Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104714/10/BR

Linz, 22.07.1997

VwSen-104714/10/BR Linz, am 22. Juli 1997 DVR.0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn M p.A. Frau J, vertreten durch die RAe Dr. J, Dr. S, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 23. Mai 1997, Zl. S-35.697/96-4, wegen der Übertretung nach § 99 Abs.1 KFG 1967, § 97 Abs.5 StVO 1960 und § 82 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz nach der am 22. Juli 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird in allen Punkten aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem Straferkenntnis vom 23. Mai 1997 über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 99 Abs.1 KFG 1967, § 97 Abs.5 StVO 1960 u. § 82 Abs.1 SPG Geldstrafen von 1) 600 S, 2) 700 S und 3) 700 S und für den Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von je achtzehn Stunden verhängt, weil er am 21.10.1996 zwischen 01.30 Uhr bis 01.35 Uhr in L, auf der , Richtungsfahrbahn Nord zwischen Km 8,5 bis 9,5 (Punkt 3) Km 9,5) als Lenker des Pkws mit dem Kennzeichen 1) trotz Dunkelheit die vorgeschriebenen Scheinwerfer nicht eingeschaltet gehabt habe, 2) mehrere Haltezeichen eines Straßenaufsichtsorganes nicht befolgt habe und er 3) sich gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht trotz vorausgegangener Abmahnung, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben wahrgenommen habe, aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert habe, indem er lautstark geschrien, heftig mit den Armen gestikuliert und dabei ständig nach den Fahrzeugpapieren gegriffen habe, welche ein Sicherheitswachebeamter in den Händen hatte, wodurch die Aufnahme eines Sachverhaltes bzw. des Nationales verzögert worden sei (gemeint: die Amtshandlung dadurch behindert worden sei).

2. Begründend stützt die Erstbehörde ihre Entscheidung auf die auf dienstlicher Wahrnehmung beruhenden Angaben der einschreitenden Sicherheitswachebeamten. Ebenfalls verweist die Erstbehörde auf den Verfahrensausgang im h. Verfahren VwSen-420124/24/Schi/Km.

3. In seiner binnen offener Frist noch durch seinen Rechtsvertreter eingebrachten Berufung bestreitet der Berufungswerber sämtliche Tatvorwürfe und verweist auf das im Zusammenhang gegen den Meldungsleger N durchgeführte strafgerichtliche Verfahren vor dem LG L, GZ. , welches zu einer Verurteilung des Meldungslegers führte, welche jedoch nicht rechtskräftig ist.

3.1. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigenden Strafen verhängt worden sind, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war durchzuführen, weil die zur Last gelegten Verhaltensweisen bestritten wurden (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bundespolizeidirektion Linz, Zl. III/ S -35.697/96-4, die Vernehmung der die Amtshandlung durchführenden Sicherheitswachebeamten und des Berufungswerbers als Beschuldigten anläßlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Beigeschafft und erörtert bzw. in Auszügen verlesen wurde das Ergebnis der Beweisaufnahme der vom O.ö. Verwaltungssenat entschiedenen Maßnahmenbeschwerde und das Ergebnis (Urteil) des gegen die Meldungsleger vor dem LG L, unter GZ. geführten strafgerichtlichen Verfahrens. Ferner wurde die Wegstrecke auf der A7 (Richtung Norden) zwischen Km 8,5 bis 9,5 auf Video dokumentiert und im Zuge der Berufungsverhandlung im Hinblick auf die Fahrstrecke der versuchten Anhaltung in den Vernehmungen Bezug genommen. Beigeschafft und inhaltlich im Rahmen der Berufungsverhandlung erörtert wurde ferner auch der Bericht des Landesgendarmeriekommandos f. Oö. - Verkehrsabteilung, Außenstelle, , GZ P- und die am 10. Juli 1997 vom Berufungswerber zu diesem Verfahren übermittelte (umfangreiche) schriftliche Stellungnahme.

5. Folgender Sachverhalt ist erwiesen: Der Berufungswerber erlitt am 21. Oktober 1996 gegen 24.00 Uhr an seinem Fahrzeug auf der in Fahrtrichtung L im Raume von Asten aus ungeklärten Gründen einen Bruch der Windschutzscheibe. Dabei zersplitterte die Scheibe derart, daß eine Sicht durch das Glas nicht mehr gewährleistet war und der Lenker für die Weiterfahrt seinen Kopf aus dem Seitenfenster zu halten gezwungen war. Bereits am sogenannten Ebelsberger Berg wurde der Berufungswerber von einer Gendarmeriestreife angehalten und nach Klärung der Umstände folglich bis zur A7 eskortiert, wobei ihm die Weiterfahrt bis L gestattet wurde. Dabei wurde in der diesbezüglich am 22.10.1996 mit dem Berufungswerber auf der Gendarmerieaußenstelle H aufgenommenen Niederschrift keine fehlende Beleuchtung seines KFZ festgehalten. Auch im Bericht an die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 6.11.1996 findet sich kein diesbezüglicher Hinweis.

