Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-530479/2/Re/Sta

Linz, 12.06.2006

 

 

 

VwSen-530479/2/Re/Sta Linz, am 12. Juni 2006

DVR.0690392

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung der N GmbH & Co.KG., S, L, vom 18. April 2006, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 5. April 2006, GZ. 501/G015002t, betreffend die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen, zu Recht erkannt:

 

Anlässlich der Berufung wird der bekämpfte Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 5. April 2006, GZ. 501/G015002t, behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4, 67a Abs.1 und 67d des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 idgF (AVG)

§§ 359a, 79 und 84c Gewerbeordnung 1994 idgF (GewO 1994).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Mit dem bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom 5. April 2006, GZ. 501/G015002t, wurde gegenüber der N GmbH & Co.KG., S, L, als Verpflichtete für die gegenständliche Betriebsanlage im Standort L, S, C, bestehend aus den Bauten 35, 35a, 517, 517a, 517b, 518b, 518e, 518, 502 und 731 folgende andere oder zusätzliche Auflage vorgeschrieben:

"Die Kennzeichnung von sichtbar und leicht zugänglichen Leitungen, in denen Stoffe enthalten sind, die gemäß Chemikaliengesetz gefährliche Eigenschaften aufweisen, ist gemäß ÖNORM Z 1001 durchzuführen."

