Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-560066/13/WEI/An

Linz, 04.11.2004

 

 

 VwSen-560066/13/WEI/An Linz, am 4. November 2004

DVR.0690392
 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der G W, geb., W, L, vertreten durch Dr. G S, Rechtsanwalt in L, M, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 7. Juli 2003, Zl. SH 10-11.316-W, betreffend die Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen gemäß § 28 Abs 2 Oö. Sozialhilfegesetz 1998 - Oö. SHG 1998 (LGBl Nr. 82/1998 idF LGBl Nr. 68/2002) zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm §§ 28 und 66 Abs 3 Oö. SHG 1998.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. Juli 2003, Zl. SH 10-11.316-W, hat die belangte Behörde wie folgt über die Berufungswerberin (Bwin) abgesprochen:

 

"Frau G W wird verpflichtet, die auf Grund des O.ö. Sozialhilfegesetzes 1998 idgF empfangenen Leistungen (Hilfe zum Lebensunterhalt) für den Zeitraum von 1.10.1999 - 31.1.2003 in der Höhe von 16.187,15 Euro binnen 2 Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides an den Sozialhilfeverband Linz-Land, Kärntnerstr. 16, 4021 Linz, rückzuerstatten.

 

Rechtsgrundlagen: §§ 6-10, 16 iVm § 28 O.ö. Sozialhilfegesetz 1998, LGBl. Nr. 82/1998 i.d.F. 68/2002"

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der der Bwin zu Händen ihres Rechtsvertreters am 9. Juli 2003 zugestellt wurde, richtet sich die offenbar rechtzeitige Berufung vom 23. Juli 2003, die am 24. Juli 2003 bei der belangten Behörde einlangte. Auch wenn am Kuvert mit Einschreibeetikett ein Postaufgabestempel fehlt, musste die Postaufgabe spätestens am 23. Juli 2003 und damit rechtzeitig erfolgt sein.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende S a c h v e r h a l t :

 

2.1. Am 7. Oktober 1999 hat die Bwin für sich und ihren Gatten im Wege des Stadtamtes L einen Antrag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes durch eine Überbrückungshilfe mit der Begründung gestellt, dass sie Hausfrau und ihr Ehegatte durch eine Stichverletzung zum Pflegefall geworden wäre und diverse Unterlagen zur Bescheinigung der Notlage vorgelegt. Mit Bescheid vom 12. Oktober 1999 gewährte die belangte Behörde der Bwin und ihrem Gatten einmalig für Oktober 1999 eine Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 759,43 Euro.

 

2.2. Am 26. März 2001 beantragte die mittlerweile geschiedene Bwin im Wege des Stadtamtes L Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes durch eine laufende finanzielle Unterstützung und legte eine Bestätigung des AMS L vom 19. März 2001 vor, dass sie als arbeitssuchend vorgemerkt sei. Weiter legte sie Urkunden über eine offene Kreditschuld von ATS 380.000,-- bei der B, über ihren Wohnungsaufwand (Mietvorschreibung der G ATS 5.017,99) und einen Kontoauszug vom 19. März 2001 der B mit Minussaldo ATS 36.557,71 vor. Über Aufforderung der belangten Behörde übermittelte die Bwin auch Kopien des Scheidungsbeschlusses gemäß § 55a EheG (Scheidung im Einvernehmen) vom 7. März 2001, 1 C 3/01h, und des dazugehörigen Protokolls im Scheidungsverfahren des Bezirksgerichts L mit dem Scheidungsvergleich, aus dem ein wechselseitiger Unterhaltsverzicht hervorgeht.

 

2.3. Folgende Fakten sind aktenkundig :

 

Aus dem Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung ist ersichtlich, dass die Bwin seit dem Jahr 1994 nicht mehr in ihrem erlernten Beruf als D tätig war.

 

Dem eingeholten Gutachten des Amtsarztes Dr. D vom 11. Mai 2001 ist zu entnehmen, dass die Bwin wegen Psoriasis (Schuppenflechte) dauernd nur eingeschränkt arbeitsfähig sei. Der Amtsarzt hielt sie für folgende Arbeiten einsatzfähig:

 

"Tätigkeiten im Bürobereich erscheinen aus medizinischer Sicht gut möglich. Alle Tätigkeiten mit Nassbelastung, bei denen Putz-, Reinigungs- und Desinfektionsmittel verwendet werden müssen, sind sehr problematisch, es ist auch nicht möglich auf längere Zeit Handschuhe zu tragen. Auch extreme Staubbelastung sollte vermieden werden."

 

Die belangte Behörde hat beim AMS L erhoben (Aktenvermerk vom 16. Mai 2001), dass die Bwin nur am 19. März 2001 vorgesprochen und drei konkrete Stellenzuweisungen erhalten habe. Was dabei herauskam, wusste man beim AMS nicht. Die Bwin wurde aus der Vermittlung vorläufig herausgenommen, weil sie das Mindesterfordernis der monatlichen Meldung nicht einhielt. Über gesundheitliche Einschränkungen hatte man beim AMS keinen Vermerk. Die Bwin hätte geäußert, dass sie einen Bürojob haben möchte, was aber nicht sehr realistisch gewesen wäre, da sie seit 1994 nicht mehr gearbeitet hätte und auch die Dienstverhältnisse vorher nur von kurzer Dauer gewesen wären. Auf dem Gebiet der EDV hätte sich immens viel geändert. Die Bwin solle sich wieder bei ihrem Betreuer im AMS melden.

