Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221710/2/Kon/Pr VwSen221711/2/Kon/Pr

Linz, 14.05.2001

VwSen-221710/2/Kon/Pr

VwSen-221711/2/Kon/Pr Linz, am 14. Mai 2001

DVR.0690392
 
 
 

E R K E N N T N I S
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Robert Konrath über die Berufung des Herrn R. T., vertreten durch Rechtsanwälte Dr. H. B. und Dr. J. B., L., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, vom 17.8.2000, Ge96-40-2000-Thd und Ge96-49-8-2000-Thd, mit dem sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt wird, zu Recht erkannt:
 
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
 
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.
 
Entscheidungsgründe:
 
Herr R. T. (im Folgenden: Bw) hat mit Eingabe vom 11.8.2000 an die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung betreffend seine versäumte Berufung gegen das Straferkenntnis vom 20.7.2000 gemäß § 71 Abs.1 AVG die Bewilligung für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
 
Zur Begründung brachte er hiezu im Wesentlichen vor:
Infolge eines Versehens durch Überblättern einer Seite gemeinsam mit der nächstfolgenden im Terminkalender habe der Beschuldigtenvertreter das Fristende für die Berufung irrtümlich eine Woche zu spät vermerkt. Dabei würde das tatsächliche Fristende regelmäßig nicht nur am letzten Tag der Frist, sondern auch einen Tag früher, und wenn das Fristende auf einen Montag falle, zudem für den vorangehenden Freitag vorgemerkt.
Durch dieses unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis sei der Beschuldigte verhindert gewesen, die Frist einzuhalten, da er ja der Auffassung gewesen wäre, das Fristende richtig eingetragen zu haben.
 
Dieser Irrtum sei dem Beschuldigtenvertreter am 11.8.2000 aus Anlass der Vorbereitung zur Berufung sofort aufgefallen und stelle ein Irrtum einen minderen Grad eines Versehens dar, der jedem sorgfältigen Menschen einmal passieren könne.
 
Schließlich seien dem Beschuldigtenvertreter bislang keine unrichtigen Fristvormerkungen unterlaufen und sei ihm dieser Irrtum selbst unerklärlich.
 
Dem Wiedereinsetzungsantrag des Bw ist eine entsprechende Erklärung seines Rechtsfreundes beigeschlossen.
 
Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem eingangs zitierten Bescheid diesen Wiedereinsetzungsantrag des Bw abgelehnt.
 
Die Ablehnung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass lt. ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten habe, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von - mit Präklusion sanktionierter - Prozesshandlungen sichergestellt sei.
Einer rechtskundigen Person müsse die Bedeutung einer Terminvormerkung bewusst sein, weshalb von einem minderen Grad des Versehens nicht die Rede sein könne.
 
Da der Parteienvertreter einen geeigneten Wiedereinsetzungsgrund nicht habe vorbringen können, wäre die Ablehnung des Antrages auszusprechen gewesen.
 
Gegen diesen, die beantragte Wiedereinsetzung, ablehnenden Bescheid richtet sich die vorliegende Berufung.
 
Als Berufungsgründe werden Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.
 
zu 1.: Verletzung von Verfahrensvorschriften
 
Die Erstbehörde habe dem Bw keine weitere Gelegenheit mehr gegeben, sich bezüglich der Organisation des Kanzleibetriebes zu äußern oder das unabwendbare bzw. unvorhersehbare Ereignis näher zu dokumentieren, worin nach der Rechtsprechung auch eine Verletzung des Parteiengehörs zu erblicken sei (VwGH vom 24.11., 96/08/0406).
Die Erstbehörde sei vielmehr - ohne weitere Beweise aufzunehmen - zum Nachteil des Bw einfach davon ausgegangen, dass ein geeigneter Wiedereinsetzungsgrund nicht vorläge.
Damit wäre der Bw aber im Recht auf Parteiengehör verletzt worden.
Zum Beweis der Richtigkeit seines bisherigen Vorbringens legt der Bw der vorliegenden Berufung noch die Kalenderblätter des Vormerkbuches (Kopien) betreffend den 3. bis 6.8., sowie den 7. bis 9.8.2000, den 10. bis 13.8.200 sowie den 14. bis 16.8.2000 vor.
 
Diesen Kopien der Kalenderblätter sei zu entnehmen, dass sich zum tatsächlichen Fristende kein Eintrag fände, sondern das Fristende infolge Überblättern einer Seite tatsächlich erst eine Woche später am 11.8.2000 und am 14.8.2000 eingetragen sei.
 
Weiters sei der bereits vorgelegten Erklärung zu entnehmen, dass der Vertreter des Bw seit 1.8.1988 in der Kanzlei des Vaters und seit 1.1.1999 als Rechtsanwalt gemeinsam mit ihm in der Kanzlei tätig sei und ihm bislang beim Vormerken von Fristen keinerlei Fehler unterlaufen seien.
 
Aus der Tatsache, dass die Fristen aber tatsächlich nicht von Kanzleiangestellten, sondern vom Rechtsanwalt selbst vorgemerkt würden, könne daher nicht auf eine unzureichende Organisation der Kanzlei geschlossen werden, sondern sei gerade das Gegenteil der Fall.
 
Die Angestellten seien tatsächlich angewiesen, alle Fristsachen dem Anwalt vorzulegen, der dann die Fristen vormerke. Dass auch ein Rechtsanwalt nicht vor einem derartigen Versehen, wie Überblättern einer Seite, gefeit sei, zeige der vorliegende Fall. Es dürfe jedoch die Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden, sonst wäre dem Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung völlig der Boden entzogen.
 