Als Erfüllungsfrist wurden 8 Wochen ab Rechtskraft des Bescheides festgelegt. Der Bescheid erging im Grunde der Rechtsgrundlagen der §§ 79 Abs.1, 84c Abs.1 und 333 der Gewerbeordnung 1994. Als Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bereits anlässlich einer Inspektion im Jahre 2002 darauf hingewiesen wurde, dass die Kennzeichnung von Rohrleitungen durch die ÖNORM Z 1001, Ausgabe 12. Jänner 2001, neu geregelt worden sei, wonach eine Anpassung der Rohrleitungskennzeichnungen an diesen neuen Stand bis 1. Juli 2006 empfohlen werde. Auch in den jährlich wiederkehrenden Inspektionen wurde auf die Umstellung der Rohrleitungskennzeichnungen hingewiesen. Anlässlich der Inspektion vom 24. Mai 2004 sei festgestellt worden, dass die durchgeführte Kennzeichnung der Rohrleitung teilweise nicht der ÖNORM Z 1001 Ausgabe 12. Jänner 2001 entspreche. Normgerecht erfolge die Kennzeichnung bei Rohrleitungen, die eine gleichbleibende Substanz enthalten. Es würden seitens der Betreiber jeweils die kommunizierenden Behälter an den verbindenden Rohrleitungen gekennzeichnet, nicht jedoch, wie die ÖNORM vorschreibe, der in der Leitung transportierte Stoff. Bei Rohrleitungen mit wechselndem Inhalt oder Vielstoffgemischen werde eine entsprechende Kennzeichnung als nicht zielführend bzw. verwirrend angesehen. Die gewerbetechnische Amtssachverständige habe in der Stellungnahme vom 9. Februar 2005 ausgeführt, die erforderliche Kennzeichnung der Rohrleitungen nach ÖNORM Z 1001 sei eindeutig als Stand der Technik vorgesehen. Da es sich um einen Schwelle-Zwei-Betrieb gemäß Abschnitt 8a der Gewerbeordnung 1994 handle, habe der Betreiber die Verpflichtung, alle nach dem Stand der Technik notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um schwere Unfälle zu verhüten und deren Folgen für Mensch und Umwelt zu begrenzen. Um die Durchsetzung des Standes der Technik zu gewährleisten, werde vorgeschlagen, eine Auflage konkret vorzuschreiben. Dies wurde auch im Inspektionsbericht zur Inspektion vom 30. Mai 2005, verfasst am 2. Juni 2005 nochmals bekräftigt. Sowohl die sicherheitstechnische Amtssachverständige als auch die N GmbH & Co.KG. habe in ergänzenden Stellungnahmen ihre Sicht als maßgeblichen Stand der Technik dargestellt. Die belangte Behörde schloss sich den Aussagen der Amtssachverständigen an, dass die ÖNORM Z 1001 einzuhalten sei, um schwere Unfälle zu verhüten und deren Folgen für Menschen und Umwelt zu begrenzen. Es habe von der verpflichteten Anlageninhaberin nicht nachgewiesen werden können, dass die gewählte Art der Rohrleitungskennzeichnungen die Anforderungen der genannten Norm qualitativ erreichen könne. Bei Betrieben, die dem Abschnitt 8a der Gewerbeordnung unterliegen, habe der Betreiber die Verpflichtung, die jeweils dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, um schwere Unfälle zu verhüten und deren Folgen für Menschen und Umwelt zu begrenzen. Auf Grund des Gefahrenpotentials dieser Betriebes sei die Auflage zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, deren Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, erforderlich. Die Einwände des Betriebsanlagenbetreibers, die Kennzeichnung sei nicht zielführend, sondern vielmehr verwirrend, seien nicht nachvollziehbar und daher nicht zu berücksichtigen gewesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat die verpflichtete Anlageninhaberin mit Berufungsschrift vom 18. April 2006, per E-Mai am selben Tage und somit innerhalb offener Frist eingebracht, Berufung erhoben. Darin wird der zitierte Bescheid im Wesentlichen mit dem Vorbringen bekämpft, die ÖNORM Z 1001 sei weder durch die Gewerbeordnung noch durch eine darauf fußende Verordnung als verbindlich erklärt worden, es sei daher jede andere Vorgangsweise, die das gleiche Schutzniveau erreiche, ebenfalls als Stand der Technik anzusehen. Es sei die interne Vorschrift SSP 1964 vorgelegt worden, die die "Kennzeichnung von Rohrleitungen anhand des enthaltenen Mediums" beschreibe. Die beschriebene und praktisch ungeschützte Vorgangsweise erziele zumindest ein gleiches Schutzniveau wie die ÖNORM Z 1001. Das werde auch vom Amt bei Rohrleitungen, die eine gleichbleibende Substanz enthielten, wie der Begründung des Bescheides zu entnehmen sei, konzediert. Auf Rohrleitungen mit wechselnden Stoffen, mit Vielstoffgemischen wechselnder Zusammensetzung oder mit ständig wechselndem Inhalt werde in der Vorschrift SSP 1964 speziell eingegangen, da diese Fälle in den Mehrzweckanlagen der Berufungswerberin sehr häufig anzutreffen seien. Die ÖNORM mache für diese Fälle keine speziellen Vorgaben, wie die Amtssachverständige im Aktenvermerk vom 15. März 2006 bestätige. Es sei unverständlich, dass gerade für diese Fälle die ÖNORM vorgeschrieben werde. Die SSP 1964 sei eindeutig für die oben beschriebenen Fälle und erziele ein höheres Schutzniveau als die ÖNORM Z 1001. Die Vorstellungen der Amtssachverständigen, wonach pro Medium eine eigene Rohrleitung gefordert werde, damit die Kennzeichnung ihren Vorstellungen entsprechend angebracht werden könne, entspräche weder einer guten und erprobten Engineering-Praxis, noch werde mit der Forderung, den gefährlichsten Stoff anzuschreiben, das angepeilte Schutzziel erreicht, da dies von der jeweiligen Situation abhänge. Die Vermeidung bzw. Begrenzung schwerer Unfälle könne nur durch eine auf die konkrete Situation bezogene Gefahrenanalyse und die daraus abgeleiteten Maßnahmen erreicht werden. Die bloße Vorschreibung der ÖNORM Z 1001 ohne Verweis auf eine festgestellte konkrete Gefährdung sei nicht stichhaltig. Die Auflage sei nicht konkret, da die ÖNORM Z 1001 für die als kritisch angesehenen Fälle keine Vorgaben enthalte. Die Auflage sei nicht erforderlich, weil die derzeitige Vorgangsweise bei der Rohrleitungskennzeichnung dem Stand der Sicherheitstechnik entspreche.

 

 

Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz als belangte Behörde hat diese Berufungsschrift gemeinsam mit dem zu Grunde liegenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Die belangte Behörde hat dabei keine inhaltlichen Äußerungen zum Berufungsvorbringen abgegeben und keinen Widerspruch im Sinne des § 67h Abs.1 AVG erhoben.

 

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich durch Einzelmitglied ergibt sich aus § 359a GewO 1994.

 

Im Grunde des § 67d Abs.1 AVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung mangels Erfordernis abgesehen werden.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu GZ-501/G015002.

 

Dieser enthält auch den abschließenden Aktenvermerk der in der gegenständlichen Angelegenheit beigezogenen technischen Amtssachverständigen A P vom 15. März 2006, welcher von der belangten Behörde - aus welchen Gründen immer - im Bescheid nicht mehr erwähnt worden ist, der Berufungswerberin jedoch gemeinsam mit dem bekämpften Bescheid übermittelt, Parteiengehörs somit gewahrt wurde.