 

2.4. Am 29. Mai 2001 wurde die Bwin von der belangten Behörde niederschriftlich zum Ergebnis des Beweisverfahrens einvernommen. Die Bwin hatte ihre Schuppenflechte beim Arbeitsamt nicht angegeben. Die Stellenzuweisungen hätte sie erledigt, wäre aber wegen ihrer Schuppenflechte nicht genommen worden. Ein zugewiesener Halbtagsjob hätte ihr finanziell nicht geholfen. Die Bwin gab zu, dass sie seit 19. März 2001 nicht mehr beim AMS L gewesen war. Sie wäre auf der Suche nach einem Bürojob. Das AMS hätte ihr kein Kursangebot unterbreitet. Die Mutter hätte ihr einen zweiwöchigen Aufenthalt am Meer spendiert, da sie die Schuppenflechte auch stark im Gesicht gehabt hätte.

 

Die Bwin wurde belehrt, dass sie sich um eine Arbeit oder einen Kurs zu bemühen hätte. Sollte sie sich unzureichend um Arbeit bemühen oder vereinbarte Gesprächstermine nicht einhalten, hätte die Bwin mit einer Kürzung oder Einstellung der Sozialhilfe zu rechnen. Eine Änderung der persönlichen Verhältnisse müsste sie binnen zwei Wochen melden.

 

Mit Bescheid vom 30. Mai 2001, Zl. SVH10-11.316-2001-Aig/Mü, hat die belangte Behörde der Bwin Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe einer monatlichen Geldleistung von 573,39 Euro für April und Mai 2001 sowie für das 2. Quartal 2001 die Übernahme der Arzt- und Medikamentekosten aus den Mitteln der Sozialhilfe gewährt.

 

Am 11. Juni 2001 beantragte die Bwin unter Hinweis auf ihre Bemühungen und eine Bewerbung bei der Spedition T die Weitergewährung der Sozialhilfe. Daraufhin gewährte die belangte Behörde mit Bescheid vom 12. Juni 2001 abermals Sozialhilfe in Höhe von 573,39 Euro für Juni 2001.

 

2.5. Eine Firma H bestätigte mit Schreiben vom 20. Juni 2001, dass die Bwin mangels ausreichender Computer-Kenntnisse nicht eingestellt werden konnte. Dem aktenkundigen Schreiben der Spedition T vom 21. Juni 2001 ist zu entnehmen, dass die ausgeschriebene Stelle anderweitig besetzt wurde.

 

Mit Bescheid vom 13. Juli 2001 gewährte die belangte Behörde der Bwin einen weiteren monatlichen Betrag in Höhe von 573,39 Euro für Juli und August 2001 und die Übernahme der Arzt- und Medikamentekosten für das 3. Quartal 2001 aus Mitteln der Sozialhilfe.

 

Mit Bescheid vom 20. September 2001 wurden monatliche Geldleistungen von 573,39 Euro für September und Oktober 2001 gewährt. Die Bwin übersendete dann mit Schreiben vom 25. September 2001 eine Mitteilung des AMS L über den Leistungsanspruch betreffend eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes während eines Kurses ab 17. September 2001. Die belangte Behörde erließ daraufhin den Bescheid vom 24. Oktober 2001, mit dem für die Monate Oktober bis Dezember 2001 eine geänderte monatliche Sozialhilfe in Höhe von 221,94 Euro festgelegt wurde.

 

2.6. Am 15. Jänner 2002 beantragte die Bwin niederschriftlich Hilfe zum Lebensunterhalt ab 1. Jänner 2002 bis 30. April 2002 und eine einmalige Beihilfe für Verfliesung der neuen Wohnung. Dafür wurde eine Beihilfe von 208,60 Euro sofort ausbezahlt. Die Bwin brachte vor, dass sie nach Absolvierung des Kurses LINK 1 beim BFI (17.09. bis 14.12.2001) ab 1. April eine Stellenzusage hätte und im Büro arbeiten könne.

 

Mit Bescheid vom 16. Jänner 2002 wurde der Bwin Hilfe zum Lebensunterhalt von monatlich 590 Euro für Jänner bis April 2002 und eine Sonderzahlung von 838,25 Euro sowie die Übernahme der Arzt und Medikamentekosten für das 1. Quartal 2002 gewährt.

 

Am 23. März 2002 wurde die Bwin vom AKH Linz, Ambulanz für Augenheilkunde, krank gemeldet. Die Bwin legte am 29. April 2002 ein Bestätigungsschreiben über den Heilungsverlauf vor. Mit Schreiben des AKH vom 25. April 2002 (OA Dr. R) wurde bestätigt, dass die Bwin wegen einer Kontaktlinsenkeratitis des rechten Auges in ambulanter Behandlung war. Es bestünde noch eine ausgeprägte "Sicca" Symptomatik mit Augenbrennen, Lichtscheue und vermehrtem Tränenfluss. Eine Behandlung mit Tränenersatzmitteln wäre noch einige Wochen erforderlich. Nach Abklingen der Beschwerden müsste eine neue Sehbrille verordnet werden und bis dahin wäre Schonung empfohlen.

 

Mit Bescheid vom 2. Mai 2002 bewilligte die belangte Behörde der Bwin Hilfe zum Lebensunterhalt für den Zeitraum Mai bis Juli 2002 in Höhe von monatlich 590 Euro und eine Sonderzahlung von 838,25 Euro.

 

Am 30. Juli 2002 beantragte die Bwin niederschriftlich die Weitergewährung der laufenden Sozialhilfe ab August 2002 und die Ausstellung eines Krankenscheines für das 3. Quartal. Sie brachte vor, dass sich ihre gesundheitlichen Probleme soweit gebessert hätten, dass sie sich wieder beim AMS als arbeitssuchend meldete. Man hätte aber keine Stellenzuweisungen für sie gehabt.

 

Mit Bescheid vom 31. Juli 2002 gewährte die belangte Behörde der Bwin für den Zeitraum August bis Oktober 2002 Sozialhilfe von monatlich 590 Euro und eine Sonderzahlung von 838,25 Euro sowie die Übernahme der Arzt- und Medikamentekosten für das 3. Quartal 2002.

