Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-560080/7/Ste

Linz, 03.10.2005

 

 

VwSen-560080/7/Ste Linz, am 3. Oktober 2005

DVR.0690392

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag.Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung des C K, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 8. August 2004, Zl. SH-31/05, wegen Kostenersatz nach dem Oö. Sozialhilfegesetz 1998 zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz wird ersatzlos aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 8. August 2005, Zl. SH-31/05, wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) "gemäß §§ 45 und 47 des O.Ö. Sozialhilfegesetzes (O.ö. SHG), LGBl. Nr. 82/1998 i.d.g.F., verpflichtet, bei sonstiger Zwangsfolge, beginnend mit 1.6.2005 der Stadt Steyr zu Handen des Magistrates Steyr als Ersatz für die seiner Mutter [...] seit 2.2.2005 gewährten Sozialhilfeleistungen (§§ 16 und 18 O.Ö. SHG) in Höhe von durchschnittlich mtl. 972,78 Euro den Betrag von mtl. 200 Euro zu bezahlen. Die bis zur Rechtskraft dieses Bescheides fällig gewordenen Beträge sind binnen 14 Tagen, die künftig fällige werdenden Beträge längstens bis 10. eines jeden Monats im voraus bei sonstiger Zwangsfolge zu bezahlen."

Begründend wird diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Bw als Sohn seiner Mutter gegenüber unterhaltspflichtig sei. Auf Grund seiner Einkommens- und Vermögenssituation sei der Betrag von 200 Euro angemessen. Darüber hinaus sei der Betrag im Sinn einer "Zahlungserleichterung" ohnehin nicht ab dem Beginn der Hilfeleistung (2. Februar 2005), sondern erst ab 1. Juni 2005 vorgeschrieben worden.

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 10. August 2005 zugestellt wurde, richtet sich die am 22. August 2005 - und somit rechtzeitig - bei der belangten Behörde eingelangte Berufung. Sie wird damit begründet, dass nach Ansicht des Bw die Zahlungsverpflichtung der Höhe und dem Umfang nach nicht nachvollziehbar ist. Er sei nach Abzug aller Belastungen schon am wirtschaftlichen Existenzminimum. Eine Liste der Belastungen und die Lohn-/Gehaltsabrechnung des Bw für Juli 2005 liegt der Berufung bei.

 

2.1. Die Behörde erster Instanz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt.

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt des Bürgermeisters der Stadt Steyr zu Zl. SH-31/05.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens sind beim Oö. Verwaltungssenat Zweifel darüber entstanden, ob vor Bescheiderlassung durch die belangte Behörde zwischen dem Sozialhilfeträger und dem nunmehrigen Bw ein Vergleichsversuch unternommen wurde. Auf entsprechendes Ersuchen des Oö. Verwaltungssenats erstatteten die Parteien zu dieser Frage Stellungnahmen.

2.2.1. Der Magistrat der Stadt Steyr teilte mit, dass dem Bw mit Schreiben vom 8. Juni 2005 (das auch im vorgelegten Verwaltungsakt enthalten ist) mitgeteilt wurde, dass er als Ersatz für die an seine Mutter geleistete Hilfe monatlich 200 Euro zu leisten habe und ihm die Gelegenheit gegeben wird, binnen 14 Tagen dazu Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 15. Juni 2005 (das ebenfalls vorliegt) teilte der Bw mit, dass er sich außerstande sieht, der Zahlungsverpflichtung nachzukommen und legte eine Aufstellung seiner Zahlungsverpflichtungen bei. Die belangte Behörde weiter wörtlich: "Ein Vergleich konnte somit nicht zustande kommen, zumal unsererseits bereits ein reduzierter Kostenersatz von mtl. 200 Euro anstelle von 350,80 Euro [...] vorgeschrieben wurde."

2.2.2. Dem gegenüber teilte der Bw mit Schreiben vom 15. September 2005 mit, dass der Magistrat der Stadt Steyr "niemals den Versuch gemacht [hat], mir einen Vergleich anzubieten. Mir wurde lediglich mittels Bescheid ein Betrag in der Höhe von 200 Euro vorgeschrieben."

