Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-700002/6/WEI/An

Linz, 16.03.2006

 

 

VwSen-700002/6/WEI/An Linz, am 16. März 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des L K, Staatsangehöriger von G, unstet, vertreten (Zustellvollmacht) durch Mag. D M, p.A. C, H, L, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle West, vom 3. Februar 2006, Zl. 05 21.554-BBetrG - EAST WEST, wegen Entzugs der Grundversorgung nach dem Bundesbetreuungsgesetz (BGBl Nr. 405/1991 idF BGBl I Nr. 32/2004) nunmehr Grundversorgungsgesetz - Bund 2005- GVG-B 2005 (BGBl I Nr. 100/2005) zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 2 Abs 4 GVG-B 2005; § 64 Abs 2 AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle West (BAA EAST-West) vom 3. Februar 2006 wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) wie folgt abgesprochen:

 

"S p r u c h

 

  1. Dem Asylwerber K L, geb. wird die auf Grund des Bundesbetreuungsgesetzes BGBl I Nr. 405/1991 idF BGBl I Nr. 100/2005 bisher gewährte Versorgung gemäß § 2 Abs 4 iVm § 1 Zi. 3 Bundesbetreuungsgesetz BGBl I Nr. 405/1991 idF BGBl Nr. 100/2005 mit Wirksamkeit vom Tag der Zustellung dieses Bescheides e n t z o g e n.

 

II. Einer gegen diese Entscheidung eingebrachten Berufung kommt gemäß § 64 Abs. 2 AVG k e i n e aufschiebende Wirkung zu."

 

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Berufung vom 7. Februar 2006, die am 9. Februar 2006 offenbar rechtzeitig beim BAA EAST-West eingebracht wurde und die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das BAA oder die Weitergewährung der Grundversorgung unter Auflagen oder mit Einschränkung anstrebt. Außerdem wird die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.

 

In Rahmen eines vom Oö. Verwaltungssenat zur Mängelbehebung durchgeführten Verbesserungsverfahren hat der Bw mit Schreiben vom 1. März 2006, ho. eingelangt am 8. März 2006, mit eigenhändiger Unterschrift bestätigt, dass die Berufung von ihm stammt und er Frau Mag. D M von der C zumindest Zustellvollmacht erteilt. Damit gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht und war in der Sache zu behandeln.

 

1.3. Die belangte Behörde hat mit Kurzmitteilung vom 14. Februar 2006 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich per Telefax Aktenteile (Bescheidentwurf, Berufung mit Beilage) "Zur Kenntnisnahme" ohne weiteren Kommentar vorgelegt.

 

2.1. Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde zum Sachverhalt begründend aus, dass der Bw am 9. Dezember 2005 bei der Erstaufnahmestelle West des Bundesasylamtes einen Asylantrag gestellt habe, in die Grundversorgung des Bundes aufgenommen und in der Erstaufnahmestelle untergebracht worden sei.

 

Am 31. Jänner 2006 sei mit Aktenvermerk der Polizeiinspektion St. Georgen/A. gemeldet worden, dass der Bw zusammen mit dem weiteren Asylwerber I O den A H aus dem Fenster des Fernsehraums geworfen hätte, wobei an der Gebäudefassade Sachschaden (Fassadenplatte) entstanden wäre. Danach führt die belangte Behörde wörtlich Folgendes zur weiteren Begründung aus:

 

"Der Entscheidung die Grundversorgung einzuschränken, ging vor der erkennenden Behörde keine Anhörung des Asylwerbers voraus.

 

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens stellt das Bundesasylamt fest:

 

 

Der Ast. war am 31.1.2006 Beteiligter eines Vorfalles in der EAST-West, wobei Sachschaden entstand.

