Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-530146/30/Bm/Sta

Linz, 15.03.2006

 

 

 

VwSen-530146/30/Bm/Sta Linz, am 15. März 2006

DVR.0690392

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des Herrn M O, K, K, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. vom 12.3.2004, Zl. Ge20-111-2000, betreffend die Vorschreibung einer zusätzlichen Auflage gemäß § 79 GewO 1994, zu Recht erkannt:

 

Die Berufung des Herrn M O gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. vom 12.3.2004, Ge20-111-2000, wird als unbegründet abgewiesen.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 iVm § 67a Abs.1 AVG.

§ 79 Abs.1 GewO 1994.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. vom 12.3.2004 wurde Herrn M O hinsichtlich der gastgewerblichen Betriebsanlage im Standort K, K, auf Gst. Nr. , KG. K, Auflage 17 des gewerbebehördlichen Genehmigungsbescheides vom 27.3.2001, Ge20-111-2000 im Grunde des § 79 Abs.1 GewO 1994 insoferne abgeändert, als die Betriebszeiten nunmehr festgelegt wurden mit "Sonntag bis Donnerstag vom 8.00 Uhr bis 22.00 Uhr" und "Freitag und Samstag" von 8.00 Uhr bis 22.00 Uhr.

 

Die Einleitung dieses Verfahrens erfolgte auf Grund von Nachbarbeschwerden über Lärmbelästigungen durch den Betrieb des Gastgewerbebetriebes und wurde hierüber ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durchgeführt. So wurden bereits am 15., 16. und 19.1.2002 Lärmmessungen durch das Bezirksbauamt Steyr durchgeführt. In weiterer Folge wurde am 6.11.2003 ein Lokalaugenschein im Beisein des gewerbetechnischen Amtssachverständigen durchgeführt und auf der Grundlage des Ergebnisses dieses Lokalaugenscheines ein medizinisches Gutachten der Landessanitätsdirektion am 13.1.2004 eingeholt. Die im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens hervorgekommenen Ergebnisse ergaben die Notwendigkeit der Vorschreibung der Betriebszeitbeschränkung nach § 79 GewO 1994 und wurde in der Begründung des Bescheides auch darauf Bezug genommen.

 

Gegen diesen Bescheid hat Herr M O innerhalb offener Frist Berufung erhoben. Dies im Wesentlichen mit dem Vorbringen, durch die nun bescheidmäßig vorgenommene Einschränkung der Betriebszeiten sehe er keine reelle Möglichkeit, den Betrieb erfolgreich weiterzuführen, da sich die Zeiten, in denen man ausgehe, in den letzten Jahren ständig nach hinten (auf spätere Stunden des Tages) verlagert haben.

Nach eingehender Beratung mit Herrn Ing. W, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, T S GmbH, L, sei klargeworden, dass nachträgliche Schalldämmmaßnahmen im Lokal auf Grund des bestehenden Gewölbes nur sehr wenig Aussicht auf Erfolg haben würden. Nachträgliche Korrekturen von Planungsmängeln seien unverhältnismäßig teuer, würden einen großen Arbeitsaufwand verursachen und in der Regel nur sehr beschränkte Erfolge zeigen. Zu den Bemühungen der durch den Betrieb der Anlage in ihrer Nachtruhe gestörten Frau T, die die Wohnung über dem Lokal bewohne, wieder zu ungestörtem Schlaf zu verhelfen, sei angemerkt, dass hier neben dem Vorschlag, schalldämmende Materialien in den Boden ihrer Wohnung einzuarbeiten, wiederholt andere Wohnungen im selben Haus zum selben Mietzins angeboten worden seien. Ich würde mich bereit erklären, die gesamten Kosten für den Umzug, ja sogar die Miete von Frau T zu übernehmen. All dies sei jedoch abgelehnt worden. Abschließend wurde vom Berufungswerber nochmals vorgebracht, dass die geplante Vorverlegung der Sperrstunde auf 22.00 Uhr ihn in seiner Existenzgrundlage berauben würde und wurde der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. hat die gegenständliche Berufung samt bezughabenden Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und ausgeführt, dass von der Erlassung einer Berufungsvorentscheidung abgesehen wird.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu Ge20-111-2000 sowie durch Einholung eines ergänzenden lärmtechnischen Gutachtens unter Vornahme weiterer Lärmmessungen sowie eines darauf basierenden medizinischen Gutachtens.

