Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550207/4/Kl/Rd/Pe

Linz, 30.03.2005

 

 

 VwSen-550207/4/Kl/Rd/Pe Linz, am 30. März 2005

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über den Antrag der Dipl.-Ing. H L KG, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G L, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren "Abwasserbeseitigungsanlage Frankenmarkt, BA 09 - Erd-, Baumeister-, Rohrlieferungs- und Rohrlegearbeiten" zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin Marktgemeinde F die Erteilung des Zuschlages bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 24. April 2005, untersagt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 1, 2, 3 und 11 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz, LGBl.Nr. 153/2002.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Eingabe vom 24.3.2005, beim Oö. Verwaltungssenat eingelangt am 25.3.2005, wurde von der Dipl.-Ing. H L KG (im Folgenden Antragstellerin) der Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens und Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, längstens aber für die Dauer von einem Monat nach Antragstellung, zu untersagen, gestellt.

Begründend wurde vorgebracht, dass sich die Antragstellerin mit einem ausschreibungskonformem Angebot vom 18.11.2004 fristgerecht am Vergabeverfahren beteiligt habe. Nach dem Ergebnis der Angebotseröffnung vom 18.11.2004 sei das Angebot der Antragstellerin an preislich erster Stelle gereiht worden, wobei sich aus Ausschreibungs-Abschnitt D-12 lit.h letzter Satz ergibt, dass der Zuschlag auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis erfolge. Aus dem der Antragstellerin übermittelten Auszug aus dem Prüfbericht des Auftraggeber-Prüfingenieurs DI G K vom 21.12.2004 sei entsprechend Prüfbericht-Ziffer 12 zu entnehmen, dass der Auftraggeberin ein auf das Angebot der Antragstellerin vom 18.11.2004 lautender Vergabevorschlag unterbreitet worden sei. Dessen ungeachtet habe sich die Auftraggeberin mit Telefax vom 11.3.2005 entschlossen, das von der Antragstellerin preislich billigste Best-Angebot wegen angeblicher Mängel hinsichtlich nicht-plausibler Zusammenstellung des Gesamtpreises, spekulativer Preisgestaltung und Nichteinhaltung der vereinbarten Grundlagen der Preisermittlung gemäß § 98 Z3 BVergG 2002 auszuscheiden und eine auf die N B-GmbH ausgestellte Zuschlagsentscheidung zu fällen. Diese Zuschlagsentscheidung sei aber ausschreibungs- und vergaberechtswidrig und bilde daher den Gegenstand des vorliegenden Nachprüfungsantrages.

Die Antragstellerin sei daher in ihrem vergabegesetzlichen Recht verletzt, auf der Basis ihres ausschreibungskonformen Angebotes den Zuschlag erteilt zu erhalten, weil sie das preislich billigste Angebot gelegt und dadurch das im Ausschreibungs-Abschnitt D-12 lit.h für die Zuschlagserteilung vorgesehene Angebot mit dem niedrigsten Preis gelegt habe. Die von der Auftraggeberin - entgegen dem Vergabevorschlag seines bestellten Prüfingenieurs - vor Fällung der Zuschlagsentscheidung verfügte Ausscheidung widerspricht den ausgelobten Angebots-Prüfkriterien und sei daher vergaberechtswidrig erfolgt, weshalb auch die Zuschlagsentscheidung vergaberechtswidrig sei. Weiters werde ein Verstoß gegen die aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des § 21 Abs.1 BVergG abgeleitete Begründungspflicht der Auftraggeberin geltend gemacht.

In vergaberechtlicher Hinsicht wurde noch ausgeführt, dass selbst eine bewusste Kalkulation einzelner Angebots-Positionen unter den Selbstkosten noch keinen Grund darstelle, ein Angebot auszuscheiden, weil es eine dem Verbot des Verkaufes unter dem Einstandspreis entsprechende Regelung im Vergaberecht nicht gäbe. Vielmehr könne selbst für den aus bautechnisch-geologischen Gründen stets mit Unabwägbarkeiten verbundenen Tiefbau aus dem Angebot der Antragstellerin ein wesentlicher (Kosten-)Nachteil für die Auftraggeberin nicht erblickt werden, selbst wenn es zu Massenverschiebungen oder sonstigen geringfügigen Änderungen des Bauumfanges kommen sollte. Da sämtliche beanstandeten LV-Postitionen kalkulatorisch und betriebswirtschaftlich nachvollziehbar dargestellt worden seien, seien auch sämtliche Ausschreibungsbedingungen hinsichtlich nachprüfbarer Preisaufgliederungen der Einheitspreise zur Gänze erfüllt worden.

Aus all diesen tatsächlichen und rechtlichen Gründen, die aber wegen der fehlenden Detailbegründung der Auftraggeberin sowohl für die Zuschlagsentscheidung als auch für die Ausscheidung des Angebotes der Antragstellerin noch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben können, erweise sich die verfahrensgegenständliche Zuschlagsentscheidung vom 11.3.2005 zugunsten der N B GesmbH als verfahrenrechtlich und materiellrechtlich unrichtig und verfehlt.

