Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104374/2/Br

Linz, 21.02.1997

VwSen-104374/2/Br Linz, am 21. Februar 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn , gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, vom 14. Jänner 1997, Zl.: VerkR96-5564-1996 BE/LB, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß die Geldstrafe auf 3.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf vier Tage ermäßigt wird.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.

471/1995 - AVG iVm § 19 Abs.1 und 2, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr.

52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG.

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 300 S. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.2 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem Straferkenntnis vom 14. Jänner 1997, Zl.: VerkR96-5564-1996 BE/LB, wegen der Übertretungen nach § 20 Abs.2 StVO 1960 über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 8.000 S und für den Nichteinbringungsfall acht Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 21. August 1996 um 15.47 Uhr das Motorrad mit dem Kennzeichen auf der Straße bei Strkm 44,546 im Gemeindegebiet von A in Richtung Wels mit einer Geschwindigkeit von 169 km/h gelenkt und dadurch die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 69 km/h überschritten habe.

1.1. Die Erstbehörde führte im Hinblick auf die Strafzumessung lediglich aus, daß diese innerhalb der Grenzen des Strafsatzes und unter Bedachtnahme auf § 19 VStG bemessen sei. Straferschwerend wertete die Erstbehörde das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung und eine einschlägige Vormerkung, strafmildernd das Geständnis.

2. Der Berufungswerber führt in der fristgerecht erhobenen und nur gegen das Strafausmaß gerichteten Berufung folgendes aus:

"Ich habe am 21. 8. 1996, um ca. 15.50 Uhr, das Motorrad mit dem Kennzeichen auf der Straße im Gemeindegebiet A in Fahrtrichtung Wels mit einer Geschwindigkeit von 169 km/h gelenkt und somit die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 69 km/h überschritten.

Nach der mündlichen Verhandlung vor der BH Wels - Land am 14.1.1997 wurde über mich dann wegen Verletzung des § 20 Abs. 2 StVO 1960 per Straferkenntnis folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Tagen) gem. § 99 (3) a StVO 1960.

In der Begründung der BH wurde als strafmildernd mein Geständnis angegeben.

Straferschwerend war die hohe Geschwindigkeit sowie eine verwaltungsrechtliche Vorstrafe.

Gegen das Straferkenntnis der BH Wels - Land vom 14. 1. 1997 erhebe ich nunmehr in offener Frist BERUFUNG und stelle den ANTRAG der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge den Bescheid der BH bezüglich des Strafausmaßes aufheben und die Strafe unter Berücksichtigung des § 19 VStG neu festsetzen.

Meinen Antrag begründe ich wie folgt:

Gem. § 19 (1) VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe im Verwaltungsstrafverfahren zunächst das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung der durch die Strafdrohung geschätzten Interessen. Weiters ist in der Strafbemessung auch zu berücksichtigen ob, und in wie weit, die Tat nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Die BH hat sich in ihrer Begründung mit keinem dieser Kriterien befaßt, also keinerlei Angaben darüber gemacht, wie diese in der Strafzumessung berücksichtigt wurden. Vielmehr wurden sie nicht einmal erwähnt. Schon das belastet den Bescheid der BH mit Rechtswidrigkeit.

Die mir angelastete Verwaltungsübertretung geschah auf einer Freilandstraße und zwar bei optimalen Witterungs- und Sichtbedingungen, weshalb die Schädigung bzw. Gefährdung oben angeführter Interessen alleine wohl kaum ein Ausmaß annehmen konnte, das die Verhängung einer derart hohen Strafe rechtfertigen würde.

Nachteilige Folgen zog die Tat keine nach sich. So auch nachzulesen in VwGH 16. 12. 1987, 87/02/0086 (Keine nachteilige Folge bei Geschwindigkeitsüberschreitung um 62 km/h).

Gem. § 19 (2) VStG sind für die Strafzumessung im ordentlichen Verfahren überdies zu berücksichtigen:

a) das Verschulden - worauf besonders Bedacht zu nehmen ist; b) Erschwerungs- und Milderungsgründe iSd §§ 32 - 35 StGB, sowie die c) Einkommensverhältnisse des Beschuldigten.

Obwohl aus § 19 (2) VStG klar hervorgeht, daß das Verschulden bei der Strafbemessung eine große Rolle spielen sollte, hat die BH in der Bescheidbegründung zu diesem Thema nicht einmal formal Stellung genommen, geschweige denn sich damit inhaltlich auseinandergesetzt. Dies stellt einen weiteren Begründungsmangel dar.

Weiters normiert § 19 (2) VStG die Pflicht der Behörde die Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen.