 

Danach ist eine die Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 26. August 2002 des Allgemeinmediziners Dr. P aktenkundig. Nach Anzeige des Allgem. öffentlichen Krankenhauses der E vom 30. August 2002 wurde die Bwin wegen Rauchgasvergiftung am 21. August 2002 in der Abteilung 2A/Pneumo stationär aufgenommen und am 23. August 2002 mit der Diagnose Harnwegsinfektion entlassen.

 

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. September 2002 wurde der Bwin die Übernahme der Verpflegskosten für den stationären Aufenthalt im Allgem. öffentlichen Krankenhaus der E in L vom 21. bis 23. August 2002 (Fall-Zahl: 2002703575) in der Höhe von 1.080 Euro aus Mitteln der Oö. Sozialhilfe gewährt (Rechnung vom 18.09.2002).

 

Am 28. Oktober 2002 sprach die Bwin abermals vor und beantragte niederschriftlich die Weitergewährung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt. Sie wäre nach wie vor vergeblich auf Arbeitssuche und suche auch über das Internet. Eine Bestätigung der Fa. p., dass die Bwin am 9. Oktober 2002 vorstellen gewesen, die Stelle anderweitig besetzt worden wäre, ist aktenkundig.

 

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. Oktober 2002 wurde der Bwin Hilfe zum Lebensunterhalt für die Monate November und Dezember 2002 in Höhe von monatlich 590 Euro und eine Sonderzahlung von 838,25 Euro und die Übernahme der Arzt- und Medikamentekosten im 4. Quartal 2002 gewährt.

 

2.7. Herr A von der belangten Behörde hat am 30. Dezember 2002 mit einem A G von G, der aus eigenem zur Behörde gekommen war, ein Gespräch über die Bwin geführt und darüber nach zunächst nur handschriftlichen Aufzeichnungen am 25. März 2003 einen Aktenvermerk angelegt. Nach diesem Aktenvermerk berichtete Herr G, dass er die Bwin von einer Vorsprache in seiner Firma in H kenne, weil sie sich um einen Job beworben hätte. Zur Einstellung sei es wegen mangelnder Qualifikation aber nicht gekommen. Die Bwin habe ihm Geschäftspapier und Firmenstempel entwendet und sich mit diesen Unterlagen Kreditkarten auf den Firmennamen ausstellen lassen und sei um die halbe Welt gereist. Als die ersten Rechnungen eintrafen, habe er dies bemerkt. Die Bwin wäre auch mehrfach bei seinen Geschäftspartnern in Ä gewesen und hätte sich dort als Managerin seiner Firma in gehobenen Kreisen "eingeschleimt".

 

Die Schuppenflechte der Bwin, die sich mit Reinigungsmitteln Hautverletzungen selbst zufügte, wäre eine reine Erfindung. Auch ihre Wohnung in der H hätte sie selbst in Brand gesteckt, um vor dem Auszug die Versicherung zu kassieren. Im Bordell "C D" arbeitete sie als Prostituierte. Das wüsste er von einem Geschäftspartner.

 

G behauptete, dass ihm die Bwin große finanzielle und geschäftliche Verluste zugefügt hätte. Er erklärte, dass er deswegen sie "hängen" sehen wollte. Mitte Jänner 2003 erschien G abermals und berichtete, dass sich die Bwin abermals in Ä aufhalte. Eine Herrn G begleitende Frau R S erklärte eine Privatklage gegen die Bwin eingebracht zu haben. G behauptete weiter, dass ihm die Bwin, wie er erst vor kurzem erfahren habe, ein Konto bei der A geplündert hätte.

 

2.8. Zur Überprüfung der Anschuldigungen des Informanten G veranlasste die belangte Behörde die Bwin, ihren Pass vorzulegen. Der gesamte Pass wurde kopiert und die Sichtvermerke von einem Dolmetscher für die arabischer Sprache übersetzt. Dabei stellte sich heraus, dass die Bwin seit 1999 insgesamt 22 Mal in Ä (Einreise über Flughafen H) war, wobei die Aufenthalte manchmal auch mehrere Wochen dauerten.

 

Mit Schreiben vom 7. April 2003 hielt die belangte Behörde der Bwin vor, dass sie seit dem erstmaligen Bezug der Sozialhilfe im Oktober 1999 22 Mal in Ä war (Aufenthalte zwischen ein und sechs Wochen) und dort schon damals einen Lebensgefährten gehabt hätte. Bereits am 8. Oktober 1999 reiste die Bwin in Ä ein, obwohl ihr Gatte laut Antragstellung vom 7. Oktober 1999 nach einer Stichverletzung ein Pflegefall und angeblich kein Einkommen vorhanden gewesen wäre. Im April 2001 wäre mit der Bwin vereinbart worden, dass sie sich regelmäßig beim AMS L wegen Vermittlung einer Arbeit melden hätte müssen. Eine Anfrage hätte ergeben, dass sich die Bwin nicht regelmäßig meldete. Nach dem 27. August 2001 hätte sie sich erst wieder am 30. Juli 2002 gemeldet. Bei einem vom AMS vermittelten Kurs (Dauer vom 17.09. bis 16.12.2001) habe sie sich zunächst ab 1. Oktober 2001 krank gemeldet und bis 19. Oktober 2001 Krankengeld bezogen und danach sei sie vom 1. bis 4. November 2001 unentschuldigt ferngeblieben und habe den Kurs schließlich am 12. November 2001 abgebrochen. Aus den Reisepassdaten sei ersichtlich, dass die Bwin am 1. oder 3. Oktober 2001 über H einreiste, am 16. Oktober 2001 ausreiste und am 26. November 2001 wieder einreiste. Weiters habe die Bwin im Juli 2001 eine Bewerbungsbestätigung der F (Hauptsitz in L und Büro in L, J) vorgelegt, die trotz intensiver Recherchen nicht ausfindig gemacht hätte werden können.

 

Die belangte Behörde wies auf Bestimmungen des Oö. SHG 1998 hin, wonach sich die hilfebedürftige Person um Überwindung der sozialen Notlage bemühen und ihre Arbeitskraft in zumutbarer Weise einzusetzen habe. Im Hinblick auf § 28 Oö. SHG 1998, wonach wegen bewusst unwahrer Angaben oder bewusster Verschweigung wesentlicher Tatsachen zu Unrecht erlangte soziale Hilfe zurückzuerstatten oder angemessen Ersatz zu leisten sei, beabsichtigte die belangte Behörde die von der Bwin empfangenen Leistungen zurückzufordern.

 

Mit Eingabe vom 25. April 2003 ersuchte der Rechtsvertreter der Bwin um Akteneinsicht und kündigte danach eine umfassende Stellungnahme an. Er wies vorweg darauf hin, dass alle Voraussetzungen für eine Notstandshilfe vorlägen und dass die Bwin niemals bewusst unwahre Angaben gemacht hätte oder etwas verschwiegen hätte, was die Rückerstattung der Notstandshilfe rechtfertige. Einen Ladungstermin vom 27. Mai 2003 nahm der Rechtsvertreter im Hinblick auf ein Strafverfahren nicht wahr. Mit Eingabe vom 3. Juni 2003 hat der Rechtsvertreter der Berufungswerberin daraufhin mitgeteilt, dass beim Landesgericht L auf Grund einer Strafanzeige der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zur Zahl 18 Ur 133/03 eine Voruntersuchung eingeleitet wurde. Weiter wurde vorgebracht, dass dieses Strafverfahren gegen die Bwin für das gegenständliche Sozialhilfeverfahren wegen Rückforderung von Leistungen präjudiziell wäre, und eine Unterbrechung des erstinstanzlichen Verfahrens beantragt.

 

Die Bezirkshauptmannschaft hat in der Folge den angefochtenen Bescheid vom 7. Juli 2003 betreffend Rückerstattung der im Zeitraum Oktober 1999 bis Jänner 2003 gewährten Sozialhilfeleistungen erlassen.

 

2.9. In der Berufung bestreitet die Bwin zwar nicht die 22 Ä, bekämpft aber die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, dass sie dort jemals einen Lebensgefährten gehabt hätte. Diese Feststellung sei bei Würdigung aller Beweise unhaltbar. Die Bwin sei schon in den Jahren 1997 und 1998 wegen ihrer Schuppenflechte nach Ä gefahren, weil ein Aufenthalt am T (gemeint wohl R) für ihre Krankheit sehr heilsam wäre. Die Ehe der Bwin sei zu dieser Zeit durchaus noch harmonisch gewesen. Im Jänner 1999 habe die Bwin einen Ä kennen gelernt, der sie verehrte und immer wieder einladen wollte. Dieser Einladung wäre sie erstmals im April 1999 nachgekommen, als sich ihre Ehe massiv verschlechtert und sie ihrem Gatten nahegelegt hätte auszuziehen. Im September 1999 wäre er durch eine Stichverletzung zum Sozialfall geworden. Die Bwin beantragte für ihn und für sich einmalig Sozialhilfe. Diese wäre auf das Konto ihres Gatten überweisen und ausschließlich von diesem verbraucht worden. Im März 2001 wurde die Ehe mit Hermann W, der zwischenzeitlich ins Suchtgiftmilieu abgerutscht wäre, geschieden. Da kein Unterhalt von ihm zu erlangen gewesen wäre und die Bwin auch keinen Bürojob erhielt, beantragte sie mangels Einkommens im April 2001 Sozialhilfe. Die Reisen in den ä Raum hätte ihr Bekannter in Ä bezahlt, mit dem sie nur eine Freundschaft verbunden hätte. Niemals wäre die Bwin mit ihm eine Lebensgemeinschaft eingegangen. Die Bwin hätte sich auch immer wieder beim AMS gemeldet und gerne Büroarbeiten verrichtet. Eine entsprechende Stelle wäre ihr nicht angeboten worden.

 

Zum Informanten A G kritisiert die Bwin, dass dieser nicht einmal zeugenschaftlich einvernommen wurde und es die belangte Behörde auch verabsäumt hätte, dessen richtigen Namen und eine ladungsfähige Anschrift zu erheben. Der vorgewiesene Pass wäre offensichtlich falsch gewesen. Bei dieser Person handelte es sich erwiesenermaßen um einen Hochstapler, der in D in eine Vielzahl von Strafverfahren verwickelt wäre. Seine Angaben entsprechen in keiner Weise den Tatsachen und man müsste ihm jegliche Glaubwürdigkeit absprechen. Die Anschuldigungen gegen die Bwin wären frei erfunden und auf private Rache zurückzuführen. Die Bwin habe sich bei der Firma A in H beworben, als deren Chef sich Herr G fälschlich ausgegeben hätte. Dort sei es auch nie zu einer Einstellung gekommen. G habe sich der Bwin unsittlich genähert, was diese ablehnte. Dies wäre offensichtlich der Grund gewesen, private Rache zu nehmen. Die Bwin werde eine Anzeige wegen Verleumdung und falscher Zeugenaussage erstatten, sobald diese Person tatsächlich eine Zeugenaussage laut Aktenvermerk der belangten Behörde machen sollte.

 

Es liege auf der Hand, dass die Bwin weder zum Zeitpunkt der Antragstellung noch in der Folge bewusst unwahre Angaben gemacht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen hätte. Ihre finanziellen Verhältnisse hätten sich nicht geändert. Die Anforderungen für eine Rückforderung gemäß § 28 Oö. SHG 1998 seien daher nicht gegeben.