Der Berufungswerber setzte schließlich seine Fahrt auf der A7 fort, wobei er wegen der eingeschalteten Pannenblinker im Bereich der Wiener Straße einer Funkstreifenbesatzung der BPD auffiel, welche sogleich die Verfolgung aufnahm. Der Berufungswerber lenkte zu diesem Zeitpunkt bei starkem Regen seinen Pkw mit etwa 60 km/h, wobei er seinen Kopf aus dem linken Seitenfenster hinauslehnen mußte um das Fahrzeug lenken zu können. Während der Nachfahrt wurde etwa ab der Kilometrierung 8,5 vorerst durch knappes Aufschließen, Einschalten des Blaulichtes und folglich Verwendung des beleuchteten Anhaltestabes eine Anhaltung des Berufungswerbers versucht. Erst nachdem keine Reaktion auf diese Versuche erfolgte wurde diese Aufforderung noch zwei bis dreimal mittels Außenlautsprecher ausgesprochen. Das Dienstfahrzeug gelangte dabei nie exakt auf die Höhe des Fahrzeuges des Berufungswerbers, sondern blieb immer hinter diesem, wobei kurzzeitig einmal eine Fahrzeugüberdeckung mit einem Drittel erreicht wurde. Der Berufungswerber bemerkte diese Aufforderung etwa erst 200 Meter vor dem späteren Anhalteort, wobei er nicht unverzüglich anhielt, sondern aus Gründen der Verkehrssicherheit in dieser Wegstrecke nach einem geeigneten Platz Ausschau hielt. Der Aufforderung zum Aussteigen kam er wegen der aus Gründen der Eigensicherung der Beamten auf ihn gerichteten Dienstwaffe vorerst nicht nach. Folglich wurde er vom Zeugen RI N unter Anwendung von Körperkraft aus dem Fahrzeug gezogen und perlustriert. Die Amtshandlung mit dem Beifahrer führte der Zeuge RI G. Diese besonders auf die Eigensicherung gerichtete Amtshandlung wurde wegen des bestehenden Verdachtes, daß sich der Lenker dieses Fahrzeuges wegen des nicht unverzüglichen Anhaltens der Amtshandlung zu entziehen suchte. Die Amtshandlung mit dem Beifahrer verlief ohne Anwendung von Körperkraft. Auch im Zuge der gesamten Amtshandlung auf der Autobahn erfolgte keine konkrete Feststellung darüber ob am Fahrzeug des Berufungswerbers die Scheinwerfer eingeschaltet waren. Die Meldungsleger vermeinten lediglich, daß man kein Scheinwerferlicht wahrnehmen habe können, räumte aber im Ergebnis ein, daß diesbezüglich keine konkrete Feststellung getroffen wurde. Während der Amtshandlung wies der Berufungswerber mehrfach darauf hin, daß er mit der in dieser Amtshandlung wider ihn gewählten Vorgangsweise nicht einverstanden wäre. Er wies dabei mit Nachdruck und entsprechend emotional und durch entsprechende Gesten unterstützend darauf hin, daß ihm eine Verletzung zugefügt worden sei, wobei in dieser Nacht an ihm tatsächlich ein Rippenbruch diagnostiziert wurde. Im Hinblick darauf wurde zwischenzeitig der Zeuge RI N strafgerichtlich wegen § 83, § 84, § 313 StGB verurteilt, wobei dieses Urteil nicht rechtskräftig ist.

5.1. Der Berufungswerber legte im Rahmen der Berufungsverhandlung dar, daß ihn sein Beifahrer im Bereich der M informiert habe, daß nun das sie vorher begleitende Fahrzeug nun wieder hinten nachfahre. Er brachte diese Nachfahrt zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit einer schon in dieser Phase versuchten Anhaltung in Verbindung. Erst nach der schließlich wahrgenommenen Aufforderung über Lautsprecher erkannte er was von ihm gewollt wurde und hielt bei der nächsten ihm geeignet erscheinenden Gelegenheit an, wobei er die Fahrtstrecke vom Erkennen der Aufforderung noch mit etwa 170 Meter bzw. einer zeitlichen Dauer von etwa 10 Sekunden bezeichnete. Dieser Verantwortung kann insofern gefolgt werden, weil hier eine extreme und außergewöhnliche Situation (welche von den Beamten als solche vorerst nicht erkannt worden sein konnte) vorlag. Die Fahrt mit dem Kopf außerhalb des geöffneten Fensters bei Kälte und Regen, läßt zumindest den Schluß auf eine doch recht eingeschränkte akustische und auch optische Wahrnehmungsfähigkeit auf dem Bereich hinter dem so gelenkten Fahrzeug zu. Es ist daher durchaus glaubhaft, daß man vorerst das nachfahrende Fahrzeug als das ursprüngliche Begleitfahrzeug der Gendarmerie hielt und daher die Anhalteabsicht nicht sogleich erkannte bzw. nicht erkennen mußte.

