Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550126/4/Kl/Pe

Linz, 19.12.2003

 

 

 VwSen-550126/4/Kl/Pe Linz, am 19. Dezember 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die IX. Kammer (Vorsitzender Dr. Konrath, Berichterin Dr. Klempt, Beisitzer Dr. Linkesch) über den Antrag der JM GmbH & Co.KG, vertreten durch S & S Rechtsanwälte OEG, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren Neubau der B148, Altheimer Straße, Bau-km, 13,985 bis Bau-km 20,972, Baulos "Umfahrung Altheim-West" sowie Brückenbauten, zu Recht erkannt:

Dem Antrag wird stattgegeben und dem Auftraggeber Land Oberösterreich die Erteilung des Zuschlages bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 15.2.2004 untersagt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 3 und 11 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz, LGBl. Nr.153/2002.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 15.12.2003 wurde von der JM GmbH & Co. KG, der Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens und Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, dem Auftraggeber die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, längstens aber für die Dauer von zwei Monaten nach Antragstellung, zu untersagen, gestellt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Zuschlagskriterien nach Punkt IV.2 der Bekanntmachung anders lauten als jene in den Angebotsunterlagen unter Punkt 3.1.4. Darüber hinaus lassen die Zuschlagskriterien eine nachvollziehbare Bestbieterermittlung nicht zu und sind für eine gesetzeskonforme Bestbieterermittlung nicht geeignet. Die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der ermittelten Zuschlagsempfängerin ist sohin mit Rechtswidrigkeit behaftet, sodass die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären sei. Näher wurde ausgeführt, dass für an sich zulässige Alternativangebote Mindestanforderungen vorgesehen sind. Auch wurde das Alternativangebot der Antragstellerin als nicht gleichwertig erkannt, eine Ausscheidung sei aber nicht erfolgt. Im Übrigen entsprechen die Zuschlagskriterien nicht den gesetzlichen Vorgaben. Insbesondere die Kriterien "technische Qualität", "Qualifikation des vom Bieter eingesetzten Personals" und "Plausibilität des Angebots" lassen nicht erkennen, wie der Auftraggeber die Angebote im Einzelnen zu bewerten gedenkt und lassen eine nachvollziehbare Bestbieterermittlung nicht zu. Auch ist die Gewichtung der einzelnen Hauptgruppen weder sachlich gerechtfertigt noch nachvollziehbar.

 

Weiters wurde das Interesse am Vertragsabschluss durch die Anbotslegung dargelegt. Zum Schaden wurde der entgangene Auftrag, sohin ein Gewinn- und Deckungsbeitrag in Höhe von zumindest 676.891,27 Euro beim Hauptoffert und 665.313,14 Euro beim Alternativoffert angegeben. Weiters wurden die Angebotskosten und die Kosten der Teilnahme am Vergabeverfahren sowie Rechtsberatungskosten geltend gemacht. Schließlich wurde auch auf die Gewinnung von Referenzprojekten zum Nachweis der Leistungsfähigkeit hingewiesen.

 

Zur Notwendigkeit einer einstweiligen Verfügung wurde dargelegt, dass die Stillhaltefrist spätestens am 16.12.2003 endet und eine unmittelbare Schädigung der Interessen der Antragsstellerin drohe, wenn eine bloße Feststellung einer fehlerhaften Zuschlagsentscheidung erfolgt, weil die zustehende Schadenersatzforderung die Chance den Auftrag selbst zu erhalten nicht aufwiegt. Auch wurde dargelegt, dass kein allfälliges besonderes Interesse des Antragsgegners und keine diesbezüglichen Hinweise vorliegen. Eine einstweilige Aussetzung stelle für den Antragsgegner keine unverhältnismäßige Belastung dar. Vielmehr habe der Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplans die Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen. Auch nach der Judikatur habe der provisorische Rechtsschutz Vorrang und sei in der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter bei der Interessensabwägung im Zusammenhang mit dem Vergaberechtsschutz ein öffentliches Interesse gelegen. Die Gefährdung von Leib und Leben oder Eigentum ist nicht zu befürchten. Dies insbesondere deshalb, weil schon nach der Ausschreibung die Leistungserbringung bis zum Juli des Jahres 2006 vorgesehen ist.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat das Land Oberösterreich als Auftraggeber am Nachprüfungsverfahren beteiligt. Eine Stellungnahme ist bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht eingelangt.

 

3. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Das Land Oberösterreich ist öffentlicher Auftraggeber iSd § 1 Abs.2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz. Der Auftragswert der gegenständlichen Ausschreibung überschreitet den Schwellenwert von mindestens 5 Mio. Euro bei Bauaufträgen iSd § 9 Abs.1 Z3 Bundesvergabegesetz 2002 - BVergG. Die gegenständliche Vergabe unterliegt daher sowohl dem Bundesvergabegesetz als auch dem Oö. Vergabenachprüfungsgesetz.

 

Gemäß § 2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz obliegt dem unabhängigen Verwaltungssenat die Nachprüfung von Entscheidungen gemäß § 1 Abs.1. Bis zur Zuschlagserteilung ist der unabhängige Verwaltungssenat zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das Bundesvergabegesetz und die dazu ergangenen Verordnungen zuständig

  1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie
  2. zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftrageber bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig.

 

3.2. Gemäß § 11 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz hat, sobald das Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung eingeleitet ist, der unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antagstellers zu beseitigen oder zu verhindern. Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat der unabhängige Verwaltungssenat die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicher Weise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist von ihrer Erlassung abzusehen. In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche die Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Sie tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch zwei Monate nach Antragstellung oder mit der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft.

 

Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundesvergabegesetzes 1997 führte Bernd Elsner, Vergaberecht, Linde Verlag, auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint.

Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S.172f.).

 

Es verweist daher die Antragstellerin zu Recht auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, insbesondere zur Zl. B1369/01 vom 15.10.2001, wonach der Verfassungsgerichtshof auch ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel auch in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter sieht, dem die Nachprüfung des Vergabeverfahrens letztlich dienen soll.

 

Die Antragstellerin weist daher zu Recht auf den Umstand der Leistungserbringung bis zum Juli des Jahres 2006 hin und schließt daher daraus, dass eine Gefährdung von Leib und Leben oder Eigentum im konkreten Fall nicht aktuell ist. Auch trifft den Auftraggeber im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Der Auftraggeber hat aber konkret mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbots nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9). Es hat daher die Antragstellerin glaubwürdig und denkmöglich dargelegt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinaus gehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch den Auftraggeber vorgebracht worden noch dem Oö. Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber ein Interesse an der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes, also an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Es ist daher zu berücksichtigen, dass bei rechtmäßiger Ermittlung des günstigsten Angebotes unter Umständen den Auftraggeber eine Kostenersparnis erwarten würde, die den aus der Verfahrensverzögerung allenfalls auftretenden Kosten entgegenzuhalten ist bzw. diese Kosten aufheben würde. Darüber hinaus verweist die Antragstellerin zu Recht auf die Rechtsprechung der Vergabekontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben kann, liegt in der Natur der Sache. Als Begründung für ein Abstandnehmen von einer Zuschlagsaussetzung würde dies eine einstweilige Verfügung in einem Vergabeverfahren fast immer verhindern und dieses Rechtsschutzinstrumentarium gänzlich ausschalten. Da kein darüber hinaus gehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.5 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz.

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.6 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 41,80 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 
 

Dr. K o n r a t h
 
Beschlagwortung:
keine besonderen öffentlichen Interessen
 

 
 

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