 

 

Beweiswürdigung:

 

Einsicht genommen wurde in die Meldungen bzw. Berichte des PI St. Georgen im Attergau bzw. EAST WEST:

 

 

Mail vom 31.01.2006 vollinhaltlich:

 

E1/2847/2006 St Georgen i A, 31.01.2006

 

 

O I, K L

und H A

 

 

Aktenvermerk

 

A H saß am 31.01.2006 vor dem Fernsehgerät, im Vorraum der EHC St Georgen i A, Thalham 80. Aus unbekannter Ursache wurde er von I O und L K dort aus dem Fenster geworfen. K prallte gegen einen Schneehaufen, wurde dabei aber nicht verletzt. Beim Aufstehen zog er sich mit der Hand an der Vertäfelung hoch und brach dabei eine Tafel der Fassadenverkleidung.

 

 

Nationale:

I O, R Stb, AIS

L K,G Stb, AIS

A H, R Stb, AIS

 

Sachbearbeiter:

 

Dienststellenleiter:

 

(H, RevInsp)"

 

2.2. "Bei der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes" gab die belangte Behörde Rechtsvorschriften (§ 1 BBG; Art 6 Abs 1 Grundversorgungs vereinbarung nach Art 15a B-VG; § 2 BBG) wieder, ohne den neuen Kurztitel "Grundversorgungsgesetz - Bund 2005" und die Abkürzung "GVG-B 2005" durch BGBl I Nr. 100/2005 zu beachten. Nach Wiedergabe der genannten Bestimmungen wird zum Spruchpunkt I schablonenhaft wie folgt ausgeführt:

 

"Eine Anhörung gemäß § 2 Abs. 6 Bundesbetreuungsgesetz konnte wegen Gefahr im Verzuge ohne Aufschub nicht stattfinden.

 

Der ASt. hat massiv gegen die Hausordnung der Betreuungseinrichtungen des Bundes verstoßen. Die Verstoß ist als grob iS des § 2 Abs 4 BBG zu qualifizieren, weil der ASt. damit seine Mitbewohner sowie die einschreitenden Beamten gefährdete. Die Ordnung in der Betreuungseinrichtung war durch sein Verhalten beeinträchtigt.

 

Es ist keine nachvollziehbare Rechtfertigung für das wiederholt abträgliche Verhalten des ASt. ersichtlich.

 

Auch rechtfertigen die Handlungen des Asylwerbers die Annahme, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür gegeben ist, dass er jederzeit wieder ein solches Verhalten setzen könnte.

 

Darüber hinaus war dem Verhalten des Asylwerbers aber auch zu entnehmen, dass er der Einhaltung der Hausordnung - schwere Verstöße gegen die in der Hausordnung angeführten Sicherheitsbestimmungen - nicht den geringsten Stellenwert beimisst, da er trotz Einschreiten der Exekutive sein aggressives Verhalten nicht einstellte. Auf Grund seiner Handlungsweisen ist überdies davon auszugehen, dass er auch künftig keinesfalls bereit sein wird, ein solches großes Maß an gegenseitiger Rücksichtnahme, wie sie der Aufenthalt in einer Erstaufnahmestelle von allen Bewohnern im gemeinsamen Interesse erfordert, an den Tag zu legen.

 

Da das Ermittlungsverfahren ergeben hat, dass keinesfalls ausgeschlossen werden kann, dass vom Asylwerber in absehbarer Zeit jederzeit wieder ein solches Verhalten gesetzt werden könnte, welches die Sicherheit in der Betreuungsstelle unmittelbar gefährden könnte und das Ermittlungsverfahren darüber hinaus auch noch konkrete Anhaltspunkte (siehe schon oben) dafür ergeben hat, dass der Asylwerber nicht gewillt ist, der Einhaltung der Hausordnung d.h. insbesondere auch dem Erfordernis der gegenseitigen Rücksichtnahme, den unbedingt notwendigen Stellenwert beizumessen, erscheint der erkennenden Behörde der Entzug der Grundversorgung als unbedingt geboten.

 

Es war damit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

 

Der Zugang zu medizinischer Notversorgung wird damit nicht beschränkt!"

 

2.3. Zur Begründung des im Spruchpunkt II verfügten Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung einer Berufung nach § 64 Abs 2 AVG heißt es abermals schablonenhaft:

 

"Im Hinblick darauf, dass das Ermittlungsverfahren hervorgebracht hat, dass keinesfalls ausgeschlossen erscheint, dass der Asylwerber abermals ein solches Verhalten setzen wird, durch welches die Sicherheit der übrigen Bewohner der Betreuungsstellen einer unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt wird und auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich der Asylwerber hinkünftig an die für die Erstaufnahmestelle geltende Hausordnung halten wird, erscheint aus Sicht der erkennenden Behörde nicht nur der Entzug der Grundversorgung geboten, sondern erscheint es auch im Hinblick auf die besondere Situation in einer Erstaufnahmestelle - sich ergebend aus den allgemeinen Schwierigkeiten beim Zusammenleben einer Vielzahl von Angehörigen verschiedenster Volksgruppen, weiters auch im Hinblick auf die besonderen psychischen Belastungen bzw. Anspannungen, welchen sich der überwiegende Teil der in einer Erstaufnahmestelle während ihres Zulassungsverfahrens wohnhaften Asylwerber ausgesetzt sieht, aber auch insbesondere auf Grund der besonders schwierigen Situation, welcher sich das Personal einer Betreuungsstelle, aber auch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, bei der Aufrechterhaltung der der Ordnung in einer solchen Einrichtung, gegenüber sehen - geboten die aufschiebende Wirkung einer Berufung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug anzuschließen.

Durch einen weiteren Aufenthalt des Asylwerbers in der Erstaufnahmestelle würde dem öffentlichen Wohl - durch die Gefahr einer schweren Beeinträchtigung der Sicherheit der Bewohner der Betreuungsstelle bzw. aber auch der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Ordnung in der Betreuungseinrichtung - ein derart gravierender Nachteil drohen, dass das Interesse des Asylwerbers an einer Umsetzung der Entlassung aus der Grundversorgung in die Wirklichkeit erst nach Rechtskraft des Bescheides in den Hintergrund zu treten hat.

 

Es war damit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden."

 

3.1. In der Berufung, die offenbar von einer Mitarbeiterin der C für den Bw verfasst worden ist, wird die Richtigkeit des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalts bestritten. Richtig sei, dass A H am 31. Jänner 2006 aus Jux aus dem Fenster des Fernsehraumes im Erdgeschoss der Bundesbetreuungsstelle gesprungen wäre. Es hätte weder einen Streit, noch Handgreiflichkeiten gegeben. Man wäre in besonders ausgelassener Laune gewesen, die A dazu veranlasste, das Fenster zu öffnen und den ungefährlichen Sprung vom Erdgeschoßfenster in den Schnee zu machen. Beim Aufstehen hätte er sich an der Vertäfelung des Hauses festgehalten und dabei habe sich ein Teil gelöst. Der Bw hätte sich weder aggressiv gegenüber A H oder anderen Personen verhalten, noch hätte er vorsätzlich die Hausordnung verletzt. Dies würde auch dadurch ersichtlich, dass ihm die Betreuer in der Erstaufnahmestelle noch erlaubten, bis Sonntag in dieser zu verbleiben.

 

A H hätte diese Angaben bereits schriftlich bestätigt und auch der Polizei gegenüber geäußert. Seine schriftliche Stellungnahme wäre in der Erstaufnahmestelle nicht angenommen und seinen Angaben, dass es kein Problem zwischen uns gegeben hätte, von der Polizei kein Gehör geschenkt worden.

 

Die Berufung rügt weiter als Verfahrensmangel, dass der Bw keine Gelegenheit hatte, zu den Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen. Eine Anhörung gemäß dem § 2 Abs 6 GVG-B wäre unterblieben, obwohl eine solche in der rund um die Uhr besetzten Erstaufnahmestelle leicht möglich gewesen wäre. Hätte ihn die Behörde angehört, wäre der bekämpfte Bescheid nicht erlassen worden.

 

Der Bescheid sei auch inhaltlich rechtswidrig, weil die vom Gesetz geforderte (§ 2 Abs 4 GVG-B) wiederholte und nachhaltige Gefährdung der Ordnung nicht vorliege. Außer dem Vorfall vom 31. Jänner 2006 sei dem bekämpften Bescheid kein Verhalten des Bw zu entnehmen, welches gegen die Hausordnung verstößt. Es werde lediglich ausgeführt, der Bw hätte sein aggressives Verhalten nicht eingestellt. Auf welchen Sachverhalt die belangte Behörde dabei Bezug nimmt, sei aus dem Bescheid nicht ersichtlich. Auch sei dem Bescheid nicht zu entnehmen, worin die Nachhaltigkeit der Gefährdung bestehe, zumal außer einer Sachbeschädigung keine Folgen eintraten. Die belangte Behörde habe dadurch ihre Begründungspflicht verletzt.

 

Da es sich um einen einmaligen harmlosen Spaß gehandelt hätte, der leider zu einer Sachbeschädigung führte, hätte die belangte Behörde durch eine Verwarnung, die Erteilung von Auflagen oder durch eine Einschränkung der Grundversorgung den angestrebten Zweck erreichen können. Wiederholungsgefahr habe angesichts der vom Bw geschilderten Sachlage nicht bestanden.

 

Die medizinische Notversorgung des Bw wäre derzeit nicht gesichert, da er keinen Krankenversicherungsschutz mehr hätte. Er wäre angewiesen worden, sich im Falle einer Erkrankung an die Erstaufnahmestelle zu wenden. Ein solches Vorgehen wäre unrealistisch, da sich in der Nähe keine Notunterkünfte für Obdachlose befänden und der Bw derzeit keine finanzielle Unterstützung erhielte, mit der er ein Ticket nach St. Georgen im Attergau bezahlen könnte. Von Linz aus wäre der weite Weg nach Thalham im Falle einer Erkrankung nicht möglich. Die Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, den Krankenversicherungsschutz aufrecht zu erhalten.

 

Wie bereits dargestellt, läge im Fall des Bw Gefahr im Verzug nicht vor. Sein Aufenthalt in der Erstaufnahmestelle gefährdete weder das Wohl der untergebrachten Asylwerber, noch die Ordnung. In Linz wäre er gezwungen im Freien zu übernachten und sich tagsüber am Bahnhof aufzuwärmen. Seine Gesundheit wäre bereits schwer beeinträchtigt. Ein Platz in der Notschlafstelle wäre nicht frei. Seiner Berufung wäre daher die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Zum Beweis wird auf eine Bestätigung der C vom 9. Februar 2006 verwiesen, wonach für den Bw bis dahin keine Unterbringung organisiert hätte werden können.

 

3.2. Mit dem Schriftsatz "BEWEISVORLAGE" hat die C L ein Telefax vom 13. Februar 2006 der C, A, S, an den Oö. Verwaltungssenat per Telefax am 14. Februar 2006 weitergeleitet. In dieser Nachricht ist handschriftlich Folgendes zu lesen:

 

"Von A H

08.02.2006.

Hallo ich bin A H i und l haben mich nicht Venster raus geschmussen sonder ich bin selbst raus gesprungen

 

Unterschrift H"

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1. Das Grundversorgungsgesetz - Bund 2005 (GVG-B 2005) ist gemäß seinem § 16 Abs 12 am 01. Jänner 2006 zur Gänze in Kraft getreten. Gemäß § 9 Abs 1 GVG-B 2005 ist das Bundesasylamt Behörde erster Instanz. Über Berufungen entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern durch Einzelmitglied, wobei sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Ort der zuletzt gewährten Grundversorgung bzw nach dem Sprengel, in dem das asylrechtliche Zulassungsverfahren geführt wird oder wurde, richtet (vgl § 9 Abs 2 und 3a GVG-B 2005).

 

Nach § 2 Abs 1 GVG-B 2005 leistet der Bund Asylwerbern im Zulassungsverfahren Versorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes (§ 1 Z 5). Darüber hinaus sorgt der Bund in gleichem Ausmaß für Fremde, deren Asylantrag im Zulassungsverfahren

 

  1. zurückgewiesen oder
  2. abgewiesen wurde, wenn der Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, solange ihr diese nicht wieder zuerkannt wird,

 

bis diese das Bundesgebiet verlassen, solange sie in einer Betreuungseinrichtung des Bundes untergebracht sind.