Da sich bereits aus dem vorliegenden Verwaltungsakt und den genannten ergänzend vorgelegten Dokumenten der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte im Übrigen gemäß § 67d AVG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

Die Stadt Steyr leistet als Trägerin sozialer Hilfe seit 2. Februar 2005 für die Mutter des Bw soziale Hilfe. Mit Schreiben vom 20. April 2005, SH-31/05, teilte die Stadt Steyr dem Bw mit, dass sie für seine Mutter seit 2. Februar 2005 soziale Hilfe leiste, dass er zur Leistung von Unterhalt verpflichtet sei und dass die Rechtsansprüche mit dieser Anzeige auf die Stadt Steyr als Sozialhilfeträgerin übergehen. Nach diversen Erhebungen forderte die Stadt Steyr den Bw daraufhin mit Schreiben ("Übergangsanzeige") vom 8. Juni 2005 auf, in Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht einen monatlichen Kostenersatz in der Höhe von 200 Euro zu leisten und dazu binnen 14 Tagen nach Zustellung schriftlich oder mündlich Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 15. Juni 2005 teilte der Bw dazu mit: "Nachdem meine monatlichen Belastungen laut beiliegender Aufstellung über 1.500 Euro betragen, sehe ich mich außerstande, ihrer Zahlungsaufforderung nachzukommen. Ich ersuche Sie höflichst um Berücksichtigung meiner Zahlungen und verbleibe [...]".

Am 5. August 2005 beantragte daraufhin die Stadt Steyr als Sozialhilfeträgerin bei der nunmehr belangten Behörde über den Ersatzanspruch gemäß § 52 Abs. 5 des Oö. Sozialhilfegesetz 1998 bescheidmäßig zu entscheiden.

Daraufhin wurde bereits am 8. August 2005 und ohne, dass dem Bw erkennbar Parteiengehör eingeräumt wurde, der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen.

2.4. Der Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus der Aktenlage.

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 52 Abs. 5 des Oö. Sozialhilfegesetzes 1998 - Oö. SHG 1998, LGBl. Nr. 82/1998, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 68/2002, hat die Behörde auf Antrag des Trägers sozialer Hilfe dann mit schriftlichem Bescheid über den Anspruch zu entscheiden, wenn über Ansprüche gemäß §§ 46 bis 48 ein Vergleich nicht zustande kommt. Das Gesetz geht damit eindeutig davon aus, dass Voraussetzung für die Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung eines Bescheids jedenfalls ein Vergleichsversuch ist.

Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats kann (nur) dann von einem Vergleich(sversuch) im Sinn dieser Gesetzesbestimmung ausgegangen werden, wenn über den behaupteten Anspruch mit dem Verpflichteten auf gleichgeordneter Ebene erkennbar (schriftlich oder mündlich) "verhandelt" wird und ein Interessensausgleich und im Ergebnis ein Kompromiss zumindest versucht wird; dies stets mit dem grundsätzlichen Ziel der gegenseitigen Anhörung und Berücksichtigung der Interessen, eines gegenseitigen Zurücksteckens und aufeinander Zugehens zur Vermeidung eines streitigen Verfahrens.

Auch § 1380 ABGB umschreibt den Vergleich als Vertrag, "durch welchen streitige oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt werden, dass jede Partei sich wechselseitig etwas zu geben, zu tun, oder zu unterlassen verbindet."

Ein solcher Vergleichsversuch ist dem Verwaltungsakt allerdings nicht zu entnehmen, da - entgegen der von der Stadt Steyr offenbar vertretenen Ansicht - in der Aufforderung ("Übergangsanzeige") vom 8. Juni 2005 keine Einladung zu einem Vergleich gesehen werden kann (vgl. dazu bereits die - im Übrigen ebenfalls die nunmehr belangte Behörde betreffenden - Entscheidungen des Oö. Verwaltungssenats vom 30. Juli 2004, VwSen-560074/2 und VwSen-560075/2, sowie die Entscheidung des Oö Verwaltungssenats vom 21. Dezember 2004, VwSen-560077/2). Die Aufforderung ist weder inhaltlich ("Aufforderung") noch formal ("Einladung zur Stellungnahme") als Vergleichsangebot erkennbar. Eine einseitige Nennung ("Aufforderung" zur Zahlung) einer Summe mit der Einladung zur Stellungnahme, in der schon die Höhe des als wesentliche Grundlage angeführten Monatseinkommen anders angegeben wird, und auf die keinerlei weitere Reaktion folgt, entspricht nicht einem Vergleich(sversuch) im Sinn der genannten Bestimmung. Insbesondere kann in dieser Vorgangsweise von Seiten der Sozialhilfeträgerin kein wechselseitiges und partnerschaftliches Verhandeln mit dem ernsthaften Ziel der Vermeidung eines weiteren (hier: hoheitlichen) Verfahrens erblickt werden. Die Stadt Steyr als Sozialhilfeträgerin vielmehr darauf vertraut haben, dass sie ohnehin in jedem Fall ein hoheitliches Verfahren beantragen kann, das in ihrem Sinn durchgeführt werden würde. Gerade auch bei der vorliegenden Konstellation, in der eine gewisse organisatorische Nahebeziehung zwischen der Trägerin der sozialen Hilfe und der bescheidmäßig entscheidenden Behörde besteht, ist aber nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats ein strenger Maßstab bei der Prüfung der formalen Voraussetzungen anzulegen, weil die genannte organisatorische Nahebeziehung nicht zu Lasten des Bescheidadressaten gehen kann.

