Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105102/2/BR

Linz, 02.12.1997

VwSen-105102/2/BR Linz, am 2. Dezember 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn A gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 13. November 1997, Zl: III/ S-25368/97-4, wegen einer Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht: I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG; II. Als Kosten für das Berufungsverfahren werden dem Berufungswerber zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten 400 S (20% der verhängten Geldstrafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u. 2 VStG Entscheidungsgründe:

1. Die Erstbehörde hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis wider den Berufungswerber wegen Übertretung nach § 103 Abs.2 KFG iVm § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Fall der Nichteinbringlichkeit 72 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er es als für den Zulassungsbesitzer des KFZ mit dem Kennzeichen (D), der Firma A verantwortlicher Beauftragter auf Verlangen der Behörde (Bundespolizeidirektion Linz) nicht binnen zwei Wochen ab Zustellung der schriftlichen Aufforderung - zugestellt am 27. 8. 1997 - bis zum 10. 9.1997 dem Gesetz entsprechend darüber Auskunft erteilt, wer dieses KFZ am 17. Mai 1997 um 16.22 Uhr gelenkt hat. 2. Die Erstbehörde vertrat in ihrer Begründung im Kern die Rechtsauffassung, daß das die gegenständliche Anfrage auslösende Delikt (Geschwindigkeitsüberschreitung) in Österreich begangen worden sei und damit die österreichischen Verwaltungs- u. Verfahrensvorschriften anzu- wenden wären. Der Berufungswerber, welcher zur Vertretung des Fahrzeughalters nach außen berufen sei, könne sich nicht mit Erfolg auf ein Entschlagungsrecht berufen. Ferner führt die Erstbehörde noch aus, daß dem Zulassungsbesitzer die Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers mit internationalem Rückschein zugestellt worden sei und als Antwort auf diese Aufforderung lediglich über die Rechtsvertreter ein Ersuchen um Akteneinsichtnahme an die Behörde ergangen sei.

2.1. Der Berufungswerber bestreitet den Tatvorwurf nicht und verweist in seiner fristgerecht durch seine ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung lediglich darauf hin, daß er bislang noch nicht erfahren habe was ihm überhaupt zur Last gelegt würde. Er wisse auch nicht ob er das Fahrzeug zum Tattag am 17. Mai 1997 überhaupt geführt (gemeint gelenkt) habe. Er beantrage nochmals den Ermittlungsakt in Kopie zur Verfügung zu stellen. Mit diesem Vorbringen vermag der Berufungswerber eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Straferkenntnisses nicht darzutun! 3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt.

4. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war nicht erforderlich.

5. Unbestritten ist, daß der Berufungswerber in seiner Funktion als Geschäftsführer des Fahrzeughalters für die ihm von der Erstbehörde zugegangene Aufforderung zur Erteilung der Lenkerauskunft verantwortlich war und er die Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe - aus welchen Gründen auch immer - inhaltlich unbeantwortet ließ. Das dem Berufungswerber am 27. August 1997 zugegangene Formular - die Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe - brachte das an den Fahrzeughalter gerichtete Begehren in unmißverständlicher Deutlichkeit zum Ausdruck und hatte auch den Hinweis zum Inhalt, daß eine Nichterteilung der Auskunft strafbar ist. Ebenfalls war darin enthalten, an welchem Ort mit welchem Fahrzeug (für welches der Berufungswerber als Vertreter des Halters Verantwortung trägt) eine Übertretung nach der StVO 1960 in Österreich begangen wurde.

5.1. Es vermag daher dem Berufungswerber keinesfalls dahingehend gefolgt werden, daß ihm bislang nicht bekannt wäre, worum es in diesem Verfahren gegangen ist bzw. worum es geht. Dies konnte er bereits aus der Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe erkennen und läßt sich vor allem in der umfassenden Begründung des erstbehördlichen Straferkenntnisses entnehmen. Dies wurde seinen ag. Rechtsvertreter am 18. November 1997 zugestellt. Sein Berufungsvorbringen entbehrt daher einer inhaltlichen Grundlage.

6. § 103 Abs.2 KFG 1967 lautet:

Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung). Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück. Die Gestaltung des letzten Satzes als Verfassungsbestimmung erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG stehend und nicht im Widerspruch zu Art.6 MRK. Der Verfassungsgerichtshof hebt das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des (österreichischen) Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt, besonders hervor, bemerkt jedoch auch kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B-VG und den dadurch in Form einer Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses [VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 u.a.]. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. Erk. vom 29. September 1993, Zl. 93/02/0191) liegt der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, daß der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann. Dieser Intention schließt sich auch der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich an, weil aus der Sicht der Praxis eine effektive Verkehrsüberwachung sonst nicht ausreichend gewährleistet scheint. In dieses Konzept müssen alle die österreichischen Straßen benützenden Fahrzeuge (auch außerösterreichische) einbezogen werden können. Gemäß § 2 Abs.1 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen - hier ist keine Ausnahme gegeben - nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Nach § 2 Abs.2 VStG ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat ODER HÄTTE HANDELN SOLLEN ODER WENN DER - zum Tatbestand gehörende - ERFOLG IM INLAND EINGETRETEN IST. Bei Verweigerung der Erteilung der Lenkerauskunft gilt - anders als nach der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0055) - nicht der Ort an welchem etwa eine solche Aufforderung dem "Verpflichteten" zugekommen ist, sondern - als Tatort gilt - der Sitz der anfragenden Behörde, als Ort der geschuldeten Handlung (VwGH 14. Juni 1995, Zl. 95/03/0102 u. VwGH [verst. Senat] 31. Jänner 1996, Zl.93/03/0156). Die vom Berufungswerber geübte Verweigerung ist sohin als im Inland begangen zu erachten. Im Lichte dieser nunmehrigen Rechtsprechung liegt daher die hier zum Vorwurf gemachte Tat nicht (mehr) außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches des österreichischen Verwaltungsstrafrechtes, weil eben der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist. Es macht in diesem Zusammenhang keinen Unterschied ob die geschuldete Handlung hier vom Ausland zu initialisieren gewesen wäre oder dies bei einem österreichischen Zulassungsbesitzer in aller Regel vom Inland aus geschieht oder zu geschehen haben wird. Schließlich kann der Intention des § 103 Abs.2 KFG in diesem Zusammenhang auch keine andere Bedeutung zugedacht werden, als ein nach dem deutschen Kraftfahrrecht eingetragener Fahrzeughalter einem Zulassungsbesitzer iSd § 37 Abs.2 KFG gleichzustellen ist. Sollte sich der Berufungswerber an die spezifische Aufforderung einer österreichischen Behörde nicht gebunden erachten - was er in der Berufung zwar nicht dartut - und "grundgesetzliche Bedenken" gemäß der deutschen Verfassung im Auge haben, bezöge er sich auf die Begrenzung des staatlichen Gebotsbereiches auf das Territorium des Staatsgebietes (Territorialitätsprinzip). Auch einer solchen Argumentation wäre entgegenzuhalten, daß sich der staatliche Gebotsbereich in der Figur des "Schutzprinzips" auch auf außerhalb des Staates befindliche Personen bezüglich Verhalten, die sich gegen ein inländisches Rechtsgut richten, erstreckt (Walter-Mayer, Grundriß des Bundesverfassungsrechtes, 8. Auflage, RZ 176). Als Anknüpfungsfaktum ergibt sich hier die Verwendung des Kraftfahrzeuges im Bundesgebiet der Republik Österreich für welches der Berufungswerber Verantwortung trägt. Die Bindung an eine österreichische Gesetzesbestimmung ist aus dem Ingerenzprinzip, welches durch die Verwendung dieses Fahrzeuges in Österreich ausgelöst wurde, ableitbar. Diese am Gesetzeszweck orientierte Auslegung erfordert - wie im Ergebnis schon dargelegt - einerseits die obzitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (Zl. G72/88), andererseits impliziert das mit der Verwendung eines Kraftfahrzeuges im Hoheitsgebiet eines anderen Staates begründete Ingerenzverhältnis zu den einschlägigen Gesetzen dieses Staates, einen ausreichenden inländischen Anknüfungsgrund (vgl. VfSlg. 9183/91 - Erk. v. 1. Juli 1981, B 521/80, 47/81). Der Berufungswerber vermag daher mit seiner Berufung dem angefochtenen Bescheid nicht mit Erfolg entgegentreten. Auch die jüngste Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bestätigt im Ergebnis die oben vertretene Rechtansicht (VwGH 28.2.1997, 96/02/0508 u.a.). 6.1. Ebenfalls konnte sie sich angesichts des Hinweises bezüglich der Strafbarkeit der Verweigerung der Lenkerbekanntgabe schon in der Aufforderung (zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers) nicht entschuldigend auf einen diesbezüglichen Rechtsirrtum berufen.

7. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

7.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, daß die von der Erstbehörde verhängte Strafe durchaus angemessen ist. Grundsätzlich ist der Unwertgehalt dieser Übertretungen als nicht bloß geringfügig zu erachten gewesen. Es liegt im öffentlichen Interesse, insbesondere im Interesse der Pflege der Verkehrssicherheit, daß ein Fahrzeuglenker, welcher straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zuwiderhandelt, einer entsprechenden Bestrafung zugeführt werden kann. Angesichts des bis zu 30.000 S reichenden Strafrahmens kann selbst beim zuzuerkennenden Milderungsgrund der Unbescholtenheit und der fiktiven Annahme eines bloß durchschnittlichen Einkommens in der Ausschöpfung des Strafrahmens im Ausmaß von weniger als 10 % keine Überschreitung des Ermessensspielraumes durch die Erstbehörde erblickt werden. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r