Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105363/2/Br

Linz, 15.04.1998

VwSen-105363/2/Br Linz, am 15. April 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 2. März 1998, Zl: VerkR96-8436-1997, wegen einer Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht: I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG; II. Als Kosten für das Berufungsverfahren werden dem Berufungswerber zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten 100 S (20% der verhängten Strafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u. 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Erstbehörde hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis wider den Berufungswerber wegen Übertretung nach § 103 Abs.2 KFG iVm § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe von 500 S und für den Fall der Nichteinbringlichkeit 14 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er es als Zulassungsbesitzer (Fahrzeughalter) des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 17.12.1997, zugestellt am 22.12.1997, unterlassen habe Auskunft darüber zu erteilen, wer dieses Fahrzeug am 2. 6.1997 um 11.12 Uhr, auf der A8, Km 68.010 gelenkt hat oder wer diese Auskunft darüber erteilen kann, indem er am 29.12.1997 lediglich angegeben habe von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch zu machen.

2. Die Erstbehörde verweist in der Begründung des Straferkenntnisses im wesentlichen auf die einschlägige österreichische Gesetzesbestimmung und auf die dazu ergangene Judikatur des VwGH (Verwaltungsgerichtshof), wonach die Verpflichtung zur Auskunftserteilung auch für ausländische Zulassungsbesitzer bzw. Fahrzeughalter gelte (VwGH 31.1.1996, 93/03/0156). Ebenfalls verweist die Erstbehörde auf den Umstand, daß der Berufungswerber sich wegen des Hinweises auf die Strafbarkeit der Verweigerung in der Aufforderung zur Auskunftserteilung auch nicht auf eine entschuldigende Rechtsunkenntnis berufen könne. 2.1. Dagegen wandte sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen, fälschlich "als Einspruch gegen die Strafverfügung" bezeichneten, Berufung. Er geht darin inhaltlich nicht auf die ausführliche Begründung des Straferkenntnisses ein, sondern hegt in überflüssiger und nicht sachbezogener Weise Überlegungen über das Verhältnis des Einkommens des Organes der Erstbehörde zu der von diesem Organ wider ihn verhängten Geldstrafe. Abschließend vermeint er - ebenso jeglicher Sachbezogenheit entbehrend - diese Bestrafung als reines Abzocken von Touristen qualifizieren zu müssen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verwaltungsakt. Daraus ergibt sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt, so daß eine weitere Beweisaufnahme unterbleiben konnte. 3.1. Da keine 10.000,- S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Da der Berufung im Ergebnis nur eine Rüge im Hinblick auf eine unrichtige Rechtsanwendung entnommen werden kann, konnte die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung unterbleiben. 4. Wie sich aus der Aktenlage zweifelsfrei ergibt, wurde das Fahrzeug des Berufungswerbers am 2.6.1997 um 11.12 Uhr auf der A8, bei km 68.01, in Fahrtrichtung Suben, mit wesentlich überhöhter Geschwindigkeit gemessen. In der Folge wurde mit Schreiben vom 17.12.1997 der Berufungswerber zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers aufgefordert. Diese Aufforderung enthielt auch den Hinweis der Strafbarkeit der Verweigerung der geforderten Auskunft. Der Berufungswerber beantwortete dieses Schreiben inhaltlich nicht, sondern teilte auf dem entsprechenden Antwortformular lediglich mit, daß er vom Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch mache.