 

Gemäß § 2 Abs 4 GVG-B 2005 kann die Versorgung von Asylwerbern und sonstigen Fremden gemäß Abs 1, die

 

  1. die Aufrechterhaltung der Ordnung durch grobe Verstöße gegen die Hausordnung der Betreuungseinrichtungen (§ 5) fortgesetzt oder nachhaltig gefährden oder
  2. gemäß § 38a Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991 aus der Betreuungseinrichtung weggewiesen werden

 

von der Behörde eingeschränkt, unter Auflagen gewährt oder entzogen werden. Diese Entscheidung darf jedoch nicht den Zugang zur medizinischen Notversorgung beschränken.

 

Nach § 2 Abs 6 GVG-B 2005 hat der Entscheidung, die Versorgung einzuschränken oder zu entziehen, eine Anhörung des Betroffenen, soweit dies ohne Aufschub möglich ist, voranzugehen. Die Anhörung des Betroffenen ist insbesondere nicht möglich, wenn er zwar zur Anhörung geladen wurde, jedoch zu dieser nicht erscheint oder wenn sein Aufenthalt unbekannt ist.

 

Gemäß § 1 Z 3 GVG-B 2005 sind unter Versorgung: die gemäß Art 6 und 7 der Grundversorgungsvereinbarung (vgl Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG, BGBl I Nr. 80/2004) zu erbringenden Leistungen zu verstehen.

 

4.2. Nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats ist die belangte Behörde ihrer Pflicht gemäß § 37 AVG zur amtswegigen Ermittlung des für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalts nicht nachgekommen.

 

Wie oben aus Punkt 2.1. hervorgeht hat die belangte Behörde in Wahrheit kein eigenständiges Ermittlungsverfahren durchgeführt, sondern sich zur Begründung ihrer tatsächlichen Annahmen allein auf die wörtliche Wiedergabe eines ihr per E-Mail übermittelten Aktenvermerks vom 31. Jänner 2006 der Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau beschränkt. Dieser Aktenvermerk wird unter der Überschrift "Beweiswürdigung" ohne irgendeine Angabe von maßgebenden Erwägungen der belangten Behörde wiedergegeben. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum sich der Vorfall so wie im Aktenvermerk geschildert - "Aus unbekannter Ursache wurde er von I O und L K dort aus dem Fenster geworfen." - zugetragen haben soll. Aus diesem Aktenvermerk geht nicht einmal hervor, wie bzw auf Grund welcher Beweismittel der Meldungsleger RevInsp H zu seiner knappen fünfzeiligen (!) Darstellung eines Vorfalles kommt, bei dem A H vom Bw und I O aus dem Fenster geworfen worden sein soll. Eine eigene dienstliche Wahrnehmung wurde weder behauptet, noch ist sie sonst aus den Umständen ersichtlich. Ebenso wenig finden sich Angaben über Aussagen der beteiligten Personen oder über befragte Auskunftspersonen.

 

Auf der Grundlage dieses Aktenvermerks, der bestenfalls als erste Meldung oder Anzeige eines möglicherweise gegen die - ebenfalls nicht aktenkundige - Hausordnung verstoßenden Vorfalles zu werten war, durfte die belangte Behörde noch keine Tatsachenfeststellungen treffen. Sie hätte vielmehr im Interesse einer zuverlässigen Beweissicherung die beteiligten Personen einschließlich dem Bw unverzüglich an Ort und Stelle zur Sache vernehmen müssen, um diese Personen auf eine Aussage festzulegen und sich ein hinreichendes Bild von dem angezeigten Ereignis machen zu können. Indem die belangte Behörde diese wesentlichen Verfahrensschritte unterließ, hat sie nicht nur das Anhörungsrecht des offenbar ohnehin in der Erstaufnahmestelle anwesenden (gegenteilige behördliche Angaben fehlen) - Bw gemäß § 2 Abs 6 GVG-B 2005 mißachtet, welches nur ausnahmsweise (arg.: "..., soweit dies ohne Aufschub möglich ist,..") vernachlässigt werden darf, sondern auch den Grundsatz der amtswegigen Wahrheitserforschung im Ermittlungsverfahren verletzt.

 

Die nunmehr in der Berufung gegebene denkmögliche Darstellung, wonach der Bw keine Aggressionshandlung gesetzt und auch nicht vorsätzlich gegen die Hausordnung verstoßen hätte, weil A H in ausgelassener Laune aus eigenem Antrieb aus dem Fenster im Erdgeschoss gesprungen wäre, kann auf Basis der gegebenen Aktenlage nicht widerlegt werden. Im Gegenteil spricht das dem Oö. Verwaltungssenat übermittelte handschriftliche Bekenntnis des A H für die Darstellung in der Berufung.

 

Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats kann außerdem keinerlei tatsächliche Umstände aus dem angefochtenen Bescheid erkennen, die auf Gefahr im Verzug hindeuten. Es erscheint in keiner Weise plausibel, wodurch und inwiefern die belangte Behörde gehindert gewesen sein sollte, ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchzuführen. Auch im Hinblick auf das durchaus glaubhafte Vorbringen der Berufung, wonach der Bw, der den angefochtenen Bescheid am 4. Februar 2006 übernommen hat, noch bis Sonntag (05.02.2006) in der Erstaufnahmestelle verbleiben durfte, ist es nicht nachvollziehbar, wie die belangte Behörde von einer nachhaltigen Gefährdung durch den Bw und Gefahr im Verzuge ausgehen konnte.

 

4.3. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die belangte Behörde gemessen an den getroffenen rechtlichen Schlussfolgerungen einen unzureichenden Sachverhalt angenommen hat, der noch dazu auf Grund eines grob mangelhaften Verfahrens erhoben worden ist. Somit ist es nicht verwunderlich, dass die belangte Behörde auch nicht in der Lage war, ihren Bescheid ausreichend gemäß § 58 Abs 2 iVm § 60 AVG zu begründen (vgl dazu näher mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens3 [2003] Anm 4 und 5 sowie insb E 6 f zu § 60 AVG).

 

Die oben im Punkt 2.2. wörtlich angeführten Passagen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheids zeigen deutlich, dass die belangte Behörde nur eine ganz allgemein gehaltene, schablonenhafte Scheinbegründung für das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs 4 GVG-B 2005 gegeben hat. Ohne konkrete auf den Einzelfall bezogene Argumente werden Behauptungen aufgestellt, denen ein anderer als der tatsächlich festgestellte Sachverhalt zugrunde liegen müsste, wollte man ihre Schlüssigkeit bejahen.

 

So werden im angefochtenen Bescheid ohne Anführung eines entsprechenden Tatsachensubstrats beispielsweise folgende Begründungsschablonen verwendet:

 

"Der ASt. hat massiv gegen die Hausordnung der Betreuungseinrichtungen des Bundes verstoßen."; oder der Verstoß sei "als grob iS des § 2 Abs 4 BBG zu qualifizieren, weil der ASt. damit seine Mitbewohner sowie die einschreitenden Beamten gefährdete." oder es sei keine nachvollziehbare Rechtfertigung für "das wiederholt abträgliche Verhalten des ASt." ersichtlich oder der Asylwerber messe der Einhaltung der Hausordnung nicht den geringsten Stellenwert bei, "da er trotz Einschreiten der Exekutive sein aggressives Verhalten nicht einstellte" oder das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass vom Asylwerber "in absehbarer Zeit jederzeit wieder ein solches Verhalten gesetzt werden könnte, welches die Sicherheit in der Betreuungsstelle unmittelbar gefährden könnte" oder es habe auch noch "konkrete Anhaltspunkte (siehe schon oben)" dafür ergeben, dass der Asylwerber nicht gewillt sei, "der Einhaltung der Hausordnung d.h. insbesondere auch dem Erfordernis der gegenseitigen Rücksichtnahme, den unbedingt notwendigen Stellenwert beizumessen".

