Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550215/4/Kl/Rd/Pe

Linz, 23.06.2005

 

 

 VwSen-550215/4/Kl/Rd/Pe Linz, am 23. Juni 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über den Antrag der I Z GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte OEG M, R, S & Partner, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren "Neubau der Wiener Straße B1, Umfahrung Schwanenstadt, km 231,135 - 235,200; Planung und statisch-konstruktive Bearbeitung für den Neubau von 12 Brücken, Baulos Umfahrung Schwanenstadt", zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird stattgegeben und dem Auftraggeber Land Oberösterreich die Angebotsöffnung bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 20. Juli 2005, untersagt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 1, 2, 3 und 11 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz - Oö. VNPG, LGBl. Nr. 153/2002.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Eingabe vom 20.6.2005, beim Oö. Verwaltungssenat persönlich um 15.20 Uhr abgegeben, wurde von der I Z GmbH (im Folgenden Antragstellerin) der Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens und Nichtigerklärung der Ausschreibung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, dem Auftraggeber die Unterlassung der Angebotsöffnung bzw die Fortführung des Vergabeverfahrens bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, längstens aber für die Dauer von einem Monat nach Antragstellung, zu untersagen, gestellt.

Begründend wurde dargelegt, dass die Antragstellerin eine Gesellschaft sei, welche Dienstleistungen im Bereich des Bauingenieurwesens, insbesondere im Brücken- und Straßenbau anbiete und zur Erbringung der Leistungen, die Gegenstand der bekämpften Ausschreibung sind, befugt, leistungsfähig und zuverlässig sei und sich überdies im Falle einer ordnungsgemäßen Ausschreibung am gegenständlichen Vergabeverfahren beteiligen würde.

Aufgrund der rechtswidrigen Entscheidung des Antragsgegners, gegenständliches Vergabeverfahren im offenen Verfahren und unter Anwendung des "Billigstbieterprinzips" durchzuführen, bestehe die Gefahr, dass der Antragstellerin in diesem Vergabeverfahren jede Aussicht auf Teilnahme bzw Zuschlagserteilung genommen werde. Durch die beabsichtigte rechtswidrige Vorgehensweise des Antragsgegners wäre es der Antragstellerin nicht mehr möglich, ein ordnungsgemäßes Angebot zu unterbreiten und den gegenständlichen Auftrag zu erhalten und würde dieser dadurch ein erheblicher Schaden erwachsen.

Zur Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens wurde ausgeführt, dass der Auftraggeber mit Telefax vom 20.6.2005 nachweislich von der bevorstehenden Einleitung des Nachprüfungsverfahrens verständigt worden sei. Der gegenständliche Antrag sei jedenfalls als rechtzeitig anzusehen, zumal dieser bei Bekämpfung der Ausschreibung im Unterschwellenbereich spätestens 10 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist einzubringen sei. Gegenständlich laufe die Angebotsfrist am 1.7.2005 ab. Die Zuschlagserteilung sei noch nicht erfolgt; auch sei die Pauschalgebühr entrichtet worden.

 

Bezüglich der Rechtswidrigkeit des offenen Verfahrens wird von der Antragstellerin vorgebracht, dass im Zuge des zu vergebenden Projektes auf Grundlage der der Ausschreibung angeschlossenen Brücken-Vorentwürfe eine Ausschreibungsplanung, sohin generelle Entwürfe und letztlich auch die Ausführungsplanung (= Detailentwürfe) erbrachten werden sollen.

Bei der Erstellung der generellen Entwürfe und der Detailentwürfe für 12 Brücken handle es sich um Dienstleistungen geistig schöpferischer Art, welche zwingend im Wege des Verhandlungsverfahrens zu vergeben seien. Um die einzelnen Begriffe unterscheiden zu können, könne auf die Definitionen in der Honorarordnung für die Planung und statisch-konstruktive Bearbeitung von Brückenbauten und Überbauungen, Stand 1.5.2002, Aufgabenbeschreibung, S. 36ff, verwiesen werden, die in der Aufgabenbeschreibung der Ausschreibung angeführt und damit Bestandteil der Ausschreibung sind.

"Der Vorentwurf gemäß § 7 (5) a1 gibt Aufschluss über die Funktion des Bauwerkes, die Anlageverhältnisse und die Einfügung in die Gesamtplanung ...

.... Wegen des Fehlens wesentlicher Bauwerksabmessungen können eine Massenermittlung gemäß § 7 (6) c, ein Leistungsverzeichnis gemäß § 7 d1 und Ausschreibungsunterlagen gemäß § 7 (7) d2 nicht erstellt werden ..."