 

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat im Berufungsverfahren erhoben, dass das gegen die Bwin eingeleitete Strafverfahren wegen Betrugs bereits im Stadium des Hauptverfahrens zu 23 Hv 105/03v des Landesgerichts L anhängig war. Da der Ausgang dieses Strafverfahrens im Hinblick auf § 28 Abs 2 Oö. SHG 1998 eine Vorfrage für das gegenständliche Beschwerdeverfahren darstellte, hatte der Oö. Verwaltungssenat aus prozessökonomischen Gründen gemäß § 38 Satz 2 AVG 1991 beschlossen, das Berufungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auszusetzen.

 

Mit StPOForm. Nachr 8 (Benachrichtigung von der Beendigung des Strafverfahrens) teilte das Landesgericht L dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit, dass das Strafverfahren gegen die Bwin wegen §§ 146, 147 Abs 2 StGB gemäß § 227 Abs 1 StPO (wegen Zurückziehung der Anklage) am 28. Juni 2004 eingestellt worden ist. Gleichzeitig wurde eine Ablichtung des im Strafverfahren eingeholten gerichtsmedizinischen Gutachtens des Dr. J H betreffend den Gesundheitszustand der Bwin zur Verfügung gestellt.

 

Im Gutachten Dris H wird zunächst eine niederschriftliche Vernehmung der Bwin im Strafakt, Seite 97, wiedergegeben. Die Bwin erklärt, sie habe immer wieder Bewerbungsschreiben an verschiedene Firmen gerichtet, jedoch nur Absagen bekommen. Sie habe verschiedene Speditionen aber auch Rechtsanwälte angeschrieben. Sie wäre seit Mitte 2001 arbeitssuchend gemeldet gewesen und an ein zwei Stellen vermittelt worden, wo man sie jedoch nicht genommen hätte. Der Sachbearbeiter des Arbeitsamtes hätte ihr in barschem Ton empfohlen, irgendwohin putzen zu gehen. Sie habe durch einen ärztlichen Bericht von Dr. N belegt, dass sie wegen ihrer Hauterkrankung für Putztätigkeiten nicht geeignet sei. Da ihre Hauterkrankung verstärkt im behaarten Kopfbereich auftreten würde, hätte sie seit Jahren einen sehr schütteren Haarwuchs. Deshalb habe sie sich vor einiger Zeit eine künstliche Haarverdichtung anfertigen lassen, bei der das Kunsthaar auf das eigene Haar geklebt werde. Diese kosmetische Korrektur habe ihre Mutter bezahlt.

 

Zum Informanten G meinte die Bwin, dass dieser die Sache ins Rollen brachte. Dieser habe sie vermutlich auch beim Finanzamt angezeigt. Die Behauptung der Prostitutionsausübung sei absolut unrichtig. Die vielen Reisen nach Ä hätte sie unternommen, da ihr das Salzwasser im R gut tue. Sie hätte sich nur den Flug bezahlen müssen und habe bei ihrem Bekannten gewohnt. Fallweise wäre sie auch auf den Flug eingeladen worden. Große Kosten wären ihr dabei nicht entstanden.

 

3.2. Der Gerichtssachverständigte stellte bei seiner eigenen Untersuchung fleckig gerötete oberflächlich schuppende Hautveränderungen hinter beiden Ohren, einen allgemein schütteren Haarwuchs mit weißlicher Schuppung der Kopfhaut und fleckige Veränderungen der Finger- und Zehennägel fest. Um diese Veränderungen diagnostisch näher abzuklären, veranlasste er auch eine hautfachärztliche Untersuchung. Aus dem hautfachärztlichen Befundbericht des Dr. N ging hervor, dass die Bwin von 1994 bis 2001 bei ihm fallweise mit der Diagnose "Psoriasis vulgaris" in Behandlung war. Der beigezogene Hautfacharzt Dr. H diagnostizierte aktuell Nagelpsoriasis, Psoriasis capilliti, seborrhoische Dermatitis und Akne vulgaris.

 

Der gerichtsmedizinische Sachverständige kam auf Grund dieser Befunde zum Schluss, dass die Bwin tatsächlich seit vielen Jahren an Psoriasis leidet und dass man ihr Tätigkeiten mit erhöhter Feuchtigkeits-, Schmutz- oder Chemikalienexposition nicht zumuten könne. Im Übrigen gebe es keine wesentliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Eine rein artifizielle Entstehung dieser Hautaffektionen erscheinen nicht nachvollziehbar.

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht auf Grund der vorliegenden Aktenlage davon aus, dass dem Informanten G, der nicht einmal unter Wahrheitspflicht als Zeuge einvernommen wurde, kein Glauben geschenkt werden kann. Seine Behauptungen zum selbstverschuldeten Krankheitsbild der Bwin wurden durch das gerichtsmedizinische Gutachten weitgehend widerlegt. Auch die sonstigen im Aktenvermerk der belangten Behörde vom 25. März 2003 dokumentierten, mitunter abenteuerlichen Behauptungen dieses Informanten sind derart zweifelhaft, dass sie in einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht als Grundlage für Feststellungen zum Nachteil der Bwin dienen können. Auch wenn die Bwin tatsächlich Blanko-Geschäftspapier und Firmenstempel entwendet hätte, bekäme sie damit alleine noch keine Kreditkarte auf den Firmennamen. Außerdem müssten angesichts der vorgeworfenen Betrügereien Strafverfahren gegen die Bwin anhängig sein. Wenn G erklärt, er wolle die Bwin "hängen" sehen, so spricht diese Äußerung für sich und gegen eine sachliche Motivation dieses Informanten. Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass die offenbar unrichtigen Angaben des Herrn G nicht verwertet werden können. Die belangte Behörde hat auch keine ausdrücklichen Feststellungen unter Berufung auf diesen Informanten getroffen.