Die BH hat zwar in 2 kurzen Sätzen die von ihr als zutreffend erachteten Milderungs- und Erschwerungsgründe angeführt, es aber offenbar unterlassen eine Abwägung vorzunehmen:

Daß mein Geständnis einen Milderungsgrund iSd § 19 VStG iVm § 34 StGB darstellt ist unbestritten und vom VwGH mehrfach ausjudiziert.

Ebenso ist unbestritten, daß die verwaltungsrechtliche Vorstrafe einen Erschwerungsgrund darstellt.

Der Umstand, daß ich die erlaubte Geschwindigkeit um 69 km/h überschritten habe, ist jedoch kein Erschwerungsgrund im Sinne des § 33 StGB (so dessen klarer Wortlaut). Dieser Faktor ist zwar im Zusammenhang mit dem Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung der Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient (§ 19 Abs. 1 VStG), von Bedeutung, wurde aber von der BH allem Anschein nach auch als Erschwerunsgrund iSd § 33 StGB verwertet. Dies widerspricht dem in § 19 (2) VStG normierten Doppelverwertungsverbot, das zwar unmittelbar nur das Verhältnis Strafdrohung Erschwerungsgrund betrifft, aber sinngemäß auch folgendes bedeuten muß: Die Behörde hat davon abzusehen dasselbe verpönte Verhalten unter zwei verschiedene, den Beschuldigten belastende, Tatbestandsmerkmale des § 19 zu subsumieren. Wenn die Behörde die hohe Geschwindigkeit schon als Faktor für das Ausmaß der Gefährdung iSd Abs.1 leg. cit.

herannimmt, darf sie diese nicht auch noch als Erschwerungsgrund verwerten. Auch mein monatliches Einkommen von lediglich S 4.000,-- brutto als weiteres Kriterium der Strafbemessung wurde von der BH im Straferkenntnis ignoriert, obwohl ich es bei der mündlichen Strafverhandlung bekanntgab.

Zur Veranschaulichung der Unangemessenheit der von der BH verhängten Geldstrafe von S 8.000,-- dienen wohl auch folgende Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes:

Im Hinblick auf das erhebliche Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung durch den mehrfach einschlägig vorbestraften Beschwerdeführer, verstoßen folgende Geldstrafen nicht gegen das Gesetz, das hiefür einen Höchstrahmen von S 10.000,-- vorsieht: eine Geldstrafe von S 6.500,-- für die Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit um 70 - 90 km/h, eine Geldstrafe von S 4.500,-- für die Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit um 40 - 60 km/h. VwGH 18. 10. 1989, 88/03/0123.

Wenn die Behörde bei der Bemessung der Strafe von unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen ausgegangen ist und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß dem Beschwerdeführer der Milderungsgrund der Unbescholtenheit nicht zukommt, handelt die Behörde im Rahmen ihres Ermessens, wenn sie die Strafen im unteren Drittel des Strafrahmens angesetzt hat. VwGH 19.3.1990,85/18/0174.

Die Bezirkshauptmannschaft hat ihre Begründungspflicht durch das Nicht-Einbeziehen der Tatbestandsmerkmale des § 19 (1) VStG bzw. des Ausmaßes des Verschuldens, und auch durch das Fehlen jeglicher nachvollziehbarer Wertung der von ihr aufgezählten Erschwerungs- bzw. Milderungsgründe, sowie des Einkommens, erheblich verletzt.

Die unverständliche Entscheidung, trotzdem eine Strafe im oberen Fünftel des Strafrahmens zu verhängen, stellt einen groben Mißbrauch des der Behörde vom Gesetz eingeräumten Ermessens dar.

Aus diesen Gründen ist der Strafausspruch der Bezirkshauptmannschaft Wels - Land vom 14. Januar 1997 aufzuheben und die Strafe im Sinne des Gesetzes neu festzulegen.

Mit freundlichen Grüßen (e.h. Unterschrift) K, am 23. 1. 1997" 2.1. Mit diesem Vorbringen ist der Berufungswerber im Recht! 3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Anberaumung einer öffentlichen mündliche Verhandlung war angesichts der bloßen Strafberufung nicht erforderlich (§ 51e Abs.2 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und Erörterung des Inhaltes des Verwaltungsstrafaktes der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, Zl. VerkR96-5664-1996 BE/LB, ferner wurde Beweis erhoben durch Vornahme eines Ortsaugenscheines zur Beurteilung im Hinblick auf die Gefahren- u. Anfahrsichtweiten (Einmündungen) auf dem fraglichen Straßenzug.

