Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550138/4/Kl/Pe

Linz, 18.05.2004

VwSen-550138/4/Kl/Pe Linz, am 18. Mai 2004

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über den Nachprüfungsantrag der A E GmbH, vertreten durch S C W & Partner Rechtsanwälte GmbH, betreffend das Vergabeverfahren "Sammlung und Transport von Hausabfall und Sperrabfall in der Gemeinde B" zu Recht erkannt:

Der Antrag, den Widerruf der Ausschreibung für nichtig zu erklären, wird als unzulässig zurückgewiesen.

Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Widerrufes der Ausschreibung wird abgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2 Abs.5, 8 und 14 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz, LGBl. Nr. 153/2002, iVm § 105 Abs.1 Bundesvergabegesetz 2002 - BVergG, BGBl. I Nr. 99/2002.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Eingabe vom 29.4.2004, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am 3.5.2004, wurde von der AVE Entsorgung GmbH (kurz:) der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Widerrufes sowie der Antrag auf Nichtigerklärung des Widerrufes der Ausschreibung der Marktgemeinde B zur Geschäftszahl Gem-852/2004 beantragt. Zum Sachverhalt wurde ausgeführt, dass in den Jahren 1996 bis 2004 das Unternehmen K G mit der Sammlung und der Abfuhr der im Gemeindegebiet B anfallenden Hausabfälle und sperrigen Abfällen beauftragt war. In Punkt XV. der abgeschlossenen Vereinbarung wurde vereinbart "diese Vereinbarung wird bis zum Zeitpunkt der Schaffung einer einheitlichen Regelung der Sammlung und Abfuhr der Hausabfälle und sperrigen Abfälle durch den Bezirksabfallverband Wels-Land abgeschlossen; sollte diese einheitliche Bezirksregelung nicht zustande kommen, bis zum Abschluss eines neuen Vertrages". Mit Schreiben vom 6.11.2003 hat die Marktgemeinde B dem bisher beauftragten Unternehmen G mitgeteilt, dass die am 19.9.1996 getroffene Vereinbarung betreffend Sammlung und Abfuhr der Hausabfälle und sperrigen Abfälle in der Gemeinde B mit 31.3.2004 gekündigt werden wird. Daraufhin wurde von der Marktgemeinde B die Sammlung und Transport von Hausabfall und Sperrabfall der Gemeinde B im offenen Verfahren als Dienstleistungsauftrag im Unterschwellenbereich ausgeschrieben. Die Angebotsfrist endete am 26.11.2003. Die Antragstellerin hat innerhalb der Angebotsfrist ein rechtsgültiges Angebot gelegt und hat die Angebotseröffnung ergeben, dass die Antragstellerin Bestbieterin ist. Das bisher beauftragte Unternehmen G hat ebenfalls ein Angebot gelegt und lag aber bereits nach dem für die Zuschlagserteilung relevanten Preis hinter dem Angebot der Antragstellerin. In weiterer Folge hat offenbar dieses Unternehmen Einwände gegen die Kündigung des Vertrages und die Fortführung des Vergabeverfahrens geltend gemacht. Mit Schreiben vom 18.3.2004 hat die Auftraggeberin der Antragstellerin mitgeteilt, die Ausschreibung gemäß § 105 BVergG zu widerrufen. Diese Mitteilung enthält keine Begründung für den Widerruf, sondern gibt nur die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen wieder. Der Antrag betreffend die Rechtswidrigkeit des Widerrufes wurde innerhalb der Frist von sechs Wochen gestellt. Die Antragstellerin erhielt am 22.3.2004 Kenntnis vom Widerruf der Ausschreibung und endete die Antragsfrist daher am 3.5.2004. Die Gebühr von 800 Euro wurde entrichtet. Die Antragstellerin hat durch die Abgabe ihres Angebotes Interesse an der Zuschlagserteilung dokumentiert; im Rahmen des Verfahrens sind ihr bisher Kosten im Zusammenhang mit der Zusammenstellung der Angebotsunterlagen und der Erstellung des Angebotes entstanden. Hiezu kommen noch die Kosten der rechtlichen Beratung und rechtsfreundlichen Vertretung. Im Fall der Beendigung des Vergabeverfahrens würde der Antragstellerin ein Auftrag mit einer Angebotssumme von ca. 98.000 Euro (24.531,00 Euro für vier Jahre) und damit der kalkulierte Deckungsbeitrag entgehen. Der Antragstellerin droht ein Schaden von zumindest 10 % der Auftragssumme.