Durch die Erlassung des Bescheids, ohne dass als Antragsvoraussetzung ein entsprechender Vergleichsversuch gegeben war, belastet die belangte Behörde (die im Übrigen auf diese Frage in ihrem Bescheid mit keinem Wort eingeht) den Bescheid mit Rechtswidrigkeit. Er war daher schon aus diesem Grund aufzuheben.

Dass der Bw zu einem Vergleich durchaus bereit war, zeigt bereits das kurze vom Oö. Verwaltungssenat durchgeführte Ermittlungsverfahren, im Zuge dessen der Bw durchaus kooperativ war und ein Gegenangebot gemacht hat. Im Übrigen dürfte sich die Sachlage auch durch das "Angebot" der Mutter des Bw, das in der Niederschrift vom 17. August 2005 dokumentiert ist, geändert haben.

3.4. Bei diesem Ergebnis braucht auf die weiteren in der Berufung aufgeworfenen Fragen nicht mehr eingegangen zu werden.

 

4. Aus den genannten Gründen war der vorliegenden Berufung daher gemäß § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenats ergibt sich aus § 66 Abs. 3 Oö. SHG 1998.

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat sieht sich jedoch veranlasst, Folgendes festzuhalten:

 

5.1. Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall offenbar jegliches eigenes Ermittlungsverfahren unterlassen und dem Bw - entgegen § 45 Abs. 3 AVG - auch keine Gelegenheit gegeben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zunehmen und dazu Stellung zu nehmen. Das Unterlassen dieser Verfahrensschritte stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Insbesondere im vorliegenden Zusammenhang wären damit wohl auch die Voraussetzungen für eine Behebung des Bescheids nach § 66 Abs. 2 AVG vorgelegen, jedenfalls aber bestünde für den Unabhängigen Verwaltungssenat die Möglichkeit nach § 66 Abs. 1 AVG notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch die belangte Behörde durchführen zu lassen. Die Vorgangsweise der belangten Behörde entspricht damit jedenfalls auch nicht den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (vgl. § 39 Abs. 2 AVG).

 

5.2. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheids die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats entspricht die Begründung des angefochtenen Bescheids diesen Erfordernissen nicht. Sie enthält insbesondere keinerlei für den Adressaten nachvollziehbare Feststellungen zur Berechnung und deren Grundlagen (beispielsweise bleibt dunkel, wie die belangte Behörde zu einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 1.753,22 Euro kommt) sowie keine hinreichende rechtliche Beurteilung, die die einzelnen im Spruch getroffenen Anordnungen klar und übersichtlich rechtlich zuordnen und verdeutlichen würde (vgl. auch dazu bereits die oben zitierten Entscheidungen des Oö. Verwaltungssenats).

5.3. Im Ergebnis offen bleibt auch, warum die belangte Behörde bei der gegebenen Sach- und Rechtslage (insbesondere auch des "Angebots" der Mutter des Bw - vgl. die Niederschrift von 17. August 2005) nicht von der Möglichkeit der Berufungsvorentscheidung (vgl. § 64a AVG) Gebrauch gemacht hat.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im Verfahren sind Gebühren in Höhe von 20,20 Euro (13 Euro Eingabegebühr, 7,20 Euro für zwei Beilagen) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Wolfgang Steiner

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum