Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104408/2/Br

Linz, 27.02.1997

VwSen-104408/2/Br Linz, am 27. Februar 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die gegen das Strafausmaß gerichtete Berufung der Frau W, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 17.

Jänner 1997, Zl. S-34.119/96-4, zu Recht:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß unter Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr.51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.

471/1995 - AVG iVm § 21, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufungswerberin wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis mit 600 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 18 Stunden) bestraft, weil sie am 30.9.1996 von 21.35 Uhr bis 21.50 Uhr in L 16 bis Nr. 22, als Fußgängerin nicht den vorhandenen Gehsteig benützt hätte.

2. Begründend führte die Erstbehörde aus, daß sie dem unter Diensteid stehenden Meldungsleger in seinen Anzeigeangaben gefolgt sei, weil dieser das Verhalten der Berufungswerberin "einwandfrei" hätte feststellen können.

2.1. Die Berufungswerberin führte in ihrer fristgerecht erhobenen Berufung sinngemäß aus, daß in keiner Art auf ihr Vorbringen, nämlich auf eine Ermahnung Anspruch zu haben, eingegangen worden sei. Wenn sie tatsächlich von 21.35 Uhr bis 21.50 Uhr unerlaubt auf der Fahrbahn gestanden wäre, wäre es verwunderlich, daß ihr der Meldungsleger so lange zugeschaut hätte.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die vorgelegten Verfahrensakte. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt.

3.1. Zumal ferner keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war angesichts der bloßen Strafberufung und mangels eines diesbezüglichen Antrages nicht vorzunehmen.

4. Die Anzeige hat folgenden Inhalt:

Am 30.10.1996 (gemeint wohl am 30. September 1996), in der Zeit zw. 21.35 Uhr und 21.50 Uhr, während des Zivilstreifendienstes zur Hintanhaltung des Prostitutionswesens in L, wurde von Insp. S und Meldungsleger (Insp.

Susanne F) festgestellt, daß die amtsbekannte W, vermutlich zum Zwecke der Anbahnung der Prostitution, zum o.a.

Zeitpunkt ständig auf der Fahrbahn (Z) auf- und abging teilweise hielt sie sich in der Mitte der Fahrbahn auf obwohl am Fahrbahnrand ein befestigter Gehsteig angebracht ist und deshalb für die Angezeigte keine Veranlassung gegeben war, die Fahrbahn zum Auf- u. Abgehen zu benützen (verbotenes Verweilen auf der Fahrbahn). Eine Behinderung des Fahrzeugverkehrs wurde nicht festgestellt.

Bezüglich der gesetzten Übertretung nach der StVO konnte O nicht zur Rechtfertigung verhalten werden, da diese an ihrem üblichen Standort (Z) um 21.52 Uhr bzw. zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr angetroffen werden konnte.

O wurde von der Erstattung der Anzeige nicht in Kenntnis gesetzt. OM vorgesehen.

Diese Anzeige wurde neben der Meldungslegerin von BezInsp. C unterzeichnet.

4.1. Diesen Anzeigeangaben ist zu entnehmen, daß die Berufungswerberin offenbar nicht die ganze Zeit über beobachtet wurde, wobei auch nur schwer nachvollziehbar ist, daß die Berufungswerberin tatsächlich ununterbrochen auf der Fahrbahn herumspaziert sein sollte.

Unerfindlich ist, warum die Berufungswerberin tatsächlich nicht beanstandet wurde und wie man andererseits wiederum zu diesem Tatzeitrahmen gelangen konnte. So wäre einerseits naheliegend, andererseits verwaltungsökonomisch gewesen, eine diesbezügliche Beanstandung auszusprechen.

Der Logik dieser Anzeige könnte daher an sich nicht gänzlich gefolgt werden.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat hiezu erwogen:

5.1. Der § 76 Abs.1 StVO 1960 lautet: Fußgänger haben, auch wenn sie Kinderwagen oder Rollstühle schieben oder ziehen, auf Gehsteigen oder Gehwegen zu gehen; sie dürfen nicht überraschend die Fahrbahn betreten. Sind Gehsteige oder Gehwege nicht vorhanden, so haben Fußgänger das Straßenbankett und, wenn auch dieses fehlt, den äußersten Fahrbahnrand zu benützen; hiebei haben sie auf Freilandstraßen, außer im Falle der Unzumutbarkeit, auf dem linken Straßenbankett (auf dem linken Fahrbahnrand) zu gehen.

Diese Anzeige wäre daher aus der Sicht des unabhängigen Verwaltungssenates nicht geeignet den - in Rechtskraft erwachsenen - Tatvorwurf zu stützen. Ein Fußgänger könnte etwa auch beliebig oft die Fahrbahn überqueren wollen. Der Tatvorwurf würde daher auch im Sinne des § 44a Abs.1 VStG im Hinblick auf die Tatumschreibung als nicht ausreichend präzisiert anzusehen sein.

Dieser Gesetzesbestimmung kann schließlich auch nicht ein generelles Verbot des Betretens einer Fahrbahn entnommen werden. Insbesondere läßt der zweite Halbsatz erkennen, daß diese Bestimmung auf ein Verkehrsgeschehen ausgelegt zu werden hat, indem ausgeführt wird, "sie (die Fußgänger) dürfen die Fahrbahn nicht überraschend betreten" (vgl.

Messiner, Kommentar zur StVO, 9. Auflage, E3, E36 und die dort zitierte Judikatur).

5.2. Der § 21 VStG lautet:

(1) Die Behörde kann ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

(2) Unter den in Abs.1 angeführten Voraussetzungen können die Organe der öffentlichen Aufsicht von der Verhängung einer Organstrafverfügung oder von der Erstattung einer Anzeige absehen; sie können den Täter in solchen Fällen in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam machen.

Alle Voraussetzungen des ersten Satzes des § 21 VStG würden - geht man überhaupt von der Tatbestandsmäßigkeit aus - wie der Anzeige entnommen werden kann, vollinhaltlich zutreffen.

5.2.1. Es ist letztlich daher nicht nachvollziehbar und ist damit die Berufungswerberin mit ihrem Vorbringen im Ergebnis im Recht, warum hier nicht zumindest im Sinne des § 21 Abs.2 VStG vorgegangen wurde. Rechtswidrig erweist sich daher die in diesem Fall von der Erstbehörde ausgesprochene Geldstrafe von gleich 600 S.

5.2.2. Sollte, wie dem Text der Anzeige zu entnehmen ist, mit dieser Vorgangsweise die vermutete Tätigkeit der Berufungswerberin als Prostituierte erschwert werden wollen, so wäre diese Vorgangsweise im Hinblick auf rechtsstaatliche Grundsätze zumindest als problematisch zu bezeichnen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r

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