Zu den Beschwerdepunkten wird angeführt, dass offenbar erfolgte Einwendungen gegen die Kündigung des bisherigen Vertrages nicht als Widerrufsgrund iSd § 105 BVergG angesehen werden können. Das bisher beauftragte Unternehmen war mit seinem Angebot nicht Bestbieter. Es hat sich hinsichtlich der Vertragssituation und der Rechtslage seit Beginn des Vergabeverfahrens keine Änderung ergeben, sodass die gesetzlich vorgesehenen Widerrufsgründe nicht vorliegen. Der Altvertrag bestand unbestrittenermaßen bereits vor der Ausschreibung und haben sich seither keine vertraglichen Änderungen ergeben. Mit den Grundsätzen des Vergaberechtes wäre unvereinbar, im Wege einer Ausschreibung zu testen, ob der bisherige Vertragspartner ein günstigeres Angebot legt als die Konkurrenz und das Vergabeverfahren nur dann weiterzuführen, wenn der bisherige Vertragspartner Bestbieter ist.

Zur Kündigung des bestehenden Vertrages ist außerdem anzumerken, dass gemäß Punkt XV. die bestehende Vereinbarung lediglich bis zum "Abschluss eines neuen Vertrages" abgeschlossen wurde. Es ergibt sich eindeutig aus dem Vertragstext, dass der Auftraggeberin (Marktgemeinde B) die Möglichkeit offen stehen sollte, einen neuen Vertrag abzuschließen. Eine Auslegung dahingehend, dass die Marktgemeinde B auf unbefristete Dauer ohne Kündigungsmöglichkeit an den bestehenden Altvertrag gebunden ist, widerspricht nicht nur dem klaren Vertragstext, sondern wäre auch mit den Grundsätzen des fairen Wettbewerbs und mit kaufmännischen Grundsätzen nicht vereinbar. Die Marktgemeinde B ist berechtigt, das bestehende Vertragsverhältnis zu beenden und einen neuen Auftrag - nach den Bestimmungen des BVergG - zu vergeben. Ob in einem solchen Fall die bestehende Vereinbarung ohne Kündigung mit Abschluss des neuen Vertrages endet oder ob es vorher einer Kündigung bedarf, erscheint in diesem Zusammenhang zweitrangig. Die im Altvertrag vorgesehene Regelung "bis zum Abschluss eines neuen Vertrages" kann nicht im Auslegungswege auf eine Beendigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund reduziert werden, zumal Punkt XVI. des Vertrages für den Fall der vorzeitigen Beendigung aus wichtigem Grund (ohne dass ein neuer Vertrag abgeschlossen wird) ohnehin eine Sonderregelung enthält. Es war daher die Entscheidung, das Vergabeverfahren bzw. die Ausschreibung zu widerrufen, rechtswidrig. Die Antragstellerin wird daher in ihrem Recht verletzt, dass das Vergabeverfahren fortgeführt und ihr der Zuschlag erteilt wird.

Das Oö. Vergabenachprüfungsgesetz sieht nur die Feststellung vor, dass der Widerruf rechtswidrig war, nicht hingegen eine Aufhebung bzw. Nichtigerklärung des Widerrufes. Ein wirksamer und effizienter Rechtsschutz iSd Rechtsmittelrichtlinie erfordert aber, dass über die Feststellung der Rechtswidrigkeit hinaus ein rechtswidriger Wiederruf für nichtig erklärt bzw. aufgehoben wird.

2. Die Marktgemeinde B als Auftraggeberin hat am 10.5.2004 eine Stellungnahme abgegeben und das Vergabeverfahren betreffende Unterlagen, die insbesondere den Vertrag mit der Firma G, das Kündigungsschreiben, die Ausschreibungsunterlagen und Angebotsunterlagen der Antragstellerin, die Bekanntmachung, das Protokoll über die Angebotseröffnung, den Schriftverkehr mit der Bieterin G und dem Amt der Oö. Landesregierung, Abteilung Gemeinden, das Protokoll über die Gemeinderatssitzung, die Widerrufserklärung und den Nachweis über die Verständigung über die Einbringung des Nachprüfungsantrages enthalten.