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde noch vorgebracht, dass die Antragstellerin am Nachweis von einschlägigen Ausführungsreferenzen interessiert und mittelfristig auch darauf angewiesen sei, weshalb ein unmittelbares Interesse an einer Zuschlagserteilung, an einem Vertragsabschluss und an der Vertragsdurchführung bestehe. Im Falle der Nichterteilung des Zuschlages drohe ein Gewinnentgang von ca. 69.779,88 Euro, ein frustrierter Planungs- und Angebotsaufwand von ca. 4.200 Euro und ein Referenzverlust. Da die Auftraggeberin die ursprüngliche Zuschlagsfrist von drei Monaten - diese wäre mit 18.2.2005 abgelaufen - bis 30.4.2005 verlängert habe, bestehe daher seitens der Auftraggeberin kein besonderes öffentliches Interesse an einer unverzüglichen Fortführung des Vergabeverfahrens. Im Gegensatz dazu steht die Möglichkeit von nachhaltigen Schädigungen der Interessen der Antragstellerin.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die Marktgemeinde F als Auftraggeberin am Nachprüfungsverfahren beteiligt. In der namens der Marktgemeinde F abgegebenen Stellungnahme des Dipl.-Ing. G K vom 29.3.2005 wurde dargelegt, dass die Auftraggeberin bemüht sei die geltenden Vergabegesetze und vergaberechtlichen Bestimmungen sowie die für die gegenständlichen Bauvorhaben geltenden Förderungsrichtlinien nach dem Umweltförderungsgesetz einzuhalten. Entsprechend den Vertragsbestimmungen des Forderungsvertrages seien beabsichtigte Vergaben der Förderungsstelle beim Amt der Oö. Landesregierung zur Zustimmung vorzulegen. Nachdem die Förderungsstelle des Landes die Zustimmung zur Vergabe an die Firma Dipl.-Ing. L nicht erteilt habe und andererseits einer Vergabe an die Firma N zugestimmt habe, sei die Auftraggeberin veranlasst gewesen, bei sonstigem Verlust der Förderung, den Zuschlag der Firma N zu erteilen. Aufgrund der geringen Unterschiede im Gesamtpreis könne die Auftraggeberin zwar einer Vergabe an den ursprünglich zweitgereihten Bieter zustimmen, jedoch einen Verlust der Förderungsmittel nicht in Kauf nehmen, sodass die Zuschlagsentscheidung entsprechend der Vergabezustimmung der Förderungsstelle getroffen worden sei. Um eine Bauverzögerung in Grenzen zu halten, wurde um ehestmögliche Entscheidung ersucht.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Die Marktgemeinde F ist öffentliche Auftraggeberin iSd § 7 Abs.1 Z1 BVergG bzw des § 1 Abs.2 Z1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz (kurz: Oö. VNPG). Der Auftragswert der gegenständlichen Ausschreibung überschreitet nicht den Schwellenwert von mindestens 5 Mio Euro bei Bauaufträgen iSd § 9 Abs.1 Z3 Bundesvergabegesetz 2002 - BVergG. Die gegenständliche Vergabe unterliegt daher dem OÖ. VNPG; es sind daher die gesetzlichen Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

Gemäß § 2 Oö. VNPG obliegt dem unabhängigen Verwaltungssenat die Nachprüfung von Entscheidungen gemäß § 1 Abs.1 leg.cit. Bis zur Zuschlagserteilung ist der unabhängige Verwaltungssenat zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das Bundesvergabegesetz und die dazu ergangenen Verordnungen zuständig

1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie

2. zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers bzw Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig.

 

3.2. Gemäß § 11 Oö. VNPG hat, sobald das Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung eingeleitet ist, der unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern. Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat der unabhängige Verwaltungssenat die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist von ihrer Erlassung abzusehen. In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche die Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Sie tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch, wenn die einstweilige Verfügung ein Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich betrifft, einen Monat nach Antragstellung oder mit der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft.

 

Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundesvergabegesetzes 1997 führte Bernd Elsner, Vergaberecht, Linde Verlag, auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint.

 

Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabeverfahrens letztlich dienen soll.

In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat aber konkret mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9). Es hat daher die Antragstellerin glaubwürdig und denkmöglich dargelegt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Oö. Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber ein Interesse an der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes, also an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Es ist daher zu berücksichtigen, dass bei rechtmäßiger Ermittlung des günstigsten Angebotes unter Umständen die Auftraggeberin eine Kostenersparnis erwarten würde, die den aus der Verfahrensverzögerung allenfalls auftretenden Kosten entgegenzuhalten ist bzw diese Kosten aufheben würde. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabekontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben kann, liegt in der Natur der Sache. Da kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs. 5 Oö. VNPG.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.6 Oö. VNPG sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

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