Ebenfalls gibt es keinen ausreichenden Beweis dafür, daß der Berufungswerber ohne Licht gefahren sein sollte. Die von den Meldungsleger subjektiv durchaus plausibel scheinenden diesbezüglichen Schlußfolgerungen stellen aber mangels konkreter Wahrnehmungen keinen diesbezüglichen eindeutigen Beweis dar. Gegen diesen Tatvorwurf spricht auch, daß es keinen Grund für die Nichtverwendung des Lichtes gegeben hätte und dies auch von der Gendarmerie zumindest für den Bereich der Fahrt auf der A1 nicht bemerkt wurde. Dies wäre gegebenenfalls wohl nicht unbemerkt oder unerwähnt geblieben.

Die im Verlaufe der Amtshandlungen getätigten und als Störung und Verzögerung derselben empfundenen Unmutsäußerungen sind im Ergebnis alle auf die beim Berufungswerber bestehenden Verletzungen zurückzuführen. Sie vermögen daher zumindest subjektiv tatseitig als nicht auf eine Störung der Amtshandlung gerichtet erblickt, jedenfalls aber nicht als aggressiv qualifiziert werden.

6. Rechtlich wird folgendes erwogen:

6.1. Nach § 97 Abs.5 sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, durch deutlich sichtbare Zeichen Fahrzeuglenker zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle oder anderer den Fahrzeuglenker oder eine beförderte Person betreffenden Amtshandlungen zum Anhalten aufzufordern. Der Fahrzeuglenker hat der Aufforderung Folge zu leisten. . . . . . Dieser Bestimmung kann aber nicht die Intention unterstellt werden, daß einem zum Anhalten aufgeforderten Fahrzeuglenker (hier nach einer erst verspäteten Wahrnehmung dieser Verpflichtung) keinerlei Disposition im Hinblick auf die Wahl eines geeigneten Anhalteortes - nämlich das Weiterfahren auf der Autobahn bis zu einem wenige hundert Meter weiter vorne befindlichen Anhaltebucht - aus Gründen der Verkehrssicherheit zuzubilligen ist. Immerhin herrschte Dunkelheit und starker Regen. Es wäre daher geradezu sinnwidrig und im hohen Ausmaß gefährlich etwa auf der Fahrbahn anzuhalten, anstatt noch bis zur nächstliegenden Bucht weiterzufahren. Mit dem Verhalten des Berufungswerbers wurde dem im § 97 Abs.5 inhärenten Zweck nicht zuwidergehandelt. In der spezifischen Situation war es zumindest gerechtfertigt seinen Anhaltepunkt in einem geringfügigen - nur im Bereich von wenigen Sekunden liegenden Bereich - nach Gutdünken zu disponieren. Durch das Verhalten des Berufungswerbers wurde daher dieser Vorschrift nicht zuwidergehandelt.

6.1.1. Nach § 82 Abs.1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einer Militärwache, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden. Von einem "aggressiven Verhalten" wird man daher dann sprechen können, wenn eine Handlung bei anderen die lebhafte Empfindung des Unerlaubten und Schädlichen hervorzurufen geeignet ist (vgl. VwGH 9.7.1984, 84/10/0080, 30.9.1985, 85/10/0027 ua). Dies trifft für das vom Berufungswerber gesetzte Verhalten - nachhaltiges, beharrliches und energisches Vertreten seines Rechtsstandpunktes und Unmutsäußerung über die Art der Durchführung der Amtshandlung und die Artikulierung einer doch recht beträchtlichen Verletzung, nicht zu! Auch von der Behinderung einer Amtshandlung wird bei sinnrichtiger Auslegung des Gesetzes nicht schon dann die Rede sein können, wenn eine Amtshandlung nicht optimal verläuft, eine wirkliche Behinderung im Sinne einer Finalisierung durch das Verhalten des Beamtshandelten aber nicht herbeigeführt wird. Hier war objektiv besehen der Ablauf der Amtshandlung nämlich von Beginn bis zum Abschluß auf der A7 darauf gerichtet abzuklären, ob ein strafbares Verhalten seitens des Berufungswerbers vorlag. Dies konnte offensichtlich noch auf der Autobahn erfolgreich getan werden. Wenn der Berufungswerber dabei seinen Unmut über die doch hart empfundene Vorgangsweise zum Ausdruck brachte, war dies angesichts seines Verletzungsgrades allgemein begreiflich und daher nicht als aggressiv zu bezeichnen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß jeweils - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung: Verletzung der Amtshandlung, Anhalteort

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