Zum geltend gemachten Schaden wurde festgehalten, dass die Kosten im Zusammenhang mit der Zusammenstellung der Angebotsunterlagen und der Erstellung des Angebotes und auch der angeführt kalkulierte Deckungsbeitrag nicht als Schaden herangezogen werden können, da die Antragstellerin zwar Bestbieterin ist, jedoch noch keine Zuschlagsentscheidung durch den Gemeinderat an die Antragstellerin innerhalb der Zuschlagsfrist erfolgt ist. Es war nicht Absicht und im Interesse der Gemeinde, im Wege der Ausschreibung zu testen, ob der bisherige Vertragspartner ein günstigeres Angebot legt als die Konkurrenz.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat in die vorgelegten, oben angeführten Unterlagen Einsicht genommen.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung wurde von den Parteien nicht beantragt (§ 12 Abs.1 und 4 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz). Auch lässt der Antrag im Hinblick auf die vorgelegten Unterlagen erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Es war daher keine mündliche Verhandlung durchzuführen.

4. Folgender Sachverhalt wird als erwiesen festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Mit Bekanntmachung vom 27.10.2003 in der ALZ, Folge 22/2003, wurde der Dienstleistungsauftrag "Sammlung und Transport von Hausabfall und Sperrabfall in der Gemeinde B" im offenen Verfahren im Unterschwellenbereich, ausgeschrieben. Die Angebotsfrist endete am 26.11.2003, die Zuschlagsfrist drei Monate ab Anboteröffnung, also am 26.2.2004.

Die A E GmbH, hat ein Angebot vom 25.11.2003 abgegeben. Die LG 01 (Hausabfall) wurde mit 1.464,87 Euro (inkl. MWSt.) und die LG 02 (sperrige Abfälle) mit 1.006,50 Euro (inkl. MWSt.) angeboten. Laut Protokoll über die Angebotseröffnung vom 26.11.2003 geht nach der Reihung nach dem Preis die Firma A als Bestbieterin hervor. Auch die Angebotsbewertung ergab sowohl hinsichtlich der Hausabfälle als auch der Sperrabfälle und im Hinblick auf die Gesamtpunktezahl eine Reihung auf Platz 1. Das Unternehmen G wurde nach der Gesamtpunktezahl auf Platz 3 gereiht.

Mit Schreiben vom 6.11.2003 wurde unter Bezugnahme auf den Punkt XV. der Vereinbarung vom 19.9.1996 betreffend die Sammlung und Abfuhr der Hausabfälle und sperrigen Abfälle im Gemeindegebiet der Marktgemeinde B die bestehende Vereinbarung mit 31.3.2004 gekündigt, "da eine einheitliche Bezirksregelung nicht zustande kommt und diese Dienstleistungen für den Abschluss eines neuen Vertrages im offenen Verfahren nach dem Bundesvergabegesetz 2002 in der ALZ, Folge 22/2003, ausgeschrieben wurden."

Mit Schreiben vom 26.11.2003 gab das Müllabfuhrunternehmen G der Marktgemeinde B bekannt, dass die ausgesprochene Kündigung unzulässig und rechtsunwirksam sei, weil in Art.XVI. ausdrücklich festgehalten ist, dass innerhalb der vereinbarten Dauer die Vereinbarung nur aus wichtigen Gründen aufgekündigt werden kann. Das Vorliegen eines derartigen wichtigen Grundes wird seitens der Gemeinde gar nicht behauptet und liegt ein solcher auch nicht vor. Nach Art.XVII. sind Abänderungen oder Ergänzungen dieser Vereinbarung nur durch beiderseitiges Einverständnis der Vertragspartner in schriftlicher Form möglich.

Auf schriftliche Anfrage der Marktgemeinde B vom 27.11.2003 an die Aufsichtsbehörde gibt diese im Schreiben vom 24.2.2004, Gem-410425/19-2004-Wa/Pü, Folgendes bekannt: "Als rechtlicher Sicht ist festzustellen, dass Punkt XV. des Vertrags eine Befristung der Dauer bis zum Zeitpunkt der Schaffung einer einheitlichen Regelung durch den Bezirksabfallverband vorsieht. In Punkt XV. der Vereinbarung ist weiters die Regelung enthalten, dass, sollte diese einheitliche Bezirksregelung nicht zustande kommen, die Vereinbarung bis zum Abschluss eines neuen Vertrages gilt. Bei der Auslegung dieser Bestimmung wird auf § 914 ABGB verwiesen. Gemäß § 914 ABGB ist bei Auslegung von Verträgen nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Daraus ergibt sich, dass für die Auslegung dieser Vereinbarung der Wille der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgebend ist. Nach unserer Rechtsansicht kann dieser Halbsatz in Punkt XV nicht zu einer Kündigung bzw. zu einer Auflösung des Vertrages führen, wenn keine wichtigen Kündigungsgründe vorliegen.

Innerhalb der vereinbarten Dauer kann die Vereinbarung von jedem der Partner nur aus wichtigen Gründen bis zum Ende eines Kalendermonats unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist mittels eingeschriebenen Briefs aufgekündigt werden. Im Punkt XVI. des Vertrages sind wichtige Gründe demonstrativ angeführt. Wenn somit ein wichtiger Grund vorliegt, ist die Gemeinde berechtigt, den Vertrag aufzukündigen.

Ob ein in der Vereinbarung angeführter Kündigungsgrund oder sonstiger wichtiger Grund vorliegt, kann auf Grund des vorliegenden Sachverhalts nicht abschließend beurteilt werden.

Wir weisen Sie darauf hin, dass zur endgültigen Klärung dieser Frage der Abteilung Gemeinden grundsätzlich keine Zuständigkeit zu kommt, dies wäre allenfalls vor den Zivilgerichten zu klären."

In der Gemeinderatssitzung der Gemeinde B vom 16.3.2004 wurde der Widerruf der Ausschreibung betreffend die Sammlung und Abfuhr von Hausabfällen und sperrigen Abfällen gemäß § 105 BVergG beschlossen. Mit Schreiben vom 18.3.2004 gab die Marktgemeinde B der Antragstellerin sowie allen weiteren Bietern letztgenannte Entscheidung des Gemeinderates bekannt, "da Umstände bekannt wurden, die, wären sie schon vor der Ausschreibung bekannt gewesen, eine Ausschreibung ausgeschlossen hätten."

Die Antragstellerin gab mit Schreiben vom 29.4.2004 der Auftraggeberin bekannt, dass der Widerruf der Ausschreibung gegen das Bundesvergabegesetz 2002 verstößt und die Antragstellerin einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und einen Antrag auf Nichtigerklärung des Widerrufes an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich stellen wird. Hinsichtlich der Bezeichnung und Begründung der Rechtswidrigkeit wurde auf den beiliegenden Antrag verwiesen. Die Auftraggeberin hat mit Schreiben vom 3.5.2004 per Telefax sämtliche Bieter von der Antragstellung verständigt.

Die Oö. Landesregierung als Aufsichtsbehörde hat mit Bescheid vom 7.11.1996, UR-150607/4-1996 Me/Wo, den Vertag der Gemeinde B mit der Firma K G, Abfallabfuhrunternehmen, betreffend die Übernahme der Sammlung und Abfuhr von Hausabfällen und sperrigen Abfällen aus dem Gemeindegebiet B aufsichtsbehördlich genehmigt. Diese Vereinbarung lautet:

"XV

Diese Vereinbarung wird bis zum Zeitpunkt der Schaffung einer einheitlichen Regelung der Sammlung und Abfuhr der Hausabfälle und sperrigen Abfälle durch den Bezirksabfallverband Wels-Land abgeschlossen; sollte dieses einheitliche Bezirksregelung nicht zustandekommen, bis zum Abschluß eines neuen Vertrages.

XVI

Innerhalb der vereinbarten Dauer kann die Vereinbarung von jedem der Partner nur aus wichtigen Gründen bis zum Ende eines Kalendermonats unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist mittels eingeschriebenen Briefes aufgekündigt werden.

Als wichtiger Grund gilt insbesonders

wenn über das Vermögen eines der Vertragsteile das Konkurs- oder Ausgleichsverfahren eröffnet oder eine Einleitung eines solchen Verfahrens mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wird;

im Falle wesentlicher und beharrlicher Vertragsverletzung trotz vorheriger schriftlicher und gehöriger Abmahnung; dazu zählt auch die beharrliche Verletzung rechtkräftiger behördlicher Auflagen und Aufträge;

wenn ein Vertragspartner die Verpflichtung aus diesem Vertrag auch nach Setzung einer Nachfrist von 2 Wochen nicht erfüllt oder die Vertragsverletzung den Grundsätzen und Zielen einer geordneten Abfallwirtschaft widerspricht.

XVII

Abänderungen oder Ergänzungen dieser Vereinbarung können nur durch beidseitiges Einverständnis der Vertragspartner in schriftlicher Form erfolgen."

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß § 1 des Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes, LGBl. Nr.153/2002 regelt dieses Landesgesetz die Nachprüfung von Entscheidungen, die von einem öffentlichen Auftraggeber bzw. einer öffentlichen Auftraggeberin im Zuge einer Auftragsvergabe, die dem Bundesvergabegesetz 2002 (BVergG) unterliegt, getroffen wurden.

Gemäß § 2 Abs.1 leg.cit obliegt die Nachprüfung von Entscheidungen dem unabhängigen Verwaltungssenat und ist dieser nach § 2 Abs.5 leg.cit nach dem Widerruf einer Ausschreibung zuständig festzustellen, ob der Widerruf wegen eines Verstoßes gegen das BVergG rechtswidrig war.

Die Marktgemeinde B ist öffentliche Auftraggeberin. Der gegenständlich ausgeschriebene Auftrag über die Sammlung und Abfuhr der im Gemeindegebiet B anfallenden Hausabfälle und sperrigen Abfälle ist ein Dienstleistungsauftrag im Unterschwellenbereich. Der Oö. Verwaltungssenat ist zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Widerrufes zuständig und es ist der entsprechende Antrag gemäß § 8 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz zulässig.

5.2. Gemäß § 105 Abs.1 Bundesvergabegesetz 2002 - BVergG ist nach Ablauf der Angebotsfrist die Ausschreibung zu widerrufen, wenn Umstände bekannt werden, die, wären sie schon vor der Ausschreibung bekannt gewesen, eine Ausschreibung ausgeschlossen oder zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten.

Vom Widerruf der Ausschreibung sind die Bieter unverzüglich unter Bekanntgabe des Grundes zu verständigen (§ 105 Abs.4 BVergG).

Wie aus dem festgestellten Sachverhalt hervorgeht, liegt der gegenständlichen Ausschreibung die Kündigung der Vereinbarung über die Sammlung und Abfuhr von Hausabfällen und sperrigen Abfällen vom 19.9.1996 zugrunde. Gegen diese Kündigung hat sich das Abfallabfuhrunternehmen G als Vertragspartner unter Hinweis auf Punkt XV. der Vereinbarung ausgesprochen und hat auch die Gemeindeaufsichtsbehörde in ihrer Stellungnahme vom 24.2.2004 unter Hinweis auf den Punkt XV. des Vertrages unter Zugrundelegung des § 914 ABGB dargelegt, dass es zu keiner Kündigung bzw. keiner Auflösung des Vertrages kommen kann, wenn keine wichtigen Kündigungsgründe vorliegen. Innerhalb der vereinbarten Dauer kann die Vereinbarung von jedem der Partner nur aus wichtigen Gründen bis zum Ende eines Kalendermonats unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist mittels eingeschriebenen Briefs aufgekündigt werden. Wichtige Gründe sind demonstrativ in Punkt XVI. des Vertrages angeführt. Wenn somit ein wichtiger Grund vorliegt, ist die Gemeinde berechtigt, den Vertrag aufzukündigen. Ob ein solcher Kündigungsgrund oder sonstiger wichtiger Grund vorliegt, kann aber aufgrund des vorliegenden Sachverhalts nicht abschließend beurteilt werden.

Es hat daher die Auftraggeberin in ihrer Gemeinderatssitzung vom 16.3.2004 ebenfalls einen solchen wichtigen Kündigungsgrund als nicht vorliegend befunden und daher im Grunde des Punktes XV. der Vereinbarung erkannt, dass eine Vertragskündigung nicht möglich ist. Es wurde daher in dieser Gemeinderatssitzung der Widerruf der Ausschreibung beschlossen.