Diese Lärmmessungen, welche am 4.3., 11.3., 15.4. und 23.4.2005 vorgenommen wurden, zeigten einen Beurteilungspegel zwischen 32 und 38 dB(A); die mittleren Spitzenpegel des Betriebsgeräusches lagen zwischen 32 und 38 dB(A).

Der Grundgeräuschpegel in der Wohnung der beschwerdeführenden Nachbarin wurde mit 18 bis 19 dB(A) festgelegt. Zum Vergleich des Betriebslärms mit dem Umgebungslärm wurde im über die Messungen abgefassten Messbericht festgehalten, dass der Beurteilungspegel (Leq + Pegelzuschlag) des Betriebes den Grundgeräuschpegel um 14 bis 20 dB überschreiten und die mittleren Spitzenpegel ebenfalls um 14 bis 20 dB über dem Grundgeräuschpegel liegen. Weiters festgehalten wurde, dass das Sprechen der Gäste sowie Musik aus der gastgewerblichen Betriebsanlage in der Nachbarwohnung als solches deutlich zu hören waren.

 

Basierend auf diesem schalltechnischen Gutachten wurde von der medizinischen Amtssachverständigen im Gutachten vom 28.10.2005 festgestellt, dass durch chronisch gestörte Nachtruhe es in der Folge zu Störungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens kommt. Lärmbedingte Schlafstörungen führen zu verlängerter Einschlafdauer, erschwertem Einschlafen und kürzerer Gesamtschlafdauer. Die Folge sind Müdigkeit am nächsten Tag sowie Störungen der Konzentration, Verlangsamung der Reaktion, Verminderung der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit. Bei längerem Fortbestehen der Schlafstörungen kann es neben dieser Leistungsminderung auch zu funktionellen Störungen im Sinne psychosomatischer Erkrankungen kommen. Störgeräusche, die mehr als 10 dB über dem bestehenden Grundgeräuschpegel (wie im vorliegenden Fall) liegen, werden als erheblich störend empfunden. Auch das subjektive Wahrnehmen von Musiklärm, insbesondere Schlagzeug und fortgeleitete Bässe sowie Gesprächslärm, werden als besonders unangenehm und lästig empfunden. Um Belästigungsreaktionen hintan zu halten, ist es aus medizinischer Sicht erforderlich, dass der störende Lärm von Seiten des Betriebes den Grundgeräuschpegel in der Wohnung um nicht mehr als
10 dB überschreitet.

 

Diese Ergebnisse decken sich mit dem von der belangten Behörde bereits im Jahr 2002 eingeholten lärmtechnischen Gutachten, dem ebenfalls Lärmmessungen zu Grunde lagen und dem darauf basierenden medizinischen Gutachten der Landessanitätsdirektion vom 13.1.2004. Auch diese Gutachten führen zu dem Ergebnis, dass von der betreffenden Betriebsanlage Gesundheitsgefährdungen für die unmittelbare Nachbarin bei einem Betrieb nach 22.00 Uhr ausgehen.

 

In Wahrung des Parteiengehörs wurden sowohl das lärmtechnische als auch das medizinische Gutachten dem Berufungswerber übermittelt. Von diesem wurde daraufhin auf eine Ungereimtheit des lärmtechnischen Gutachtens im Hinblick auf die durchgeführte Messung am 4.3.2005 hingewiesen und weiters angeführt, dass das Cafe am 23.4.2005 nicht geöffnet gewesen sei.

In der hierüber vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen eingeholten Stellungnahme wurde bemerkt, dass die Messung am 4.3.2005 erfolgt ist; das auf Seite 2 angeführte Datum vom 7.3.2005 basiere auf einem Tippfehler wie auch das auf Seite 3 mit 15.5.2005 angeführte Datum, welches richtigerweise 15.4.2005 lauten muss.

Zur Behauptung, dass das Cafe am 23.4.2005 nicht geöffnet gewesen sei, wurde festgehalten, dass die Messungen grundsätzlich ohne Wissen des Cafebetreibers durchgeführt wurden. Die Vermutung des Berufungswerbers, ein Nachbar würde den gemessenen Lärm erregen, ist entgegen zu halten, dass unmittelbar neben der Wohnung von Frau T ein Sakralraum einer Religionsgemeinschaft untergebracht ist (Zusammenkünfte nur tagsüber) und die übrigen Nachbarwohnungen durch Stiegenhaus, dicke Mauern und Räume zur Wohnung T abgeschirmt sind. Abgesehen davon ergibt sich aus den Projektsunterlagen, die vom Berufungswerber beigebracht wurden, eine Kennzahl des Gebäudes, die eine Schallpegeldifferenz zwischen Lokal und Nachbarwohnung mit 61 dB ergibt. Zieht man diese von den Lokalinnenpegeln, die nach schalltechnischen Richtlinien anzusetzen sind, ab, so ergibt sich eine (überraschend) gute Übereinstimmung mit den im Frühjahr 2005 gemessenen Schallpegeln in der Nachbarwohnung.

