Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-600000/5/Weg/Ri

Linz, 20.02.1995

VwSen-600000/5/Weg/Ri Linz, am 20. Februar 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine erste Kammer (Vorsitzender: Dr. Guschlbauer, Berichter: Dr. Wegschaider, Beisitzer: Dr. Keinberger) über den Antrag des H K vom 28. Dezember 1994 auf Übergang der Entscheidungspflicht vom Landeshauptmann von OÖ. auf den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich betreffend ein Lenkerberechtigungsentziehungsverfahren zu Recht erkannt:

Der Antrag wird abgewiesen und festgestellt, daß keine ausschließlich auf ein Verschulden des Landeshauptmannes von OÖ. zurückzuführende Verzögerung betreffend die Erledigung der am 10. Juni 1994 bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land eingelangten Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 9. Juni 1994, VerkR-1201/506/1993/Hä, vorliegt.

Rechtsgrundlage:

§ 73 Abs.2 AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Herr H K hat mit Schreiben vom 28. Dezember 1994 (eingelangt am 29. Dezember 1994) beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich einen Antrag auf "Weitergabe der Bearbeitung des Verwaltungsaktes" gestellt und diesen Verwaltungsakt mit den Geschäftszahlen VerkR-1201/506/1993/Häusler-Angeli bzw. VerkR-391.064/11993/Dr. Viehböck, bezeichnet. H K behauptet, die Entscheidungspflicht durch die Berufungsbehörde sei verletzt worden, weshalb er beantragt, daß die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergeht.

2. Im Hinblick auf diesen Antrag hat der O.ö. Verwaltungssenat mit Schreiben vom 30. Dezember 1994 den Landeshauptmann von OÖ. beauftragt, den diesbezüglichen Verwaltungsakt umgehend vorzulegen. Diesem Auftrag kam der Landeshauptmann von mit Schreiben vom 10. Jänner 1995 nach und legte den diesbezüglichen Verwaltungsakt vor.

3. Aus diesem Verwaltungsakt ist zu entnehmen, daß Herrn H K mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 9. Juni 1994, VerkR-1201/506/1993/Hä, in Anwendung des § 73 Abs.1 und Abs.2 KFG 1967 die von der Bundespolizeidirektion Linz am 17. August 1988 unter der Zahl F-4592/88 erteilte Lenkerberechtigung für die Gruppen A und B entzogen und dabei ausgesprochen wurde, daß für die Dauer von 60 Monaten, beginnend am 4. August 1993, keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf.

Dagegen hat H K rechtzeitig Berufung eingebracht.

Diese Berufung ist am 10. Juni 1994 bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land eingelangt. Die Bezirkshauptmannschaft LinzLand legte ihrerseits diese Berufung mit Schreiben vom 16.

Juni 1994 dem Landeshauptmann von OÖ. zur Entscheidung vor.

Dort ist der Akt am 20. Juni 1994 eingelangt. Mit Schreiben vom 28. Dezember 1994 hat der Berufungswerber schließlich unter Hinweis auf den Ablauf der Entscheidungsfrist beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich einen Devolutionsantrag gestellt.

Die Zuständigkeit zur Entscheidung über diesen Devolutionsantrag liegt wegen der ausgesprochenen Entziehungsdauer (5 Jahre) iSd § 123 Abs.1 KFG 1967 und § 73 Abs.2 AVG beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

4. Aus einem Schreiben des Landeshauptmannes von OÖ. vom 18. August 1994, VerkR-391.064/3-1994/Vie, welches an H K gerichtet war ist nachstehenes zu entnehmen wörtliche Wiedergabe:

"Das Landesgericht hat der Berufungsbehörde mitgeteilt, daß die Hauptverhandlung wegen des Ihnen mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Linz vom 23.7.1994 zur Last gelegten Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 2 StGB für 12./13.9.1994 angesetzt wurde.

Sofern die Gesetze nichts anderes bestimmen, ist die Behörde gemäß § 38 AVG berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung Ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens vor anderen Verwaltungsbehörden oder vor Gerichten oder auch vor der selben Behörde, jedoch in einem anderen Verfahren, bildet.

Die Verkehrszuverlässigkeit als Voraussetzung für den aufrechten Bestand der Lenkerberechtigung ist Gegenstand (und somit "Hauptfrage") des bei der Berufungsbehörde anhängigen Verwaltungsverfahrens; hingegen ist die Frage, ob eine bestimmte von den Gerichten zu ahndende Straftat begangen wurde und somit eine "bestimmte Tatsache" im Sinne des § 66 Abs. 2 KFG 1967 vorliegt, eine Vorfrage, die aufgrund der von der Staatsanwaltschaft Linz Anklageschrift vom 23.7.1994 wegen des Ihnen zur Last gelegten Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs.2 StGB beim Landesgericht Linz als Hauptfrage gleichzeitig anhängig ist. Abgesehen davon, daß § 38 AVG der Behörde eine Wahlmöglichkeit im Sinne eines Ermessens einräumt, muß festgestellt werden, daß eine selbständige Beurteilung der Tatfrage durch die Berufungsbehörde im Hinblick auf die Ermittlungstätigkeiten, die vom Landesgericht Linz zur Klärung des Sachverhaltes veranlaßt und durchgeführt werden, keinesfalls verwaltungsökonomisch und zweckmäßig wäre.