"... Der Generelle Entwurf § 7 (5) a2 ist so zu erstellen, dass er als Grundlage der Ausschreibung - jedoch nicht der Bauausführung - dienen kann. Der Vorentwurf ist daher um ausschreibungsrelevante Angaben und konstruktive Details sowie die statischen Vorbemessungen zu erweitern ..."

"... Der Detailentwurf gemäß § 7 (5) b umfasst alle statischen Berechnungen und Pläne für Bau- und Endzustand der Konstruktion ..."

Wie aus den oa Definitionen deutlich hervorgehe, sei das Maß der Konkretisierung der Planung vom Vorentwurf bis zum Detailentwurf ein überaus erheblicher Schritt.

Dies werde auch durch die sogen. Teilleistungsfaktoren der HOB-B verdeutlicht, die linear in die Berechnung des Honorars einfließen. Demnach gebühre für die gemeinsame Projektierung des generellen Entwurfes (inkl. Massenermittlung und LV) und des Detailentwurfes ein Teilleistungsfaktor von gesamt t=1,14, hingegen für den Vorentwurf alleine nur t=0,15, also nur etwas mehr als 10 Prozent von generellem Entwurf und Detailentwurf.

 

Die Erstellung von generellen Entwürfen und Detailentwürfen aus vorhandenen Vorentwürfen sei folgerichtig der Hauptanteil der statisch-konstruktiven Brückenplanung. Dabei komme es regelmäßig zu mittleren bis größeren Abweichungen gegenüber dem Vorentwurf.

Aufbauend auf dem Vorentwurf müssten die statischen Systeme, Abmessungen, Herstellungsmethoden und für die Herstellungskosten relevanten Details erst durch Variantenuntersuchungen, Berechnung und iterativer Planungsschritte verbindlich festgelegt werden. All diese Punkte seien entscheidend für die Höhe der Herstellungskosten der Brückenobjekte. Darüber hinaus würden sie wesentlich die Funktionalität und Dauerhaftigkeit der Brückenobjekte (und somit auch Folgekosten) bestimmen.

 

Alle für die Bauausschreibung relevanten Details müssten im Zuge des generellen Entwurfes eindeutig abgestimmt und festgelegt werden. Fehler oder ungenügende Planungstiefen im generellen Entwurf würden zwingend zu schlechteren Bauausschreibungen und letztlich zu Mehrkosten führen.

Mit Vorstehendem werde klar, dass es sich bei der Erstellung von generellen Entwürfen und von Detailentwürfen keinesfalls um standardisierte Verfahren handle. Vielmehr sei in integrierender und iterativer Weise aus einer unbegrenzten Anzahl von Lösungsansätzen die optimale Variante im Sinne einer Optimierungsausgabe herauszubilden. Dabei beeinflussen sich im Zuge des Projektes vorhandene und neu auftauchende Randbedingungen und die eingeschlagenen Lösungsansätze gegenseitig. Deshalb führe die ausgeschriebene Dienstleistung auch nicht zwingend zum gleichen Ergebnis.

 

Zweifelsohne würden sich jedoch "gelungene" und "weniger gelungene" Lösungsansätze erheblich in ihren Auswirkungen nicht nur hinsichtlich der Herstellungs- und Errichtungskosten sondern auch durch qualitativ bessere Konstruktionen im Hinblick auf Erhaltungskosten und Lebensdauer der Brücken unterscheiden.

 

Da es sich jedoch bei der ausgeschriebenen Leistung einerseits um kein standardisiertes Verfahren handelt und andererseits auch das angestrebte Ergebnis nicht hinreichend genau beschrieben werden könne, verstoße die beabsichtigte Vergabe im Wege des offenen Verfahrens unter Zugrundelegung des Billigstbieter-Prinzips gravierend gegen methodische und rechtliche Grundsätze.

 

Die Rechtswidrigkeit des Billigstbieterprinzips begründet die Antragstellerin damit, dass mit dem Bundesvergabegesetz 2002 die exklusive Geltung des Bestbieterprinzips für öffentliche Auftraggeber unter bestimmten Bedingungen aufgehoben wurde. Der Auftraggeber habe jedoch in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen festzulegen, ob der Zuschlag dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot oder dem Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt werden soll.

In den Angebotsunterlagen sei unter Pkt 2.4 ausdrücklich festgehalten, dass der Zuschlag dem Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt werde. Im Angebotspunkt 2.5. werde ausdrücklich nochmals auf die Vergabe nach dem Billigstbieterprinzip verwiesen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung sei die Anwendung des Billigstbieterprinzips nur dann zulässig, wenn in den Ausschreibungsunterlagen der Qualitätsstandard der Leistung klar und eindeutig definiert ist, sodass durch die Festlegungen in der Ausschreibung qualitativ gleichwertige Angebote sicher gestellt werden. Dies sei aber bei der gegenständlichen Ausschreibung für Planungsleistungen nicht möglich. Es könne erst im Nachhinein tatsächlich die "billigste" Leistung beurteilt werden, welche auch die beste sein muss.

 

Je nach Planung sind Schwankungen bei den Herstellungskosten von zumindest 20 bis 30 % möglich, sodass sich demzufolge bei grob geschätzten Errichtungskosten von rund 2 Mio Euro eine Schwankungsbreite von 600.000 Euro ergebe.

Dem gegenüber stehe ein geschätztes Honorar nach den geltenden Abrechnungsbestimmungen von ca. 170.000 Euro. Unterstelle man, dass der durch das gewählte Vergabeverfahren ausgelöste Preisdruck einzelne Bieter zu nicht kostendeckenden Dumpingpreisen verleite, zB 50 % der Honorarordnung - so ergäben sich maximale "Einsparungen" von 85.000 Euro. Dem würden jedoch die vorstehend ausgewiesenen, um ein vielfaches höheren möglichen Mehrkosten (zumindest 600.000 Euro) gegenüberstehen.

Die gegenständliche Angelegenheit sei daher für eine Ausschreibung im offenen Verfahren bzw im Billigstbieterprinzip nicht zugänglich.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bringt die Antragstellerin vor, dass auf die Ausführungen zur Begründung des Nachprüfungsantrages verwiesen werde. Es sei darauf Bedacht zu nehmen, dass die Antragstellerin im Falle des Zutreffens der oa Behauptungen bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens für den Zuschlag in Betracht kommen würde und sohin der Entgang des Auftrages der Antragstellerin durch die behauptete Rechtswidrigkeit drohe. Dieser Schaden könne nur durch die vorläufige Untersagung der Fortführung des Vergabeverfahrens zumindest aber durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden könne, da der möglicherweise bestehende Anspruch auf Zuschlagserteilung nur wirksam gesichert werden könne, wenn das Verfahren in der Hauptsache in einem Stand gehalten werde, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermögliche.

Zudem werde darauf hingewiesen, dass durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung keinerlei öffentliche Interessen des gegenständlichen Vergabeverfahrens oder des Auftraggebers wesentlich beeinträchtigt oder gar verletzt werden würden. Geringe zeitliche Verzögerungen bei der Bauausführung würden in der Natur der Sache liegen und begründe dies kein überwiegendes öffentliches Interesse.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat das Land Oberösterreich als Auftraggeber am Nachprüfungsverfahren beteiligt. In der am 22.6.2005 datierten, beim Oö. Verwaltungssenat am 23.6.2005 eingelangten Stellungnahme, beantragt der Auftraggeber ua die Zurückweisung in eventu die Abweisung des Antrages der Antragstellerin auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Begründend wird darin vorgebracht, dass der Antrag auf Nachprüfung nicht den Bestimmungen des § 6 Oö. VNPG entsprechen würde und dies der Zulässigkeit des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entgegenstehen würde.

Zu den im Rahmen der einstweiligen Verfügung beantragten Maßnahmen wurde festgestellt, dass die gelindeste Maßnahme zu wählen sei. Ein bloßes Verbot der Zuschlagserteilung würde im Vergleich zu einer Aussetzung des Verfahrens (wie von der Antragstellerin unter lit.a beantragt) und zu einem Verbot der Angebotsöffnung (lit.b des Antrages der Antragstellerin) das gelindere Mittel darstellen und ausreichen, um ein allfälliges berechtigtes Interesse der Antragstellerin zu wahren, dass im Fall des Obsiegens im gegenständlichen Vergabeverfahren ihre Teilnahme gewahrt wäre. Sollte die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag durchdringen, müsse dies zwingend zum Widerruf des Verfahrens führen, sodass sich die Antragstellerin dann ohnehin in einem nachfolgend neu ausgeschriebenen Verfahren beteiligen könne.

Überdies würden bei Stattgebung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung die Interessen des Auftraggebers wesentlich beeinträchtigt werden, zumal der in der Ausschreibungsunterlage vorgesehene Zeitplan (insbesondere konzeptiver Entwurf bis 30.9.2005) durch die einmonatige Verzögerung kaum eingehalten werden könne.