 

Unstrittig ist, dass die Bwin im Zeitraum Oktober 1999 bis April 2003 22 Mal in Ä war und dort Aufenthalte am R in der Dauer von einer bis sechs Wochen verbrachte. Dabei geht der Oö. Verwaltungssenat entsprechend der unwiderlegten Darstellung der Bwin davon aus, dass sie diese Reisen schon seit 1997 unternahm, um ihre chronische Hauterkrankung durch Sonnenbaden und das Salzwasser des R günstig zu beeinflussen. Seit 1999 hatte die Bwin einen ä Freund, der sie immer wieder einlud und für Unterkunft und Verpflegung aufkam. Die Flüge hat sie meist als Last Minute Angebote günstig gebucht und selbst bezahlt, fallweise wurde der Bwin auch der Flug bezahlt.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Nach dem § 7 Oö. Abs 1 SHG 1998 liegt eine soziale Notlage bei Personen vor,

 

  1. die ihren Lebensunterhalt oder den Lebensunterhalt von ihren unterhaltsberechtigten Angehörigen, die mit ihnen in Hausgemeinschaft leben, nicht decken können;
  2. die sich in einer besonderen sozialen Lage befinden und sozialer Hilfe bedürfen.

 

Nach Abs 2 leg.cit umfasst der Lebensunterhalt im Sinn des Abs 1 Z 1 den Aufwand für die regelmäßig gegebenen Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Unterkunft, Hausrat, Beheizung, Bekleidung und andere persönliche Bedürfnisse, wie insbesondere die angemessene Pflege der Beziehungen zur Umwelt und eine angemessene Teilhabe am kulturellen Leben.

 

§ 8 Abs 1 Oö. SHG 1998 bestimmt allgemein, dass die Leistung sozialer Hilfe die Bereitschaft der hilfebedürftigen Person voraussetzt, in angemessener und ihr möglicher und zumutbarer Weise zur Abwendung, Bewältigung oder Überwindung der sozialen Notlage beizutragen.

 

Nach § 8 Abs 2 Oö. SHG 1998 gelten als Beitrag der hilfebedürftigen Person im Sinn des Abs 1 insbesondere:

 

  1. der Einsatz der eigenen Mittel nach Maßgabe des § 9;
  2. der Einsatz der Arbeitskraft nach Maßgabe des § 10;
  3. die Verfolgung von Ansprüchen gegen Dritte, bei deren Erfüllung die Leistung sozialer Hilfe nicht oder nicht in diesem Ausmaß erforderlich wäre;
  4. die Nutzung ihr vom zuständigen Träger sozialer Hilfe angebotener Möglichkeiten bedarfs- und fachgerechter persönlicher Hilfe.

 

Gemäß § 10 Abs 1 Oö. SHG 1998 haben Hilfebedürftige ihre Arbeitskraft in zumutbarer Weise einzusetzen und sich um entsprechende Erwerbsmöglichkeiten zu bemühen.

 

Nach § 10 Abs 2 leg.cit. ist bei der Beurteilung der Zumutbarkeit im Sinn des Abs 1 auf den Gesundheitszustand, das Lebensalter, die berufliche Eignung, die Vorbildung und gegebenenfalls die bisher überwiegend ausgeübte Tätigkeit der hilfebedürftigen Person sowie auf ihre familiäre Aufgaben, insbesondere auf die geordnete Erziehung ihr gegenüber unterhaltsberechtigter Kinder, die Führung eines Haushaltes oder die Pflege eines Angehörigen (Lebensgefährten) Bedacht zu nehmen.

 

§ 10 Abs 3 leg.cit. regelt Ausnahmen von der Pflicht zum zumutbaren Einsatz der eigenen Arbeitskraft, die gegenständlich nicht zutreffen.

 

Gemäß § 10 Abs 4 Oö. SHG 1998 ist die Leistung gemäß § 16 (Hilfe zum Lebensunterhalt) zu vermindern, einzustellen oder von vornherein nicht oder nicht zur Gänze zu gewähren, wenn sich die hilfebedürftige Person trotz bestehender Arbeitsfähigkeit und Arbeitsmöglichkeit weigert, ihre Arbeitskraft in zumutbarer Weise einzusetzen oder sich um entsprechende Erwerbsmöglichkeiten zu bemühen. Dies gilt soweit dadurch nicht der Unterhalt unterhaltsberechtigter Angehöriger der hilfebedürftigen Person, die mit ihr im gemeinsamen Haushalt leben, gefährdet wird. Bei der Entscheidung ist auf die Gründe der Verweigerung und darauf Bedacht zu nehmen, ob die hilfebedürftige Person durch eine stufenweise Reduzierung der Leistung zur Erwerbsausübung motiviert werden kann.

 

4.2. Gemäß § 28 Abs 1 Oö. SHG 1998 hat der Sozialhilfeempfänger jede ihm bekannte Änderung der für die Hilfeleistung maßgeblichen Umstände, insbesondere Änderungen der Vermögens-, Einkommens-, Familien- oder Wohnverhältnisse sowie Aufenthalte in Kranken- oder Kuranstalten, binnen zwei Wochen jener Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, in deren Zuständigkeitsbereich der Empfänger der Hilfe seinen Hauptwohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthalt hat.

 

Nach § 28 Abs 2 Oö. SHG 1998 haben Hilfebedürftige, denen soziale Hilfe wegen Verletzung der Anzeigepflicht nach Abs 1 oder wegen bewusst unwahrer Angaben oder bewusster Verschweigung wesentlicher Tatsachen zu Unrecht zugekommen ist, diese zurückzuerstatten oder dafür angemessen Ersatz zu leisten.

 

Nach § 28 Abs 3 leg.cit. kann der Sozialhilfeträger, der Hilfe geleistet hat, über die Rückerstattung einen Vergleich mit dem Ersatzpflichtigen abschließen. Einem Vergleich über die Rückerstattung kommt, wenn er von der Behörde, die über den Anspruch gemäß Abs 4 zu entscheiden hätte, beurkundet wird, die Wirkung eines gerichtlichen Vergleiches (§ 1 Z 15 EO) zu. Kommt ein Vergleich nicht zustande, ist nach § 28 Abs 4 leg.cit. über die Rückerstattung von der Behörde (§ 66) mit schriftlichem Bescheid abzusprechen.

