauflagen.

Auf Seite 36 bis 42 finden sich fünf Laborbefunde über negativen Drogenharn und einem mit 2.5 grenzwertigen CD-Tectwert vom 23.7.2004.

Die verkehrspsychologische Stellungnahme vom 18.4.2005 führte zu einer "bedingten Eignungsbeurteilung". Der Berufungswerber wird dort als sehr offen und selbstkritisch und den Ernst der Lage erkennend beschrieben. Es ergaben sich keine Hinweise auf geringe psychische Stabilität, aber Anhaltspunkte auf erhöhte Risikobereitschaft, welche aus der Vorgeschichte ableitbar seien. Diese Risikofaktoren wurden im Normbereich liegend qualifiziert.

Dem Berufungswerber wurde eine Bestätigung der Beratungsstelle über Suchtfragen ausgestellt, wonach dieser dort erschienen ist, jedoch waren zu diesem Zeitpunkt keine Betreuungskapazitäten frei.

Am 7.6.2005 wurde dem Berufungswerber sodann dessen Lenkberechtigung mangels gesundheitliche Eignung entzogen. Hingewiesen wurde, dass erst nach erwiesener Aufnahme einer Psychotherapie im Zeitraum von zumindest zwei Monaten und bei Bestätigung der Drogenfreiheit eine Wiedererteilung möglich wäre.

Am 10.8.2005 stellte der Berufungswerber protokollarisch bei der Behörde erster Instanz den Antrag auf "Ausfolgung seines Führerscheins" (gemeint wohl Wiederteilung der Lenkberechtigung).

Dies wurde in folgender Form niederschriftlich festgehalten: "Ich stelle den Antrag auf Ausfolgung des Führerscheins".

Der Berufungswerber wurde sodann abermals am 24.8.2005 amtsärztlich untersucht und diesbezüglich am 16.9.2005 in einer die Eignungsfrage offen lassenden gutachterlichen Äußerung, abermals auf die Notwendigkeit der Psychotherapie und Nachweis der Drogenfreiheit hingewiesen.

Am 9.8.2005 wurde vom Berufungswerber neuerlich ein negativer Harnbefund vorgelegt.

Der Berufungswerber wurde folglich am 6.10.2005 zur Behörde erster Instanz vorgeladen, wobei sein Antrag in Form des angefochtenen Bescheides abgewiesen wurde.

Mit der seinerzeit dagegen erhobenen Berufung wurde ein negativer Harnbefund 6.10.2005 vorgelegt. Die Berufung wurde vom Berufungswerber letztlich vor dem Hintergrund zurückgezogen, dass ihm die damals erteilten Auflagen als sachgerecht und zumutbar aufgezeigt wurden.

 

 

4.2. Die gegenwärtige Befund- u. Gutachtensbasis:

Beim Berufungswerber liegt laut aä. Gutachten eine gemischte Persönlichkeitsstörung vor. Der klinische Untersuchungsbefund vom 17.6.2006 wird von der Amtsärztin jedoch als unauffällig erachtet.

An Hilfsbefunden wird

  1. die Bestätigung über die regelmäßige Inanspruchnahme eines psychotherapeutischen Gespräches bei der Beratungsstelle P vom 17.1.2006 vermerkt;
  2. die Drogenharnbefunde vom 24.11.2005 und 7.2.2006 auf Amphetamine und vom 2.12.2005 und 7.2.2006 auf Cannabis werden als negativ dargestellt, wie auch die alkoholrelevanten Parameter vom 22.2.2006 keinen Hinweis auf pathologische Alkoholkonsumgewohnheiten ergeben haben.
  3. auf die uneingeschränkte Eignung hinweisende psychiatrische Stellungnahme von Dr. L vom 1.3.2006 und deren Änderung vom 24.4.2006 wird hingewiesen.

Darüber hinaus verweist die Amtsärztin auf eine laut Facharzt bestehende reduzierte Rückfallswahrscheinlichkeit, aus dem sich kein weiterer Befristungsbedarf ergeben würde.

Die Amtsärztin erblickt jedoch offenkundige Diskrepanzen zwischen Aktenlage und den amnamestischen Angaben des Berufungswerbers dem Facharzt gegenüber. Sie vermeint - ohne dies inhaltlich nachvollziehen zu können - der Berufungswerber zeigte keine ausreichende Kooperation mangels Bereitschaft zur Beibringung nötiger Befunde. Ebenfalls könne seine berufliche Situation nicht als stabil bezeichnet werden. Diese Einschätzung der Amtsärztin erweist sich, wie nachfolgend noch näher auszuführen, als nicht nachvollziehbar.