Darin stellt die beigezogene Amtssachverständige zu den Ausführungen der Berufungswerberin vom 7. Februar 2006 unter anderem fest:

 

"2. Wie bereits im AV vom 27.01.06 festgehalten, kommt die Forderung der Kennzeichnung der Rohrleitungen gem. ÖNORM Z 1001 aus der Inspektion gem. Abschnitt 8a der GewO und bezieht sich somit aus meiner Sicht ausschließlich auf die Vermeidung eines schweren Unfalls. Die von der Fa. N dargestellte Kennzeichnung von Rohrleitungen mit wechselnden Medien mittels Angabe des Ausgangs- und Endbehälters, stellt meiner Meinung nach einen Risikofaktor dar, welcher durch die ÖNORM Z 1001 adäquat begegnet wird. Die Ausfallswahrscheinlichkeit von geschulten ArbeitnehmerInnen als Schutzebene in Stresssituationen liegt bei 0,5 - 1 (vgl. IEC 61511). Dagegen liegt die Ausfallswahrscheinlichkeit von menschlichen Leistungen (ausgebildet, kein Stress) nur bei 10-2 bis 10-4. Das Argument nur geschulte Mitarbeiter haben Zutritt zu Anlage und wissen in jedem Fall, was zu tun ist, kann aus sicherheitstechnischer Sicht nicht befürwortet werden. Durch die Kennzeichnung der Rohrleitungen mittels Angabe des Ausgangs- und Endbehälters kann es in Stresssituationen dazu kommen, dass ArbeitnehmerInnen dem Inhalt nicht die entsprechende Gefährdung zuordnen und durch Fehlverhalten einen schweren Unfall im Sinne der IUV verursachen können.

 

3. Es ist richtig, dass die ÖNORM Z 1001 keine Angaben zu wechselnden Medien macht, das hindert aber nicht die ÖNORM Z 1001, die generell für Kennzeichnung von Rohrleitungen gilt, trotzdem anzuwenden. Z.B. würde eine Kennzeichnung nach dem gefährlichsten Stoff gem. ChemG die Norm erfüllen. Alternativ dazu könne auch durchaus verfahrenstechnische Lösung gefunden werden (zB verschiedene Rohrleitungen).

 

4. Die Tatsache, dass vom Arbeitsinspektorat keine Stellungnahme zu diesem Thema vorliegt, disqualifiziert nicht die SSP 1964, sondern zeigt nur, dass ArbeitnehmerInnenschutzbelange auf diesem Weg nicht betrachtet werden. Dies darf aber mich nicht daran hindern, möglicher Auslöser für schwere Unfälle im Sinne der Seveso-RL zu betrachten."

 

 

In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

 

  1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden,
  2.  

  3. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
  4.  

  5. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,
  6.  

  7. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder
  8.  

  9. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

 

Gemäß § 77 Abs.2 GewO 1994 ist die Frage, ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs.2 Z2 zumutbar sind, danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

 

 

Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben... .

 

Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem, wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.

 

 

Gemäß § 84c Abs.1 GewO 1994 hat der Betriebsinhaber alle nach dem Stand der Technik (§ 71a) notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um schwere Unfälle zu verhüten und deren Folgen für Mensch und Umwelt zu begrenzen.

 

Die zuletzt zitierte Bestimmung des § 84c Abs.1 der Gewerbeordnung legt somit, wie auch die weiteren Absätze der Norm dem Inhaber von Betrieben nach § 84a Abs.2 leg.cit. ex lege Pflichten auf. Sofern nicht anderes bestimmt ist, sind diese festgelegten Pflichten für die Inhaber beider Kategorien von Betrieben nach § 84a Abs.2 maßgeblich. Es wird somit eine allgemeine Pflicht für Betriebsinhaber festgelegt, alle nach dem Stand der Technik notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um schwere Unfälle zu verhüten und deren Folgen für Mensch und Umwelt zu begrenzen. Diese Bestimmung leitet sich aus Artikel 5 Abs.1 der sogenannten Seveso II-Richtlinie (Richtlinie 96/82/EG des Rates zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen) ab, wonach die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass der Betreiber verpflichtet ist, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um schwere Unfälle zu verhüten und deren Folgen für Mensch und Umwelt zu begrenzen. Diese Pflichten für den Betreiber ergeben sich somit direkt aus der, auf die Umsetzung der Seveso II-Richtlinie ins Österreichische Recht zurückzuführende Bestimmung des § 84c der Gewerbeordnung, und zwar ohne dass es diesbezüglich weiterer Vorschreibungen durch die Behörde bedarf. Für den Fall des Nichterfüllens der Betreiberpflichten hat der Gesetzgeber die Strafbestimmung des § 366 Abs.1 Z7 GewO 1994 vorgesehen, wonach derjenige eine Verwaltungsübertretung begeht, die mit einer Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer entgegen § 84c Abs.1 nicht alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um schwere Unfälle zu verhüten oder deren Folgen für Menschen und Umwelt zu begrenzen.