4.1. Der Berufungswerber vermag sich daher weder mit Erfolg auf einen Rechtsirrtum berufen, noch vermag er mit seiner - inhaltlich zum Teil der gebotenen Sachlichkeit entbehrenden - Berufung eine Rechtswidrigkeit des Straferkenntnisses nicht darzutun. Der Berufungswerber verkennt offenbar gänzlich, daß die Behörde - vertreten durch deren Organwalter - im Rahmen des Legalitätsprinzips (Art. 18 B-VG) zur Vollziehung der(s) Gesetze(s) verpflichtet ist. 5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Der § 103 Abs.2 KFG 1967 lautet: Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück. 5.1.1. Die Gestaltung des letzten Satzes als Verfassungsbestimmung erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG stehend und nicht im Widerspruch zu Art.6 MRK. Der Verfassungsgerichtshof hebt das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt, besonders hervor, bemerkt jedoch auch kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B-VG und den dadurch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses [VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 u.a.]. Da jedoch im Stadium der Lenkererhebung durch die Namhaftmachung eines Lenkers eine unmittelbare "Selbstbeschuldigung" bzw. die "Auslieferung" einer nahe stehenden Person in ein Strafverfahren nicht erfolgt und jedenfalls damit ein allenfalls nachfolgendes Strafverfahren gegen die namhaft gemachte Person nicht präjudiziert wird, scheinen keine Gegensätze zu Grundsätzen der EMRK gegeben. Ein Widerspruch zur EMRK ist im Lichte des VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 aus innerstaatlicher Sicht zumindest vordergründig nicht zu erblicken. Nach bisher ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, daß der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann (vgl. u.a. Erk. vom 29. September 1993, 93/02/0191). Dieser Intention schließt sich auch der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in seiner Rechtsprechung an, weil aus der Sicht der Praxis eine effektive Verkehrsüberwachung sonst nicht ausreichend gewährleistet scheint. In dieses Konzept müssen alle die österreichischen Straßen benützenden Fahrzeuge (auch Ausländer) einbezogen werden können (vgl. jüngst auch VwGH 28.2.1997, 96/02/0508). Gemäß § 2 Abs.1 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen - hier ist keine Ausnahme gegeben - nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Nach § 2 Abs.2 VStG ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat ODER HÄTTE HANDELN SOLLEN ODER WENN DER - zum Tatbestand gehörende - ERFOLG IM INLAND EINGETRETEN IST. Bei Verweigerung der Erteilung der Lenkerauskunft gilt - anders als nach der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0055) - nicht der Ort an welchem etwa eine solche Aufforderung dem "Verpflichteten" zugekommen ist, sondern - als Tatort gilt - der Sitz der anfragenden Behörde, als Ort der geschuldeten Handlung (VwGH 14. Juni 1995, Zl. 95/03/0102 u. VwGH [verst. Senat] 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156). Die vom Berufungswerber geübte Verweigerung - auch die Mitteilung die Auskunft nicht erteilen zu können oder - wie hier - vom Entschlagungsrecht Gebrauch machen zu wollen, kommt einer Verweigerung gleich - und ist sohin als im Inland begangen zu erachten. Im Lichte der auf den Tatort bezogenen geänderten Rechtsprechung liegt daher nunmehr die hier zum Vorwurf gemachte Tat nicht (mehr) außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches des österreichischen Verwaltungsstraf-rechtes, weil eben der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist. Es macht in diesem Zusammenhang keinen Unterschied ob die geschuldete Handlung hier vom Ausland zu initialisieren gewesen wäre oder dies bei einem österreichischen Zulassungsbesitzer in aller Regel vom Inland aus geschieht. 5.1.2. Sollte sich der Berufungswerber - was er jedoch nicht ausdrücklich dartut - an die spezifische Aufforderung einer österreichischen Behörde nicht gebunden erachtet haben und sich auf "allgemein verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Anwendbarkeit dieser gesetzlichen Bestimmung außerhalb des Hoheitsgebietes von Österreich" und sich damit auf die Begrenzung des staatlichen Gebotsbereiches auf das Territorium des Staatsgebietes (Territorialitätsprinzip) berufen wollen, müßte ihm auch mit dieser Argumentation ein Erfolg versagt bleiben. Der staatliche Gebotsbereich erstreckt sich in der Figur des "Schutzprinzips" auch auf außerhalb des Staates befindliche Personen, sofern deren Handeln sich gegen ein inländisches Rechtsgut richtet (Walter-Mayer, Grundriß des Bundesverfassungsrechtes, 8. Auflage, RZ 176). Als Anknüpfungsfaktum ist hier die offenkundig vom Willen des Berufungswerbers getragene Verwendung dessen Kraftfahrzeuges im Bundesgebiet der Republik Österreich und die aus dieser Verwendung des Kraftfahrzeuges - hier ausgelöst durch eine damit einhergehende Normverletzung mit diesem Kraftfahrzeug - und den damit begründeten Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung, heranzuziehen (vgl. etwa VwGH 11.5.1993, Zl.90/08/0095). Diese am Gesetzeszweck orientierte Auslegung erfordert - wie im Ergebnis schon dargelegt - einerseits die obzitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (Zl. G72/88), andererseits impliziert das mit der Verwendung eines Kraftfahrzeuges im Hoheitsgebiet eines anderen Staates begründete Ingerenzverhältnis zu den einschlägigen Gesetzen dieses Staates, einen ausreichenden inländischen Anknüpfungsgrund. Die Einbeziehung auch ausländischer Fahrzeugverantwortlicher in dem vom § 103 Abs.2 KFG erfaßten Regelungsinhalt ist hier als Ausübung der staatlichen Souveränität in Form der Berufung auf das völkerrechtlich anerkannte Schutzprinzip begründet.

Ebenfalls könnte sich der Berufungswerber angesichts des Hinweises bezüglich der Strafbarkeit der Verweigerung der Lenkerbekanntgabe schon in der Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nicht entschuldigend auf einen diesbezüglichen Rechtsirrtum berufen.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, daß die von der Erstbehörde verhängte Strafe sehr niedrig bemessen wurde. Grundsätzlich ist der Unwertgehalt dieser Übertretungen als nicht bloß geringfügig zu erachten. Es liegt im öffentlichen Interesse, insbesondere im Interesse der Pflege der Verkehrssicherheit, daß ein Fahrzeuglenker, welcher straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zuwiderhandelt, einer entsprechenden Bestrafung zugeführt werden kann. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite war von der Schuldform der vorsätzlichen Verweigerung der Auskunft auszugehen, wenngleich die Berufungsbehörde nicht übersieht, daß der deutschen Rechtsordnung eine vergleichbare Bestimmung fremd ist. Der Verweigerung der Auskunft werden daher durchaus achtenswerte und subjektivtatseitig schuldmildernde Umstände zuerkannt. Angesichts des bis zu 30.000 S reichenden Strafrahmens kann aber trotzdem, selbst beim zuzuerkennenden Milderungsgrund der Unbescholtenheit und der Fiktion eines bloß durchschnittlichen Einkommens, in der Ausschöpfung des Strafrahmens im Ausmaß von unter 2 %, keine Überschreitung des Ermessensspielraumes durch die Erstbehörde erblickt werden. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten. Dr. B l e i e r Beschlagwortung: Territorialitätsprinzip, Schutzprinzip, Souveränität

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