 

Woran hat die belangte Behörde bei diesen Redensarten wohl gedacht? Der im Aktenvermerk der Polizeiinspektion St. Georgen i.A. vom 31. Jänner 2006 angesprochene Sachverhalt allein kann es nach den Denkgesetzen jedenfalls nicht sein. Welcher nicht aktenkundige Sachverhalt diesen Floskeln immer gerecht werden mag, die belangte Behörde konnte mit formelhaften Redewendungen jedenfalls nicht geeignete Tatsachenfeststellungen substituieren. Die Berufung hat zutreffend zur Wendung "...trotz Einschreiten der Exekutive sein aggressives Verhalten nicht einstellte" darauf hingewiesen, dass aus dem Bescheid nicht ersichtlich ist, auf welchen Sachverhalt die belangte Behörde Bezug nimmt. Ebenso wenig kann dem Bescheid zur angeblichen Nachhaltigkeit der Gefährdung etwas Konkretes entnommen werden.

 

Nach § 2 Abs 4 Z 1 GVG-B 2005 wird vorausgesetzt, dass der Asylwerber die Aufrechterhaltung der Ordnung durch grobe Verstöße gegen die Hausordnung der Betreuungseinrichtung fortsetzt oder nachhaltig gefährdet. Die belangte Behörde hat keine Sachverhaltsmerkmale festgestellt, die ausreichend wären, um diese gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Selbst wenn man von dem in Wahrheit nicht beweiskräftigen Aktenvermerk der Polizeiinspektion St. Georgen i.A. ausgeht, läge nur ein einziger Verstoß gegen die Hausordnung ohne Verletzungsfolge mit eher nur geringem Sachschaden (eine Tafel der Fassadenverkleidung brach beim Aufstehen) vor, der nicht einmal als schwer wiegend und damit grob einzustufen wäre, falls - was die belangte Behörde nicht aufklärte - tatsächlich nur ein Jux dahinter war. Mangels konkreter Anhaltspunkte kann nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats jedenfalls nicht schlüssig angenommen werden, dass mit diesem Vorfall die öffentliche Ordnung fortgesetzt oder nachhaltig gefährdet worden wäre.

 

Im Ergebnis fehlt es bereits an einem für die Subsumtion unter die Bestimmung des § 2 Abs 4 Z 1 GVG-B 2005 ausreichenden Sachverhalt. Die Tatbestandsmerkmale dieses Entziehungs- oder Einschränkungstatbestandes können auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der belangten Behörde (noch) nicht erfüllt sein und der angefochtene Bescheid ist schon deshalb inhaltlich rechtswidrig.

 

4.4. Was den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung nach § 64 Abs 2 AVG betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde in keiner Weise dargelegt hat, dass eine vorzeitige Vollstreckung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten gewesen sei. Sie hat abermals, ohne am Fall orientierte, konkrete Erwägungen anzustellen, mit einer bloß schablonenhaften Scheinbegründung operiert, die mit dem festgestellten Sachverhalt eigentlich kaum etwas zu tun hat (vgl oben Punkt 2.3.).

 

Es ist aus der Aktenlage entgegen den substanzlosen Behauptungen der belangten Behörde in keiner Weise ersichtlich, welche schwerwiegende Beeinträchtigung des öffentlichen Wohles bzw der Sicherheit der Bewohner der Erstaufnahmestelle durch den Aufenthalt des Bw unmittelbar gedroht hätte, so dass das Interesse des Bw an einer Umsetzung des Bescheides erst nach Rechtskraft in den Hintergrund zu treten hatte. Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den angefochtenen Bescheid war demnach ebenfalls rechtswidrig.

 

5. Im Ergebnis war der angefochtene Bescheid mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen in beiden Spruchpunkten ersatzlos aufzuheben. Mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 9 Abs 3 GVG-B 2005 in der Berufung wird der Bw auf die gegenständliche Entscheidung verwiesen. Ein gesonderter Abspruch erscheint nicht mehr notwendig.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
  2. Im gegenständlichen Verfahren sind Bundesstempelgebühren in Höhe von 13 Euro für die Berufung, 3,60 Euro für eine Beilage, 13 Euro für "BEWEISVORLAGE" und 3,60 Euro für eine Beilage sowie 13 Euro für den Verbesserungsschriftsatz, insgesamt daher von 46,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Dr. W e i ß

 

 

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