 

Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben... .

Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem, wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit der Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen ist zunächst das Vorliegen einer rechtskräftigen Genehmigung der Betriebsanlage. Im vorliegenden Fall ist diese Voraussetzung erfüllt; mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. vom 27.3.2001, Ge20-111-2000, wurde die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Cafes im Standort K, K, auf Gst. Nr. , KG. K, erteilt.

Eine weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit der Vorschreibung zusätzlicher bzw. Auflagen ist auch, dass die gemäß § 74 Abs.2 wahrzunehmenden Interessen trotz konsensgemäßem Betrieb und trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind.

Auch diese Voraussetzung wurde von der Erstbehörde nach dem von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahren, wie sich nunmehr aus den zum Berufungsverfahren eingeholten weiteren lärmtechnischen und medizinischen Gutachten ergibt, zu Recht angenommen.

 

Vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen wurde bei der Überprüfungsverhandlung am 6.11.2003 definitiv festgestellt, dass grundsätzlich die im Genehmigungsbescheid auflagenmäßig geforderte max. Begrenzung der Musikdarbietung im Gastlokal von 75 dB eingehalten wird.

 

Dennoch ist im Verfahren hervorgekommen und wurde dies im Berufungsverfahren bestätigt, dass durch den Betrieb der in Rede stehenden gastgewerblichen Anlage, insbesondere durch Gesprächs- u. Musiklärm, eine Gesundheitsgefährdung für die Nachbarin ausgehend von lärmbedingten Schlafstörungen (insbesondere bei längerem Fortbestehen der Schlafstörungen) zu erwarten ist und damit die wahrzunehmenden Nachbarinteressen trotz konsensgemäßem Betrieb nicht hinreichend geschützt sind.

 

Welche Maßnahmen nach §79 Abs. 1 GewO 1994 in Form von Auflagen vorzuschreiben sind, bestimmt sich zum einem nach dem Ausmaß der zu schützenden Interessen und zum anderen nach den im Einzelfall vorhandenen tatsächlichen Möglichkeiten um das Schutzziel zu erreichen.

Dadurch, dass - wie vom Berufungswerber im Verfahren selbst festgestellt - bei der gegenständlichen gastgewerblichen Betriebsanlage bauliche Maßnahmen in Form von schallreduzierenden Maßnahmen zur Hintanhaltung von Lärmbelästigungen nicht durchführbar sind, um den gewünschten Erfolg zu erzielen, bleibt im vorliegenden Fall nur die Einschränkung der Betriebszeiten laut dem angefochtenen Bescheid.

Maßnahmen, die sich an den betroffenen Nachbar und nicht an den Inhaber der Anlage richten, können von der Behörde nicht vorgeschrieben werden. Solche Maßnahmen können vom Betreiber dem jeweiligen Nachbar zwar vorgeschlagen werden, die Annahme steht aber in der Dispositionsfähigkeit des Nachbarn.

Diese Einschränkung der Betriebszeit steht auch nicht außer Verhältnis zu dem damit angestrebten Erfolg, da das Ziel der Auflage dem Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung dient (vgl. 12.12.1989, 89/04/0140; 2.7.1992, 92/04/0056), zumal es sich bei der Nachbarin auch nicht um eine nachträglich zugezogene Nachbarin handelt.

 

 

Wenn vom Berufungswerber wirtschaftliche Gründe vorgebracht werden, die gegen diese Betriebszeiteinschränkung sprechen, so ist dem entgegen zu halten, dass bei der Vorschreibung anderer Auflagen nach § 79 subjektive wirtschaftliche Gesichtspunkte (zB die Ertragslage eines Unternehmens) nicht zu berücksichtigen sind (siehe hiezu auch VwGH 26.6.2002, 2002/04/0037).

 

Aus den oben angeführten Sach- und Rechtsgründen war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
  2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Mag. B i s m a i e r

 

 

 

Beschlagwortung:

nachträgliche Auflagen § 79 Gesundheitsgefährdung

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