Schließlich habe der Bw auch dargetan, dass Dr. J. B. seit 1.8.1988 als Rechtsanwaltsanwärter in der Kanzlei des Vaters und seit 1.1.1999 als Rechtsanwalt gemeinsam mit seinem Vater tätig sei und er seither noch nie eine von ihm wahrzunehmende Frist versäumt habe.
 
Damit sei auch dokumentiert, dass der ihm unterlaufene Irrtum aus Anlass der Verfassung der Berufung am 11.8.2000 aufgefallen und er diese versäumte Verfahrenshandlung sofort nachgeholt habe.
 
Damit sei aber hinreichend glaubhaft gemacht, dass das Überblättern eines Wochenblattes des für Fristvormerkungen bestimmten Kanzleikalenders durch den Rechtsanwalt die Ursache des Irrtums bei der Eintragung des Fristendes gewesen wäre, was nach der Rechtsprechung die Wiedereinsetzung nicht hindere (vgl. VwGH vom 21.4.1998, 98/18/0013).
 
 
zu 2.: Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes
 
Zu diesem Berufungsgrund wird vorgebracht, die Erstbehörde habe dem Bw die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Außerachtlassung der Rechtsprechung (vgl. VwGH vom 21.4.1998, 98/18/0013) und infolge fehlender weiterer Erhebungen (vgl. die Ausführungen zu Punkt 1) zu Unrecht versagt.
 
In Ansehung der ebenfalls bescheinigten Tatsache, dass Dr. J. B. bislang - er ist seit 1.8.1988 als Rechtsanwaltsanwärter und seit 1.1.1999 als Rechtsanwalt in der Kanzlei tätig - kein Irrtum/Fehler bei den von ihm wahrzunehmenden Fristen unterlaufen sei, wäre dem Bw daher die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen gewesen, auch wenn an rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen sei als an rechtsunkundige Parteien, da ihn an der hier in Rede stehenden Fehlleistung kein Verschulden treffe, das über den Grad leichter Fahrlässigkeit hinausgehe.
 
Die versäumte Verfahrenshandlung sei auch unverzüglich - also innerhalb der 14-tägigen Frist - nachgeholt worden und sei sohin rechtzeitig erfolgt.
 
Der Bw stellt den Antrag:
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge der vorliegenden Berufung Folge geben und dem Bw die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligen.
 
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
Gemäß § 71 Abs.1 Z1 AVG ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, gegen die Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
 
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Ereignis unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht mit einberechnet hat und dessen Eintritt unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Das im Begriff der "Unvorhergesehenheit" gelegene Zumutbarkeitsmoment ist dahin zu verstehen, dass die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn der Partei oder wie im vorliegenden Fall ihrem Vertreter in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein "minderer Grad des Versehens" unterläuft. Ein solcher "minderer Grad des Versehens" (§ 1332 ABGB) liegt nur dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht. Der Wiedereinsetzungswerber darf nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten (und Behörden) und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige Personen (siehe Walter Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1998 unter Hinweis auf zahlreiche Judikatur des VwGH).
 
Das Vorliegen eines der Wiedereinsetzung nicht entgegenstehenden bloß minderen Grades des Versehens im Zusammenhang mit der Wahrung von Rechtsmittelfristen durch rechtsfreundlich vertretene Parteien und die damit verbundene Möglichkeit der Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist jedoch nach der Rechtsprechung des VwGH nur für jene Fälle in Betracht zu ziehen, in denen eine Frist durch ein Verhalten von Angestellten des Bevollmächtigten (Rechtsfreund) der Partei versäumt wurde und ein Verschulden der vertretenen Partei nicht vorliegt (Hauer/Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, S 669).
 
Liegt das Verschulden an der Versäumung der Prozesshandlung am Rechtsanwalt der Partei (und nicht nur dessen Kanzleikraft), schließt dies eine Wiedereinsetzung nach § 71 AVG aus (Hauer/Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens S 677 unter Hinweis auf VwGH 24.4.1978, 2163/77, 20.5.1981, 81/03/0066, als wohl nicht überholt).
Das diesfalls den Bevollmächtigten einer Partei treffende Verschulden ist so zu behandeln, als wenn es der Partei - im gegenständlichen Fall dem Bw - selbst unterlaufen wäre.
 
Der Rechtsfreund des Bw hat den Angaben im Wiedereinsetzungsantrag nach, die Fristvormerkung selbst und offensichtlich ohne Assistenz eines Kanzleiangestellten vorgenommen.
 
Es liegt sohin nicht jene Fallkonstellation vor, bei der der VwGH mit Erkenntnis vom 29.11.1994, 94/05/0199, einen die Wiedereinsetzung nicht ausschließenden minderen Grad des Versehens erblickt, bei welchem einem Kanzleiangestellten ein ähnlicher Fehler wie im gegenständlichen Fall passierte, die fehlerhafte Kalendierung der Frist jedoch im Beisein eines Juristen geschah.
 
Im Lichte der wiedergegebenen Rechtsansichten des Verwaltungsgerichtshofes vermag der Unabhängige Verwaltungssenat im Vorbringen des Bw keinen Bewilligungsgrund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erblicken.
Für den Unabhängigen Verwaltungssenat besteht auch kein Grund zur Annahme, dass der strenge Sorgfaltsmaßstab bei der Wahrung von Rechtsmittelfristen nicht auch bei Straferkenntnissen - mögen dies auch Bescheide sein, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist - gelten soll.
 
Aus den dargelegten Gründen war der Berufung der Erfolg zu versagen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.
 
Rechtsmittelbelehrung:
 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
Hinweis:
 
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.
 
Dr. K o n r a t h

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