 

Ergänzend hiezu ist auch auf das Wesen des Industrieunfallrechtes des Abschnittes 8a der Gewerbeordnung 1994 idF der Gewerberechtsnovelle 2000 einzugehen. Durch diese Gewerberechtsnovelle 2000 wurde das ehemalige "Störfallrecht" vom nunmehr geltenden "Industrieunfallrecht" abgelöst. Das Industrieunfallrecht legt nun nicht mehr, wie das ehemalige Störfallrecht, dem Bewerber um eine Betriebsanlagengenehmigung zusätzliche Pflichten auf, sondern verpflichtet den Betreiber von bestimmten Betriebsanlagen, u.a. notwendige Maßnahmen zu ergreifen, um schwere Unfälle zu verhüten und deren Folgen für Mensch und Umwelt zu begrenzen, stellt aber auch Anforderungen an die Betriebsanlagen zur Verhütung schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen und zur Begrenzung ihrer Folgen. Wesentlich dabei ist, dass das seither geltende Industrieunfallrecht der Gewerbeordnung grundsätzlich vom betriebsanlagenrechtlichen Genehmigungsregime losgelöst wurde.

 

Darauf aufbauend ist zu § 84c GewO 1994 weiterführend festzustellen, dass - wie bereits oben angeführt - der Inhaber einer dem Industrieunfallrecht unterliegenden Betriebsanlage ex lege, somit ohne der Notwendigkeit der etwa bescheidmäßigen Vorschreibung durch die Behörde, verpflichtet wird, alle nach dem Stand der Technik notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um schwere Unfälle zu verhüten und deren Folgen für Mensch und Umwelt zu begrenzen. Nach dieser Gesetzesbestimmung ist somit der Betriebsinhaber auch zur Setzung solcher Maßnahmen verpflichtet, welche sich ausschließlich auf Grund einer erwiesenermaßen vorliegenden Änderung des Standes der Technik ergeben haben Die Notwendigkeit zur Durchführung solcher Maßnahmen kann der Betriebsanlageninhaber im Rahmen der regelmäßigen Überprüfung von Sicherheitsbericht oder Sicherheitskonzept erkennen oder er wird von der Behörde im Rahmen der regelmäßig durchzuführenden Inspektionen darauf hingewiesen. Eine bescheidmäßige Verpflichtung hiezu ist - wie oben bereits dargestellt - nicht vorgesehen, sondern enthält die Gewerbeordnung bei Missachtung Strafbestimmungen bzw. allenfalls Zwangsmaßnahmen. Wesentliche Grundlage für sämtliche Überprüfungen, Aktualisierungen oder Inspektionen ist hier jeweils der Stand der Technik im Grunde des § 71a GewO 1994.

 

Dem gegenüber steht nun das Genehmigungsregime der Gewerbeordnung für genehmigungspflichtige gewerbliche Betriebsanlagen, worunter zwar zweifelsfrei auch die dem Industrieunfallrecht unterliegenden Betriebsanlagen zu zählen sein werden. Auflagen sind nach dem Genehmigungsregime jedoch nur im Rahmen der Erstgenehmigung im Grunde des § 77 und anlässlich erforderlicher Genehmigungen von genehmigungspflichtigen Änderungen, Erweiterungen etc. der Betriebsanlage vorzuschreiben. Darüber hinausgehend nach § 79 GewO 1994 dann, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, dass die gemäß § 74 Abs.2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind. Solche nur unter diesen zitierten Voraussetzungen vorzuschreibende Auflagen haben sich auch nach diesen Gesetzesbestimmungen nach dem Stand der Technik zu orientieren, doch bietet die Änderung des Standes der Technik alleine keine Grundlage für die Vorschreibung von Auflagen nach § 79 der Gewerbeordnung. Eine Anpassung der Betriebsanlage an den Stand der Technik und der sonstigen Wissenschaften schlechthin ist damit nach dieser Gesetzesbestimmung - vorbehaltlich nachstehender Ausnahme - nicht möglich, sondern fehlt ihr die Rechtsgrundlage. Die einzige Möglichkeit zur Auflagenvorschreibung allein nach dem Stand der Technik in diesem Zusammenhang bietet § 77 Abs.3 GewO 1994, wonach die Behörde Emissionen von Luftschadstoffen jedenfalls nach dem Stand der Technik zu begrenzen hat. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt jedoch im gegenständlichen Fall nicht vor.