Dieser Vorgehensweise der Auftraggeberin ist keine Rechtswidrigkeit anzulasten. Vielmehr ist der Mangel des Kündigungsgrundes bzw. der Mangel einer Kündigungsmöglichkeit ohne wichtigen Grund und daher die Beendigung eines aufrechten Vertragsverhältnisses Hindernis für den Abschluss eines neuen Vertrages. Dies stellt einen Umstand dar, welcher, wäre er schon vor der Ausschreibung bekannt gewesen, eine Ausschreibung ausgeschlossen hätte. Es ist daher klar ein zwingender Widerrufsgrund gemäß § 105 Abs.1 erste Alternative BVergG gegeben. Der Antragstellering ist zwar beizupflichten, dass die Vertragsbestimmung objektiv unverändert blieb, allerdings ist ein Irrtum der Auftraggeberin bei der Auslegung dieses Vertragspunktes und die spätere Erkenntnis über diesen Irrtum und die Unmöglichkeit der Vertragsauflösung ebenfalls ein Umstand, der einen zwingenden Widerrufsgrund darstellt, zumal es zu keiner Ausschreibung gekommen wäre, wenn die Auftraggeberin dieser irrtümlichen Vertragsauslegung nicht erlegen gewesen wäre. Es haftet daher dem gegenständlichen Widerruf keine Rechtswidrigkeit an. Aus diesem Grunde war daher der gegenständliche Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Widerrufes abzuweisen.

Wenn hingegen die Antragstellerin geltend macht, dass in der Verständigung über den Widerruf die Gründe nicht angeführt wurden, sondern nur allgemein die gesetzliche Vorschrift zitiert wurde, so ist sie diesbezüglich im Recht, weil nach § 105 Abs.4 BVergG die Bieter unverzüglich unter Bekanntgabe des Grundes vom Widerruf der Ausschreibung zu verständigen sind. Dieser Bestimmung hat die Auftraggeberin nicht entsprochen. Es liegt diesbezüglich eine Gesetzesverletzung und daher eine Rechtswidrigkeit vor.

Gemäß § 14 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz hat der unabhängige Verwaltungssenat nach erfolgtem Widerruf einer Ausschreibung unter den Voraussetzungen des § 13 Abs.1 lediglich festzustellen, ob der behauptete Rechtsverstoß vorliegt oder nicht. Voraussetzungen des § 13 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz sind aber, dass die Entscheidung im Widerspruch zu Bestimmungen des BVergG oder der hiezu erlassenen Verordnungen steht und für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

Im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmungen war daher die Nichtanführung des konkreten zwingenden Widerrufsgrundes zwar eine Rechtswidrigkeit, allerdings hat diese Rechtswidrigkeit keinen Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens, zumal der zwingende Widerrufsgrund, dass bei Kenntnis die Ausschreibung ausgeschlossen wäre, jedenfalls gegeben war.

5.3. Der Antrag auf Aufhebung bzw. Nichtigerklärung des Widerrufes war hingegen als unzulässig zurückzuweisen, weil gemäß § 2 Abs.5 und § 14 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz der Oö. Verwaltungssenat lediglich zur Feststellung der Rechtswidrigkeit zuständig ist. Eine Ermächtigung zur Aufhebung bzw. Nichtigerklärung eines Widerrufes wird im Oö. Vergabenachprüfungsgesetz nicht erteilt.

Wenn sich hingegen die Antragstellerin auf die Rechtsmittelrichtlinie bzw. Gemeinschaftsrecht beruft, so ist ihr entgegenzuhalten, dass Gemeinschaftsrecht und daher im konkreten Fall die Rechtsmittelrichtlinie und die Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie nur für den Oberschwellenbereich herangezogen werden können. Für Aufträge im Unterschwellenbereich, wie es der gegenständliche Auftrag darstellt, kann Gemeinschaftsrecht nicht herangezogen werden. Es kann sich daher die Antragstellerin insbesondere auf die Rechtsmittelrichtlinie und den darin gefassten Grundsatz, dass jede Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers anfechtbar sein muss (vgl. EuGH vom 18.6.2002, RSC-92/00, Hospital Ingenieure), nicht berufen. Vielmehr ist für den Unterschwellenbereich nur der nationale Gesetzgeber verantwortlich, welcher - wie oben ausgeführt - eine Nichtigerklärung des Widerrufes nicht vorgesehen hat. Die von der Antragstellerin zitierte Literatur und Judikatur hingegen bezieht sich auf Auftragsvergaben im Oberschwellenbereich, welche die Beachtung von Gemeinschaftsrecht erfordern. Das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes betrifft darüber hinaus nicht einen zwingenden Widerrufsgrund, sondern den in § 105 Abs.3 BVergG vorgesehenen ex lege Widerruf.

5.4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 36,40 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung:

Unterschwellenbereich, Widerruf, zwingender Grund, kein wichtiger Grund für eine Vertragskündigung, Irrtum

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 26.04.2006, Zl.: 2004/04/0112

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