Die Berufungsbehörde teilt ihnen daher mit, daß das anhängige Berufungswerber (Anm. richtig wohl:

Berufungsverfahren) bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage ausgesetzt wird. Es wird darauf hingewiesen, daß es sich bei der gegenständlichen Mitteilung um keine bescheidmäßige Erledigung handelt.

Mit freundlichen Grüßen Für den Landeshauptmann:

Im Auftrag Dr. Viehböck".

Laut Mitteiltung des Landesgerichtes Linz vom 11.November 1994 wurde der Devolutionswerber am 15. September 1994 wegen §§ 217 Abs.1 letzter Fall, 288 Abs.1 und 12, 288 Abs.1 StGB zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, wobei der Vollzug eines Teiles von 16 Monaten Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen wurde. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Eine neuerliche Anfrage sollte in vier bis fünf Monaten gestellt werden.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 73 Abs.2 AVG ist ein Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Diese ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführende Verzögerung liegt aus nachstehenden Gründen nicht vor:

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 15.9.1969, Slg. 7632A, 20.9.1983, 83/11/0087 und 28.11.1989, 89/11/0150) liegt eine schuldhafte Verzögerung der Entscheidungspflicht der Behörde dann nicht vor, wenn die säumige Behörde gemäß § 38 AVG berechtigt war, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage auszusetzen und die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet. Dabei reicht es für die Annahme eines fehlenden Verschuldens der Behörde iSd § 73 Abs.2 AVG aus, daß die Behörde zur Aussetzung des Verfahrens berechtigt war, ohne einen Bescheid zu erlassen.

Auch der Verfassungsgerichtshof hat sich nach anfänglich gegensätzlicher Judikatur der Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofes angeschlossen und in der Entscheidung vom 2. März 1985, Slg 10375 ausgeführt:

"Der VfGH hält die bisherige Rechtsprechung nicht länger aufrecht. Die zu lösende Frage ist eine solche der Auslegung eines einfachen Gesetzes. Deshalb schließt sich der VfGH im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes der Meinung des VwGH an, zumal gegen das Ergebnis dieser Judikatur aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden ist." Soweit die gesicherte Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechtes, auch wenn diese von der Literatur nicht unbestritten blieb.

Im gegenständlichen Fall tritt aber hinzu, daß dem Berufungswerber mitgeteilt wurde, daß bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage durch das Gericht das Verfahren ausgesetzt wird. Die im zitierten Schreiben des Landeshauptmannes vom 18. August 1994 enthaltene Meinung, daß es sich bei dieser Aussetzung des Verfahrens um keine bescheidmäßige Erledigung handelt, kann seitens des unabhängigen Verwaltungssenates nicht geteilt werden. Es handelt sich bei der verfügten Aussetzung eindeutig um einen individuellen behördlichen Willensakt, der alle wesentlichen Bescheidelemente enthält.

Selbst wenn aber diese Aussetzung des Verfahrens tatsächlich keine bescheidmäßige Erledigung sein sollte, so bestand im Hinblick auf die vom Gericht zu beurteilende Vorfrage zumindest die Berechtigung zur Aussetzung des Verfahrens, was (ohne daß es eines Bescheides bedürfte) iSd oben zitierten Rechtsprechung bewirkt, daß die Annahme eines ausschließlichen Verschuldens der Behörde betreffend die objektiv vorliegende Verzögerung nicht anzunehmen ist, wobei mitzuprüfen ist, ob bei Vorliegen des Vorfragentatbestandes (also bei einer Verurteilung im Sinne des § 217 StGB) eine Tatsache im Sinne des § 66 Abs.2 KFG 1967 gegeben ist oder sein kann. Eine Straftat nach § 217 StGB kann nach Meinung der Berufungsbehörde eine die Verkehrsunzuverlässigkeit begründende Tatsache darstellen, was sich formalrechtlich aus dem Wort "insbesondere" und materiellrechtlich aus der Verwerflichkeit des Menschenhandels im Zusammenhang mit den zu diesem Verbrechen beim Lenken eines Kfz vorliegenden erleichternden Umständen ergibt.

Aus diesem Grunde war der Devolutionsantrag abzuweisen, weil eben die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Das bedeutet im Endergebnis, daß der Landeshauptmann von OÖ.

nach wie vor zur Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 9.Juni 1994, VerkR-1201/506/1993/Hä, zuständig ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

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