 

Die bekämpfte Vorschreibung im gegenständlichen Bescheid wird ausschließlich auf die Stellungnahmen der beigezogenen sicherheitstechnischen Amtssachverständigen gestützt, welche in ihren Äußerungen einerseits ausdrücklich zum Ausdruck bringt, dass die Forderung der Kennzeichnung der Rohrleitungen gemäß ÖNORM Z 1001 aus der Inspektion gemäß Abschnitt 8a der GewO kommt und sich somit - nach der Begründung des Amtssachverständigen - ausschließlich auf die Vermeidung eines schweren Unfalls bezieht, weiters dass es sich bei der gegenständlichen Betriebsanlage um einen Schwelle -II-Betrieb gemäß Abschnitt 8a der Gewerbeordnung handelt, weshalb der Betreiber die Verpflichtung habe, alle nach dem Stand der Technik notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um schwere Unfälle zu verhüten und deren Folgen für Mensch und Umwelt zu begrenzen. Die Auflage sei nach Feststellung der Amtssachverständigen vorgeschlagen, um die Durchsetzung des Standes der Technik zu gewährleisten. Die im Ermittlungsverfahren der belangten Behörde eingeholten Gutachten bieten jedoch keine Möglichkeit der Beurteilung, ob - unabhängig von der Einhaltung des jeweiligen Standes der Technik - die von den Berufungswerbern vorgeschlagene Kennzeichnung nach der internen Vorschrift SSP 1964 den selben Schutz wie die von der Sachverständigen geforderte ÖNORM Z 1001 bietet bzw. warum dieser Schutz durch die SSP 1964 nicht vorliegen solle. Dem Berufungsvorbringen, die bloße Vorschreibung der ÖNORM Z 1001 ohne Verweis auf die gesehene konkrete Gefährdung sei nicht stichhaltig bzw. die ÖNORM Z 1001 enthalte für die als kritisch angesehenen Fälle keine Vorgaben, kommt somit insofern Berechtigung zu. Die Amtssachverständige hätte sich mit dem Vorbringen, die interne Vorschrift SSP 1964 erziele zumindest ein gleiches Schutzniveau wie die ÖNORM Z 1001, auseinandersetzen müssen, um schlüssig darzulegen, warum dies, wie in ihrem Gutachten festgestellt, für sämtliche Rohrleitungen sämtlicher im Spruch angeführter Bauten der Berufungswerberin nicht zutrifft. Dies darüber hinaus auch im Zusammenhang mit der Tatsache, dass die von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige unter anderem vorbringt, dass die Kennzeichnung nach ÖNORM Z 1001 zum Teil bereits durch Auflagenvorschreibung in Genehmigungsbescheiden von Anlagen oder Anlagenteilen der Berufungswerberin Eingang gefunden habe; exakte Aussagen diesbezüglich seien nur durch intensive Aktenrecherche möglich. Eine solche hat jedoch in der Folge nicht mehr stattgefunden, obwohl von der Berufungswerberin in der Entgegnung vom 7. Februar 2006 ausdrücklich darauf hingewiesen wurde.

 

Schließlich überschreitet auch der Alternativvorschlag der Amtssachverständigen, die Erfüllung der ÖNORM Z 1001 könne auch durch eine verfahrenstechnische Lösung wie zB die Verwendung verschiedener Rohrleitungen gefunden werden, die Möglichkeiten der Auflagenvorschreibung nach § 79 GewO 1994, würde doch die Verwendung verschiedener, somit zusätzlicher Rohrleitungen in das Wesen des genehmigten Projektes, welches offensichtlich die Verwendung ein und derselben Rohrleitung, abwechselnd mit verschiedenen Medien, vorsieht, eingreifen. Ein derartiger Eingriff in das Wesen des Projektes, welcher für sich eine neue Genehmigungspflicht nach § 81 GewO 1994 auslösen würde, ist jedoch dem Inhalt von Auflagen nach § 79 GewO 1994 verwehrt.

 

Aus all den angeführten Gründen und der dargestellten Sach- und Rechtslage war daher der Berufung Folge zu geben und wie im Spruch zu entscheiden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
  2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

 

Dr. Reichenberger

 

 

Beschlagwortung:

§ 79 GewO; Auflagen; Stand der Technik; ÖNORM Z 1001;

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