Im Weg der Amtsärztin wurde folglich eine Änderung der fachärztlichen Stellungnahme herbeigeführt, wobei die diesbezüglichen Überlegungen vom Psychiater Dr. L näher erklärt werden konnten.

Zusammenfassend findet sich im amtsärztlichen Gutachten die Feststellung, wonach der Berufungswerber in der Vergangenheit regelmäßig psychoaktive Substanzen konsumierte. Hinweise auf diesbezüglichen Substanzkonsum während der letzten Monate finden sich laut Gutachterin jedoch nicht. Bei der in Anspruch genommenen Maßnahme zur Stärkung des Abstinenzwillens handle es sich jedoch auf Grund fehlender Qualifikation des Beraters um keine Therapie, sondern bloß um Beratungsgespräche. Diese erfüllen aus der Sicht der Berufungsbehörde den Zweck der die seinerzeit geforderten Verhaltensstabilisierung.

Zuletzt beruft sich die Amtsärztin auf das schließlich geänderte und die entsprechende Befristung und Auflagen rechtfertigende Kalkül des Dr. L.

Dazu erklärte Dr. L am 30.5.2006 im Beisein des Berufungswerbers vor dem Unabhängige Verwaltungssenat, sein Kalkül lediglich wegen der geänderten Darstellung des Beschäftigungsverhältnisses geändert und damit die Auffassung vertreten zu haben, dass man eben nach einem halben Jahr unbefristet die LB erteilen könne. Auf Grund der nunmehr vorliegenden normwertigen bzw. negativen Laborbefunde sei laut Facharzt jedoch aus fachlicher Sicht schon gegenwärtig die unbefristete Belassung der LB vertretbar, weil zuletzt sowohl der Drogenharn als auch der Test auf Amphetamine abermals negativ gewesen sei.

Dem trat die Amtsärztin im Rahmen der Berufungsverhandlung am 6. Juni 2006 nicht entgegen, wobei sie sich zur Gutachtensergänzung im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht zuständig erachtete und eine inhaltliche Mitwirkung - mit Ausnahme auf den Hinweis auf die jüngste Meinung des Psychiaters Dr. L - eine förmliche Ergänzung ihres Gutachtens unter Einbeziehung der aktuellen Befundlage verweigerte.

Sie ließ aber zumindest konkludent erkennen bzw. sprach sich nicht gegen die fachärztliche Stellungnahme und die dort ausgesprochene Empfehlung aus.

Mit Blick auf die Ausführungen der Amtsärztin im Rahmen der Berufungsverhandlung - wo letztlich die Berufung zurückgezogen wurde - bereits am 29.11.2005 in Verbindung mit der Erfüllung der damals eingeforderten psychotherapeutischen Maßnahmen, welchen der Berufungswerber zwischenzeitig mit 17 Terminwahrnehmungen bei der Beratungsstelle für Suchtfragen "P" nachgekommen ist und in Verbindung mit den unbedenklichen Laborbefunden nach diesem Zeitpunkt, erweist sich nun die uneingeschränkte gesundheitliche Eignungsannahme als logisch. Dies vermag letztlich auf die Fachmeinung eines Psychiaters gestützt werden, sodass letztlich eine umfassende abschließende Mitwirkung der Amtsärztin bei der Behörde erster Instanz zur Aktualisierung und Evaluierung ihres Gutachtens entbehrlich schien.

Die ursprünglich stringentere Beurteilung seitens der Amtsärztin erweist sich im Lichte der Befundlage und der fachärztlichen Beurteilung als vernachlässigbar. An die Nachvollziehbarkeit eines zur Einschränkung der Lenkberechtigung führenden Gutachtens ist ein strenger Maßstab anzulegen.

In diesem Zusammenhang wird auf Studien von deutschen Fahreignungsbegutachtungen verwiesen (Dr. D. B, Dr. P. S, Prof. Dr. M. R u. Prof. Dr. K. F). Diesen zur Folge sind Zukunftsprognosen angesichts der Komplexität und der Vielzahl von Einflussgrößen menschlichen Verhaltens nur sehr eingeschränkt möglich. Den Großteil der Gutachten entbehre es bei kritischer Betrachtung an einer empirischen Grundlage, um mit der erforderlichen Sicherheit die gestellte Prognose begründen zu können.

Da hier bereits im Stadium der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides in Wahrheit kein greifbarer Anhaltspunkt auf einen weiterhin bestehenden erhöhten Zuspruch des Berufungswerbers zum Alkohol oder Suchtmittel bestand, ja ein solcher vielmehr aus Labordaten eher auszuschließen ist, soll nicht unerwähnt bleiben.

Von den o.a. Studienautoren wird hervorgehoben, dass nicht bei jedem Verkehrsteilnehmer, der mit Trunkenheitsfahrten auffällig geworden ist, eine manifeste Alkoholabhängigkeit oder ein diagnostischer relevanter Alkoholmissbrauch besteht. Die Trinkgewohnheiten eines großen Teiles dieses Kollektives sind eher einem "subdiagnostischen" Bereich zuzuordnen. Je weiter man jedoch in der diagnostischen Einschätzung von definierten Krankheitsbildern entfernt ist, desto vager müssen zwangsläufig die prognostischen Stellungnahmen ausfallen.

Hier ist wohl von zwei, nämlich sechs und zwei Jahre zurückliegenden Alkoholereignissen auszugehen, wobei beiden eine höhergradige Alkoholisierung zu Grunde lagen und letztmals auch Suchtmittelsubstanzen festgestellt wurden.

Da nach nunmehr zwei Jahren bei durchgehend engmaschiger Feststellung normwertiger Laborwerte ja selbst von der Amtsärztin keine sachlichen Anhaltspunkte für keine die Fahreignung einschränkenden Mängel mehr aufgezeigt wurden, geht die Berufungsbehörde in positiver Deutung der im Rahmen der Berufungsverhandlung gewonnenen Eindrücke und der darauf zu stützenden Interpretation der Gutachten von der uneingeschränkten gesundheitlichen Eignung (Risikoeignung) des Berufungswerbers aus.

 

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Das Führerscheingesetz, BGBl. I Nr. 120/1997 - FSG, gelangt hier idF BGBl. I Nr. 152/2005 und die Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung, BGBl. II Nr. 322/1997 - FSG-GV idF BGBl. II Nr. 64/2006 zur Anwendung:

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt (und belassen)

werden, die:

...

3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),

...

Gesundheitliche Eignung

§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Klassen von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen.

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.

(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen:

'geeignet', 'bedingt geeignet', 'beschränkt geeignet' oder 'nicht geeignet'. Ist der Begutachtete nach dem ärztlichen Befund

1. gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen ohne Einschränkung geeignet, so hat das Gutachten 'geeignet' für diese Klassen zu lauten;

...

4. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nicht geeignet, so hat das Gutachten 'nicht geeignet' für die entsprechenden Klassen zu lauten.

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. ...

Dieses Gutachten muss jedoch schlüssig und nachvollziehbar sein um einen Entzug oder auch bloß eine Einschränkung darauf stützen zu dürfen. Die Rechtslage kann nicht so ausgelegt werden, dass in einem Entzugsverfahren - anders gemäß dem Wortlaut des § 8 Abs.1 FSG im Erteilungsverfahren, wo eine Eignung noch nicht festgestellt wurde - eine Bindung der Behörde auch an ein nicht nachvollziehbares bloß auf "beschränkt geeignet" lautendes amtsärztliches Gutachten besteht und demnach bis zum Vorliegen eines auf "geeignet" lautendes Gutachten die Berechtigung durch Auflagen eingeschränkt und mit weiteren Kosten verbunden bliebe.

Damit entledigte sich die Behörde ihrer hoheitlichen Kompetenz und bliebe diese im Ergebnis ausschließlich dem Amtsarzt delegiert. Diese offenbar stillschweigend vorkommende Praxis führte wohl zwangsläufig zum Ergebnis, dass Amtsärzte unter dieser ihnen als Sachverständige überbürdete Last "der Entscheidung", im Zweifel zu Negativbegutachtungen geneigt sein könnten, um dadurch einer präsumtiv ad personam wirksam werdenden Verantwortung, für nie gänzlich auszuschließende Fehlleistung eines Inhabers einer Lenkberechtigung, zu entgehen. Damit würde die Aufgabe des Sachverständigen wohl grundsätzlich verkannt.

§ 3. (3) FSG-GV: Ergibt sich aus der Vorgeschichte oder anlässlich der Untersuchung der Verdacht auf das Vorliegen eines Zustandes, der die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einschränken oder ausschließen würde, so ist gegebenenfalls die Vorlage allfälliger fachärztlicher oder verkehrspsychologischer Stellungnahmen zu verlangen. Diese Stellungnahmen sind bei der Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen und im Gutachten in geeigneter Weise zu bewerten, wobei die zusätzlichen Risiken und Gefahren, die mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 verbunden sind, besonders zu berücksichtigen sind.

...

 

 

5.1. Nach § 14 Abs.1 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 427/2002, darf Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, dass sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, soweit nicht Abs. 4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.

Demnach ist unter Hinweis auf die positive fachärztliche als auch verkehrspsychologische Stellungnahme nunmehr von der uneingeschränkten gesundheitlichen Eignung auszugehen.

Diese Faktenlage kann insbesondere angesichts der gänzlich normwertigen Laborwerte seit mehr als einem Jahr als schlüssig bezeichnet werden, was letztlich zu einer positiven Beurteilung der Gesundheitsfrage führen muss. Selbst die VPU sprach bereits am 18.4.2005 die bedingte Eignung aus. Zur Problematik der Befristungen von Lenkberechtigungen etwa jüngst Martin Hiesel, in ZVR [2006] 04, mit Hinweis auf VwGH 24.4.2001, 2000/11/0337 und VwGH 23.5.2003, 2002/11/0066).

Auch auf einschlägige deutsche Literaturquellen kann in diesem Kontext verwiesen werden (Germann/Undeutsch, Das Gutachten der MPU und Kraftfahreignung, C.H. Beck-Verlag, Rn 136). Darin wird ein Zeitraum von ein bis eineinhalb Jahren der Abstinenz iVm einer günstigen Entwicklung im sozialen Umfeld und der inneren Distanzierung vom Drogenkonsum als Voraussetzung für eine positive Beurteilung der Fahreignung dargelegt.

Da letztlich unter Hinweis auf § 8 Abs.5 letzter Halbsatz FSG ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Lenkberechtigung besteht, bedarf es auch für eine sachliche Beschränkung nachvollziehbarer Fakten.

Macht sich der amtsärztliche Sachverständige die im Vorbefund und -gutachten vertretene Ansicht (hier die psychiatrische Stellungnahme) nicht gänzlich zu Eigen, würde das Fehlen von näheren Ausführungen, warum er dieser spezifischeren Fachmeinung nicht folgt, einen Verfahrensmangel indizieren, wenn das Vorgutachten schlüssig ist und den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gestellten Anforderungen entspricht (vgl. VwGH 29.1.2004, Zl. 2003/11/0256).

Für die Überprüfbarkeit der Schlüssigkeit eines Gutachtens ist es notwendig, dass der Befund all jene Grundlagen und die Art ihrer Beschaffung nennt, die für das Gutachten verwendet wurden. Fehlt es daran, belastet dies das Sachverständigengutachten mit einem wesentlichen Mangel (Hinweis die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze², unter E 151f zu § 52 AVG zitierte hg. Judikatur).

Der fachärztliche Befund und dessen Ergänzung vom 30.5.2006 geht - wie oben festgestellt - von uneingeschränkter Eignung aus.

Es ist abschließend auch noch an die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu erinnern, der zur Folge es etwa im Zusammenhang mit der Beurteilung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nicht darauf ankommt, ob der Betreffende etwa völlig alkoholabstinent ist, sondern darauf, ob die Ergebnisse der verkehrspsychologischen Untersuchung darauf schließen lassen, der Betreffende sei nicht Willens oder nicht in der Lage, sein Verhalten in Bezug auf Alkoholkonsum an die Erfordernisse des Straßenverkehrs anzupassen, m.a.W. es sei konkret zu befürchten, dass er in durch Alkohol beeinträchtigtem Zustand am Straßenverkehr teilnehmen werde (vgl. VwGH 24. 9.2003, Zl. 2002/11/0231, m.w.N.).

Auf Grund des hier klaren Beweisergebnisses kam der Berufung Berechtigung zu und es war unter abschließendem Hinweis auf das Sachlichkeitsgebot die weitere Einschränkung der Lenkberechtigung - mit Ausnahme der unangefochtenen Auflage zum Tragen einer Brille - zu beheben.

 

Es wird darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen sind.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

 

Beschlagwortung:

Sachlichkeitsgebot u. Auflagen u. Befristung

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