Die Voraussetzungen für die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung liegen somit nicht vor. Selbst wenn man das auf den Sachverhalt bezogene Vorbringen der Antragstellerin zugrundelegt, vermag dies die Erlassung der einstweiligen Verfügung nicht zu rechtfertigen.

 

3. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Das Land Oberösterreich ist öffentlicher Auftraggeber iSd § 1 Abs.2 Oö. VNPG. Der Auftragswert der gegenständlichen Ausschreibung überschreitet nicht den Schwellenwert von mindestens 236.000 Euro bei Dienstleistungsaufträgen iSd § 9 Abs.1 Z5 Bundesvergabegesetz - BVergG. Die gegenständliche Vergabe unterliegt daher dem Oö. VNPG; es sind daher die gesetzlichen Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

 

Gemäß § 2 Oö. VNPG obliegt dem unabhängigen Verwaltungssenat die Nachprüfung von Entscheidungen gemäß § 1 Abs.1 leg.cit. Bis zur Zuschlagserteilung ist der unabhängige Verwaltungssenat zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das Bundesvergabegesetz und die dazu ergangenen Verordnungen zuständig

  1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie
  2. zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers bzw Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und in Zusammenschau aller Angaben gerade noch ausreichend und zulässig. Zum Vorbringen des Auftraggebers betreffend Koppelung an die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens wird auf die Urteile des EuGH in Rs C-236/95 Kommission/Griechenland und Rs C-214/00 Kommission/Spanien hingewiesen.

 

3.2. Gemäß § 11 Oö. VNPG hat, sobald das Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung eingeleitet ist, der unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern. Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat der unabhängige Verwaltungssenat die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist von ihrer Erlassung abzusehen. In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche die Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Sie tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch, wenn die einstweilige Verfügung ein Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich betrifft, einen Monat nach Antragstellung oder mit der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft.

 

Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundesvergabegesetzes 1997 führte Bernd Elsner, Vergaberecht, Linde Verlag, auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint.

 

Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabeverfahrens letztlich dienen soll.

In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft den Auftraggeber im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Der Auftraggeber hat aber konkret mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen der vorläufigen Untersagung der Angebotsöffnung nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9). Es hat daher die Antragstellerin glaubwürdig und denkmöglich dargelegt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit eine Angebotslegung unmöglich wäre und daher der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Angebotsöffnung abgewendet werden kann. Eine Fortsetzung des Vergabeverfahrens insbesondere durch Angebotsöffnung würde hingegen nicht nur der Antragstellerin, sondern auch allen übrigen Bewerbern/Bewerberinnen irreversible Nachteile bringen, insbesondere bei der beantragten Nichtigerklärung, die - wie der Auftraggeber schlüssig ausführt - zwangsläufig zum Widerruf und zur Neuausschreibung des Vergabeverfahrens führen muss. Durch die Offenlegung wären erhebliche Nachteile für sämtliche teilnehmende Bewerber/Bewerberinnen im neuen Vergabeverfahren verbunden. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch den Auftraggeber vorgebracht worden noch dem Oö. Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber ein Interesse an der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes, also an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Es ist daher zu berücksichtigen, dass bei rechtmäßiger Ermittlung des günstigsten Angebotes unter Umständen den Auftraggeber eine Kostenersparnis erwarten würde, die den aus der Verfahrensverzögerung allenfalls auftretenden Kosten entgegenzuhalten ist bzw diese Kosten aufheben würde. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabekontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben kann, liegt in der Natur der Sache. Da kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einer möglichst raschen Fortführung des Vergabeverfahrens geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

In Anbetracht der von der Antragstellerin vorgebrachten Argumente und des Umstandes, dass der Auftraggeber keinerlei mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohenden markanten Nachteile dargelegt hat, ist von einem Überwiegen der nachteiligen Folgen des Unterbleibens einer einstweiligen Verfügung für die Antragstellerin auszugehen.

Dem Antrag der Antragstellerin, welche die Untersagung an der Fortführung des Vergabeverfahrens begehrte, war nicht stattzugeben, zumal das dadurch resultierende vorübergehende Verbot der Entgegennahme weiterer Angebote durch den Auftraggeber als überschießend anzusehen war. Durch die Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Angebotsöffnung bleiben die Rechte der Antragstellerin sowie aller weiteren Bewerber und Bewerberinnen ausreichend gewahrt.

Die Dauer der Untersagung der Angebotsöffnung ergibt sich aus § 11 Abs. 5 Oö. VNPG.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.6 Oö. VNPG sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Klempt

 
 

Beschlagwortung:

Untersagung der Angebotsöffnung, Nachteile der Bewerber, kein vordringliches öffentliches Interesse bei Brückenbau

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