5. Demnach steht folgender Sachverhalt fest:

5.1. Die Fahrbahn verläuft in der Fahrtrichtung des Berufungswerbers am Meßpunkt auf einer Distanz von etwa 800 Meter völlig geradlinig, wobei sie aus Richtung S in einer flachen Rechtskurve in diese Gerade und dann wieder in einer ebenso flachen Linkskurve übergeht. Lediglich in der Mitte des gerade verlaufenden Stückes befindet sich in Fahrtrichtung des Berufungswerbers linksseitig eine Einmündung (nächst dem Gasthaus W). Vor diese Einmündung ist das Verkehrszeichen "Vorrang geben" aufgestellt, ebenfalls befindet sich eine "Orientierungslinie" unmittelbar vor der Einmündung in die . Beidseitig ist diese Einmündung gut einsehbar, sodaß ein in die B 137 einbiegender Fahrzeuglenker schon zehn Meter vor der Orientierungslinie beidseitig von einem Fahrzeuglenker auf der B 137 aus mindestens 350 m gesehen werden kann. Die Bundesstraße ist in diesem Bereich 6,7 Meter breit und weist zwei durch eine Leitlinie gekennzeichnete Fahrstreifen und beidseitig eine Randlinie auf. Dies vermochte anläßlich des vom unabhängigen Verwaltungssenat vorgenommenen Ortsaugenscheines festgestellt werden. Gemäß der Anzeige ist davon auszugehen, daß die Fahrbahn zum Vorfallszeitpunkt trocken war und gute Sichtverhältnisse herrschten. Ebenfalls wird von einem technisch einwandfreien Zustand des am 1.3.1994 erstmals zugelassenen Motorrades mit einer Leistung von 74 KW ausgegangen.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat folgendes erwogen:

6.1. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1.1. Grundsätzlich trifft es zu, daß mit dem Schnellfahren in aller Regel eine erhöhte Gefahrenpotenzierung einhergeht.

Daher muß derartigen Übertretungen durchaus mit spürbaren Strafen begegnet werden.

Die von der Erstbehörde hier der Tat unterstellte Unwerthaftigkeit und die daraufhin mit 8.000 S bemessene Strafe kann jedoch unter den gegebenen spezifischen Umständen nicht aufrechterhalten werden.

Hier liegt dem bereits im Tatbestand vertypten Unrecht der denkbar geringste - für derartige Übertretungshandlungen denkbare - objektive Tatunwert zugrunde. Dieses Faktum wird einerseits in der einem Motorrad zukommenden grundsätzlich anderen Fahrdynamik erblickt. Dem Fahren auf "Gefahrensicht" kommt dabei die größte Bedeutung zu. Hohe Geschwindigkeiten werden in besonders kurzer Zeit erreicht und können in typischer Weise auch nur auf völlig gerade verlaufenden und gut einsehbaren Strecken und unter optimalen Bedingungen entwickelt werden. Bei der Annäherung an eine Kurve muß die Fahrgeschwindigkeit zwingend wieder so weit abgebaut werden, daß ein sicheres Durchfahren der Kurve gewährleistet ist.

Auf Grund des geringen Gewichtes eines Motorrades kann die Geschwindigkeit sowohl sehr schnell auf- als auch abgebaut werden, sodaß die an sich nachteiligen Folgen einer hohen Fahrgeschwindigkeit - wegen der hier als erwiesen anzusehenden "bloß punktuellen", wohl nur wenige Sekunden währenden Geschwindigkeitsspritze im gegenständlichen Fall so gut wie auszuschließen waren. Die "Schädlichkeit des Verhaltens" erschöpfte sich hier (was wohl in den seltensten Fällen in dieser Form zutrifft) daher im Ergebnis bloß auf den Ungehorsam gegenüber der Gesetzesvorschrift. Der Schutzzweck dem die Strafdrohung dient und das Ausmaß der mit einer Tat verbundenen Schädigung gesetzlich geschützter Interessen (§ 19 VStG) muß bei rechtsrichtiger Auslegung immer auf den konkreten Fall und nicht bloß formelhaft zur Anwendung gelangen. Widrigenfalls kommt es unvermeidlich zu einer Ungleichbehandlung dadurch, indem Ungleiches durch schablonenhafte Anwendung einer Bestimmung, (immer) gleich behandelt wird (werden müßte).

Der Berufungswerber ist auch im Recht, wenn er meint, daß der Fahrgeschwindigkeit in diesem Fall kein "straferschwerender Charakter" im Sinne des § 33 StGB und hier auch nicht gemäß § 19 VStG - weil die Tat eben keine nachteiligen Folgen gezeigt hat und dies auch nicht konnte zugemessen werden darf.

Es kommt daher nur der Erschwerungsgrund der einschlägigen Vormerkung zum Tragen.

Unter Bedachtnahme auf das geringe Einkommen des Berufungswerbers (S 4.000) monatlich, scheint daher auch eine Strafe von 3.000 S durchaus angemessen und dem Strafzweck gerecht.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r

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