 

4.3. Die belangte Behörde wirft der Bwin im angefochtenen Bescheid vor, sie hätte vor der Behörde unwahre Angaben gemacht bzw. wesentliche Tatsachen bewusst verschwiegen. Dazu verweist die belangte Behörde auf die seit Oktober 1999 von der Bwin unternommenen 22 Reisen nach Ä, wo sie einen Lebensgefährten gehabt hätte. Bereits am Tag nach der ersten Antragstellung (8.10.1999) reiste die Bwin in Ä ein.

 

Die belangte Behörde führte als weiteren erhobenen Umstand an, dass sich die Bwin bei dem vom AMS vermittelten Kurs (Dauer vom 17.09.2001 bis 16.12.2001) ab 1. Oktober 2001 krank meldete, in der Folge Krankengeld bis 19. Oktober 2001 bezog, obwohl sie am 1. oder 3. Oktober über H in Ä einreiste. Den Kurs brach sie schließlich am 12. November 2001 ab und reiste am 26. November 2001 abermals nach Ä. Schließlich wird die Bewerbungsbestätigung der Firma H. mit Sitz in L und Büro in L, J, von der belangten Behörde offenbar mit der Begründung als gefälscht angesehen, dass diese Firma nicht existiere.

 

4.4. Der Oö. Verwaltungssenat vermag die Auffassung der belangten Behörde nicht zu teilen. Grundsätzlich ist zu betonen, dass die belangte Behörde aus den unbestrittenen 22 Reisen nach H ans R noch nicht darauf schließen durfte, dass die Bwin dort einen Lebensgefährten hätte. Bei einem Lebensgefährten handelt es sich nämlich um eine Person, mit der man ständig zusammen ist. Das typische Erscheinungsbild einer Lebensgemeinschaft besteht nach der zivilrechtlichen Judikatur des OGH in einer Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft, die einem eheähnlichen Zustand entspricht. Die einzelnen Elemente können dabei verschieden stark ausgeprägt sein (vgl näher Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 206 ff mit Nachw aus der Judikatur). Aus 22 Reisen zu einem ä Freund in der Zeit von Oktober 1999 bis Jänner 2003 kann auch dann nicht auf eine Lebensgemeinschaft geschlossen werden, wenn der Freund für Unterkunft und Verpflegung während des Aufenthalts am R aufkommt und fallweise auch den Flug bezahlen sollte. Es fehlt bereist an dem Merkmal einer auf Dauer angelegten Gemeinschaft. Ebenso wenig kann man annehmen, dass die Bwin für diese Reisen ein besonderes, nicht offengelegtes Einkommen haben müsste. Denn wie sie zu diesem Thema bisher unwiderlegt vorgebracht hat, wird sie von ihrem ä Freund immer wieder eingeladen. Auch die Mutter habe ihr schon manchmal den Aufenthalt und/oder Flug ans R spendiert, damit sie ihre Beschwerden auf Grund der Schuppenflechte kurieren könne. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die gewöhnlichen Lebenshaltungskosten in Ä - sieht man von einem Hotelaufenthalt ab - nur einen Bruchteil der in Österreich anfallenden Aufwendungen ausmachen.

 

Auf Grund der aktenkundigen Ermittlungsergebnisse kann daher bei richtiger rechtlicher Beurteilung weder eine Lebensgemeinschaft noch eine sonstige meldepflichtige Änderung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Bwin angenommen werden. Insofern konnte die Bwin daher auch keine unwahren Angaben gemacht oder wesentlichen Tatsachen verschwiegen haben.

 

4.5. Die Leistung sozialer Hilfe setzt gemäß § 8 Abs 1 Oö. SHG 1998 die Bereitschaft der hilfebedürftigen Person voraus, zur Überwindung ihrer sozialen Notlage in zumutbarer Weise beizutragen. Als Beitrag kommt bei der Bwin der Einsatz der Arbeitskraft nach Maßgabe des § 10 Oö. SHG 1998 in Betracht (vgl § 8 Abs 2 Z 2 leg.cit.). Nach § 10 Abs 1 Oö. SHG 1998 haben Hilfebedürftige ihre Arbeitskraft in zumutbarer Weise einzusetzen und sich um entsprechende Erwerbsmöglichkeiten zu bemühen.

 

Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid zu dieser Bemühungspflicht iSd § 8 Oö. SHG 1998 leider nicht ausdrücklich und fallbezogen geäußert. Ihre kritischen Ausführungen zum Kursbesuch der Bwin und der Hinweis auf eine Bewerbungsbestätigung einer angeblich nicht existierenden Firma sprechen dafür, dass die belangte Behörde der Bwin die Bereitschaft iSd § 8 Oö. SHG 1998 zur zumutbaren Überwindung ihrer sozialen Notlage schlechthin absprechen will.

In der Strafsache gegen die Bwin wegen Sozialhilfebetrugs zu 23 Hv 1905/03v des Landesgerichts L kam es nach Einholung des gerichtsmedizinischen Gutachtens Dris. H zur Einstellung des Verfahrens. Der Gerichtssachverständige kam unter Berücksichtigung hautärztlicher Befunde zur Auffassung, dass die Bwin schon seit vielen Jahren an "Psoriasis" leidet und auch hautfachärztlich behandelt wurde. Die künstliche Herbeiführung der Hautkrankheit erschien ihm nicht nachvollziehbar. Tätigkeiten mit erhöhter Feuchtigkeits-, Schmutz- oder Chemikalienexposition wollte der Gutachter der Bwin nicht zumuten.

 

Wie schon das amtsärztliche Gutachten vom 11. Mai 2001 zum Ausdruck brachte, steht damit fest, dass wegen des Gesundheitszustandes der Bwin schon immer eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit vorgelegen hat, die aus medizinischer Sicht keine Tätigkeiten als Reinigungskraft, jedoch solche im Bürobereich als gut möglich erscheinen lässt. Eine entsprechende Anstellung der Bwin im Bürobereich war durch die Vermittlung des AMS L nicht erreichbar. Wie die belangte Behörde in einem Telefonat mit dem AMS L (vgl Aktenvermerk vom 16. Mai 2001) erhoben hat, mag das damit zusammenhängen, dass für die Bwin auch ein Bürojob nicht sehr realistisch erschien, weil sie bekanntlich mit H W in der Zeit vom 30. März 1990 bis zum 7. März 2001 verheiratet (Scheidungsbeschluss 1C 3/01-h-3 des BG Linz-Land) und Hausfrau war und daher seit 1994 nicht mehr gearbeitet hatte. Im Bürobereich habe sich auf dem Gebiet der EDV viel geändert.

 

Die Bwin hat einige Absagen betreffend Bewerbungen um einen Bürojob vorgelegt und damit ihre Bemühungen dokumentiert. Entgegen der sinngemäß zum Ausdruck kommenden Ansicht der belangten Behörde kann nach Ausweis der Aktenlage nicht davon ausgegangen werden, dass die Bwin nur Gefälligkeitsbescheinigungen vorgelegt hätte oder irgendwelche Urkunden gefälscht worden wären. Es gibt auch kein aktenkundiges Beweisergebnis dafür, dass die Firma H gar nicht existiere. Welche intensiven Recherchen die belangte Behörde auch angestellt haben mag, im vorgelegten Verwaltungsakt ist dazu nichts aufzufinden.

 

Was den vom AMS L vermittelten Kurs betrifft, scheint die Beanstandung der belangten Behörde zuzutreffen, dass die Bwin diesen Kurs nicht zielstrebig besucht hat und schließlich sogar abbrach. Dazu meinte die Bwin nur, es sei das Angebot des Herrn G dazwischen gekommen, mit dem sie nach Ä wäre (Aktenvermerk vom 24.03.2003). Dennoch kann in diesem Umstand kein tauglicher Grund für eine Rückerstattungspflicht iSd § 28 Abs 2 Oö. SHG 1998 gesehen werden. Das nicht ordnungsgemäße Besuchen eines Kurses, dessen Bedeutung für die Beschäftigungsaussichten der Bwin noch hinterfragt hätte werden müssen, kann nicht schlechthin als mangelnde Bereitschaft ausgelegt werden, die eigene Arbeitskraft zumutbar einzusetzen, um die soziale Notlage zu überwinden. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nur eine oberflächliche Begründung geboten. Es erscheint nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats in keiner Weise plausibel, dass sich die Bwin durch bewusst falsche Angaben oder Verschweigung von wesentlichen Umständen die bisher insgesamt geleistete Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 16.187,15 Euro erschlichen haben soll, wie dies die belangte Behörde sinngemäß behauptet. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass die belangte Behörde in Kenntnis von beim AMS L tatsächlich erhobenen oder in Erfahrung zu bringenden Umständen immer nur Bescheide über Hilfe zum Lebensunterhalt der Bwin für 2 oder 3 Monate erlassen hatte.

 

4.6. Im Übrigen ist die belangte Behörde auf das Regime des § 10 Abs 4 Oö. SHG 1998 hinzuweisen, wonach die Sozialleistungen gemäß § 16 leg.cit. vermindert, eingestellt oder von vornherein nicht oder nicht zur Gänze zu gewähren sind, wenn sich die hilfebedürftige Person weigert, ihre Arbeitskraft in zumutbarer Weise einzusetzen oder sich um Erwerbsmöglichkeiten zu bemühen. Eine solche Weigerung muss und wird auch häufig nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann daher naturgemäß auch durch bloß schlüssiges Verhalten der hilfebedürftigen Person erfolgen, das von der Behörde hinsichtlich seines Erklärungswertes entsprechend nachvollziehbar darzustellen ist.

 

Bei § 10 Abs 4 Oö. SHG 1998 handelt es sich um eine Sonderregelung zur Einstellung nach § 27 leg.cit, die der Behörde einen gewissen Ermessensspielraum eröffnet (vgl AB Beilage 206/1998 zum kurzschriftlichen Bericht des Oö. LT, 25. GP, Seite 9). Dieser Fall der (nachträglichen) Weigerung gemäß dem § 10 Abs 4 Oö. SHG 1998 ist vom Betrugsfall der Erschleichung sozialer Hilfe durch bewusst unwahre Angaben oder Verschweigung von wesentlichen Tatsachen nach § 28 Abs 2 SHG 1998 streng zu unterscheiden. Während eine Rückerstattung bereits empfangener Sozialhilfe nur bei Nachweis vorsätzlichen Fehlverhaltens erfolgen kann, greifen die Sanktionen des § 10 Abs 4 Oö. SHG 1998 schon ganz allgemein bei Arbeitsunwilligkeit. Die belangte Behörde hat nach dieser Bestimmung für künftige Entscheidungen über soziale Hilfe auch abgestufte Möglichkeiten, um die hilfebedürftige Person zum gewünschten Wohlverhalten zu bewegen.

 

5. Zusammenfassend ist festzustellen, dass auf Grundlage der vorgelegten Akten und der ergänzenden Erhebungen durch den Oö. Verwaltungssenat eine Rückerstattungs- oder Ersatzleistungspflicht iSd § 28 Abs 2 Oö. SHG 1998 der Bwin bei richtiger rechtlicher Beurteilung nicht in Betracht kommt. Die belangte Behörde kann aber die Möglichkeiten des § 10 Abs 4 Oö. SHG 1998 ausschöpfen, um einer allfälligen Arbeitsunwilligkeit der Bwin zu begegnen. Im Ergebnis war daher der angefochtene Bescheid der belangten Behörde ersatzlos aufzuheben.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. W e i ß

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum